11 Es ist nicht einfach, das Wahrscheinliche mit dem Unwahrscheinlichen in Einklang zu bringen

Diamantis klopfte an die Tür von Abduls Kabine. »Abdul! Kommst du essen?«

»Komm rein!«, rief er.

Es war das erste Mal, dass Abdul Diamantis in seine Kabine bat. Abdul veränderte sich. Diamantis konnte es sich nicht verkneifen, einen verstohlenen Blick auf die Inneneinrichtung zu werfen. Alles war perfekt aufgeräumt. Es überraschte ihn, einen Stapel Bücher auf dem Schreibtisch zu finden. Abdul hatte nie ein Buch erwähnt, das er las oder gelesen hatte.

Abdul stand vor ihm, die Hände in den Taschen. Er trug blaue Shorts und ein großes, schwarzes T-Shirt.

»Na, was hat er für Dummheiten gemacht?«

»Was meinst du?«

»Tu nicht so, Diamantis. Nedim ist zweifellos ein prima Kerl, aber er baut verdammt viel Mist.«

»Jedem seine Geschichten, nicht wahr? Wenn ihm danach ist, wird er mit dir darüber reden. Du hältst es so, ich auch. Ich hab keinen Grund, schlechter von ihm zu denken als von uns.«

»Meine Geschichten oder deine, das sind persönliche Angelegenheiten. Aber auf diesem verfluchten Frachter bin ich Kapitän und habe gewisse Verantwortungen zu tragen. Ich übernehme sie, solange ich an Bord bin. Nedim wird uns Ärger machen, dafür lege ich meine Hand ins Feuer.«

Sie beobachteten sich schweigend. Diese Diskussion klang falsch. Das war ihnen beiden klar. Sie stritten sich über einen Seemann, als sollte die Aldebaran heute Abend in See stechen. Und das Erstaunliche war, dass sie früher nie so aneinander geraten waren. Wegen einem Seemann.

Diamantis ging gereizt auf Abdul zu. Als wollte er ihn schlagen. Abdul regte sich nicht, und Diamantis baute sich vor ihm auf.

»Hör zu, Abdul, ich will dir was sagen: Wir sind da, du, er und ich mit unseren Geschichten. Und was es auch ist, es hat mit diesem Schrotthaufen zu tun. Verdammt und zugenäht!«

Als Diamantis die Kabine verlassen wollte, hielt Abdul ihn am Arm zurück. Sie sahen sich an. In ihrem Blick lag Freundschaft.

»Was ist, kommst du jetzt essen?«, grinste Diamantis.

Sie hatten Reis gekocht, den sie mit Öl beträufelten. Dann teilten sie sich zwei Dosen Makrelen. Nedim brach das Schweigen. Immer musste er reden. Er konnte nicht anders.

»Gibts was Neues, wegen dem Schiff?«

»Warum? Willst du den Dienst wieder aufnehmen?«, witzelte Diamantis.

»Red keinen Quatsch! Das ist alles vorbei. Ich für meinen Teil kehre heim, heirate, baue ein kleines Geschäft auf und genieße das Leben. Ich habe lange darüber nachgedacht, man sieht was von der Welt, man amüsiert sich, man vernascht Frauen aller Farben, und mit fünfzig steht man plötzlich da, allein oder betrogen. Wie denken Sie darüber, Kapitän? Hab ich nicht Recht?«

»In Rouen«, sagte Abdul, ohne auf Nedims Frage einzugehen, »ist die Legacy verkauft worden. Das hab ich heute Morgen gehört. Das erste Gebot lag bei siebenhundertfünfzigtausend Dollar. Sie sind bis auf eine Million fünfunddreißigtausend Dollar raufgegangen.«

Diamantis pfiff durch die Zähne.

»Weißt du, wer den Kahn abgeschleppt hat?«

»Eine Gesellschaft aus Panama, wie üblich. Die Talgray Shipping Inc ….«

»Sagt dir das was?«

»Hmhm«, grinste Abdul. »Man munkelt, das ist ein Deckname für den alten Eigner.«

»Ah! Und wer ist das?«

»Derselbe wie unserer.«

»Arschloch!«, entfuhr es Nedim. »Gottverdammtes Arschloch! Wir verhungern, und der kauft sich ein neues Schiff.«

»Ja«, stimmte Abdul zu, »aber die Legacy ist ein verdammt gutes Schiff. Hundertsechzehn Meter. Knapp zwanzig Jahre alt. Eine feine Sache.«

»Wie viele waren an Bord?«

»Zwei.«

Abdul sah Diamantis an. »Der Kapitän und sein Erster Offizier. Die acht Besatzungsmitglieder waren vor einigen Monaten gegangen. Wie ihr«, bemerkte er und schaute Nedim an.

»Na, na! Ich bin noch hier. Wenn wir morgen verkauft werden, will ich schon noch was abhaben, nicht wahr?«

»Du hast dein Geld bereits bekommen. Und offiziell bist du gar nicht mehr da. Schon vergessen?«

»Kennst du den Kapitän?«, erkundigte sich Diamantis.

»Ein junger Kerl. Antonio Ramirez, ein Chilene. Neununddreißig. Vierzig Mal um die Welt gefahren. Ich hatte ihn einmal als Ersten Offizier, auf einer Fahrt nach Madagaskar. Vor zehn Jahren.«

Die Legacy hatte vor einem Jahr in Honfleur angelegt, um Dünger anzuliefern. Doch im Hafen hatte Ramirez sich geweigert, die Schläuche anzuschließen, um die Fracht zu löschen, solange die Löhne nicht ausgezahlt würden. Seit sechs Wochen war niemand bezahlt worden. Der Reeder rückte daraufhin hundertzweiundfünfzigtausend Francs raus, aber den Männern war das nicht genug.

Ramirez beschloss, die Legacy nach Rouen zu bringen. Dort erklärte sich die Hydroagri France bereit, dreihunderttausend Francs vorzustrecken, um ihre Ware freizukriegen. Diese wurde dann auf Anordnung von Ramirez ausgeladen. Aber seitdem hatte der Reeder die Legacy wie aus Vergeltung im Hafen »vergessen«. Ein Jahr ohne Strom und heißes Wasser, eingeigelt in ungeheizten Kabinen und wie die Aldebaran von wohltätigen Vereinen mit Lebensmitteln versorgt.

»Die Gewerkschaft ist für die Rückführung der Mannschaft aufgekommen«, präzisierte Abdul.

»Verdammt«, beschwerte sich Nedim. »Sie hätten für uns auch die Rückführung raushandeln können. Dann hätten wir uns nicht abstrampeln müssen, um zu sehen, wie wir nach Hause kommen.«

»Aber du hast Geld bekommen. Sie nicht. Ich dachte, Geld sei besser.«

»Ja«, gab Nedim traurig zu. »Sicher.« Er hing seinen Gedanken nach.

Ja, es war besser gewesen, Geld zu haben. Und mit einer einfachen Zugfahrkarte wäre er jetzt schon zu Hause. Er hätte irgendeine Geschichte erfunden, wie, dass man ihm das Geld nachsenden würde. Ein oder zwei alte Kumpel hätten ihm in der Zwischenzeit aus der Patsche geholfen.

So hätte er es machen können, verdammt! Er wusste, wie man in Istanbul schnell zu ein wenig Geld kommt. Mit den Touristen. Den Italienern und Franzosen in erster Linie. Die Franzosen reisen an und haben die Nase in ihren Hotelführer für günstige Übernachtungen vergraben. Und sie verlaufen sich in den Straßen. Dann braucht man nur da zu sein. Um ihnen zu helfen, sie zu beraten.

Auf diese Weise hatte er an seinen Ausgangsabenden bei der Armee nicht schlecht verdient. Er vermittelte andere Hotels als die im Führer, andere Restaurants. Es war nicht schlechter als woanders. Die Touristen zahlten nicht drauf. Und außerdem – das war sein Argument – begegneten sie keinen anderen Touristen.

Das wahre Istanbul. Bis hin zum Café Jenikapi direkt am Meer, das in keinem Reiseführer stand.

Er kassierte dafür eine kleine Gebühr. Darüber hinaus trank er oft auf Kosten des Hauses. Trank und aß. Für ihn war es wesentlich billiger als für die Touristen. Crevetten, Leber auf albanische Art, gefüllte Muscheln, eingelegte Bohnen, Frischkäse … Ganz zu schweigen von der Möglichkeit, die Tussis aufzureißen. Die Französinnen vor allem. Sie kamen zu zweit oder dritt. Mit einem Rucksack auf dem Rücken. Ohne Typen.

Sein schönster Volltreffer war mit zwei Elsässerinnen gewesen. Zwei Blondschöpfe, höchst niedlich. Sie wollten unbedingt nach Kizil Adalar, auf die Roten Inseln. Zwanzig Kilometer von Istanbul entfernt. Sie sagten »Prinzeninseln«, wie es in ihrem Reiseführer stand, und suchten verzweifelt nach dem Anlegeplatz der Fähre. Er hatte einen besseren Vorschlag. Ein kleines Boot für sie ganz allein. Das war was anderes als mit tausendfünfhundert Leuten!

Der Bootseigentümer Erol Aynaci hatte eine Rundfahrt über alle Inseln mit ihnen gemacht: Büyük Ada, Heybeli, Kinali, Burgaz. Auf Burgaz führte er sie zum Schwimmen in die kleine Bucht von Kalpazankaya. Sie hatten in ihrem ganzen Leben noch nicht so viel Spaß gehabt. Nedim hatte ihnen ordentlich was zu staunen gegeben! Er hatte noch einen draufgesetzt und ihnen ein Zimmer im Hotel Imperial organisiert, wo, wie er ihnen erklärte, Théophile Gautier abgestiegen war. Ihm war Théophile Gautier piepegal. Er wusste nicht einmal, was das für ein Typ war. Aber die beiden Mädchen, zum Kuckuck, die waren voll drauf abgefahren. Er hatte sie auf die Spuren des gewohnten Spaziergangs von dem fraglichen Schriftsteller geführt. Dann hatte er ihnen von Trotzkis Exil 1932 erzählt, als er nur seine Bücher zum Gefährten hatte. Und, kaum zu glauben, darauf waren diese Mädchen noch mehr abgefahren!

Er hatte sie beide gefickt. Abends hatte er ihnen vorgeschlagen, auf Kinali einen Tandir Kebab essen zu gehen, danach hatten sie die ganze Nacht getanzt und getrunken. Es hatte ihm sehr gefallen, als er zwischen den beiden in der Falle gelandet war.

»Wo liegt dein Problem, Nedim?«, fragte Abdul.

»Mein Problem …« Das Bild der beiden Blondschöpfe verblasste. Er sah Lalla wieder vor sich, dann Gaby. »Mein Problem ist, dass ich mir mein ganzes Geld hab abnehmen lassen. Wie ein Idiot.«

Er warf einen schnellen Blick auf Diamantis. Er hatte ihm die Wahrheit erzählt. Das heißt, nicht alles. Er hatte noch nichts von seinem Seesack gesagt, der im Habana liegen geblieben war. Und von dem Geld, das er berappen musste, um ihn auszulösen.

»Ich hatte dich für schlauer gehalten, Nedim. Sich sein Geld klauen lassen! Bist du ein Volltrottel, oder was?«

»Ja«, gab er kleinlaut zu. »Ich bin nur ein Bauer.«

»Und ausgerechnet du willst mich verarschen!«

Diamantis lächelte.

»Ich bin mit Ousbène in die Kneipe gegangen«, gab Nedim zu. »Um die Zeit totzuschlagen. Und wir haben was getrunken. So war das.«

»Ist Ousbène fort?«

»Ich denke schon. Er hatte einen Zug. Züge haben ihre Abfahrtszeit. Ich bin allein geblieben.«

»Und hast alles auf den Kopf gehauen.«

»Nein, verdammt!« Aufgeregt erhob er sich und schob seinen Teller zurück. Er hatte seine Makrelen nicht gegessen. »Pfui! Die Dinger sind ekelhaft.«

»Was anderes haben wir nicht zu essen«, erwiderte Diamantis. »Wirst dich dran gewöhnen müssen. Komm schon, reg dich nicht auf. Setz dich.«

Nedim setzte sich wieder hin. »Hast du ne Kippe?«, fragte er Diamantis. »Ich hab keine mehr.« Er zündete sich die Zigarette an, dann sah er zu Abdul.

»Ich hab nicht auf die Zeit geachtet. Ich hab noch ein paar getrunken und … Scheiße, ich hab mich übers Ohr hauen lassen. Von zwei Mädchen. Jetzt wisst ihr es. Seid ihr nun zufrieden? Na?«

»Du brauchst mir keine Märchen zu erzählen, Nedim. He! Ich bin nicht dein Vater. Oder deine Mutter. Auch nicht deine Braut. Hast du kapiert? Wir sind hier unter Männern. Wir machen uns nichts vor.«

Diamantis räusperte sich. Abdul sah ihn an. Nedim beobachtete sie. Irgendwas ist zwischen den beiden, dachte er, hielt aber lieber die Klappe.

»Gut«, lenkte Nedim ab, »und was ist jetzt mit dem Whisky? Trinken wir ihn oder nicht?«

Diamantis ging die Flasche holen. Sie tranken schweigend.

»Was können wir tun?«, fragte Nedim.

»Wie können wir was tun?«, gab Abdul zurück.

»Na, für mich. Verflucht! Ich hab nicht vor, hier Schimmel anzusetzen. Nicht, dass ich was gegen euch habe, aber … ihr … Je länger ich euch zuhöre und … Ich sage mir, ihr seid wie die Typen von der Legacy. Der Kapitän und sein Erster Offizier. Ihr seid Dickköpfe. Kennt ihr euch schon lange?«

»Lang genug«, antwortete Diamantis.

»Wir können nichts für dich tun, Nedim«, fügte Abdul an. »Du hattest Geld für die Fahrt. Punkt. Mehr kriegst du nicht. Selbst wenn wir die Aldebaran morgen verkaufen würden. Du hast auf all deine Ansprüche verzichtet.«

»Beschiss!«

»Das hat gestern noch anders geklungen.«

»Gestern …«

»Das Beste wird sein«, fügte Diamantis hinzu, »du findest einen Weg, heimzukehren. Wenn du etwas Geld brauchst, treiben wir was für dich auf.«

Er schaute Abdul fragend an. »Ja, wir biegen das schon hin«, stimmte der lustlos zu. Er trank aus und stand auf. »Aber lass dir eins geraten sein, Nedim. Mach uns keinen Ärger. Ich warne dich. Gute Nacht. Ach, eins noch. Morgen bleibe ich an Bord. Sprecht euch wegen der Wache für die anderen Tage ab.«

»Wachdienst!«, rief Nedim aus, kaum dass Abdul den Raum verlassen hatte. »Was soll denn das? Wachdienst wofür?«

»Wachdienst eben, das ist alles. Du gehorchst und stellst keine Fragen.« Diamantis griff die Flasche und schenkte Nedim einen kräftigen Schluck ein.

»Für die Nacht. Ciao.« Und er verschwand mit der Flasche.

»Spinner!«, grummelte Nedim.

Als er ihn verlassen hatte, stieg Diamantis aufs Hauptdeck. Dort war nichts aufgeräumt worden. Überall lagen Strickleitern, Schläuche, Kabel, Sturmlampen, Takelage, Schweißbrenner, Arbeitshandschuhe und Farbtöpfe herum. Er war gern dort. Das war der Ort, wo es am meisten nach Schiff roch.

Es war schön. Er setzte sich. Er fragte sich, ob Mikis dieses Jahr wohl über die Ferien nach Psará kommen würde. Er musste ihn anrufen und fragen. Er wäre gern mit seinem Sohn fischen gegangen. Das war lange her. So fanden die beiden wieder zueinander, seit Melina und er sich getrennt hatten. In der Stille des Meeres. Die Fischerei machte sie zu Komplizen. Vater und Sohn. Die Worte, zunächst überflüssig, kamen schließlich ganz von selbst.

»Was suchst du so weit fort?«, hatte Mikis letzten Sommer gefragt.

Diamantis hatte die Schultern gezuckt. »Nichts. Jetzt nichts mehr. Ich hatte geglaubt, mein Glück auf den Reisen um die Welt zu finden … Aber … Verstehst du, wenn ich an meine Jahre auf See zurückdenke, weiß ich nicht mehr, was an den Geschichten wahr ist, die ich erzählen kann. All das ist Realität geworden, aber ist es das Glück, das ich gesucht habe? Keine Ahnung!«

Das Glück, so dachte er heute, existierte nicht ohne die Wunden und Leiden des Lebens. Erst dann wird einem klar, dass es nur ein Konzept ist. Davon hatte er Mikis allerdings nichts erzählt. Er war sein Vater, aber allwissend war er nicht. Möglich, dass er sich täuschte. Er hatte sich im Leben schon oft getäuscht.

Jetzt saß er auf seiner Koje. Er schlug den Notizblock auf, in dem er seine Überlegungen während des Studiums der Mittelmeerkarten festhielt. Er ging seine Notizen mit der festen Entschlossenheit durch, sich von dem Frachter nicht unterkriegen zu lassen. »Wenn die Seewege sich nicht so einfach abstecken lassen, dann vielleicht, weil sie mit Berichten durcheinander geraten: Die Karten, auf denen sie verzeichnet sind, können der Fantasie entsprungen, die Begleittexte erfunden sein …«

Er trank einen Schluck Whisky direkt aus der Flasche. Sein Vater war von der Frage besessen gewesen. Im Jahr vor seinem Tod hatten sie von nichts anderem gesprochen. Historiker und Geografen, hatte er erläutert, haben sich gegen Pytheas verschworen. Besonders Strabon. Er glaubte nicht, dass Pytheas dort angelangt war, wo »der sommerliche Wendekreis zum arktischen wird« und wo der Boden so beschaffen ist, »dass man ihn weder begehen noch mit dem Schiff befahren kann«. Auch Polybios hielt diese Seereisen schlicht für Märchen.

Herodot und Plinius ihrerseits, hatte sein Vater betont, die die Erde zweifellos so ähnlich wie Pytheas sahen, glaubten daran. Wie später Aristoteles. »Verstehst du, ich denke, es gibt eine Grenze zwischen dem Wahrscheinlichen und dem Unwahrscheinlichen. Und diese Grenze haben die großen Seefahrer überschritten.«

Diamantis sagte sich, dass darin die einzige Wahrheit des Menschen lag. In seinem Leben den Weg zwischen dem Wahrscheinlichen und dem Unwahrscheinlichen zu finden. Sie miteinander in Einklang zu bringen. Nicht indem man die Grenze überschritt, sondern beide auf dieser imaginären Linie vereinte. Bis heute war ihm das noch nicht gelungen. Ebenso wenig wie es Orient und Okzident gelungen war, sich zu lieben.

Es klopfte an seiner Tür. Nedim kam herein.

»Entschuldige, dass ich störe, aber … Da ist noch was, das ich dir nicht gesagt habe.«

»Du nervst, Nedim.«

»Ja, ich weiß. Es ist wichtig, Diamantis … Verstehst du, nun, ich habe nichts mehr. All meine Sachen, mein Seesack eben, ist in der Kneipe geblieben. Um ihn wiederzubekommen, muss ich an die neunhundert Francs hinblättern.«

»Und wo soll ich die hernehmen, deine neunhundert Francs?«

»Das mein ich nicht, Diamantis. Ich dachte, dass … Wenn du dort auftauchen würdest, könnte das die Mädchen vielleicht beeindrucken. Und dass … Diese Nachtclubs sind nicht immer ganz sauber. Das weißt du. Na ja, wenn du sagen würdest, ich weiß nicht, dass … Dass du der Kapitän bist, dann würden sie vielleicht keinen Ärger wollen. Du verstehst, was ich meine, auf die Art, dass du die Flics verständigen würdest, all das … Ich werde ihnen meinen Seesack nicht lassen, verdammt!«

»Du gehst mir echt auf den Geist.«

»Ich weiß. Sag mal, hast du nicht noch eine Kippe? Ich mein bloß, weil ich Whisky hab und nichts zu rauchen.«

»Da.«

»Super. Und?«

»Und was?«

»Nun, wir können morgen hingehen, oder?«

»Okay, wir gehen morgen. Versuchen können wir es ja mal.«

Nedim klopfte Diamantis freundschaftlich auf die Schulter und ging.

Diamantis verzichtete darauf, sich erneut in seine Seekarten zu vertiefen. Er räumte sie sorgfältig weg. Derweil notierte er in seinem Heft: »Das Mittelmeer existiert nicht nur auf Seekarten. Es füllt nicht nur Geschichtsbücher. Es verkörpert mehr als nur eine einfache Zugehörigkeit.«

Als er die Augen schloss, sah er Mariettes Gesicht wieder vor sich, ihr Lächeln mit den beiden Grübchen. Er war froh, ihre Einladung angenommen zu haben. An Bord der Aldebaran erstickte er.