4. Henry, der Vampirjäger

Als wir in die Auffahrt des Hotels fuhren, blieb mir fast die Luft weg. Das war ein Hotel der Oberklasse. Es sah aus wie aus einem kitschigen Märchenfilm. Warum hatte man uns bei unserer Ankunft nicht hier untergebracht? Es war in allen Farben beleuchtet und die ungewöhnliche Architektur war wirklich bemerkenswert.

Wir wurden bis vor den Eingang gefahren, und Henry hielt mir galant die Türe des Taxis auf. Ich stieg aus und ging mit ihm zusammen durch den verglasten Eingang. Wir standen in einer großzügigen Empfangshalle mit rot-grauem Marmorboden und die Wände waren indirekt hinter Blumenarrangements beleuchtet. Es erinnerte mich ein wenig an eine Fernsehserie, die sich meine Großmutter immer angesehen hatte.. Henry sagte:

"Wollen wir jetzt noch etwas in die Bar gehen?"

"Ja, deshalb sind wir doch hier.", sagte ich etwas ironisch. Hatte er wirklich geglaubt ich wäre eine so leichte Beute.

In der Bar war nicht mehr sehr viel los. Ein paar Leute saßen am Tresen und einige Pärchen an kleinen Tischen. Wir gingen an die Bar. Der Mixer begrüßte uns freundlich und Henry bestellte für uns beide einen Marguerita mit Erdbeeren. Er hatte mich nicht gefragt, was ich wollte, aber die Wahl war schon nach meinem Geschmack. Ich war richtig durstig und konnte mich kaum beherrschen, das Glas nicht in einem Zug leer zu trinken. Nur das gecrashte Eis verhinderte, dass ich es wirklich tat. Henry nippte nur an seinem Glas und sah mir fasziniert zu. Er legte seinen Arm um mich und raunte mir ins Ohr:

"Bist du so trinkfest?" Ich nickte.

"Keine Angst", entgegnete ich,

"ich werde deshalb nicht auf dem Tisch tanzen."

Er lachte amüsiert und bestellte mir ein zweites Glas. Er konnte ja nicht ahnen, dass mich der Alkohol wenigstens für kurze Zeit davon abhielt, über ihn herzufallen. Als ich auch mein zweites Glas schneller geleert hatte als er seinen ersten Drink, sagte er unvermittelt:

"Lass uns nach oben gehen, wir können ja noch eine Flasche 'Draculablut' bestellen. Ich sah ihn überrascht an. Was meinte er damit? Wusste er, dass ich dringend Blut brauchte? Ich war irritiert.

Henry führte mich über einige Treppen bis zu einem spiralförmig gewundenen Aufgang, der mich plötzlich an Bran erinnerte. Wir gingen hinauf und kamen in einen Gästetrakt mit mehreren Zimmern. Er schloss auf und ließ mich vorangehen. Das Zimmer von Henry lag ganz am Ende und war ein geräumiges Eckzimmer. Es war hell mit modernen eichefarbigen Möbeln eingerichtet, sehr geschmackvoll, aber nicht übertrieben. Mit meinem wunderbaren Salon in Bran war es jedenfalls nicht zu vergleichen. Ein großes hohes Doppelbett thronte in der Mitte des Raumes. Henry ging ans Telefon und bestellte beim Zimmerservice eine Flasche Draculablut. Ich war wirklich sehr gespannt, was man uns servieren würde.

Er setzte sich ans Fußende des Bettes und sah mich erwartungsvoll an. Ich stand noch etwas unschlüssig vor einem kleinen Tischchen, auf dem eine Schale Obst stand und verschiedene Kekspackungen lagen, die bereits aufgerissen waren.

"Kommst du nicht zu mir?", flötete Henry und zeigte auf den Platz neben ihm auf dem breiten Doppelbett.

"Doch", sagte ich,

"aber ich muss noch schnell dein Badezimmer benutzen."

Er zeigte auf eine Türe in der Ecke des Zimmers und ich verschwand dahinter. Dann schickte ich Orlando eine SMS und schrieb:

"Wenn ich nicht um 6 Uhr in Bran bin, suche mich im Residence Allonia, Zimmer 12. Lucia"

Dann machte ich mich etwas frisch und ging zurück zu Henry, der sich bereits sein Hemd ausgezogen hatte und erwartungsvoll auf dem Doppelbett saß. Er hatte einen sehr athletischen Oberkörper, trotz der starken Behaarung war sein Sixpack gut zu sehen. Er war sich seiner Wirkung auf mich sicher. Er hatte meinen Blick verfolgt.

Er stand auf und kam mir entgegen. Völlig unerwartet umschlang er mich mit beiden Armen und seine Zunge war sofort in meinem Mund, er nahm mir den Atem. Dann klopfte es an der Zimmertüre. Henry ließ mich abrupt los und ging, um dem Zimmerkellner zu öffnen. Er kam herein und stellte eine Flasche mit zwei Gläsern auf den unordentlichen Tisch. Er grinste mich frech an und musterte mich von Kopf bis Fuß dann ging er wieder.

Henry war sofort wieder bei mir, er war ungeduldig, doch ich nahm die Flasche in die Hand und sah mir das Etikett an. Es stand wirklich 'Draculablut' darauf, aber es war natürlich ein Rotwein. Natürlich war es albern zu glauben oder zu hoffen, hier im Hotel echtes Blut serviert zu bekommen. Trotzdem war ich etwas enttäuscht. Ein Schluck Blut hätte mir jetzt einen besseren Kick verschafft, als Wein. Henry nahm mir die Flasche ab und schenkte uns die Gläser randvoll. Er prostete mir zu und sagte:

"Auf uns!", dabei sah er mich verheißungsvoll an. Ein leichter Schauer lief über meinen Rücken. Er selbst nippte wieder nur an seinem Glas, doch ich trank in vollen Zügen. Es schmeckte wirklich gut. Ich hatte jetzt genug Alkohol im Blut und fühlte, dass ich bereit war, für eine gute Nummer. Henry war zwar ein Vampirjäger, aber er war auch nur ein Mann, der scharf darauf war, mich ins sein Bett zu bekommen.

Ich setzte mich wieder zu ihm und ließ meine hohen Schuhe von meinen Füßen gleiten. Er schob mein Kleid hoch und betrachtete meine sexy Strümpfe, die knapp über dem Knie endeten.

Dann kniete ich mich auf das Bett und legte ihm meine Arme um den Hals. Mein Haar hatte sich aufgelöst und fiel in langen Strähnen über Henrys Gesicht. Er sah mich überrascht und gespannt an. Dass ich die Initiative übernehmen würde, hatte er wohl nicht erwartet. Ich begann, ihn im Gesicht zu küssen, zuerst die Augen, die Stirn, die Wangen und zum Schluss den Mund. Er ließ es genussvoll und ziemlich passiv über sich ergehen, doch seine Erregung konnte ich deutlich spüren. Eine Ausbuchtung in seiner schwarzen Jeans war nicht zu übersehen.

Er zog mich auf seinen Schoß und begann, mein Strickkleid, das ziemlich eng saß, hochzuschieben. Er ließ sich viel Zeit, es mir über den Kopf zu ziehen und dann meinen BH zu lösen. Als er meine vollen festen Brüste in die Hände nahm und meine Brustwarzen zu massieren begann, stöhnte ich auf.

"Ich liebe Frauen, die sich nicht zieren", sagte er. Während er aufstand, um seine Jeans auszuziehen, sah mich im Zimmer um. Ich hätte zu gerne erfahren, welche Waffen ein Vampirjäger benutzte, um seine Opfer zu töten. Ich hatte jetzt nur noch meinen Minislip und Seidenstrümpfe an, die an der Oberkante eine breite Spitzenborte hatten. Ich stieg vom Bett herunter und ging zu Henry, der mich sofort wieder umarmte, doch ich schob ihn sanft zurück und sagte:

"Willst du mir nicht zeigen, womit du die Vampire jagst?"

Er ließ mich überrascht los und sagte:

"Ich möchte jetzt eigentlich nur dich spüren und eine wunderbare Nacht mit dir verbringen. Die Vampire können bis morgen warten."

Mit diesen Worten hob er mich hoch und trug mich zum Bett. Er legte mich sanft ab und begann, mir meine Strümpfe auszuziehen. Er ließ sich dabei viel Zeit. Als er damit fertig war, stieg er wieder von dem hohen Bett herunter und zog mich bei den Beinen an sich, er fuhr mit seinen Fingern behutsam in meinen Slip und begann mich leicht zu massieren. Dabei sah er mich an und sein Blick verriet, dass er meine Reaktion genau beobachtete. Ich lächelte ihn verführerisch an und gab mich ganz seinen Berührungen hin. Dann zog er mit einer schnellen Bewegung meinen Slip herunter und spreizte meine Beine, dass er zwischen ihnen zu stehen kam. Er konzentrierte sich auf meinen Unterleib, er genoss den Anblick, schließlich begann er vorsichtig mit seinen Fingern meine Schamlippen zu öffnen und sich näher an meine empfindliche Stelle voranzutasten. Er war ausgesprochen zärtlich und ich ließ es zu, dass er mich ganz öffnete. Plötzlich hielt er inne und sagte:

"Möchtest du nicht noch etwas Draculablut trinken?" Ich stützte mich auf meine Unterarme und sah in entgeistert an.

Wollte er mich betrunken machen? Oder was führte er im Schilde? Ich konnte es kaum erwarten, ihn in mir zu spüren und er dachte an Rotwein. Das verunsicherte mich ziemlich.

Nachdem ich ihm keine Antwort gegeben hatte, ging er einen Schritt zurück. Dann kniete er nieder und ich fühlte, wie seine Zunge das fortsetzte, was seine Finger gerade begonnen hatten. Er zog mich bis zum Ende des Bettes, und legte meine Beine über seine Schultern. Ich bebte vor Erwartung, doch Henry ließ wieder von mir ab. Eine Woge durchflutete mich, die meine Lust noch weiter steigerte. Er öffnete seine Hose und drehte mich geschickt mit einem Schwung auf den Bauch. Dann drang er völlig unerwartet in mich ein. Mit blieb fast die Luft weg. Ich hatte sein Glied nicht gesehen, aber das Gefühl, das er in mir auslöste war so heftig, dass ich aufschrie und meine Hände in die Kissen vor mir grub. Meine Fänge waren plötzlich so lange, und ich befürchtete mich zu verraten, doch Henry konzentrierte sich voll auf seine Bewegungen und hielt mich mit beiden Händen an den Schultern fest. Er war viel kräftiger, als ich ihn eingeschätzt hatte. Er wurde immer schneller, und ich fühlte, wie sich mein Unterleib ausdehnte und ihm entgegenstemmte. Wie gerne hätte ich ihn in diesem Moment gebissen, doch zum Glück war sein Kopf hinter mir und er konnte meine Fangzähne nicht sehen. Es brannte noch immer das helle Deckenlicht und ich wusste, dass auch meine Augen rot unterlaufen waren. Wenn er mich jetzt von vorne sehen würde, wäre die Katastrophe perfekt.

Henry schob mich weiter auf das Bett und kniete jetzt hinter mir. Ich grub mein Gesicht in das Kissen und genoss seine Leidenschaft, die mir die höchste Lust verschaffte. Als wir beide endlich zum Höhepunkt kamen, fühlte ich, wie mein Blutdurst sich bis zum Wahnsinn gesteigert hatte. Ich musste ihn jetzt beißen, wenn ich diese Nacht irgendwie überstehen sollte, egal ob er ein Vampirjäger war oder nicht.

Als Henry endlich neben mir lag und meinen Kopf in die Hände nahm, um mich zu küssen, geschah es. Ich warf mich auf ihn und biss ihn in die Halsschlagader. Er erstarrte für einen Moment und wehrte sich nicht. Doch schon nach ein paar kräftigen Schlucken spürte ich, wie er mich bei den Haaren packte und mit einem Ruck meinen Kopf nach hinten riss. Aus entsetzten Augen sah er mich an. Dann wälzte er sich unter mir hervor und drückte mich in die Kissen. Sein Gesichtsausdruck glich dem eines wütenden Hundes. Er warf sich mit seinem Oberkörper auf mich und hielt meine Hände fest. Dann sagte er hasserfüllt:

"Ich muss dich töten! So leid es mir tut."

Mit diesen Worten griff er wieder nach meinen Haaren und versuchte mich vom Bett zu zerren. Doch ich umfing ihn mit meinen Beinen, die so stark waren, dass ich Henry damit ohne Schwierigkeiten festklemmen konnte.

"Das wirst du nicht!", rief ich und richtete meinen Oberkörper auf. Mit einem Biss in seinen Oberarm befreite ich meinen Kopf von seinem Griff in meine Haare. Dann warf ich mich wieder an seinen Hals und biss erneut zu. Dieses Mal saugte ich mich fest und trank sein Blut in großen Schlucken. Er wehrte sich mit Händen und Füßen und ich musste meine ganze Kraft aufwenden, um ihn nicht aus meiner Beinschere entkommen zu lassen. Er schlug mit seinen Fäusten auf meinen Rücken und zertrümmerte mir fast die Wirbelsäule. Während dieses Kampfes fielen wir vom Bett und ich lag jetzt auf ihm. Bei diesem Sturz war er mit dem Hinterkopf gegen den Glastisch geknallt, der mit großem Krach umfiel. Doch Henry gab nicht auf. Mit seinen Händen riss er mir büschelweise Haare aus, um mich von seinem Hals zu entfernen. Mit meinen Fängen zerkratzte ich ihm das Gesicht und hoffte, seine Augen zu erwischen. Sein Aufschrei zeugte davon, dass ich wohl erfolgreich gewesen war.

Er sank ermattet zurück, doch ich ließ nicht von ihm ab. Meine Gier war kaum zu befriedigen und sein Blut war einfach viel frischer, als die Konserven, die ich im Schloss getrunken hatte. Ich konnte kein Ende finden. Erst als seine Gegenwehr zu erlahmen begann und ich spürte, dass seine Körperspannung nachließ, lockerte ich meinen Griff und löste meine Zähne aus seinem Hals.

Henrys Gesicht war blutüberströmt, eines seiner Augen hatte ich herausgerissen und sein leerer Blick ging zur Zimmerdecke. Das Zimmer war verwüstet und ich stand auf. Henry stöhnte, doch er konnte mich nicht sehen. Er war noch am Leben. Ich musste schnell handeln, wenn er diesen Angriff überstehen sollte. Ich nahm mein Handy und rief Orlando an.

Er war gleich am Apparat und fragte:

"Brauchst du Hilfe?" Ich zögerte einen Augenblick, doch dann sagte ich:

"Ja, ich habe ihn fast getötet." Ich hörte wie Orlando tief Luft holte und sagte:

"Ich kann im Augenblick nicht kommen, aber sieh zu, dass du den Ort verlässt, ohne gesehen zu werden. Ich bestelle dir ein Taxi. Fahre bitte direkt nach Bran.

"Aber er wird sterben, wenn ich nichts unternehme!", sagte ich ziemlich verzweifelt. Orlando antwortete:

"Er ist ein Vampirjäger, oder? Dann hat er nichts anderes verdient. Sieh zu, dass du wegkommst!" Er hatte Recht. Sollte ich mich etwa der Polizei stellen?

Ich raffte meine Sachen zusammen und zog meine Kleidung an, so schnell ich konnte. Dann ging ich ins Bad und wusch mir mein Gesicht und die Hände. Im Badezimmer entdeckte ich neben dem Spiegel in einer leeren Blumenvase einen silbernen Pfahl und einen Hammer. Beide Teile waren in eine durchsichtige Folie gewickelt. Das war also das Werkzeug, mit dem er mich töten wollte. Ich nahm es an mich und erschauerte. Orlando hatte wahrscheinlich Recht. Er oder ich, das war die Wahl. Der silberne Pfahl stach mit seiner geschliffenen Spitze durch die Folie und der Hammer war ziemlich schwer. Das waren perfekte Mordwerkzeuge.

Als ich zurück ins Zimmer kam, hatte sich Henry auf den Bauch gedreht. Er stöhnte noch immer und hielt sich mit den Händen das Gesicht zu. Auf dem hellblauen Teppich hatte sich ein großer dunkler Fleck gebildet. Ich überlegte einen Moment, ob ich mein Werk vollenden sollte, doch dann entschied ich mich, zu verschwinden. Bluttrinken war eine Sache, doch töten eine ganz andere. Dazu war ich nicht in der Lage. Und Orlando hatte sicher Recht, wenn er mir riet, so schnell wie möglich wegzulaufen. Vielleicht hatte jemand den Krach gehört, den der Glastisch verursacht hatte. Außerdem waren wir nicht gerade leise gewesen.

Mit der eingewickelten Waffe unter dem Arm verließ ich das Zimmer nicht durch die Türe, das wäre zu gefährlich gewesen. Ich löschte das Licht und schlich auf den Balkon hinaus, der von mehreren Zimmern aus zugänglich war. Ich drückte mich in eine dunkle Ecke und sah mich um. Doch in keinem der Zimmer brannte noch Licht.

Ich blickte in die Tiefe, der Eingang lag bereits im Dunkeln. Dann entdeckte ich in der Ecke ein Regenrohr. Ich kletterte über die Brüstung, hielt mich an dem Rohr fest und kletterte daran in die Tiefe bis zu einem kleinen Dach, von dem ich mit einem gewagten Sprung auf dem oberen Treppenabsatz landete. Dort fiel mir das Werkzeug aus der Hand und landete klirrend auf den Treppenstufen. Ich sammelte es blitzschnell wieder auf. Anscheinend hatte mich niemand gehört.

Von dort konnte ich unerkannt in die Dunkelheit flüchten. Bevor ich die Ausfahrt erreicht hatte, kam mir bereits eine dunkle Limousine entgegen. Ich winkte und das Auto hielt an. Ich stieg ein. Der Fahrer war Spinoza. Erst jetzt bemerkte ich, dass ich barfuss war. Meine Schuhe und Strümpfe hatte ich in Henrys Zimmer vergessen.

Spinoza warf einen Blick auf meine seltsame Errungenschaft, dann gab er Gas. Wir rasten in Richtung Schloss. Als wir durch einen dunklen Wald fuhren, der mir bei der Herfahrt gar nicht aufgefallen war, sagte er:

"Wir müssen einen kleinen Umweg in Kauf nehmen, denn Orlando wartet am anderen Ende von Brasov auf mich."

"Er wird auch abgeholt?", fragte ich neugierig.

"Ja.", sagte er, "Orlando hat auch Probleme!"

Ich drückte mich in meinen Sitz und sagte nichts mehr. Das war wohl eine Nacht in der alles schief gelaufen war.

Orlando stand, genau wie ich vorher, am Straßenrand. Als Spinoza vor ihm anhielt, humpelte er zur Autotür und stieg umständlich ein. Er saß stocksteif vornüber gebeugt auf dem Sitz und hielt sich mit einer Hand die Seite. Ich hatte mich zu ihm umgedreht und er blickte langsam auf.

"Es ist nicht so schlimm, wie es aussieht", sagte er mit schleppender Stimme.

"Du bist schwer verletzt?", fragte ich entsetzt.

"Ich habe gutes Blut, das wird schnell wieder heilen.", antwortete er schnell.

"Hast du ihn getötet?", fragte er dann leise.

"Nein, ich glaube nicht.", antwortete ich ebenso leise. "Er hat noch gelebt, als ich weggegangen bin."

Orlando schüttelte verständnislos den Kopf.

"Das war dumm!", sagte er dann mehr zu sich als zu mir. Ich war auch nicht gerade stolz auf meine Tat. Doch anscheinend hatte er auch irgendetwas falsch gemacht, sonst würde er nicht schwer verletzt hier sitzen.

Als wir vor dem Schlosspark anhielten, um zu dem geheimen Weg zu gehen, der in die unterirdischen Räume führte, sagte ich zu Spinoza:

"Ich kann mich um Orlando kümmern und ihn hinaufbringen." Er nickte und stieg wieder ein. Der Aufstieg war im Dunkeln nicht so leicht zu bewältigen, als ich mir das vorgestellt hatte, denn Orlando konnte kaum einen Schritt vor den anderen setzen, ohne laut aufzustöhnen. Ich musste all meine Kraft aufwenden, ihn hinaufzuschaffen. Auf halber Höhe riefen wir deshalb per Handy um Unterstützung. Lorenzo kam uns entgegen und nahm mir meine schwere Last ab.

Der Fürst wartete bereits auf uns im Refektorium. Er wollte von mir genau wissen, was vorgefallen war. Orlando wurde in der Zwischenzeit medizinisch von Silvio und Lorenzo versorgt.

Obwohl ich versuchte, meine Begegnung mit dem Vampirjäger möglichst wahrheitsgetreu zu erzählen, fiel mir mein Vater immer wieder ins Wort, denn ich wollte und konnte ihm keine Details über die Dinge erzählen, die zwischen ihm und mir vorgefallen waren. Die Tatsache, dass ich das Tötungsbesteck mitgebracht hatte, regte meinen Vater schrecklich auf. Ich versuchte ihm klarzumachen, dass damit ein wichtiges Beweismittel verschwunden war. Denn jetzt konnte jede Frau schuld daran sein, dass Henry so übel zugerichtet war. Es musste nicht unbedingt ein Vampir gewesen sein. Schließlich gab er mir in dieser Hinsicht Recht. Dass ich jedoch meine Schuhe dort vergessen hatte, erzählte ich meinem Vater nicht. Als ich meine Geschichte geendet hatte, fragte er mich:

"Und warum hast du ihn nicht getötet?"

Ich stammelte:

"Ich weiß auch nicht, aber ich musste so schnell wie möglich verschwinden." Mein Vater war mit dieser Ausrede natürlich nicht zufrieden. Er sagte:

"Wenn dieser Mann überlebt, dann haben wir ein riesengroßes Problem. Dann müssen wir unseren Aufenthalt hier früher als geplant abbrechen. Ich verstehe nicht, weshalb du dich ausgerechnet mit einem Vampirjäger angelegt hast. Das war wirklich völlig unnötig."

Ich sah beschämt zu Boden. Er war schließlich der Einzige gewesen, der mir in dieser Disco gefallen hatte. Und meinen Durst nach Blut hatte er perfekt befriedigt.

"Bevor du das nächste Mal auf die Jagd gehen wirst, müssen wir dich besser vorbereiten!", sagte er und ging auf die Türe zu:

"Deiner Mutter geht es übrigens wieder schlechter, sie ist erneut ins Koma gefallen – und das Mädchen, diese Mimi, mussten wir auch ruhigstellen, weil sie sehr geschwächt ist."

Ich erschrak bis in die Knochen. Mimi würde sterben, wenn ich nicht bald etwas unternahm. Der ständige Blutverlust war für ein so zartes Kind sicher auf Dauer tödlich, da halfen auch die Traubenzuckerinfusionen nichts, die man ihr verabreichte.

In diesem Moment fasste ich den Entschluss, sie unter allen Umständen zu retten. Das war ich Nicholas schuldig. Allein der Gedanke daran, dass ich tatenlos zusah, wie man seine Schwester tötete, war mir unerträglich. Ich musste sie in Sicherheit bringen, egal, welche Konsequenzen das für mich hatte.

Ich ging in die Krankenstation, um nach Orlando zu sehen. Man hatte ihn in ein Bett gelegt und eine Infusion angeschlossen. Um seinen Bauch war ein Verband gewickelt. Er blickte mich mit matten Augen an:

"Wie geht es dir?", fragte ich, doch Orlando schüttelte nur unmerklich den Kopf. Seine Verletzung war wohl doch schlimmer als angenommen. Ich sagte zu ihm:

"Du wirst sicher bald wieder in Ordnung kommen." Dann trat Mario zu mir an Orlandos Bett. Er raunte mir ins Ohr:

"Kannst du mit mir kommen?" Er war die ganze Zeit nicht aus Mimis Krankenzimmer gekommen, denn er war für sie verantwortlich. Ich wunderte mich, dass er jetzt bei Orlando war. Dann ging ich mit ihm. Er führte mich zu Mimi, die leblos auf einer Pritsche lag. An ihren beiden Armen waren Sonden angeschlossen und ihre Augen waren eingefallen und geschlossen. Sie sah aus, als ob sie bereits selbst ein Vampir wäre. Mario sah mein Entsetzen und er nahm mich bei der Hand und sagte leise:

"Sie wird nicht mehr lange leben, denn jetzt soll ich auch für Orlando Blut von ihr abnehmen." Ich schlug die Hand vor den Mund, um nicht laut zu protestieren.

"Das darf nicht passieren", sagte ich. "Nimm das Blut von mir!" Mario sah mich verständnislos an. Dann sagte er:

"Das wird Orlando nicht helfen!"

"Doch", antwortete ich, "denn er hat schon von mir getrunken und ich weiß, dass es für ihn perfekt war."

"Dann müssen wir aber sofort handeln, bevor die anderen einen Verdacht schöpfen", sagte Mario und ging an einen Schrank mit vielen Schubladen. Er kramte darin und brachte dann eine Spritze, einen Schlauch und eine Flasche. Er sagte:

"Setze dich da hin, damit ich dir Blut abnehmen kann."

Ich gehorchte ihm und hielt ihm meinen linken Arm hin. Mario zögerte keinen Augenblick und schob eine dicke Nadel in meine Vene. Es tat höllisch weh, doch ich versuchte, ihm nichts merken zu lassen. Mein Blut lief dick und träge in die Flasche. Sie füllte sich nur langsam und Mario klemmte den Schlauch immer wieder ab, um mich zu schonen doch ich sagte:

"Sieh zu, dass du damit fertig wirst bevor Lucrezia oder jemand anderes auftaucht."

"Kannst du Auto fahren?", fragte ich Mario. Er sah mich überrascht an und antwortete:

"Natürlich, ich habe meinen Führerschein im Zweiten Weltkrieg gemacht, als ich mich freiwillig zum Militär gemeldet habe." Ach ja, ich hatte es ja mit alten Leuten zu tun, das vergaß ich immer wieder.

"Willst du mir helfen, Mimi zu retten?", fragte ich ihn vorsichtig, da ich wusste, dass sie sich in ihn verliebt hatte.

"Was meinst du mit 'retten'?", fragte er und sah mich erwartungsvoll an.

"Ich habe einen Plan.", sagte ich verschwörerisch, "aber du musst mir versprechen, dass das unter uns bleibt." Dann erzählte ich Mario, wer Mimi war und warum ich daran interessiert war, sie wieder lebend nach München zu bringen. Er hörte mir mit offenem Munde zu. Als ich fertig war, sagte er:

"Das ist ja eine unglaubliche Geschichte, und du bist sicher, dass das die Schwester deines Freundes ist?"

"Ja, leider.", gab ich ihm zur Antwort. "Nicholas ruft mich immer wieder an, weil sie ganz verzweifelt Mimi suchen, die bei dem Konzert verschwunden ist. Die Polizei hat zwar eine Spur nach Österreich verfolgt, aber die ist wahrscheinlich im Sand verlaufen. Ich glaube nicht, dass sie jemals auf uns kommen würden."

Mario nickte verständnisvoll. Dann sagte er:

"Jetzt verstehe ich erst, warum dein Vater verhindert hat, dass wir die Nachrichten im Fernsehen verfolgen. Er weiß offensichtlich Bescheid."

"Wir müssen schnell handeln, wenn wir sie lebend zurückbringen wollen." Ich hatte das Gefühl, dass Mario meine Sorgen verstand und mir helfen würde. Er nahm die Flasche mit meinem Blut und sagte:

"Ich werde jetzt Orlando eine Infusion legen, doch er darf nicht erfahren, dass das kein Jungfrauenblut ist!". Jetzt waren wir ein Team. Ich hatte eindlich einen Verbündeten. Was dann weiter mit meiner Mutter geschehen würde, wusste ich nicht. Das Blut von Mimi hatte ihr offensichtlich nicht geholfen. Warum sollte man dann Mimi weiter quälen, wenn es sowieso vergeblich war. Meine Mutter tat mir zwar leid, aber wegen einer sterbenden Vampirfrau ein so junges Leben zu zerstören war einfach nicht in Ordnung. Man musste Mimi retten, egal wie. Ich fühlte mich im Recht.

Anscheinend waren meine menschlichen Gefühle noch nicht ganz verblasst, denn Mitleid mit Menschen war im Vampirclan verpönt. Das hatte ich inzwischen begriffen. Warum Mario mir half, wusste ich nicht genau. Wahrscheinlich hatte er sich auch in Mimi verliebt und brachte es nicht übers Herz, sie sterben zu sehen.

Ich ging zurück in meinen Salon, denn ich war müde von der anstrengenden Nacht und ich wollte ungestört über meinen Plan nachdenken, wie wir Mimi zurückbringen konnten, ohne selbst dabei erwischt zu werden. Draußen war es helllichter Tag, doch mich übermannte der Schlaf. Mein Tag- Nachtrhythmus hatte sich anscheinend schon umgestellt. Schließlich war ich ja ein Vampir.