10. Kapitel
Mit über der Brust verschränkten Armen schritt Fane über die vom Wind gepeitschten Burgmauern von Tangston Keep. In einer dunklen Ecke blieb er stehen, lehnte sich gegen eine Zinne und starrte in den von Feuer erhellten Außenhof. Der kalte Stein ließ seinen Arm taub werden, dennoch wandte er sich nicht ab. Er beobachtete die Knappen, Musikanten und die Dienstmägde, die sich um das große Feuer geschart hatten. Obszöne Scherze, begleitet von Gelächter, drangen zu ihm empor. Bierkrüge klirrten. Das lustige Treiben galt ihm, man wünschte ihm viel Freude mit seiner Frau im Bett, während er hier alleine dastand. Über alle Maßen erregt. Verstoßen.
Ärger stieg in ihm hoch. Immer wieder kam ihm das Staunen auf den Gesichtern der Wachen in den Sinn, als er aus dem Gemach gestürmt war. Doch er hatte sie einfach beiseite geschoben. Sie würden niemals erfahren, dass die Ehe nicht vollzogen worden war. Nur er und Rexana wussten, was vorgefallen war. Nur sie wussten, dass sie sich ihm verweigert hatte.
Noch immer wogten Wellen der Lust durch sein Blut und durchfluteten seine Lenden. Ein kräftiger Wind blies unbehaglich gegen seinen Rücken, sein Gesäß und seine Oberschenkel. Doch ihm kam das gerade recht. Es lenkte ihn von seinen Gedanken an zerwühlte Bettlaken und Rexanas nackten Körper ab.
Ein bitteres Lachen blieb ihm in der Kehle stecken. Sie hatte ihn mit ihrem temperamentvollen Wesen ganz schön überrascht, als sie ihm die Gründe dafür aufgelistet hatte, weshalb sie Jungfrau bleiben wollte. Keine andere Frau hätte es jemals gewagt, ihm so entgegenzutreten.
Der Wind frischte erneut auf und wehte ihm das Haar in die Augen. Gelächter drang von dem lärmenden Volk um das Feuer zu ihm herauf. Einige Männer und Frauen saßen zusammen auf dem Boden, die glühenden Gesichter vom Licht des Feuers erhellt, andere sangen oder tanzten zu zünftiger Lautenmusik.
Sein Blick fiel auf ein Pärchen, Bedienstete, ihrer Kleidung nach zu schließen, das sich zur Musik drehte. Die Frau blickte den Mann voller Begierde an, kam dann näher heran und lockte ihn mit ihrem Körper und ihren Augen zu sich. Führte ihn in Versuchung.
Fanes Hände krallten sich in seinen Unterarmen fest. Er hätte gewollt, dass auch Rexana ihn mit diesem Verlangen, dieser Leidenschaft und lodernden Hitze ansah, die in ihrer Seele brannte.
Wie von der Musik beflügelt, griff der Mann plötzlich nach der Hand der Frau. Wirbelte sie herum, drängte sie aus dem Licht des Feuers in den Schatten eines unbenutzten Wagens. Sein Kopf versank zwischen ihren Brüsten, dann hob er ihren Rock.
Unfähig, seinen Blick von ihnen abzuwenden, sah Fane zu, wie die Frau sich gegen den Karren zurücklehnte und ihre nackten Beine um die Taille des Mannes schlang. Er fingerte an seiner Kleidung herum, bewegte seine Hüften, und ihrem Mund entfuhr ein Stöhnen. Mit wilder Eindringlichkeit passte sie sich den Stößen des Mannes an.
Ein erstickter Seufzer entfuhr Fanes Lippen. Er wandte sich ab und kniff die Augen zusammen, um die lüsternen Bilder zu unterdrücken, die in ihm hochkamen. Oh, was hätte er bloß darum gegeben, Rexana so fügsam, so willig und voller Verlangen vor sich zu haben.
Doch das würde niemals geschehen …
Außer er unternahm etwas gegen die Gründe, aus denen sie ihn ablehnte. Oder er machte es ihr unmöglich, ihre Bedürfnisse noch weiter zu unterdrücken.
Oder seine.
Ein zartes Lächeln legte sich auf seine Lippen. Eine angemessene Herausforderung. Rexana hatte geschworen, ihn niemals zu lieben, aber sie begehrte ihn. Das hatte sie zugegeben.
Begehren konnte zu Liebe werden.
Ja, sie musste lernen, ihn zu lieben, denn ihre Seelen verband derselbe Tanz. Sie gehörte zu ihm, er würde sie niemals gehen lassen.
Fane lief die Zinnen entlang. Die Brise stach in sein Gesicht, doch ihm war leichter ums Herz. Er musste sie umwerben. Sie in Versuchung führen und so lange ihr Herz und ihre Seele bestürmen, bis sie sich ihm aus freiem Willen hingab. Dann würde sie wie er vor Verlangen brennen.
O ja, das war fürwahr eine angemessene Herausforderung.
Das Feuer brannte nur noch schwach, als Rexana vor den Türen des Gemachs Gemurmel hörte. Sie war sofort auf der Hut, drehte ihren Kopf auf dem Kissen und blinzelte durch die Dunkelheit des Zimmers zur Tür. Dann krallte sie ihre Finger in die Bettdecke. Wartete.
Die Türen gingen auf, von draußen fiel ein schwacher Lichtstrahl in das Zimmer.
Rexana schloss die Augen.
Sie konnte Fanes Anwesenheit spüren, noch bevor er die Tür hinter sich geschlossen und seine Füße auf die Dielen gesetzt hatte. Anspannung schien wie eine zärtliche Hand durch den dunklen Raum, in dem sie auf ihrer Seite des Bettes mit dem Gesicht zum Feuer lag, nach ihr zu greifen. Sie zwang sich zu gleichmäßigen Atemzügen und tat so, als würde sie glückselig schlafen.
Doch das stimmte nicht, denn sie hatte sich unzählige Male hin- und hergewälzt und ihr Kissen immer wieder herumgedreht und neu aufgeschüttelt.
Der Gedanke an sein lockendes Lächeln, an das begierige Glänzen seiner Augen und den Geschmack seiner festen, schön geformten Lippen quälte sie noch immer.
Ihr Herz warnte sie, dass sie den Betrug bereuen würde, den sie zwischen sie hatte treten lassen.
Seine Schritte waren plötzlich nur noch dumpf zu hören. Er hatte den Teppich betreten. Nur mit äußerster Mühe gelang es ihr, ruhig dazuliegen. Sie spürte, wie er näher kam, immer näher.
Ihre Nerven zitterten vor Erwartung.
Neben dem Bett blieb er stehen. Hinter ihr. Die Hitze seines Körpers wärmte ihren Rücken. Er roch nach Abendluft.
Rexana unterdrückte einen Schauder. Was hatte er vor? War er zurückgekommen, um sie jetzt … zu nehmen?
Er schien eine Ewigkeit über ihr zu verharren. Sie spürte, wie sein Blick über ihre Schulter, dann über ihren Arm, den sie auf der Bettdecke ausgestreckt hatte, und über die Wölbung ihres Körpers darunter wanderte. Sie machte sich gefasst auf die Berührung seiner Hand auf ihrer Schulter, ein Gefühl, das sie fürchtete und zugleich doch ersehnte. Ihre Brust spannte sich, bis ihr das Atmen schwer fiel. Und doch gelang es ihr auf wundersame Weise, still zu bleiben.
Kurz darauf wandte er sich ab und ging zum Kamin.
Erleichtert stieß sie die Luft aus.
Fane blieb stehen.
Hatte er etwas gehört? Mit geschlossenen Augen wartete sie ab und lauschte, konnte aber nichts als das Knacken des Feuers hören.
Die Stille dehnte sich aus. Heiliger Himmel, was war bloß los? Schlich er etwa zu ihr zurück? Sie verdrängte einen inneren Warnschrei und öffnete ihre Augen.
Er stand am Ende des Bettes. Sein dunkler, prüfender Blick traf sich mit ihrem. »Ihr schlaft also doch nicht.«
Sie schluckte. »Ich habe geschlafen, Mylord«, sagte sie etwas ungehalten, »bis Ihr mich geweckt habt.«
Sein Lachen erfüllte den dunklen Raum. »O Rexana, habt Ihr denn noch immer nicht begriffen, dass ich genau weiß, wann Ihr mich belügt?« Seine Zähne blitzten im Halbdunkel auf.
»Nun gut, ich habe nicht geschlafen. Wie hätte ich auch, ich wusste ja nicht, wo Ihr wart.«
Sein Lächeln verschwand. »Ihr habt mich doch von Euch gestoßen, habt mich abgewiesen. Warum solltet Ihr also wissen wollen, wohin ich gehe?«
Sein rauher Ton reizte sie. Was wollte er damit sagen? Sie umklammerte die Bettdecke und setzte sich auf. Sein Blick schwankte, fiel auf ihre Lippen und glitt dann zu ihrem nackten Hals und ihrem Dekolleté herab, das nur von den Laken bedeckt war. Nur sehr langsam kehrte seine Aufmerksamkeit wieder zu ihrem Gesicht zurück.
Dann verspannte sich sein Kiefer. Etwa vor Ärger? Oder Missbilligung? Missfiel ihm, wie sie so halb entkleidet aussah?
Rexana ließ sich jedoch nicht von seinem prüfenden Blick von ihrem Vorhaben abbringen. »Wo seid Ihr gewesen?«
»Was denkt Ihr wohl, wo ich war?«
Ein schrecklicher Gedanke kam ihr in den Sinn. »Habt Ihr etwa meinem Bruder etwas angetan? Bei Gott, wenn Ihr ihm etwas zuleide tut, weil ich Euch abge …«
Die Laken verrutschten, und Fanes Blick glitt sofort zu ihren Brüsten. Mit zitternden Händen griff sie nach der Decke und klemmte sie unter die Achseln.
Fane seufzte. »Glaubt mir, Euer Bruder ist der Letzte, den ich sehen möchte.«
»Wo seid Ihr dann …«
»Das spielt keine Rolle.« Fane wandte ihr den Rücken zu, durchquerte das Zimmer, ging neben dem Kamin in die Knie und schürte das Feuer neu. Er konzentrierte sich auf diese einfache Handlung, als koste es ihn unglaubliche Anstrengung, sie zu vollenden.
Sie starrte auf sein ungebändigtes Haar, das über seine Schultern fiel, und seinen starken Nacken. Auf seine schön geformten Schenkel, die sichtbar wurden, wenn er nach einem Holzscheit griff. Sein Wams glitt beiseite und entblößte seinen prall bemuskelten, sehnigen Körper, unterstrich seine männliche Kraft.
Rexanas Kehle verengte sich. Jede Frau, die nicht ganz von Sinnen war, hätte seinen schönen Körper geschätzt.
Eine andere Frau vielleicht.
Dieser Gedanke verdüsterte ihren Geist wie zäher Nebel und verwandelte ihre Sorge um sein Vorhaben in einen schrecklichen Verdacht, der ihr den Atem raubte. War Fane mit einer anderen ins Bett gegangen? Sie wagte zunächst nicht, ihn danach zu fragen, konnte aber schließlich nicht anders. »Habt Ihr Euch mit einer anderen Frau vergnügt?«
Er hielt inne und lachte erstaunt, bevor er ein letztes Holzscheit in das Feuer warf. Dann wischte er sich die Hände an den Hosen ab und sah sie an. »Wäre das denn so schlimm?«
Die Antwort klang laut wie eine Kirchenglocke in ihrem Herzen. »Das würde ich Euch niemals verzeihen.«
Ihm schien das zu gefallen, denn sein gelassenes Grinsen kehrte zurück. »Es freut mich, Liebste, dass Ihr so denkt. Ich schwöre Euch bei meiner verfluchten Seele, dass ich heute Nacht bei keiner anderen Frau war. Eine andere interessiert mich auch nicht.« Sein Ton wurde nun heiser. »Ich begehre nur Euch.«
Dann kam er zum Bett, zu ihr.
Rexanas Finger gruben sich in die Bettdecke. Ihre Fingernägel kratzten über den Stoff. »Mylord …«
»Diese Nacht kein Flehen, keine unfreundlichen Worte, keine Zurückweisungen mehr, mein kleines Feiglein.«
Seine Worte betäubten sie. Er hatte vor, sie zu nehmen. Jetzt.
Sie warf sich in die Kissen zurück, starrte auf die zerknitterte Bettdecke und ließ ihre Hände sinken. Sie konnte nicht mehr widersprechen. Eine verräterische Erregung stieg in ihr auf, führte sie in Versuchung und drängte sie, sich zurückzulehnen und anzunehmen, wonach sie sich insgeheim so sehr sehnte.
Zitternd blickte sie auf. Er griff nach dem Saum seines Wamses. Heiliger Himmel, sie wusste nicht, was sie sagen sollte, um ihn aufzuhalten und ihre Jungfräulichkeit zu bewahren. Sie hatte keine Ahnung, wie sie ihn davon abhalten konnte, ihre Ehe vor dem Gesetz und vor Gott zu vollziehen.
Mit einer geschmeidigen Bewegung zog er sich das Wams über den Kopf und ließ es auf den Boden fallen. Ihr Blick fiel auf seine Brust.
Jegliche Sorgen um ihr eigenes Wohl schwanden dahin.
Seine gebräunte Haut war über und über mit Narben, kleinen hässlichen roten Geschwulsten und Peitschenspuren übersät. Ein dicker, ungleichmäßiger Schmiss zog sich an seinen Rippen entlang. Ein bitterer Geschmack stieg in ihr auf und erstickte ihre Erregung und Angst. Was war ihm bloß zugestoßen? Wer hatte ihn so zugerichtet, und wie hatte er diese Höllenqualen ertragen können?
Er bemerkte, wie sie ihn ansah. Seine Augen verdunkelten sich, füllten sich mit Unbehagen, und dennoch sah er nicht weg. Als wollte er sie herausfordern, vor Entsetzen zu vergehen oder auf mädchenhafte Weise in Ohnmacht zu fallen, griff er an die Knöpfe seiner Hose. Und lächelte.
Rexana musste schlucken. Sie hatte schon oft Männer mit nackten Oberkörpern gesehen, aber keiner davon hatte so breite Schultern gehabt oder war so beeindruckend gewesen wie Fane. Oft war sie an heißen Sommertagen mit Rudd baden gegangen, ohne sich darüber Gedanken zu machen. Doch hier, in Fanes Bett, erschienen ihr diese Zeiten weit fort und schrecklich kindlich.
Seine Finger fummelten an den Knöpfen herum. Als sie ihn anstarrte, bemerkte sie, dass ihr der Mund offen stand, so dass sie ihn gleich wieder schloss. Sie musste wegschauen und wieder die mädchenhafte Haltung annehmen, die ihr über viele langweilige Jahre eingetrichtert worden war. Sie durfte Fane nicht wie eine lüsterne Kurtisane mit ihren Blicken verschlingen.
Dennoch konnte sie ihre Augen nicht von ihm abwenden.
Brennende Neugier packte sie. Welch männliches Geheimnis verbarg sich unter dem wollenen Stoff? Woher kam die faszinierende Ausbuchtung zwischen seinen Schenkeln?
Sie fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. Er sah es, und sein Blick wurde heißblütiger. Ein ersticktes Stöhnen entfuhr ihm. Er atmete tief ein und fluchte heftig.
Verlegenheit erstickte ihre köstliche Neugier, und sie schloss die Augen. Ihre Wangen glühten. Ihm missfiel wohl, dass sie ihn angestarrt hatte. Er stieß sich an ihrer Liederlichkeit und fühlte sich verpflichtet, ihr unangemessenes Verhalten zu zügeln. Ihr barbarischer Ehemann hatte mehr Anstand, als sie gedacht hatte.
»Legt Euch hin, Rexana, und schließt die Augen.«
Ein Ruck durchfuhr ihr Herz. »Warum?«
Sein Mund spannte sich. Er musste zweifellos wütend darüber sein, dass sie nicht sofort tat, was er von ihr verlangt hatte. »Gehorcht mir. Es wird für Euch leichter sein.«
»Aber …«
»Tut es, Rexana.«
Sein grimmiger Ton ließ ihren letzten Widerstand dahinschwinden. Sie streckte sich aus und zog die Decke bis unters Kinn, spähte dann aber doch noch einmal in einem letzten trotzigen Aufbegehren unter den Wimpern hervor. Sie drehte den Kopf auf dem Kissen und lugte zum Kamin. Zu ihm.
Er hatte ihr den Rücken zugedreht, und der Glanz des Feuers beleuchtete die Muskeln seiner Schultern, Rippen und seines Rückgrats. Er war wunderschön.
Und brutal zugerichtet worden.
Als ihr Blick über ihn glitt, schwankte sie zwischen Zorn und Bedauern. Hässliche Striemen übersäten seinen Rücken, weitaus grausamer und tiefer als die auf seiner Brust. Diese Wunden waren ihm nicht nur zugefügt worden, um ihm körperliches Leid zu bereiten, sondern um seinen Willen zu brechen. Es waren barbarische Wunden.
Tränen stiegen ihr in die Augen. Am liebsten wäre sie mit ihren Händen über seine Narben gefahren, hätte sie liebkost, ihm mit zärtlichen Berührungen zu verstehen gegeben, dass seine Männlichkeit dadurch in keinster Weise in Frage gestellt wurde. Hätte ihm gestanden, mit Worten so sanft wie ihre Gesten, wie abscheulich sie fand, was man ihm angetan hatte.
Und dass ihr … etwas an ihm lag.
Ein Schauder durchfuhr sie. Welch törichter Gedanke. Er wollte ihr Mitleid nicht. Er wollte ihren Körper. Er wollte ihre Ehe und ihre Übereinkunft vollziehen. Er hatte ihr befohlen, die Augen zu schließen, damit sie seine Narben nicht sah, bevor er in sie eindrang. Glaubte er denn, dass sie ihn leichter akzeptierte, wenn er ihr erst einmal die Jungfräulichkeit genommen und sie unwiderruflich an ihn gebunden hatte? Glaubte er, dass die Narben auf seinem Körper keine Rolle mehr spielten, wenn er sie erst einmal entjungfert hatte?
Ein leises Geräusch warnte sie, dass er die Knöpfe seiner Hose gelöst hatte. Ihr Puls fing zu rasen an. Vorsicht und Neugier kehrten zurück, doch diesmal stärker. Sie bemühte sich, ihre Augen geschlossen zu halten – oh, wie sehr sie sich anstrengte –, doch die Neugier siegte.
Er fuhr mit den Händen zu seinen Hüften, die Hose glitt herab und entblößte eine weiche, mit dunklen Härchen übersäte Haut und eine Narbe auf seinem Schenkel, so groß wie ihre Faust.
O Gott.
Er richtete sich auf. Als spürte er ihren Blick, fragte er: »Habt Ihr noch immer die Augen geschlossen, Liebste?«
»Äh, ja.«
»Gut.«
Als er sich umdrehte, kniff sie die Augen zusammen. Ein letztes Bild seines flachen Bauches, einer Masse schwarzer Haare und seines kraftvollen, harten Fleisches flimmerte vor ihr, bevor sie ihre Lider schloss.
Noch bevor Rexana überlegen konnte, was sie soeben gesehen hatte, wurden die Laken beiseite gezogen, und das Bett neigte sich auf einer Seite nach unten. Sie kullerte auf Fane zu, quiekte und klammerte sich an die Matratze, um nicht auf ihn zu rollen. Auf dem Bauch liegend, öffnete sie ihre Augen, stützte sich auf den Armen ab und kämpfte um ihr Gleichgewicht.
»Ihr habt mir nicht gehorcht. Ihr habt Eure Augen nicht geschlossen.«
Er lag auf der Seite, die Bettlaken bis zur Hüfte hochgezogen, und hielt den Kopf in die Hand gestützt. Unter einer Haarsträhne, die seine Augen leicht verdeckte, funkelte es vielversprechend, bedeutungsvoll und voller Verlangen.
»Ich wollte sehen, wie Ihr gebaut seid, Mylord«, sagte sie. Er kicherte. Ohne einen Hauch von Unaufdringlichkeit wanderte sein Blick zu ihrem Hemd und ihren Brüsten, die gegen die Matratze drückten. »Oh, Rexana, Ihr seid sehr tapfer, dennoch klingt Angst in Eurer Stimme. Morgen werdet Ihr Euch nicht mehr so sehr vor mir fürchten.«
Ein Zittern ließ sie vom Hals bis zu den Zehenspitzen erschaudern. »Dreiste Worte, Mylord.«
Er hob eine Augenbraue. »Glaubt Ihr etwa nicht, dass ich Euch besitzen kann?«, fragte er, krabbelte mit der freien Hand über das Bettlaken und schloss sie um ihre verkrampften, gespreizten Finger. Die Wärme seiner schwieligen Handfläche ließ unsichtbare Funken über ihren Arm sprühen und entfachte leidenschaftliche Hitze in ihr.
»Ich denke, Ihr werdet es probieren.« Sie versuchte sich freizumachen, doch er ließ sie nicht los.
»Ich werde es probieren, und es wird mir gelingen.« Sein Lächeln füllte sich mit unverfrorener Wollust. »Ich werde Euch mit Leib und Seele besitzen.«
Sie zitterte am ganzen Körper und versuchte, etwas Abstand zu gewinnen, doch er hielt sie fest, fuhr mit seinen Fingern unter ihre Handgelenke, griff noch fester zu und zog sie sanft, aber bestimmt an sich. Ihr Hemd straffte sich über der Brust. Die Haut an ihrem Hals und ihren Brüsten fing zu prickeln an, als hätte er sie dort berührt.
»Kommt her, Ehefrau. Mich hungert nach Eurem Geschmack.«
Erregung breitete sich in ihr aus.
Sein Blick verdunkelte sich, glühte.
Er starrte auf ihre Lippen und neigte dann den Kopf zu ihr herab.
»Fane …«, flüsterte sie, bevor sein Mund den ihren berührte. Warm und sicher umfingen seine Lippen sie und erfüllten sie mit seinem Geschmack und seinen Worten.
Er nuckelte an ihrer Unterlippe, sog sie zwischen seine Lippen ein. Sie warf ihren Kopf zurück, doch er fuhr fort, neckte sie. Als hätte sie keine Gewalt über ihren verräterischen Körper, öffnete sich ihr Mund wie eine die Sonne begrüßende Knospe. Seine Zunge glitt zwischen ihre Lippen, und sie stöhnte vor Verlangen, fühlte den Hunger, der tief in ihr brannte. Wie konnte sie ihn zurückstoßen, wenn er solche Gefühle in ihr auslöste? Wie konnte sie ihm widerstehen, wenn er sie doch schon bald darum bitten würde, sich zurückzulehnen und zu ergeben?
Als sie hilflos zitternd nach Luft schnappte, beendete er seinen Kuss. Hob seinen Kopf und lächelte.
Er nahm ihre Hand in seine, bebend vor Verlangen, und gab ihr einen zärtlichen Kuss auf die Finger. »Gute Nacht, Rexana.«
»Gute … Nacht?«
Er nickte und legte ihre Hände wieder auf die Matratze. Tätschelte ihre Finger, als bedaure er, ihr Zusammentreffen hier beenden zu müssen, als habe er keine andere Wahl.
Schließlich legte er sich auf sein Kissen zurück, faltete seine Hände auf der Decke und schloss die Augen.
Rexana versuchte die Verwirrung aus ihren vom Kuss benebelten Sinnen zu verbannen. Sie blickte auf sein edles Gesicht, auf seinen Mund, der sie noch kurz zuvor in Versuchung geführt hatte. »Ihr wollt mich nicht verführen, Mylord?« Ihr Körper loderte wie das Maifeuer im Frühling.
Er öffnete ein Auge. »Seid Ihr etwa enttäuscht? Ich dachte …«
»Nein, ich …«
Gähnend bedeckte er seinen Mund mit der Hand. »Ich bin müder, als ich dachte. Das war ein ereignisreicher Tag heute. Ihr habt nichts zu befürchten. Im Grunde will ich Euch gar nicht entjungfern.«
Er gähnte erneut, drehte sich auf die andere Seite und wandte das Gesicht von ihr ab. Schließlich atmete er tief aus und lag dann still.
Rexana runzelte die Stirn und starrte auf Fanes zerschundenen Rücken und sein Haar auf dem Kopfkissenbezug. Verwirrung, Verlangen und Enttäuschung brausten in ihr auf wie ein Frühlingssturm. Er wollte sie nicht. Er hatte sie zurückgewiesen und ihre Jungfräulichkeit verschont. Sie sollte froh darüber sein, statt sich danach zu sehnen, dass er seine Meinung änderte.
Das Bett quietschte, als sie zurück auf ihre Seite rutschte. Ihr Hemd hatte sich irgendwie in ihren Knien verheddert, so dass sie sich mit finsterem Blick aufsetzte, das Bettlaken beiseite zog, es glatt strich und dabei noch mehr Lärm machte. Doch Fane rührte sich nicht.
Sie rollte sich auf ihrer Seite zusammen und betrachtete das Licht des Feuers, das auf seinem Haar tanzte. Sie bewunderte seine prallen Schultermuskeln im goldenen Licht und träumte von seinen wunderbaren Küssen.
Glücklicherweise ahnte er nicht, wie sehr sie nach ihm verlangte.
Fane unterdrückte einen Fluch und lauschte Rexanas Zappeln. Dabei zählte er jedes Knacken und Ächzen des Bettes und fragte sich mit schamloser Neugier, wie es wohl klingen würde, wenn er in ihre feuchte, willige Wärme stieß.
Herrgott, sein ganzer Körper schrie nach Erlösung.
Doch er biss die Zähne zusammen und unterdrückte das Verlangen, zu ihr hinüberzurollen und sie zu küssen, bis sie nach Luft schnappte, stöhnte und ihn anflehte, sie endlich zu nehmen. Er zerknüllte die Laken in seinen Fäusten und verdrängte das Bedürfnis, ihre seidige Haut zu berühren und zu schmecken. Er schloss die Augen und wischte den sinnlichen Tanz zwischen ihr und ihm fort, den seine Gedanken ihm vorgaukelten.
Tapfer brachte er seine Gefühle unter Kontrolle und konzentrierte sich auf das Zischen der Flammen. Was er hier ertragen musste, war nicht sehr viel anders als das, was er in den Kerkern von Gazir hatte erdulden müssen. Es war nur eine andere Form körperlicher Qualen, ja, aber er würde sie überleben. Diese Tortur war notwendig, wollte er Rexana mit Leib und Seele besitzen und ihre Liebe gewinnen.
Schwer atmete er in das Kissen. Wenn nur seine Lenden begreifen würden, dass er Rexana für immer verlieren würde, wenn er ihr heute Nacht die Unschuld raubte. Er wollte nicht zulassen, dass Verbitterung eine Kluft zwischen ihnen entstehen ließ oder dass sie behauptete, er hätte sie gegen ihren Willen zu etwas gezwungen.
Er musste sie mit Sorgfalt, Würde und Anstand behandeln. Sie mit all den Höflichkeiten bedenken, die sie sich von einem gesitteten englischen Edelmann erwartete.
Da war nur noch eine Kleinigkeit, die er morgen erledigen musste, damit seine männliche Ehre gerettet war.
Lange noch blickte er ins Feuer. Sein Atem wurde ruhiger und tiefer. Die Wallungen in seinem Blut beruhigten sich, würden jedoch niemals ganz verebben. Nicht, wenn Rexana in seinem Bett lag. Nicht, wenn er sich ihre im Schlaf gekräuselten Lippen und das Heben und Senken ihrer Brüste vorstellte.
Noch einmal nahm er all seine Willenskraft zusammen und seufzte.
Er hoffte, der Morgen würde rasch kommen.