Mar­cel Bie­ger
 
Raumschlacht und Raumbarriere
Einige Aspekte des Science Fiction-Leihbuchs und seiner Inhalte

 

Mein be­son­de­rer Dank geht an Heinz Mohl­berg, Köln, oh­ne den mir man­che In­for­ma­ti­on vor­ent­hal­ten ge­blie­ben wä­re.

 

EINLEITUNG

 

Leih­bü­cher – spe­zi­ell für die Aus­lei­he in Ta­bak­wa­ren-, Schreib­wa­ren­lä­den oder an­de­ren pri­va­ten Aus­lei­hen her­ge­stell­te Hard­co­ver – er­leb­ten ih­re Blü­te in ei­ner Zeit, als das, was in ih­nen stand, als Schund und als ju­gend­ge­fähr­dend an­ge­se­hen wur­de. An­ders als bei den Co­mics, die eben­falls in je­ner Zeit bei uns groß ge­wor­den sind, haf­tet den Leih­bü­chern bis heu­te noch ein schlech­tes Image an. Wäh­rend die Gro­schen­hef­te von einst heu­te von zahl­rei­chen Samm­lern ge­schätzt wer­den, ist das In­ter­es­se an Leih­bü­chern ge­ring. Das mag an ih­rem ab­ge­grif­fe­nen, schmud­de­li­gen Aus­se­hen lie­gen, viel­leicht aber auch dar­an, daß man ih­nen nur den al­ler­mi­se­ra­bels­ten In­halt zu­traut, wäh­rend man den Hef­ten zu­ge­steht, zu­min­dest die ei­ne oder an­de­re Per­le auf­zu­wei­sen. Auch kommt der Samm­ler nur mit großen Schwie­rig­kei­ten an Leih­bü­cher her­an. Die Be­sit­zer der Leih­bi­blio­the­ken wer­den schon ein Au­ge dar­auf ge­wor­fen ha­ben, daß ih­re Bü­cher nicht in all­zu großem Um­fang ent­wen­det wur­den, und hin­zu kommt, daß die Auf­la­gen im Ver­hält­nis bei­spiels­wei­se zu den Hef­ten sehr ge­ring wa­ren.

Nun denn, wir ha­ben es hier wohl mit nie­ders­tem Schund zu tun. Wie sonst wä­re zu er­klä­ren, daß bis­her die SF-Leih­bü­cher (von den an­de­ren ganz zu schwei­gen) kaum li­te­ra­tur­his­to­risch oder SF-spe­zi­fisch er­forscht wor­den sind, oder? An Se­kun­där­li­te­ra­tur las­sen sich nur we­ni­ge Ar­ti­kel in päd­ago­gi­schen und li­te­ra­tur­wis­sen­schaft­li­chen Zeit­schrif­ten und die (z.T. noch nicht ein­mal zu­sam­men­ge­faß­ten) Be­mer­kun­gen und Aus­füh­run­gen in SF-Se­kun­där­wer­ken aus­ma­chen. Der Ver­fas­ser die­ser Ar­beit war so­mit ver­stärkt auf ei­ge­ne Ent­de­ckun­gen und Sich­tun­gen an­ge­wie­sen.

Die SF-Leih­bü­cher sind ein un­ge­heu­er wei­tes For­schungs­feld. Um über­haupt einen Rah­men für die­se Ar­beit zu fin­den, muß­ten Ak­zen­te ge­setzt wer­den. In fol­gen­den Ar­bei­ten sol­len ein­zel­ne Pro­blem­krei­se aus­ge­leuch­tet wer­den.

Schwer­punkt der fol­gen­den Aus­füh­run­gen sind Ein­bli­cke in In­halt und The­ma­tik der SF-Leih­bü­cher. Er­faßt wur­de ei­ne re­prä­sen­ta­ti­ve Aus­wahl (ca. 200 Ti­tel), die auf fol­gen­de Au­to­ren und Grup­pen ver­zich­te­te: Viel­schrei­ber (20 Ti­tel und mehr){6}, große Se­ri­en (Per­ry Rho­dan und Sun Koh), Über­set­zun­gen aus­län­di­scher Ro­ma­ne{7} und Kurz­ge­schich­ten­samm­lun­gen{8}. Al­le drei Grup­pen wei­sen die glei­che The­men­pa­let­te wie die hier auf­ge­nom­me­nen Bän­de auf, müs­sen je­doch auf Grund ih­rer spe­zi­fi­schen Un­ter­schie­de Ge­gen­stand ei­ge­ner Un­ter­su­chun­gen blei­ben. Wie könn­te z.B. ein W. Bröll, ein Win­fried Scholz oder ein K. H. Scheer hier aus­rei­chend dar­ge­stellt wer­den, wo sie je­der für sich al­lein schon gut fünf­zig SF-Leih­bü­cher ver­faßt ha­ben?

 

ALLGEMEINES ZUM LEIHBUCH

 

„Es muß un­be­dingt et­was ge­gen … die­ses Stel­lar­fie­ber un­ter­nom­men wer­den.“

(J. v. Scheidt, Stern­vo­gel; Be­win, 1962)

 

Die SF-Leih­buch-For­schung er­schwert sich schon aus dem Grund, daß die ge­naue An­zahl der er­schie­ne­nen Ti­tel un­be­kannt ist. Bis heu­te ist kei­ne voll­stän­di­ge Auf­lis­tung er­stellt wor­den, und man wird wohl auch noch ei­ni­ge Zeit dar­auf war­ten müs­sen. Wäh­rend das Hey­ne-SF-Le­xi­kon 843 Ti­tel aus dem SF-Leih­buch­be­reich auf­führt{9} und Nagl von 900 spricht{10}, ver­mu­ten Samm­ler ca. 1200. Die Er­fas­sung der Ge­samt­zahl muß dar­über hin­aus mit der Schwie­rig­keit fer­tig wer­den, daß ei­ne gan­ze Rei­he von Kri­mi­nal-Leih­bü­chern einen uto­pisch-phan­tas­ti­schen In­halt ha­ben (z.B. Atom-U-Boo­te oder AKWs, die vor ei­ni­gen Jahr­zehn­ten noch eher in den Be­reich der Science Fic­ti­on ge­hör­ten) oder sonst­wie das Gen­re strei­fen. Hin­zu kommt, daß ei­ni­ge Leih­bü­che­rei­en Ro­ma­ne aus Hard­co­ver-Ver­la­gen (z.B. Ge­br. Weiß), de­ren Pu­bli­ka­tio­nen für den Buch­han­del be­stimmt wa­ren, in ih­re Be­stän­de auf­ge­nom­men ha­ben (spä­ter so­gar Bän­de des Ma­ri­on von Schrö­der Ver­lags etc.).

Die ei­gent­li­chen Leih­bü­cher sind nicht bei Sor­ti­men­tern ge­lan­det, son­dern von spe­zi­el­len Ver­la­gen pro­du­ziert und im Abon­ne­ment an ge­werb­li­che Leih­bü­che­rei­en aus­ge­lie­fert wor­den. Sie un­ter­schie­den sich auch durch ih­re (von al­len die­sen Ver­la­gen be­rück­sich­tig­te) ge­norm­te Auf­ma­chung und ihr Äu­ße­res von den nor­ma­len Hard­co­vers und ge­lang­ten nur höchst sel­ten in den Buch­han­del.

Wie sieht nun die­se ge­norm­te Auf­ma­chung aus? Das Leih­buch wiegt ein knap­pes Pfund, ist bis zu vier Zen­ti­me­tern dick (in der Re­gel fünf­zehn Bo­gen aus be­son­ders dickem, nicht holz­frei­em Pa­pier), 18 Zen­ti­me­ter hoch und 12,5 Zen­ti­me­ter breit. Die Ti­tel­bil­der sind di­rekt, kit­schig, plump kom­po­niert und in grel­len Far­ben ge­hal­ten. Ein­ge­packt ist das Gan­ze in ei­ne Klar­sicht­fo­lie („Su­pronyl“), um das Buch vor Ab­nut­zung und Ver­schmut­zung zu schüt­zen. Die Auf­la­ge be­trug im güns­tigs­ten Fall 3000, ge­gen En­de hin kaum noch 1000 Ex­em­pla­re{11}. Zu ge­schmack­lo­sem Ti­tel­bild und Bil­lig­pa­pier ge­sel­len sich Schlud­rig­kei­ten und haar­sträu­ben­de Druck­feh­ler. Da wird aus „No­va“ „No­wa“, der Au­to­ren­na­me muß (selbst auf dem Co­ver!) die un­glaub­lichs­ten Ver­än­de­run­gen über sich er­ge­hen las­sen (B. Tors­holm er­scheint z.B. als B. Tiers­holm oder auch B. Thiers­holm), und da kann es auch schon ein­mal „Ein F. S.-Ro­man“ hei­ßen. Ähn­li­ches Pech hat­te J. C. Dwynn mit sei­nem Se­ri­en­hel­den P. Col­lins: Des­sen Vor­na­me wird als Per­ryc, Pe­ryc oder Per­cy wie­der­ge­ge­ben.

Die An­zahl der Ver­la­ge, die nur Leih­bü­cher pu­bli­zier­ten, war nicht ge­ring. Markt­füh­rer im SF-Be­reich wa­ren Be­win in Men­den (ca. 250 SF-Ti­tel) und Ge­br. Zim­mer­mann in Bal­ve (ca. 220 SF-Ti­tel). Auf den wei­te­ren Rän­gen lie­gen ab­ge­schla­gen Dör­ner in Düs­sel­dorf (ca. 60 SF-Ti­tel), Borgs­mül­ler in Müns­ter (ca. 60 SF-Ti­tel, dar­un­ter 37 Bän­de Sun Koh) und Feld­mann in Marl-Hüls (ca. 50 SF-Ti­tel). Die ers­ten Ver­la­ge nach dem Zwei­ten Welt­krieg wa­ren Iris in Iser­lohn, der seit 1948 Ro­ma­ne des Au­tors „C. C. Zan­ta“ ver­öf­fent­lich­te, und Bi­el­man­nen in Mün­chen, der seit 1949 im SF-Be­reich nur „Fre­der van Holk“ pu­bli­zier­te (bei­de Au­to­ren­na­men sind Pseud­ony­me). 1954 be­trat Be­win den Markt, ein Ver­lag, der sich im­mer­hin bis 1971 hal­ten konn­te. Ne­ben ei­ni­gen Über­set­zun­gen er­schie­nen im SF-Be­reich vor al­lem vie­le deut­sche Au­to­ren, von de­nen et­wa der Hälf­te spä­ter der Ab­sprung zum Hef­troman ge­lang. Schon seit 1952 brach­te der Ver­lag Ge­br. Zim­mer­mann un­ter den ver­schie­dens­ten Ver­lags­na­men (Hön­ne, Wi­du­kind, Ba­lo­wa) SF-Leih­bü­cher her­aus. Hier sind auch die meis­ten Über­set­zun­gen aus­län­di­scher Au­to­ren zu fin­den (so­gar ein Ro­man von Sta­nis­law Lem). Ne­ben vie­len deut­schen Au­to­ren er­schi­en bei Zim­mer­mann auch der Nach­druck der Per­ry Rho­dan-Se­rie. Ein Uni­kum war der Awa-Ver­lag in Mün­chen, der von 1954-1961 haupt­säch­lich Über­set­zun­gen gleich­zei­tig in drei Aus­ga­ben ver­trieb: als Leih­buch zum einen, als Hard­co­ver und als Ta­schen­buch zum an­de­ren für den Han­del.

Die da­ne­ben exis­tie­ren­den Klein­ver­la­ge (de­ren ge­naue An­zahl un­be­kannt ist, da man­che nur einen ein­zi­gen SF-Band ver­öf­fent­lich­ten und an­de­re nur re­gio­nal ver­brei­tet wa­ren) kon­zen­trier­ten sich im Be­reich der SF zu­meist auf einen Au­tor: Ne­ben den schon ge­nann­ten Ver­la­gen Iris und Bi­el­man­nen sind da vor al­lem Ra­ven­na in Ba­sel mit uto­pi­schen Kri­mi­nal­ro­ma­nen von W. D. Rohr (un­ter dem Pseud­onym Alan Reed – die­se Bän­de sind nicht in der Ta­schen­buch-Rei­he beim Pa­bel-Ver­lag nach­ge­druckt wor­den), En­gel­bert in Bal­ve (heu­te noch im Be­reich des Ju­gend­bu­ches ak­tiv) mit W. W. Bröll oder Fres­co in Frank­furt mit Win­ston Brown zu nen­nen. Ver­wor­ren stellt sich ein Ver­lags-Kon­glo­me­rat dar, das aus­schließ­lich Wer­ke von Kurt Brand pu­bli­zier­te: 1956 grün­de­te sich in Köln Al­ka, der sich 1957 in Köl­ner Ver­lags-KG um­tauf­te. Dar­aus wur­de 1959 der Stei­ne­bach-Ver­lag (Köln) mit den Ab­le­gern An­dra (Ra­tin­gen), Lu­ro (Köln) und Al­ber­ti (Köln), wo­bei sich letz­te­rer bis 1960 hielt und dann in Li­qui­da­ti­on ging. Ne­ben SF ver­leg­te man dort auch Kri­mi­nal­ro­ma­ne von Kurt Brand. Es darf wohl ver­mu­tet wer­den, daß Brand, zeit­wei­se selbst In­ha­ber der größ­ten Leih­bü­che­rei Kölns, ei­ni­gen Ein­fluß auf die­ses Kon­glo­me­rat hat­te{12}.

Die Leih­buch-Ver­la­ge deck­ten in der Re­gel die gan­ze Band­brei­te der Tri­vi­al­li­te­ra­tur ab. Man­che da­von las­sen sich auch heu­te noch im Heft-Sek­tor wie­der­fin­den (Arzt-, Schick­sals-, Schloß-, Hei­matro­ma­ne, Wes­tern und Kri­mis), für an­de­re be­steht in un­se­rer Zeit wohl kei­ne Nach­fra­ge mehr (Le­gio­närs-, Pi­ra­ten-, his­to­ri­sche und Aben­teu­er­ro­ma­ne an exo­ti­schen Or­ten). Bei den Pi­ra­ten­ro­ma­nen ta­ten sich u.a. „Die­go el San­to“ und „Pi­er­re de Cha­lon“ her­vor (bei­des Pseud­ony­me von K. H. Scheer){13}, und bei den Le­gio­närs­ge­schich­ten fin­det man eben­falls K. H. Scheer un­ter den flei­ßigs­ten Au­to­ren wie­der (un­ter den Pseud­ony­men Klaus Tan­nert und – wahr­schein­lich – Rolf To­rak). Aber nicht nur Scheer, auch an­de­re im SF-Be­reich tä­ti­ge Au­to­ren ver­such­ten sich in an­de­ren Gen­res. Hier sei nur Kurt Ro­e­cken ge­nannt (heu­te noch als Au­tor von SF-Ju­gend­ro­ma­nen tä­tig), der un­ter dem Pseud­onym „Reg Chap­pell“ min­des­tens 27 Kri­mi­nal-Leih­bü­cher schrieb (Auf­la­ge dort mit 3000 an­ge­ge­ben). Be­son­ders bei den Ver­la­gen Kel­ter und Bas­tei sind et­li­che Leih­buch-Kri­mis in den di­ver­sen Heft-Rei­hen nach­ge­druckt wor­den. Hier sei­en vor al­lem die Se­ri­en Mac Dri­ving, Pit Com­ber, Scott Kel­ly, Mis­ter Mo, In­spek­tor Gor­don, Pat Wil­ding (ca. 50 Bän­de) ge­nannt.

Der SF ver­wand­te Gen­res wie die Fan­ta­sy oder Weird Fic­ti­on fin­det man im Leih­buch hin­ge­gen nur ver­ein­zelt. Spe­zi­ell für den Hor­ror­ro­man spiel­te da­mals wohl die In­di­zie­rungs-Pro­ble­ma­tik ei­ne Rol­le. Die gen­re­ty­pi­schen Grau­sam­kei­ten wä­ren so­fort in­di­ziert wor­den. Erst im Ta­schen­buch (wo nicht so streng über­wacht wur­de) konn­ten Hor­ror­ro­ma­ne ge­druckt wer­den. My­thi­sche Ro­ma­ne mö­gen als Pen­dant für die Fan­ta­sy an­ge­se­hen wer­den (sie­he „My­thi­sches und Kos­mi­sches“). Zu­rück zum Hor­ror, der sich hin und wie­der in an­de­ren Gen­res ver­steckt zeig­te. In den Kri­mis hat­ten es die De­tek­ti­ve/Kom­missa­re ge­le­gent­lich mit über­sinn­li­chen Er­schei­nun­gen zu tun (was da­mals nicht als Hor­ror, son­dern als Mys­ti­zis­mus be­zeich­net wur­de), und in den Tro­pen-Ro­ma­nen stie­ßen die wa­cke­ren For­scher auch schon ein­mal in ver­wit­ter­ten Tem­peln auf ur­al­te Gott­hei­ten und an­de­res Über­sinn­li­che. Aus­nah­men sind die im Rap­pen-Ver­lag in Gos­lar er­schie­ne­ne Rei­he Der Ma­gi­sche Ro­man{14} und im Beth­ke-Ver­lag die Rei­he Mys­te­ri­um-Bü­cher, die je­doch durch die Bank in­di­ziert wur­den. In den sieb­zi­ger Jah­ren ge­rie­ten dann beim Re­kord-Ver­lag in Vier­sen Dan Sho­cker-Ro­ma­ne in die Leih­bü­cher. Es han­del­te sich da­bei um Nach­dru­cke der Heft­se­rie von J. Gras­mück, die min­des­tens bis 1976 ver­legt wur­den. Da­mit dürf­te Re­kord mit sehr großer Wahr­schein­lich­keit der letz­te tä­ti­ge Leih­buch-Ver­lag ge­we­sen sein.

 

ENTWICKLUNG

 

„Der Au­tor ent­reißt … dem Zeit­gang der Ewig­keit ei­ne Epi­so­de.“ (Aus der In­halts­an­ga­be zu: B. An­drew, Al­pha Cen­tau­ri; Feld­mann, 1958)

 

Schon im Hitl­er­deutsch­land wa­ren ge­werb­li­che Leih­bü­che­rei­en weit­ver­brei­tet. Die da­ma­li­ge Heft­pu­bli­ka­ti­on war auf Grund der kriegs­be­ding­ten Pa­pier­knapp­heit zum Er­lie­gen ge­kom­men. Wer al­so et­was le­sen woll­te, muß­te sich ein Buch lei­hen. Die­se be­son­de­re Form von Bi­blio­the­ken über­leb­te den Krieg.

Be­reits 1946/47 er­schie­nen in Deutsch­land wie­der min­des­tens zwan­zig neue SF-Ti­tel.{15} Wie für al­le aben­teu­er­li­che Li­te­ra­tur brach auch in der Science Fic­ti­on die „Neue Zeit“ aus, d.h. vor al­lem, Fa­schis­mus und Welt­krieg wur­den er­staun­lich schnell ver­drängt{16}. Mehr noch, die deut­sche SF bas­tel­te in den ers­ten Nach­kriegs­jah­ren eif­rig an der Le­gende, ihr sei im Drit­ten Reich die Rol­le ei­ner Art von Wi­der­stands­li­te­ra­tur zu­ge­kom­men{17}. Ein An­spruch, der na­tür­lich we­nig Gül­tig­keit be­saß, vor al­lem dann nicht, als von ei­nigen Au­to­ren so­gar ei­ne Art Rein­wa­schung des NS-Re­gi­mes an­satz­wei­se ver­sucht wur­de (z.B. in der Se­rie Frank Ken­ney{18}).

Die Leih­bü­che­rei­en über­leb­ten nicht nur, son­dern wuch­sen in der Nach­kriegs­zeit auch stark an. Bis 1960 soll es in der BRD 28000 ge­werb­li­che Leih­bü­che­rei­en ge­ge­ben ha­ben.

Auch die Science Fic­ti­on er­leb­te in der zwei­ten Hälf­te der fünf­zi­ger Jah­re einen ers­ten Boom. Die Raum­fahrt be­gann, Ra­ke­ten ho­ben von der Er­de ab, der Sput­nik um­kreis­te un­se­ren Pla­ne­ten. Da­durch be­dingt, wuchs das In­ter­es­se an der Zu­kunfts­li­te­ra­tur – un­ge­ahn­te Mög­lich­kei­ten schie­nen sich auf zu­tun. Gleich­zei­tig mach­te sich aber (mit dem Vor­stoß im All in en­gem Zu­sam­men­hang ste­hend) das Phä­no­men der ‚Ufo-Hys­te­rie’ breit – her­vor­ge­ru­fen von der jä­hen Er­kennt­nis des „Wir sind nicht al­lein“ und der ir­ra­tio­nal-pa­ni­schen Angst, die Rus­sen könn­ten neue Ge­heim­waf­fen ent­wi­ckeln.

Die Leih­bü­cher blei­ben in der SF nicht al­lein, auch wenn sie bis weit in die sech­zi­ger Jah­re hin­ein noch das Me­di­um der Zu­kunfts­li­te­ra­tur schlecht­hin blei­ben (1957 ka­men pro Vier­tel­jahr bis zu 20 neue SF-Leih­buch-Ti­tel in die Bü­che­rei­en). Schon seit 1949 be­lie­fer­te der Ver­lag Ge­br. Weiß den Buch­han­del mit SF-Ti­teln. Kurz­zei­tig tat es ihm der Rauch-Ver­lag gleich. Grö­ße­re Be­deu­tung er­lang­ten die Hef­trei­hen: 1953 kam Uto­pia (Pa­bel), 1954 Uto­pia-Groß­band (Pa­bel), 1956 Lu­na (Leh­ning), 1957 Ter­ra (Moewig) und so fort. Vor al­lem den Ak­ti­vi­tä­ten Wal­ter Erns­tings war es zu ver­dan­ken, daß die SF bei uns auch au­ßer­halb des Leih­bu­ches Fuß fas­sen konn­te{19}.

Als En­de der fünf­zi­ger Jah­re die Bun­des­wehr eta­bliert und das „Ver­tei­di­gungs­den­ken“ re­gie­rungs­amt­lich an­ge­ord­net wur­de und die Land­ser-Hef­te auf den Markt ka­men, er­leb­ten die SF-Leih­bü­cher einen ers­ten grö­ße­ren Ein­bruch. Vie­le Le­ser in­ter­es­sier­ten sich mehr für Pan­zer­ge­fech­te an der ‚Ost­front’ als für ima­gi­näre Raum­schlach­ten im All{20}. Die Pa­ro­le für die deut­schen Leih­buch-Au­to­ren hieß An­pas­sung oder Un­ter­gang. Man ent­schied sich für ers­te­res – für noch mehr und noch ge­wal­ti­ge­re Raum­schlach­ten und In­va­so­ren, die ein biß­chen mehr als vor­her an Rus­sen und Chi­ne­sen er­in­ner­ten (wenn man sie nicht gleich beim Na­men nann­te).

Auch das Auf­kom­men des Fern­se­hens er­wies sich als ge­fähr­lich für das Leih­buch. Es wur­de in im­mer stär­ke­rem Ma­ße fern­ge­se­hen und im­mer we­ni­ger ge­le­sen. Ein Trend, der bis heu­te an­hält und durch die Vi­deo-Ge­rä­te eher noch ver­stärkt wor­den ist.

Seit den sech­zi­ger Jah­ren brach­te die Ho­no­rar­fra­ge die Leih­bü­cher zu­sätz­lich in Be­dräng­nis. Nur die schlech­teren Au­to­ren blie­ben beim Leih­buch, wer ir­gend konn­te wech­sel­te zu den bes­ser zah­len­den Heft-Ver­la­gen über{21}. Eben­so ge­rie­ten die Leih­buch-Ver­la­ge durch die ver­stärk­te Le­ser­nach­fra­ge nach an­glo­ame­ri­ka­ni­schen SF-Ro­ma­nen (die im Be­reich des Hefts und des Ta­schen­buchs we­sent­lich ra­scher auf­ge­fan­gen wur­de) ins Hin­ter­tref­fen. Aber noch trock­ne­ten die Leih­buch-Ver­la­ge nicht aus. Stän­dig ka­men neue Au­to­ren zu ih­nen, zum Teil, um sich beim Leih­buch die ers­ten SF-Spo­ren zu ver­die­nen. Noch 1968 de­bü­tier­te Udo Bie­gel, der sich bis hin­ein in die sieb­zi­ger Jah­re zum Viel­schrei­ber ent­wi­ckeln konn­te.

Der ei­gent­li­che To­dess­toß er­folg­te von den Ta­schen­bü­chern. 1960 ka­men so­wohl Gold­mann als auch Hey­ne mit ih­ren SF-Rei­hen auf den Markt. Haf­te­te auch den Hef­ten noch der Ruch des Tri­via­len an, so ent­stand mit den Ta­schen­bü­chern zum ers­ten Mal die Mög­lich­keit, brei­tes­te Be­völ­ke­rungs­schich­ten an das Buch her­an­zu­füh­ren. Für re­la­tiv we­nig Geld wur­de es je­dem In­ter­es­sier­ten mög­lich, sich sei­ne ei­ge­ne Bi­blio­thek auf­zu­bau­en. Das An­ge­bot der Ta­schen­buch­ver­la­ge er­reich­te nach er­staun­lich kur­z­er Zeit ein be­ach­tens­wer­tes Aus­maß. Im Be­reich der SF kon­zen­trier­ten sich Hey­ne und Gold­mann auf neue Wer­ke aus dem an­glo­ame­ri­ka­ni­schen Raum, die, bei al­lem Re­spekt, um Klas­sen bes­ser wa­ren als das, was man in den Leih­bü­chern fand. Die­ses Ni­veau­ge­fäl­le blieb na­tür­lich nicht lan­ge ver­bor­gen und ver­dräng­te im Ver­ein mit dem Ex­odus der hei­mi­schen Au­to­ren zum Heft die Leih­bü­cher im­mer mehr.

Die Leih­buch-Ver­la­ge ver­such­ten, sich dem Pu­bli­kums­ge­schmack und den här­ter ge­wor­de­nen Markt­be­din­gun­gen an­zu­pas­sen. Bei Ge­br. Zim­mer­mann häng­te man sich an die Er­fol­ge an­de­rer an (vor al­lem an die Per­ry Rho­dan-Se­rie, von der man 102 Hef­te zu 51 Leih­bü­chern zu­sam­men­faß­te, aber auch mit ver­stärk­ten Nach­dru­cken von Über­set­zun­gen aus­län­di­scher Ro­ma­ne). Bei Be­win blie­ben die Ho­no­ra­re nied­rig (DM 300, – bis 500, – pro Ma­nu­skript), um so die Kos­ten auf­zu­fan­gen. Das En­de konn­te da­mit je­doch nur ver­zö­gert, nicht aber ver­hin­dert wer­den.

An­fang der sieb­zi­ger Jah­re hat­te sich im Grun­de ge­nom­men nur noch der Be­win-Ver­lag ge­hal­ten. Er pro­du­zier­te le­dig­lich einen SF-Band pro Mo­nat, des­sen Auf­la­ge auf 1000 ge­sun­ken war (spä­ter auf nur noch 800). Bald war­fen auch die ge­werb­li­chen Leih­bü­che­rei­en das Hand­tuch. Zwi­schen 1976 und 1978 lös­ten sich die meis­ten von ih­nen auf und ver­kauf­ten ih­re Be­stän­de. Es ist frag­lich, ob heu­te über­haupt noch Leih­bü­che­rei­en exis­tie­ren, da der Nach­schub an neu­en Ti­teln (je­der, der den Bi­blio­theks­be­trieb kennt, weiß, wie wich­tig zur An­bin­dung grö­ße­rer Le­ser­grup­pen im­mer wie­der neue Ti­tel im An­ge­bot sind) aus­bleibt und die kom­mu­na­len Bi­blio­the­ken dank brei­te­rem (oft um­fas­sen­den) An­ge­bot wie­der stär­ke­ren Zu­lauf er­hal­ten.

 

INHALT

 

„Mehr dür­fen wir hier nicht ver­ra­ten, denn sonst wür­de der Ro­man an Span­nung ver­lie­ren. Ei­ne Span­nung, die sich fast ins Un­er­träg­li­che stei­gern wird.“

(In­halts­an­ga­be zu: J. C. Dwynn, Men­schen, Mäch­te und Mu­tan­ten, Wie­se­mann, 1959)

 

Deutsch­land nach dem ver­lo­re­nen Krieg: Vier­mäch­te­ab­kom­men, vier Be­sat­zungs­zo­nen, zwei deut­sche Staa­ten. 1949 Ver­kün­di­gung des Grund­ge­set­zes für die Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land: 1947 tritt der Mars­hall-Plan in Kraft, der mas­si­ve US-De­vi­sen­hil­fe zum wirt­schaft­li­chen Wie­der­auf­bau der Län­der West­eu­ro­pas bringt. Seit 1950 wirt­schaft­li­cher Auf­schwung der BRD („Wirt­schafts­wun­der“) – Ar­beits­kräf­te wer­den drin­gend ge­braucht, nach dem Ver­sie­gen des Zu­stroms aus dem Os­ten (Mau­er­bau) Gast­ar­bei­ter (1964 be­reits ei­ne Mil­li­on). Die Löh­ne stei­gen schnel­ler als die Prei­se. So­zia­le Markt­wirt­schaft: ab 1949 so­zia­ler Woh­nungs­bau, Ge­ne­ra­tio­nen­ver­trag zur Si­che­rung der Ren­ten, So­zi­al­part­ner­schaft, Ver­mö­gens­bil­dung brei­tes­ter Schich­ten. Ra­san­tes An­stei­gen des Brut­to­so­zi­al­pro­dukts. Kon­sum („Freß­wel­le“, „Rei­se­wel­le“). Zu­sam­menschluß der Schwer­in­dus­trie (1950 Grün­dung der Mon­tan-Uni­on). 1952 En­de des Mars­hall-Plans, da­nach WEU (Vor­läu­fer der EG), 1954 Bei­tritt der Bun­des­re­pu­blik. 1957 Berg­bau­kri­se. 1963 Ab­flau­en der wirt­schaft­li­chen Zu­wachs­ra­te. 1966 Struk­tur­kri­se im Berg­bau („Ze­chenster­ben“). 1967 Re­zes­si­on. En­de der Sech­zi­ger so­zi­al­po­li­ti­sche Span­nun­gen („Wil­de Streiks“), APO, NPD, Große Ko­ali­ti­on.

Lang­jäh­ri­ge Vor­herr­schaft der CDU im Bund und in den meis­ten Län­dern. Al­te Na­zis fin­den ein Schlupf­loch, die KPD wird ver­bo­ten. Seit 1956 Auf­bau der Bun­des­wehr (1949 Grün­dung der NA­TO). Os­ter­mär­sche ge­gen den ‚Atom­tod’ (bis 1959). 1962 ‚Spie­gel-Af­fä­re’ (Be­dro­hung der Pres­se­frei­heit). Seit 1965 Not­stands-De­bat­te im Bun­des­tag (Ver­ab­schie­dung des Ge­setz­pa­ke­tes 1968). Mit­te der Sech­zi­ger geis­ti­ger, po­li­ti­scher, kul­tu­rel­ler und so­zia­ler Umbruch („Stu­den­ten­un­ru­hen“). Seit 1969 SPD/FDP-Re­gie­rung.

Seit 1946 of­fe­ne Ent­frem­dung zwi­schen den Sie­ger­mäch­ten („kal­ter Krieg“), ato­ma­re Be­waff­nung der bei­den Blö­cke („Gleich­ge­wicht des Schre­ckens“). Kon­se­quen­te Westin­te­gra­ti­on der Bun­des­re­pu­blik, an­ti­kom­mu­nis­ti­sche Stim­mung im Land (1948/49 Ber­lin-Kri­se, 1949 Pro­kla­ma­ti­on der VR Chi­na, 1950-53 Ko­rea-Krieg, 1953 „17. Ju­ni“, 1956 Un­ru­hen in Un­garn).

Die BRD steht un­ter dem Pri­mat der Wie­der­ver­ei­ni­gung. Au­ßen­po­li­tik zu­nächst stark ein­ge­schränkt durch Be­stim­mun­gen der Sie­ger­mäch­te, spä­ter durch die „Hall­stein-Dok­trin“. Aus­söh­nung mit dem Wes­ten und mit Is­rael.

Exis­ten­zia­lis­mus, Mo­dern Jazz, Rock’n Roll und Beat. Ame­ri­ka­ni­sie­rung, Kau­gum­mi, Blue Jeans. Ves­pa. An­ti­kom­mu­nis­mus. USA – das fa­bel­haf­te Wun­der­land, der Wunsch­part­ner. Das ei­ge­ne Au­to. Die Bun­des­re­pu­blik wird zu ei­ner der füh­ren­den Wirt­schafts­mäch­te. Nie­ren­tisch und Pop-Art. Fern­se­hen. Ste­reo. Kof­fer­ra­dio. Farb­fern­se­hen. Hi­Fi. Nach dem „bö­sen Deut­schen“ wird der „bö­se Rus­se“, dann der „bö­se Chi­ne­se“ in den Agen­ten-Thril­lern ge­jagt. 1957 Sput­nik. 1969 ers­ter Mensch auf dem Mond.

 

Science Fic­ti­on-Au­to­ren sind kei­ne Hell­se­her. Sie ori­en­tie­ren sich nur an dem, was sie er­fah­ren oder er­le­ben. Da­von aus­ge­hend ex­tra­po­lie­ren sie. Das Er­geb­nis läßt auf das Ni­veau ih­rer In­for­miert­heit und Sen­si­bi­li­tät schlie­ßen. Die SF-Au­to­ren der fünf­zi­ger Jah­re ori­en­tier­ten sich an den Zu­stän­den der fünf­zi­ger Jah­re: an den Hoff­nun­gen, dem ma­te­ri­el­len Wohl­be­fin­den, dem An­ti­kom­mu­nis­mus, der Furcht vor der Atom­bom­be, der Un­ge­wiß­heit an­ge­sichts der Un­ab­hän­gig­keits­be­we­gun­gen in Afri­ka und Asi­en.

Die deut­sche SF der Fünf­zi­ger fin­det sich im Leih­buch. Die ein­zi­ge di­rek­te Kon­kur­renz da­mals, die Hef­te, druck­ten jah­re­lang über­wie­gend Leih­bü­cher ab (s. „Wür­di­gung“). Die Do­mi­nanz der an­glo­ame­ri­ka­ni­schen SF auf dem deut­schen Markt zeig­te ih­re ers­ten An­zei­chen, be­nö­tig­te aber noch ei­ni­ge Jah­re, um voll durch­zu­schla­gen (ei­gent­lich erst mit dem Auf­kom­men der Ta­schen­bü­cher).

Ist die Leih­buch-SF nun ein Son­der­fall, ein Spe­zi­al­gen­re? Mit Si­cher­heit nicht. Man fin­det in ihr die glei­chen Plots, Aben­teu­er und Sze­na­ri­en wie über­all in der SF, die bis Mit­te der sech­zi­ger Jah­re in­ter­na­tio­nal gang und gä­be war (und aus den Pul­ps ent­stan­den war). Das Be­son­de­re an der Leih­buch-SF ist ih­re Stan­dar­di­sie­rung bzw. Be­schrän­kung auf ei­ne ge­schlos­se­ne The­men­pa­let­te, die die Un­fle­xi­bi­li­tät of­fen­bart, an der die­ses Me­di­um schließ­lich schei­tern soll­te.

Sechs Grundt­he­men sind aus­zu­ma­chen: Aben­teu­er im All – Krieg – Ka­ta­stro­phen – Agen­ten, Bö­se­wich­ter und Su­per­menschen – Wun­der­ba­re Zu­kunft – My­thi­sches und Kos­mi­sches. Viel­falt ent­steht durch ge­wis­se Va­ria­tio­nen oder Kom­bi­na­tio­nen und ein In­stru­men­ta­ri­um an Hilfs­mit­teln: di­ver­se Prot­ago­nis­ten­ty­pen, po­li­ti­sche Zu­stän­de auf der Er­de oder im All, kos­mi­sche Be­dro­hun­gen von un­ter­schied­li­chem Aus­maß, Ret­tungs­ak­tio­nen von un­er­war­te­ter Sei­te („de­us ex ma­chi­na“) und und und. Beim ei­gent­li­chen Hand­lungs­ab­lauf re­du­ziert sich die Viel­falt auf ei­ni­ge we­ni­ge Grund­for­men. Nagl er­klärt, daß sich das Gen­re „auf phan­tas­tisch-tech­nisch auf­ge­la­de­ne Kri­mi­nal­ro­ma­ne oder Welt­raum­ro­ma­ne be­schränkt …“{22}. Wir möch­ten dies va­ri­ie­ren und um den ‚Krieg’ er­wei­tern. Je­des in ei­nem SF-Leih­buch auf­tau­chen­de Pro­blem wird ent­we­der durch einen Agen­ten, ei­ne krie­ge­ri­sche Aus­ein­an­der­set­zung oder tech­ni­schen Wa­ge­mut ge­löst. Ne­ben der Aus­ein­an­der­set­zung be­steht das Pri­mat der Welt­raum­fahrt. Bis auf einen klei­nen Bruch­teil fin­den al­le Ge­schich­ten mal mehr und mal we­ni­ger im Kos­mos statt. Die Fas­zi­na­ti­on des Raum­flu­ges, der kos­mi­schen Wei­te und der Exo­tik des Alls wa­ren we­sent­li­che Be­stand­tei­le des gen­re­ei­ge­nen Rei­zes. Man sah sich in der Tra­di­ti­on von Hans Do­mi­nik. So heißt es im Vor­wort zu H. Eg­gers’ Der Wett­lauf mit dem Pla­ne­ten (An­ker, 1950):

„Al­le die Le­ser un­ter Ih­nen …, wel­che sich zu der Ge­mein­schaft der Do­mi­nik-Freun­de zäh­len, wer­den das Buch von Eg­gers mit Skep­sis zur Hand neh­men …“

Und et­was wei­ter:

„Hans Do­mi­nik, der Ver­fas­ser zahl­rei­cher Zu­kunfts­ro­ma­ne, ist tot. Noch ist er ein mensch­li­cher Ver­lust für uns. Do­mi­nik war ne­ben ei­nem ge­nia­len Er­zäh­ler auch ein großer In­ge­nieur. Und das hat un­ser Au­tor Her­bert Eg­gers mit ihm ge­mein.“

 

THEMEN UND AUTOREN

 

„Mar­co Ja­nus stellt ei­ni­ge An­sprü­che an sei­ne Le­ser.“

(Aus In­halts­an­ga­be zu: M. Ja­nus, Der Stern der Vä­ter;
Il­tis, 1959)

 

In Er­man­ge­lung neu­er Au­to­ren be­ka­men in den ers­ten Nach­kriegs­jah­ren auch er­folg­rei­che Au­to­ren aus der Zeit des Drit­ten Rei­ches wie­der Ar­beit. Sie leg­ten sich über­wie­gend, um einen bes­se­ren und un­ver­däch­ti­ge­ren Wie­der­ein­stieg in den Markt zu be­kom­men, neue und/oder an­gli­sier­te Pseud­ony­me zu: Paul Al­fred Mül­ler et­wa wur­de zu „Ive Steen“, Kurt Ro­e­cken zu „Hen­ry Wal­ter“ und „C. V. Rock“ oder Axel Ber­ger zu „G. Bar­ring“. Bis weit in die fünf­zi­ger Jah­re hin­ein do­mi­nier­ten die „neu­en“ al­ten Au­to­ren die SF-Leih­bü­cher. Aber sie blie­ben nicht lan­ge un­ter sich. Neue Au­to­ren dräng­ten nach, von de­nen nur noch ei­ni­ge (z.B. U-Boot-Fah­rer K. H. Scheer) einen be­wuß­ten Be­zug zum III. Reich ge­habt ha­ben. Aus ih­ren Rei­hen ka­men dann auch je­ne Viel­schrei­ber, die bis in die spä­ten Sech­zi­ger (und dar­über hin­aus) die deut­sche SF im Leih­buch und Heft do­mi­nier­ten. Un­ter ih­nen sind Kurt Brand, Eber­hard Seitz, Wolf Det­lef Rohr, Win­fried Scholz, Joa­chim Puh­le und die ers­ten Au­to­ren des Per­ry Rho­dan-Teams: Erns­ting, Scheer, Knei­fel. Sie al­le ver­füg­ten über (durch­weg) meh­re­re Pseud­ony­me.

Pseud­ony­me … Im Be­reich des SF-Leih­buchs konn­te ei­ne große An­zahl die­ser Pseud­ony­me bis zum heu­ti­gen Tag nicht auf­ge­deckt wer­den. Et­li­che von ih­nen wa­ren Ver­lagspseud­ony­me, das heißt, meh­re­re Au­to­ren schrie­ben un­ter die­sem Na­men. Sie gin­gen mit dem En­de des ent­spre­chen­den Ver­la­ges un­ter. Vie­les da­von ist heu­te in Ver­ges­sen­heit ge­ra­ten und kann nur noch durch Zu­fäl­le auf­ge­deckt wer­den{23}. Ne­ben pri­va­ten und in­di­vi­du­el­len Grün­den, sich ein Pseud­onym zu­zu­le­gen, kommt ei­ne wei­te­re Schwie­rig­keit hin­zu: Aus Steu­er- oder ver­mö­gens­recht­li­chen Grün­den ach­te­ten ei­ni­ge Au­to­ren dar­auf, daß nur ei­ne sehr be­grenz­te Per­so­nen­zahl ih­ren rich­ti­gen Na­men mit ei­nem Pseud­onym ver­bin­den konn­te. Vie­le der in Fan-Krei­sen im­mer wie­der auf­tau­chen­den Ver­mu­tun­gen, bei die­sem oder je­nem Na­men hand­le es sich um das Pseud­onym von XY, ha­ben sich als falsch er­wie­sen (z.B. hin­ter „Wil­liam Kel­lock“ ste­cke Hans Knei­fel – es han­delt sich da­bei viel­mehr um ein Ver­lagspseud­onym). Und letzt­end­lich spiel­te (vor drei­ßig Jah­ren wohl noch we­sent­lich stär­ker als heu­te) das mi­se­ra­ble An­se­hen zu­min­dest der tri­via­len For­men der Science Fic­ti­on ei­ne nicht zu un­ter­schät­zen­de Rol­le.

Vor al­lem der zwei­te Aspekt hat auch heu­te noch sei­ne Be­rech­ti­gung. Im­mer noch pu­bli­zie­ren ei­ni­ge Au­to­ren un­ter Pseud­onym (und das An­gli­sie­ren scheint da­bei eben­falls nicht aus der Mo­de ge­kom­men zu sein).

 

ABENTEUER IM ALL

 

„Schiffs­mä­del … im Zei­chen der Gleich­be­rech­ti­gung hofft auch die weib­li­che Ju­gend … daß … die­se Ro­man­tik für sie gül­tig sein wird.“

(Aus In­halts­an­ga­be zu: M. Ja­nus, Gangs­ter im Welt­raum; Il­tis, 1959)

 

„Ein Mensch und zwei Ro­bo­ter ge­gen ein gan­zes UNI­VER­SUM!“

(Aus In­halts­an­ga­be zu: J. C. Dwynn, Men­schen, Mäch­te und Mu­tan­ten; Wie­se­mann, 1959)

 

Frem­de Wel­ten: frem­de Öko­lo­gi­en, frem­de Le­bens­for­men und frem­de Kul­tu­ren. In der Leih­buch-SF wur­de viel durchs All ge­reist. Und re­gel­mä­ßig lan­de­ten die ir­di­schen Raum­fah­rer auf frem­den Wel­ten – über­wie­gend be­wohn­te Pla­ne­ten, und oft ge­nug von hu­ma­noi­den Ras­sen be­wohnt, de­ren Kul­tu­ren be­mer­kens­wer­te Ähn­lich­kei­ten mit ir­di­schen Zu­stän­den auf­wei­sen (zu­min­dest so, wie der Au­tor die Welt der fünf­zi­ger und sech­zi­ger Jah­re er­fah­ren hat). In Hö­he­re Ge­walt (Il­tis, 1959) von M. Ja­nus{24} fliegt ein Dr. Po­well mit sei­nen Ge­fah­ren durchs All. Sie lan­den auf ei­ner Welt, de­ren Be­woh­ner den Men­schen der Er­de un­glaub­lich weit über­le­gen sind – vor­nehm­lich in wis­sen­schaft­lich-tech­ni­scher Hin­sicht. Doch auch dar­über hin­aus wir­ken sie wei­ter­ent­wi­ckelt (kei­ne Krie­ge mehr, ei­ne hö­he­re Ethik). Ja­nus möch­te die­se Ras­se als Bei­spiel für ei­ne mög­li­che und gleich­zei­tig wahr­schein­li­che zu­künf­ti­ge Mensch­heit ver­stan­den wis­sen. Da­her legt er im Hand­lungs­ab­lauf we­ni­ger Wert dar­auf, die Ter­ra­ner sich ge­gen­über die­sen Su­per­we­sen be­wäh­ren zu las­sen – wie das an­de­re Au­to­ren ge­tan ha­ben (z. B. J. v. Putt­ka­mer in Ga­la­xis Ahoi!; Dör­ner, 1959, wo vom Kurs ab­ge­kom­me­ne Rei­sen­de sich in ei­nem frem­den, über­le­ge­nen Ster­nen­reich be­haup­ten müs­sen) –, son­dern läßt Dr. Po­well und sei­ne Ka­me­ra­den Er­fah­run­gen ma­chen, die sie zum Nach­den­ken an­re­gen.

 

Ma­te­ri­el­le Hil­fe statt ein ethi­sches Vor­bild er­hält ein ir­di­scher Raum­fah­rer in W. Keyens Jen­seits vom Licht (Borgs­mül­ler, 1958), wenn er dort in das Ge­heim­nis des über­licht­schnel­len Flug­es ein­ge­weiht wird (oh­ne den ein Ver­las­sen des Son­nen­sys­tems kaum mög­lich wä­re) – ei­ne Art kos­mi­sches Care-Pa­ket. Doch nicht nur das Neh­men, son­dern auch das Ge­ben fin­det sei­nen li­te­ra­ri­schen Nie­der­schlag. Das von US-Prä­si­dent Ken­ne­dy ins Le­ben ge­ru­fe­ne Pe­ace Corps (ge­grün­det 1961) und die Ent­wick­lungs­hil­fe der west­li­chen Welt (wo sich seit 1950 die Bun­des­re­pu­blik be­son­ders her­vor­ge­tan hat) mö­gen geis­tig Pa­te ge­stan­den ha­ben, wenn im Leih­buch die Er­de Wis­sen­schaft­ler zu den Ga­ny­me­dern ent­sen­det, die an ih­rer Ste­ri­li­tät zu­grun­de ge­hen (F. Ber­ning, Ster­ben­der Ga­ny­med; Be­win, 1961). Bei U. Bie­gel be­reist so­gar ein In­spek­tor mit der Auf­ga­be die Ga­la­xis, be­droh­ten Rus­sen zu hel­fen (In­spek­tor der Ga­la­xis; Be­win, 1970). Der oben schon er­wähn­te Dr. Po­well ist eben­falls in Sa­chen Ent­wick­lungs­hil­fe un­ter­wegs, wenn er auf ei­ne mit­tel­al­ter­li­che Welt ge­rät und dort ‚bes­se­re’ Zei­ten aus­bre­chen las­sen will (M. Ja­nus, Der Stern der Vä­ter; Il­tis, 1959). Bei al­lem gu­ten Wil­len der Au­to­ren haf­tet die­sen Ro­ma­nen je­doch ei­ne ge­wis­se Nai­vi­tät an. Si­cher, erst heu­te wis­sen wir, daß öko­no­mi­sche Hil­fe oder tech­no­lo­gi­sches ‚Un­ter-die-Ar­me-Grei­fen’ al­lein die Pro­ble­me ei­nes we­ni­ger ent­wi­ckel­ten Vol­kes (sei­en es nun Men­schen oder An­ge­hö­ri­ge kos­mi­scher Ras­sen) nicht lö­sen kön­nen. Trotz mas­si­ver Wirt­schafts­hil­fe re­gis­triert man auch heu­te ein ‚Nord-Süd-Ge­fäl­le’ in der Welt. So ver­mag sich beim heu­ti­gen Le­sen die­ser Ro­ma­ne die rech­te Dra­ma­tik nicht mehr ein­zu­stel­len. Mehr zu bie­ten ha­ben da die Ge­schich­ten, die sich auf kos­mi­sche Pan­ora­men oder Ge­fah­ren kon­zen­trie­ren. Der sen­se of won­der läßt sich zu­min­dest ah­nen, wenn die Au­to­ren sich an der Fremd­ar­tig­keit an­de­rer Son­nen­sys­te­me oder ent­fern­ter Re­gio­nen der Ga­la­xis ver­su­chen (z.B. H. Bings/C. Darl­ton, Der Sprung ins Nichts; Ba­lo­wa, o. J.; R. Cle­ar, Un­be­kann­te Ga­la­xis; Be­win, 1966; C. Choi­ce, Das Ge­heim­nis der Schnee­men­schen; An­dra, 1958).

Der Fort­schritts­glau­be, das Ge­fühl, bei der nö­ti­gen Ent­schlos­sen­heit al­les zu er­rei­chen, spie­gelt sich wi­der, wenn die Ter­ra­ner sich mit den geo­phy­si­ka­li­schen Ab­son­der­hei­ten ei­nes ‚ver­rückt spie­len­den’ Pla­ne­ten her­um­schla­gen müs­sen (W. Ne­who­me, Pro­blem Sta­ra­ra; Be­win, 1967), kos­mi­sche Bar­rie­ren wie den Stäh­ler­nen Ne­bel (A. Jef­fers; Hön­ne, 1953) über­win­den, sich An­ti­ma­te­rie, Su­per­no­vae und ei­ner „Atom­höl­le“ stel­len (J. v. Scheidt, Män­ner ge­gen Raum und Zeit; Wie­ba, 1958) oder die Zeit be­zwin­gen (G. Tor­gas, Nach 250 Jah­ren zu­rück; Lu­ro, 1959; W. Keyen, Sprung über die Zeit; Borgs­mül­ler, 1959). Hier drückt sich in An­sät­zen das Aben­teu­er­li­che in un­er­war­te­ter Um­ge­bung und exo­ti­schen Sze­na­ri­en aus, das seit je­her zu den we­sent­li­chen Merk­ma­len der Science Fic­ti­on ge­hör­te. Harm­lo­se Ver­gnü­gen meist, wenn auch lei­der zu oft mit deut­li­cher Ten­denz zur Ver­ein­fa­chung; denn da­mals leg­ten die Au­to­ren großen Wert dar­auf, ih­re Prot­ago­nis­ten vor al­lem wei­ter flie­gen zu las­sen als die ih­rer Kol­le­gen (kein rein deut­sches Phä­no­men). Daß da­bei ei­ni­ges an Exo­tik und schrift­stel­le­ri­scher Bril­lanz auf der Stre­cke ge­blie­ben ist, ver­steht sich ei­gent­lich von selbst – Fol­ge der vor­nehm­lich tech­nisch-wis­sen­schaft­li­chen Wei­ter­ent­wick­lung in der Bun­des­re­pu­blik, die sich auf das Ra­tio­na­le, das ma­the­ma­tisch Er­faß­ba­re kon­zen­trier­te.

Loh­nen­der, weil far­bi­ger und mensch­li­cher, ist da ein Werk von Ch. Rei­ners, Ex­pe­ri­ment mit Alf (Be­win, 1967). Die­ser Alf er­hält ei­ne Mün­ze, die zur Sta­bi­li­sie­rung des „zwi­schen­di­men­sio­na­len Ener­gie­haus­halts“ von ent­schei­den­der Be­deu­tung ist. Alf tritt ei­ne Rei­se durch die Di­men­sio­nen an, die sich na­tür­lich in ih­rer Exo­tik nicht ra­di­kal von dem un­ter­schei­det, was an­de­re in der klei­ne­ren Ga­la­xis er­le­ben. Den­noch han­delt es sich hier um ei­nes der we­ni­gen spä­te­ren SF-Leih­bü­cher, die in Plot und Cha­rak­te­ri­sie­rung An­sät­ze zu in­ten­si­ver­er Aus­ein­an­der­set­zung, al­so zu ei­nem Rea­gie­ren auf ver­än­der­te Le­se­ge­wohn­hei­ten, er­ken­nen las­sen. Mehr hat auch A. Jef­fers in sei­nem Raum­schiff We­ga (Hön­ne, 1956) zu bie­ten. Auch hier gibt es ei­ne Rei­se durch die Ga­la­xis. Doch statt um die Bre­chung von Wei­ten- und Ge­schwin­dig­keits­re­kor­den be­müht sich Jef­fers, mensch­li­che In­tri­gen und Cha­rak­ter­schwä­chen dar­zu­stel­len, die wäh­rend ei­ner lan­gen Fahrt durch das All zwangs­läu­fig an Bord ent­ste­hen. Lei­der ist der Ver­such nicht so weit ge­lun­gen, daß der Ro­man auch heu­te noch ein Le­se­er­leb­nis wä­re. Die starke Kli­schee­haf­tig­keit der da­ma­li­gen Per­so­nen­cha­rak­te­ri­sie­run­gen konn­te Jef­fers nur zum Teil ab­strei­fen.

Der im­mer wie­der be­müh­te Ty­pen­ka­ta­log je­ner Jah­re war nicht auf das SF-Leih­buch be­schränkt. Wer sich heu­te im ZDF die (so­und­so­viel­te) Wie­der­ho­lung ei­nes Ed­gar-Wal­lace-Fil­mes an­sieht oder einen SF-Film aus den Fünf­zi­gern (üb­ri­gens auch noch in der TV-Se­rie Raum­pa­trouil­le auf­ge­wärmt), wird die fol­gen­den Ty­pen wie­der­fin­den: den mu­ti­gen, nie auf­ge­ben­den Jour­na­lis­ten; den schnei­di­gen, dick­köp­fi­gen Mi­li­tär (vor al­lem den Un­ter­of­fi­zier und den Ge­ne­ral); den Mil­lio­närs­sohn, der et­was ‚Rich­ti­ges’ leis­ten will; den Wis­sen­schaft­ler, der, leicht bis schwer ver­trot­telt, per­ma­nent an neu­en For­meln ar­bei­tet; die Frau, die (nicht im­mer) et­was kann, aber al­les Wis­sen etc. fröh­lich über Bord wirft, wenn ei­ner mar­kig-männ­lich da­her stol­ziert kommt, um sie zu hei­ra­ten; den Ein­fäl­ti­gen, der nur da­zu ge­schaf­fen wur­de, den Hel­den in noch strah­len­de­rem Glanz er­schei­nen zu las­sen, und höchs­tens da­zu in der La­ge ist, ein paar Au­ßer­ir­di­sche ab­zu­knal­len; den Bür­ger, der dau­ernd Angst vor den bö­sen Fein­den hat und von den Mi­li­tärs ge­ret­tet wer­den muß; schließ­lich den In­ge­nieur (oft ein Deut­scher), der aus den sim­pels­ten Hilfs­mit­teln in der größ­ten Not einen Atom­kon­ver­ter bau­en kann. Die­se Ty­pen sind un­ver­än­der­lich, starr und ein­di­men­sio­nal. Na­tür­lich pas­sen sie so auch in den Plot des nor­ma­len Ro­mans. Denn die Ge­fah­ren, die da aus dem All auf­tau­chen, be­dür­fen ab­ruf­be­rei­ter Hel­den, die nicht erst lan­ge über­le­gen müs­sen, son­dern in be­stimm­ter Wei­se (und nur so) dar­auf rea­gie­ren kön­nen. Die Be­dro­hun­gen selbst sind ja auch grell und klot­zig, da bleibt für ein Ab­wä­gen, für ei­ne Dis­kus­si­on über mög­li­che zu tref­fen­de Maß­nah­men im Grun­de kei­ne Zeit.

Die­se Scha­blo­nen-Cha­rak­tere re­sul­tie­ren si­cher auch aus den bis vor ei­ni­gen Jah­ren man­gel­haf­ten psy­cho­lo­gi­schen Kennt­nis­sen in der Mehr­heit der Be­völ­ke­rung (und die Leih­buch-Au­to­ren stamm­ten aus die­ser Be­völ­ke­rungs­mehr­heit). Erst Mit­te der sech­zi­ger Jah­re er­leb­ten die Freud, Reich, Ad­ler, Jung usw. ei­ne Wie­der­ent­de­ckung im Zu­ge der stu­den­ti­schen Un­ru­hen. Auf einen knap­pen Nen­ner ge­bracht: Was ei­ne Neu­ro­se ist, weiß heu­te ei­gent­lich je­der, wäh­rend der Psy­cho­ana­ly­se bis vor an­dert­halb Jahr­zehn­ten noch et­was sehr Ge­heim­nis­vol­les an­zu­haf­ten schi­en. An­ders aus­gedrückt, der Held (der männ­li­che, mar­tia­li­sche, auch vä­ter­li­che) galt da­mals noch et­was, und nie­mand wä­re auf die Idee ge­kom­men, sein Ver­hal­ten und Ge­ba­ren psy­cho­ana­ly­tisch zu hin­ter­fra­gen und da­bei zu ana­len Fi­xie­run­gen und ähn­li­chen, für den Hel­den nicht un­be­dingt schmei­chel­haf­ten Er­geb­nis­sen zu ge­lan­gen.

Der mar­tia­li­sche Held ist aus den SF-Leih­bü­chern kaum weg­zu­den­ken. Nicht im­mer lan­den ter­ra­ni­sche Kos­mos­rei­sen­de auf Pla­ne­ten, de­ren Be­völ­ke­rung sie freund­lich oder dank­bar emp­fängt.

In die­sen an­de­ren Fäl­len wird dann eben von der Waf­fe Ge­brauch ge­macht. Die Exo­tik ent­fällt so gut wie völ­lig, es sei denn, man be­trach­tet schon das Aus­se­hen der un­freund­li­chen Ras­se als sol­che. In­tel­li­gen­te In­sek­ten­we­sen (die beim SF-Leih­buch im­mer schlecht weg­kom­men) er­le­digt man in A. Cal­houns An­dro­id’s Pla­net (Borgs­mül­ler, 1961) und M. Ca­ven­dis­hs Das Er­be der La­vua­ner (Be­win, 1967), in­tel­li­gen­te Pflan­zen in G. P. Grays Ti­ta­nen im All (Be­win, 1958) und Geis­ter­we­sen in R. Kochs Welt­raum­ge­spens­ter (Awa, 1957). Ein Phä­no­men der äl­te­ren SF, Ge­walt­tä­tig­keit, Ag­gres­si­on und Schie­ße­rei­en als Mo­tor des Hand­lungs­ab­laufs ein­zu­set­zen. Dort läßt sich ei­ne ge­wis­se klein­bür­ger­li­che Xe­no­pho­bie er­ken­nen, die Angst vor Frem­den, die sich in Ge­walt ent­lädt. Ei­ne Geis­tes­hal­tung, die sich auch in un­se­ren Ta­gen („Tür­ken raus“) in ih­rer gan­zen Dumm­heit und Wi­der­wär­tig­keit of­fen­bart, wie sie sich auch in der His­to­rie im­mer wie­der dort nach­wei­sen läßt, wo Un­auf­ge­klärt­heit und Ver­drän­gung den Zeit­geist be­stimm­ten.

 

KRIEG IM ALL

 

„Auf dem Weg zur Er­kun­dung je­ner Mäch­te, die ge­heim­nis­voll aus dem tie­fen All auf­blit­zen, ge­ra­ten Men­schen in die er­schau­er­li­chen Nö­te kos­mi­scher Ver­lo­ren­heit.“

(Aus In­halts­an­ga­be zu B. An­drew, Al­pha Cen­tau­ri; Feld­mann, 1958)

 

Deutsch­land hat­te den Zwei­ten Welt­krieg ver­lo­ren. Ei­ne un­ge­heu­er­li­che Er­fah­rung für je­des Volk (un­ge­ach­tet der be­son­de­ren Si­tua­ti­on des Fa­schis­mus in die­sem Fall), die es erst ein­mal ver­win­den muß – z.B. durch Ver­drän­gung der Kriegs­schuld­fra­ge (wie in den Nach­kriegs­jah­ren): die Ohn­macht, sich dem zu stel­len, was man an­ge­rich­tet hat, die De­mü­ti­gung durch die Sie­ger­mäch­te (die von Po­li­tik über Wirt­schaft bis zu Fra­gen der Sou­ve­rä­ni­tät al­les in ih­re Hand nah­men), die Angst vor der Ra­che der über­fal­le­nen Sie­ger, die ban­ge Fra­ge nach der Zu­kunft, die Ge­rüch­te­kü­che („Roll­back“). Wie war ein Krieg doch noch zu ver­lie­ren, den man so sieg­reich be­gon­nen hat­te? Man such­te die Schuld bei an­de­ren (er­klär­te Hit­ler zum Ver­rück­ten, als ob da­mit schon al­les er­grün­det wä­re) oder ver­klär­te den Krieg zu ei­ner my­thi­schen Be­dro­hung, die un­er­war­tet über ein Volk her­ein­bricht und ge­gen die man sich kaum weh­ren kann.

Die oben schon an­ge­führ­te Xe­no­pho­bie zeigt sich in den Raum­schlacht-Ro­ma­nen von ih­rer scheuß­lichs­ten Sei­te. An sich schon neu­ro­tisch, stei­gert sie sich noch zur Pa­ra­noia. Nach der Lek­tü­re von nur drei­en sol­cher Ro­ma­ne kommt man schon zu dem Schluß, die Er­de be­fin­de sich in ei­nem per­ma­nen­ten Kriegs­zu­stand. Stän­dig tau­chen aus hei­te­rem Him­mel die Ali­ens auf und ver­fol­gen nur ein Ziel: die Mensch­heit aus­zu­radie­ren. Der in den fünf­zi­ger Jah­ren aus­ge­bro­che­ne Ufo-Wahn, ver­bun­den mit der hys­te­ri­schen Angst vor ei­ner krie­ge­ri­schen Be­dro­hung durch die öst­li­che Sei­te, schuf ei­ne Stim­mung, aus der und für die Leih­buch-Au­to­ren ins All ver­leg­te Kriegs­ro­ma­ne ver­faß­ten.

Vom Si­ri­us-Sys­tem er­schei­nen Raum­schif­fe mit Zer­stör­strah­len und an­de­ren schreck­li­chen Waf­fen (B. An­drew, Welt­brand vom Si­ri­us; Feld­mann, 1959; Ch. Spencer, Sie­ger bleibt der Mensch; Be­win, 1959). Die In­va­so­ren kom­men oh­ne An­kün­di­gung und mor­den oh­ne Sinn. Aus die­ser of­fen­kun­di­gen Un­lo­gik er­wächst dann der kau­sa­le Zu­sam­men­hang, daß die Er­de kon­stant bis an die Zäh­ne be­waff­net ab­war­ten muß. Ei­ne Si­tua­ti­on, von der aus es nicht mehr weit bis zur Dik­ta­tur, bis zur Mi­li­tär-Jun­ta ist. (Bei­spie­le: D. Ben­net, Ges­tern ging die Welt un­ter und Men­schen vom Him­mel; Hön­ne 1959; H. Eg­gers, Der Wett­lauf mit dem Pla­ne­ten; An­ker, 1950; W. Ne­who­me, Der Be­fehl; Be­win, 1967; U. Bie­gel, Die­se Welt ge­hört Euch; Be­win, o. J.; Ch. Rei­ners, Skla­ven der Ro­bo­ter; Be­win, 1966; B. An­drew, RF 10 über­fäl­lig; Feld­mann, 1961; F. Del­ward, Alarm für Sys­tem Ca­pel­la; Wi­du­kind, 1962; H. Bings, Wel­ten in Brand; Hön­ne, 1956; F. Ber­ning, Raum­schiff der To­ten; Be­win, 1963; F. G. Wil­kins, Der grü­ne Re­gen; He­ros o. J., wahr­schein­lich 1958; H. Grob, In­ter­mez­zo im Kos­mos; Be­win, 1961).

Hier kön­nen sich dann die kan­ti­gen, un­er­bitt­li­chen Ge­ne­ra­le und Un­ter­of­fi­zie­re be­wäh­ren. Sie er­hal­ten ih­re Exis­tenz­be­rech­ti­gung durch schie­fe Prä­mis­sen (My­thos des Krie­ges, Xe­no­pho­bie, per­ma­nen­ter Not­stand oder weil ei­ne mys­te­ri­öse Macht von ir­gend­wo in der Ga­la­xis zwei an­de­re Mäch­te in den Krieg treibt).

Ganz an­ders aber sieht die Sa­che aus, wenn die Er­de sich selbst ein Im­pe­ri­um zu­sam­me­nero­bert hat (im Prin­zip al­so das glei­che tut oder vor­hat wie die au­ßer­ir­di­schen In­va­so­ren). Hier wird mit zwei­er­lei Maß ge­mes­sen und un­ver­hoh­len dem Im­pe­ria­lis­mus ge­frönt.

Meist muß sich Ter­ra ge­gen re­bel­li­sche Ko­lo­ni­en zur Wehr set­zen, die zu al­lem Über­fluß ge­le­gent­lich auch noch mit ex­tra­ter­rest­ri­schen Mäch­ten im Bun­de ste­hen (Bei­spie­le: A. P. Ma­son, Le­gio­näre im All; He­ru, 1959; W. Voltz Ster­nen­kämp­fer; Wie­ba, 1958; H. E. Cur­rys fünf­bän­di­ger Zy­klus Volk im Raum; Pfriem, al­le 1959). Die Ver­mu­tung liegt na­he, daß hier mehr oder we­ni­ger ge­tarnt auf die Un­ab­hän­gig­keits­be­we­gun­gen in Afri­ka und Asi­en rea­giert wur­de. Die Auf­lö­sungs­ten­den­zen in den Ko­lo­ni­al­rei­chen sind zwar schon seit den zwan­zi­ger Jah­ren fest­zu­stel­len, doch voll­zo­gen sie sich da­mals noch nicht so ra­di­kal wie nach dem Zwei­ten Welt­krieg. Jun­ge Na­tio­nal­staa­ten au­ßer­halb Eu­ro­pas und Ame­ri­kas zeig­ten zu­dem das Be­stre­ben, sich von den ehe­ma­li­gen Ko­lo­nial­mäch­ten und über­haupt al­len west­li­chen Län­dern beim ei­ge­nen Auf­bau zu ent­fer­nen (Ägyp­ten un­ter Nas­ser, Vi­et­nam un­ter Ho Chi Min, der Kon­go un­ter Lu­mum­ba, um nur ei­ni­ge zu nen­nen).

Es bleibt nicht aus, daß man­che In­va­so­ren mit ih­rem An­griff ein En­de des Ost-West-Kon­flikts be­wir­ken. Ent­we­der schließt sich in die­sen Ro­ma­nen die gan­ze Mensch­heit ge­gen die Füh­rer des Os­tens zu­sam­men, weil die­se sich mit den In­va­so­ren ver­bün­den (z.B. : F. Ro­bin, So­lar ruft Ba­sic I; Borgs­mül­ler, 1960; R. O. Stei­ner, Die Her­ren der an­de­ren Er­de; Brun­nen, 1958), oder die So­wjets er­ken­nen selbst ih­re „Feh­ler“ und läu­tern sich (A. P. Ma­son, Gol­de­ne Ro­bo­ter; He­ru, 1959).

Sel­ten und an­ge­sichts der Schau­der­haf­tig­keit der Kriegs­ro­ma­ne schon po­si­tiv her­aus­zu­he­ben sind die Ge­schich­ten, in de­nen sich auf der Er­de ei­ne Dik­ta­tur eta­bliert hat, ge­gen die an­ge­gan­gen wird. Man soll­te hier an­er­ken­nen, daß die Au­to­ren sich Ge­dan­ken über krie­ge­ri­sche Kon­flik­te ge­macht ha­ben – daß der oben er­wähn­te per­ma­nen­te Not­stand auch ei­ne Kehrsei­te hat. Durch den Kon­flikt von au­ßen ist ein in­ne­rer Kon­flikt auf der Er­de ent­stan­den. Zu Un­recht Ver­folg­te müs­sen flie­hen, bis sie auf ei­ner Ge­fäng­nis­welt Gleich­ge­sinn­te tref­fen und einen Auf­stand in­sze­nie­ren (F. Ber­ning, Pla­net der Ver­fluch­ten; Be­win, 1961). Ir­di­sche Ko­lo­nis­ten, die sich nicht län­ger dem Joch der ty­ran­ni­schen Er­de beu­gen wol­len, sa­gen sich los und er­kämp­fen sich ih­re Un­ab­hän­gig­keit (Ch. Spencer, Das ewi­ge Ge­setz; Be­win, 1960). Ein po­si­ti­ver Re­kurs auf die Un­ab­hän­gig­keits- und Be­frei­ungs­be­we­gun­gen in der Drit­ten Welt. Das Ver­hält­nis zu den Na­tio­nal­staa­ten Asi­ens und Afri­kas hat sich von un­se­rer Sei­te aus seit­dem deut­lich ge­wan­delt.

Viel­fach wird ih­nen Ver­ständ­nis ent­ge­gen­ge­bracht (si­cher auch ein Aus­fluß der De­mons­tra­ti­on ge­gen den Vi­et­nam­krieg). Auch die Raum­schlach­ten spie­len in der heu­ti­gen SF kei­ne große Rol­le mehr, was auf den Wan­del der Le­se­ge­wohn­hei­ten und auf die rea­len Be­dro­hun­gen un­se­rer Welt zu­rück­zu­füh­ren ist. Zu groß ist die Ge­fahr ei­nes Welt­krie­ges ge­wor­den (die Groß­de­mons­tra­tio­nen der Frie­dens­be­we­gung spre­chen ei­ne be­red­te Spra­che), um sich noch ge­dan­ken­los an zer­plat­zen­den Raum­ern und treff­si­che­ren Ge­schüt­zen er­göt­zen zu kön­nen. Der Schock des ver­lo­re­nen Krie­ges ist bei uns längst über­wun­den, man hat sich dar­über hin­aus mit sei­nen Ur­sa­chen, mit dem Fa­schis­mus und mit den Kriegs­fol­gen aus­ein­an­der­ge­setzt (und tut das im­mer noch). Na­tür­lich soll da­mit nicht be­haup­tet wer­den, es gä­be nie­man­den mehr, der ger­ne Krieg spielt – man braucht da nur an die Kil­ler-Spiel­au­to­ma­ten oder die Film-Se­ri­en Star Wars und Kampfs­tern Ga­lac­ti­ca zu den­ken. Aber muß sich die SF heu­te noch da­mit iden­ti­fi­zie­ren? Si­cher nicht.

Rea­le­re Ge­fah­ren be­dro­hen in un­se­rer Zeit die Er­de – ne­ben dem Atom­krieg vor al­lem die Um­welt­zer­stö­rung und die psy­chi­sche Ver­elen­dung des In­di­vi­du­ums. Seit ei­ni­gen Jah­ren be­sinnt sich die SF auf ih­re se­ri­öse Ha­bensei­te und wid­met sich sol­chen Pro­ble­men. Ei­ne Ent­wick­lung, die hof­fen läßt. Ei­ne Ent­wick­lung, die für den bun­des­re­pu­bli­ka­ni­schen Be­reich auch im Leih­buch Wur­zeln hat; mö­gen die we­ni­gen An­sät­ze noch so zart und viel­leicht auch un­ty­pisch ge­we­sen sein, sie sind nicht zu ver­leug­nen.

 

KATASTROPHEN UND GEFAHREN

 

„Ihr Not­ruf … gleicht dem Zir­pen ei­ner Gril­le im Wüs­ten­sand.“

(B. An­drew Al­pha Cen­tau­ri; Feld­mann, 1958)

 

„Der Au­tor ver­liert sich nie­mals in un­sin­ni­gen Spe­ku­la­tio­nen.“

(Aus In­halts­an­ga­be zu: M. Ja­nus Gangs­ter im Welt­raum; Il­tis, 1959)

 

Welt­raum­krank­hei­ten, kos­mi­sche Bar­rie­ren, ge­fähr­li­che Strah­len. Das All steckt vol­ler Be­dro­hun­gen.

Trotz al­ler Exo­tik und Fremd­ar­tig­keit, trotz un­er­war­tet auf­tau­chen­der, schein­bar un­be­zwing­li­cher Ge­fah­ren und auch trotz der Er­ret­tung vor dem Atom­krieg, so an­ders oder neu als die Ge­schich­ten in den vor­an­ge­gan­ge­nen Ka­pi­teln sind die Ro­ma­ne die­ser Ru­brik nicht. Hier wie dort sind Be­dro­hung und Ge­fahr die zen­tra­len Be­grif­fe. Der Stoff, die Ma­te­rie, die Na­tur tre­ten an die Stel­le han­deln­der In­di­vi­du­en, frem­der Ras­sen auf weit ent­fern­ten Pla­ne­ten oder ag­gres­si­ver In­va­so­ren. Auch hier my­thi­sier­te Ge­fah­ren, die oft nur ober­fläch­lich von den Prot­ago­nis­ten be­grif­fen wer­den, de­ren Ur­sprung ge­wöhn­lich im Dun­kel ver­bor­gen bleibt und die un­ver­mit­telt aus „hei­te­rem Him­mel“ auf­tau­chen, plötz­lich ein­fach da sind. B. An­drew hat sich in die­ser Be­zie­hung her­vor­ge­tan, wenn er im­mer wie­der kos­mi­sche Ur­mäch­te oder Ge­wal­ten be­schwört (z.B. Al­pha Cen­tau­ri; Feld­mann, 1058; Der kos­mi­sche Tod; Feld­mann, 1956; Mil­lio­nen im Äther; Feld­mann, 1951; Ab­grund oh­ne Brücken; Feld­mann, 1955). An­de­re, doch ähn­li­che Ge­fah­ren kom­men von G. P. Gray (Das blaue Netz; Be­win, 1958; Gei­ßel des Ori­on; Be­win, 1959), D. Quin­lain (Pan­ther 3 ver­schol­len; Lu­ro, 1958), A. Jef­fers (Die Äp­fel der Hes­pe­ri­den; Hön­ne, 1953). Ori­gi­nell, weil naiv-ko­misch, liest sich W. Keyens Men­schen im Mond (Borgs­mül­ler, 1959): Die Mond­men­schen be­schie­ßen die Er­de mit Strah­len, die die Men­schen ‚mond­süch­tig’ ma­chen und z.B. Selbst­mord, Nacht­wan­deln, Geis­tes­ge­stört­heit etc. ver­ur­sa­chen.

An­ders sind da schon die Ro­ma­ne, in de­nen die Mensch­heit ih­re Ka­ta­stro­phen selbst pro­du­ziert. In der Re­gel ge­ra­ten da­bei – durch­aus rea­lis­tisch – neue Ener­gie­quel­len oder die Atom­kraft au­ßer Kon­trol­le. Es müs­sen auch nicht un­be­dingt B. An­drews kos­mi­sche Ur­ge­wal­ten (Du­ell im Kos­mos; Feld­mann, 1957; Töd­li­che Strah­len; Feld­mann, 1954) und ähn­lich ne­bu­lö­se Din­ge sein, die ter­ra­ni­sche Wis­sen­schaft­ler ver­geb­lich zu bän­di­gen ver­su­chen. Aus­druck li­te­ra­ri­scher Re­ak­ti­on auf Atom­bom­ben-Angst („Gleich­ge­wicht des Schre­ckens“) und der da­mit ver­bun­de­nen Os­ter­marsch­be­we­gung dürf­ten Ro­ma­ne sein, in de­nen Au­ßer­ir­di­sche recht­zei­tig er­schei­nen, um den Atom­krieg zwi­schen Ost und West ab­zu­wen­den (Bei­spie­le: W. Ne­who­me, Die Ae­ra des Frie­dens; Be­win, 1966; C Mor­ris, Jen­seits Sol; Be­win, 1957; Win­ston Brown, Der sil­ber­ne Schat­ten; Fres­co, 1956; E. Ter­ridge, Und sie ka­men vom Si­ri­us; Hön­ne, 1956; B. Tors­holm, Tah Ra­na; Brun­nen, 1958, und In­va­si­on der Sky-Men; Be­win, 1959).

Ei­gent­lich ei­ne Un­ge­heu­er­lich­keit, den Men­schen die Fä­hig­keit ab­zu­spre­chen, sich selbst aus ih­rer Mi­se­re be­frei­en zu kön­nen. Aus­druck ei­ner Denkart, in der be­son­de­re My­then (wie der vom Krieg) ge­dei­hen kön­nen, in der man hys­te­risch auf den po­li­ti­schen Geg­ner starrt. Die Un­durch­schau­bar­keit po­li­ti­scher Zu­sam­men­hän­ge (ein Zu­stand, der sich bis heu­te nicht ge­än­dert hat) nähr­te wohl bei Le­sern wie Au­to­ren die Hoff­nung, ei­ne über­le­ge­ne Him­mels­macht mö­ge er­schei­nen, um auf der Er­de nach dem Rech­ten zu se­hen, und da­bei so klar ver­ständ­li­che und er­kenn­ba­re Ge­ge­ben­hei­ten schaf­fen wie zum Bei­spiel die Ver­nich­tung al­ler Atom­waf­fen. Als Dis­kus­si­ons­bei­trag zur Os­ter­marsch-Be­we­gung oder zur heu­ti­gen Frie­dens­be­we­gung wa­ren und sind die­se Ro­ma­ne je­den­falls denk­bar un­ge­eig­net. Man mag in ih­nen die Ten­denz be­grü­ßen, Atom­bom­ben und -krieg als Ge­fahr er­kannt zu ha­ben, die Lö­sungs­vor­schlä­ge sind in­des ir­ra­tio­nal.

Zwei Ro­ma­ne ra­gen aus dem Üb­li­chen her­aus. E. H. Rich­ter ver­läßt in Die Vul­ka­ne bre­chen aus (Hön­ne, 1953) das ge­wohn­te Hand­lungs­sche­ma von Be­dro­hung-Not­stand-Jun­ta-Ret­tung. Ihm geht es hier mehr um die Dar­stel­lung von In­di­vi­du­en in be­son­de­ren Si­tua­tio­nen. Ein Irrs­tern ist mit der Er­de kol­li­diert und ruft star­ke vul­ka­ni­sche Ak­ti­vi­tät mit furcht­ba­ren Fol­gen her­vor. Die Ord­nung bricht über­all zu­sam­men. In die­sem Cha­os macht sich ein Mann auf die Su­che nach sei­nem Mäd­chen. Die Stim­mung der Trüm­mer­land­schaft im Nach­kriegs­deutsch­land wird (über­tra­gen) sehr gut ein­ge­fan­gen. In der Ge­schich­te fin­den sich so­viel Kraft und Far­be, wie wir es bei ei­nem Leih­buch kaum für mög­lich ge­hal­ten hät­ten. (In­ter­essan­ter­wei­se ver­öf­fent­lich­te der Au­tor die­se bes­se­re Ar­beit un­ter sei­nem rich­ti­gen Na­men.)

Alan D. Smith er­zählt in Ato­m­ex­plo­si­on Ko­balt (Rei­hen­buch, 1954) von dem ame­ri­ka­ni­schen Atom­phy­si­ker Pro­fes­sor Er­nest Ar­bet, der er­kennt, zu welch furcht­ba­ren Zwe­cken sei­ne Ar­beit und sei­ne For­schun­gen miß­braucht wer­den sol­len. Er denkt nach, re­flek­tiert und wei­gert sich schließ­lich aus mo­ra­li­schen Grün­den, an der Schaf­fung noch wirk­sa­me­rer Ver­nich­tungs­waf­fen mit­zu­wir­ken. Die US-Re­gie­rung stem­pelt ihn zum Ver­rä­ter ab und ver­folgt ihn. Aber Ar­bet be­sitzt ge­nug mensch­li­che Grö­ße, um sich nicht kor­rum­pie­ren zu las­sen, und kann end­lich sei­ne Wür­de zu­rück­er­lan­gen. Ein sehr span­nen­der Ro­man, in dem bis zum Schluß die Ge­fahr ei­nes Atom­krie­ges in der Luft hängt. Die Par­al­le­le zu J. R. Op­pen­hei­mer ist nicht zu über­se­hen. Das En­de scheint et­was idea­lis­tisch (so ein­fach geht es wohl doch nicht), aber ins­ge­samt muß der Ro­man als Bei­spiel für die po­si­ti­ven „Roots“ der Leih­buch-SF ge­wür­digt wer­den.

 

AGENTEN, BÖSEWICHTER UND
SUPERMENSCHEN

 

„Wohl je­der Mensch hat einen sechs­ten Sinn.“

(F. Be­ring, Ster­ben­der Ga­ny­med; Be­win, 1961)

 

„Wird es mög­lich sein, den Mann zu fin­den, der an al­lem schuld ist, der den Keim des Bö­sen in sich trägt …?“

(Aus In­halts­an­ga­be zu: J. C. Dwynn,
Ran­gers, Ro­bo­ter und Ra­ke­ten; Wie­se­mann, 1958)

 

Kom­men wir nun zu ei­ner wei­te­ren Spiel­art my­thi­scher Er­ret­tung aus Un­ge­mach, zur zwei­ten Form, sich der Be­dro­hun­gen zu er­weh­ren. Es geht um Agen­ten, die ent­führ­te Wis­sen­schaft­ler be­frei­en, An­griffsplä­ne feind­li­cher Mäch­te ver­ei­teln, ge­stoh­le­ne For­meln dem Geg­ner ent­rei­ßen, Kil­ler un­schäd­lich ma­chen oder für die ei­ge­ne Sei­te beim an­de­ren spio­nie­ren. Das Science Fic­ti­on-Ele­ment ist in die­sen Ro­ma­nen nur mit Mü­he aus­zu­ma­chen. Die Aben­teu­er un­ter­schei­den sich nur un­we­sent­lich von Ja­mes Bond und sei­nen Vor­gän­gern (vor al­lem gilt dies für Mickey Spil­la­nes Mi­ke Ham­mer), das Uto­pisch-Phan­tas­ti­sche wirkt auf­ge­pfropft und reicht nicht ein­mal aus, die­sem Un­ter­gen­re (auch wenn die Ge­schich­ten auf ei­nem an­de­ren Pla­ne­ten spie­len) einen ei­ge­nen Reiz zu ver­lei­hen. Sol­che Thril­ler (auf de­ren Ei­gen­hei­ten hier nicht wei­ter ein­ge­gan­gen wer­den kann) sind heu­te stark aus der Mo­de ge­kom­men. Das Psy­cho­lo­gi­sche, der Be­zug zur Rea­li­tät und die Mo­ti­va­ti­on der Prot­ago­nis­ten fehl­ten die­sen Bü­chern doch zu sehr. (Bei­spie­le: B. An­drews Se­rie um Al Dek­ker, vier Bän­de bei Feld­mann; G. P. Grays Se­rie um Dr. Lau­be, vier Bän­de bei Be­win; K. Mer­tens Se­rie Will Fox, der Welt­raum­pi­rat, 13 Bän­de bei Rei­hen­buch; J. C. Dwynns Se­rie um Pe­ryc Col­lins (s.o.) mit vier Bän­den bei Wie­se­mann und Be­win – und ei­ne Un­zahl von Ein­zel­ro­ma­nen).

Ei­ne we­sent­lich schär­fe­re, weil be­denk­li­che­re No­te ge­win­nen die­se Ge­schich­ten, wenn die Geg­ner nicht mehr qua­si an­onym blei­ben, son­dern Far­bi­ge, Rus­sen oder Chi­ne­sen beim Na­men ge­nannt wer­den. Oh­ne Skru­pel ver­fah­ren die Au­to­ren bei der Aus­schal­tung der­sel­ben ge­nau­so wie bei der Ver­nich­tung von Ali­ens und an­de­ren un­ap­pe­tit­li­chen In­va­so­ren. Hier tritt ein Ras­sis­mus zu­ta­ge, der sich durch nichts mehr ver­harm­lo­sen läßt. Wo Rus­sen, Chi­ne­sen, Far­bi­ge und an­de­re als zu ver­nich­ten­des, un­wer­tes Le­ben dar­ge­stellt wer­den, muß dem Le­ser die Geis­tes­hal­tung der Au­to­ren frag­wür­dig er­schei­nen.

F. Ber­ning schrieb ei­ne Se­rie um den Ge­heim­dienst­ma­jor Ga­len{25}: In Welt­raum­kreu­zer über Afri­ka (Be­win, 1961) geht es ge­gen einen schwarz­afri­ka­ni­schen Staat und sei­nen Prä­si­den­ten na­mens Ni­ge­ria (!), in Uran­frach­ter über­fäl­lig (Be­win, 1963) geht es ge­gen bö­se Chi­ne­sen und noch ein­mal ge­gen die­se in Un­ter­neh­men Gel­be Flot­te (Be­win, 1961). M. Keens Se­ri­en­held Ja­mes Hunt muß den Ver­bre­cher Li Fu (aus wel­chem Land mag der wohl kom­men) ding­fest ma­chen (To­des­bo­ten; Rei­hen­buch, 1954). Noch di­rek­ter und sorg­lo­ser er­zählt R. Krapp: In Re­lais­sta­ti­on Mond (Ver­lag Das Leih­buch, o. J.) brin­gen „ru­sa­si­sche“ (!) Agen­ten die Ab­wehr „Ame­ro­pas“ (!) in ar­ge Be­dräng­nis. Es kommt zu Kämp­fen zwi­schen „ru­sa­si­schen Spio­nen, die nur ver­nich­ten wol­len“ und For­schern aus Ame­ro­pa, die „ih­re ein­ma­li­ge Er­fin­dung der fried­li­chen Welt dienst­bar zu ma­chen ver­su­chen“, „… tra­gen die vor kei­nem Mord zu­rück­schre­cken­den Ru­sa­sier den Sieg da­von?“ heißt es in der In­halts­an­ga­be, „oder die har­ten Män­ner aus Ame­ro­pa, die kei­ne Ge­fah­ren und Stra­pa­zen scheu­en …“

Von den stahl­har­ten Agen­ten, die al­les ver­mö­gen, ist es dann kein wei­ter Schritt mehr zu den Über­menschen, den Su­per­in­tel­li­gen­ten und den Mu­tan­ten. Sie tre­ten in den Leih­bü­chern eher sel­ten auf – die Mög­lich­kei­ten psy­chi­scher Ver­än­de­run­gen mö­gen den Au­to­ren wohl et­was zu ge­wagt er­schie­nen sein. Wie oben schon er­wähnt, war da­mals die Psy­cho­lo­gie kei­nes­wegs All­ge­mein­gut. Die Im­pli­ka­tio­nen der Psi-Kräf­te konn­ten da­her kaum er­faßt, ge­schwei­ge denn dar­ge­stellt wer­den. Den mas­sivs­ten Ein­satz von Mu­tan­ten (oh­ne hier die li­te­ra­ri­sche Um­set­zung der Pro­ble­ma­tik zu be­rück­sich­ti­gen) trifft man in der deut­schen SF in der Per­ry Rho­dan-Se­rie wo sie durch­aus zum Er­folg der Se­rie bei­ge­tra­gen ha­ben. Im Be­reich des Leih­buchs mö­gen wir J. v. Scheidts haar­sträu­ben­de Dar­stel­lung ei­nes Über­menschen in Stern­vo­gel (Be­win, 1962) als ty­pisch an­se­hen: Ein su­per­in­tel­li­gen­ter Mann muß ein­grei­fen, als das Stel­lar­fie­ber (das Raum­fah­rer in den Wahn­sinn treibt) ei­ne Raum­fahrt so gut wie un­mög­lich macht. Das Su­per­hirn wird (wie zu er­war­ten) mit dem Pro­blem fer­tig und star­tet zu ei­ner Rei­se durch die Ga­la­xis. Über ihn heißt es in dem Buch:

 

„Tes Dayen ist ein Über­mensch. Sonst hät­te man ihn nicht zum Lei­ter der In­ter­stel­la­ren Han­dels­ge­sell­schaft ge­macht. Er be­sitzt den höchs­ten In­tel­li­genz­quo­ti­en­ten un­ter al­len Be­woh­nern des ir­di­schen Im­pe­ri­ums. Aber Tes Dayen … dürf­te der fried­lichs­te Su­per­mann al­ler Zei­ten sein … Tes Dayen ist als ein­zi­ger Mensch in der La­ge, ei­ne spe­zi­el­le Funk­ti­on die­ser Ma­schi­ne (ein Ro­bot­ge­hirn, d. Verf.) kurz­zei­tig zu er­set­zen.“

 

Man muß sich die­se Be­schrei­bung Satz für Satz auf der Zun­ge zer­ge­hen las­sen, um sich ei­ne Vor­stel­lung da­von ma­chen zu kön­nen, wie naiv (gleich­zei­tig aber auch ge­fähr­lich) über das „Über­mensch­li­che“ fa­bu­liert wur­de. Ei­ne sehr blau­äu­gi­ge Her­an­ge­hens­wei­se an den „Großen Bru­der“, der al­les schon rich­ten wird. Wie weit weg ist das ei­gent­lich noch vom Ideal­bild des Ari­ers, wie die Na­zis es pfleg­ten?

Ge­fah­ren im Den­ken und Wir­ken von Mu­tan­ten (Über­menschen) er­kennt F. Ber­ning (Ge­setz der Mu­tan­ten; Be­win, 1963), rutscht aber lei­der ins ge­wohn­te Strick­mus­ter ab, wenn in dem Ro­man ei­ne Mu­tan­ten­dik­ta­tur be­siegt wer­den muß, die sich ge­gen Chi­ne­sen, Ali­ens oder kos­mi­sche Bar­rie­ren mü­he­los aus­tau­schen lie­ße.

 

WUNDERBARE ZUKUNFT

 

„… und Sie wer­den spü­ren, daß es so et­was gibt wie die ewi­ge Mensch­lich­keit, Lie­be – Haß – Lei­den­schaft …“

(Aus In­halts­an­ga­be zu: M. Ja­nus, Gangs­ter im Welt­raum, a.a.O.)

 

Ge­wal­ti­ge Leis­tun­gen im All. Der Mensch ge­stal­tet den Kos­mos und ord­net ihn neu. Wie et­wa in W. P. Gro­e­gers Son­ne für Plu­to (Be­win, 1968), wo der Plu­to­mond in ei­ne Son­ne um­ge­wan­delt wer­den soll, da­mit Flücht­lin­ge auf dem Pla­ne­ten ei­ne neue Hei­mat fin­den kön­nen. Na­tür­lich stö­ren Sa­bo­ta­ge­ak­te das küh­ne Vor­ha­ben, und an­de­res Un­ge­mach tritt auf. We­ni­ger kos­misch sind die Wun­der, die man auf der Er­de in­stal­liert. In A. Jef­fers Die Ster­nen­spin­ne (Hön­ne, 1953) will man die Stra­ße von Ma­da­gas­kar ein­däm­men, um so neue Sied­lungs­mög­lich­kei­ten für ei­ne über­be­völ­ker­te Er­de zu schaf­fen. Aber auch hier brin­gen wie­der Er­pres­ser und an­de­re Schur­ken das Pro­jekt in Ge­fahr.

Wir er­ken­nen, wie leicht­fer­tig gi­gan­to­ma­ni­sche Pro­jek­te an der Schreib­ma­schi­ne aus­ge­spon­nen wur­den, die, weil das al­lein für einen Plot noch nicht aus­reich­te, mit Gangs­tern und Spio­nen um­ge­ben wur­den. (Bei­spie­le: A. K. Bur­mes­ter, Der Damm von Ama­zo­nis; Netzsch, 1951; D. Quin­lain, Schat­ten über New York; Lu­ro, 1958 und Gett und Dug­ga, die Pla­ne­ten; Lu­ro, 1959; H. Zahl­ten, Ul­ti­ma­tum vom Him­mel; He­ros, 1958).

In ei­ne Zu­kunft zu ge­lan­gen, die al­ler ge­gen­wär­ti­gen Sor­gen le­dig ist, wo Frie­de, Har­mo­nie und Fort­schritt ein­ge­kehrt sind – wie einen Film be­kom­men Tief­schlä­fer un­se­rer Zeit die­ses Uto­pia vor­ge­führt. Die Un­aus­ge­go­ren­heit und Blau­äu­gig­keit sol­cher Ide­al­ge­sell­schaf­ten ver­scheucht in­des die letz­te Le­se­ener­gie. Oft merkt der Au­tor selbst nicht, daß da an sei­nen küh­nen Kon­struk­tio­nen et­was nicht stim­men kann (hier dar­auf nä­her ein­zu­ge­hen wä­re im Mo­ment mü­ßig und soll­te ei­ner se­pa­ra­ten Un­ter­su­chung vor­be­hal­ten blei­ben). Dar­un­ter fal­len Ro­ma­ne wie: R. Bar­ran, Das Jahr 2100; He­le­na, 1956; E. Mul­ton, Pla­net der Ver­damm­ten; Rei­hen­buch, 1954; C. Mor­ris, Gnos­si II; Be­win, 1957.

Et­was mehr Ge­dan­ken ha­ben sich Au­to­ren ge­macht, die Feh­ler in der idea­len Zu­kunfts­ge­sell­schaft ent­de­cken. U. Bie­gel macht im ga­la­xi­sum­span­nen­den ter­ra­ni­schen Reich der Zu­kunft im­mer noch Krieg und Haß aus (Ga­la­xis oh­ne Mor­gen; Be­win, 1968) und geht in Das En­de der Tech­no­kra­ten (Be­win, 1971) so­gar noch wei­ter: Span­nun­gen ent­ste­hen auf der Er­de in ei­ni­gen Jahr­zehn­ten durch die Ge­gen­sät­ze zwi­schen der rei­chen Über­schicht und den ar­men Pro­le­ta­ri­ern. Der bei der Ent­ste­hung die­ser Wer­ke vor­herr­schen­de Zeit­geist (1968 und 1971) dürf­te wohl ei­ne nicht un­be­trächt­li­che Rol­le ge­spielt ha­ben – es heißt im zwei­ten Buch tat­säch­lich noch „Pro­le­ta­ri­er“. An­sons­ten ist hier aber nur der Back­ground, das Sze­na­rio, ver­än­dert wor­den, vor dem dann die ge­wohn­te Ac­tion­ge­schich­te ab­läuft. Ak­tu­el­ler wirkt da schon ein Zwei­bän­der von A. Ze­no (Die Ka­ta­stro­phe und Die Raum­sta­ti­on; Lu­ro, o. J., bei­de wahr­schein­lich 1958/59). Die Na­tur be­ginnt, die Men­schen ab­zu­sto­ßen. Ka­ta­stro­phen bre­chen un­auf­hör­lich über die Ter­ra­ner her­ein, bis sie den Kampf ge­gen die Um­welt ver­lo­ren ha­ben und sich in ei­ne Raum­sta­ti­on flüch­ten. Von dort wird nach Jah­ren ein neu­er An­fang auf der Er­de ver­sucht. Schließ­lich ein Ro­man von A. D. Smith mit ak­tu­el­len Be­zü­gen (Son­nen­kraft; Rei­hen­buch, 1954). Ein Pro­fes­sor ent­deckt ei­ne neue Kraft­quel­le, die al­le Ener­gie­pro­ble­me lö­sen könn­te. Doch löst er da­mit nicht nur Ju­bel aus. Vor al­lem die Ener­gie­kon­zer­ne ha­ben et­was da­ge­gen, daß sei­ne Ent­de­ckung pu­blik wird.

 

MYTHISCHES UND KOSMISCHES

 

„… Was vor al­lem ist Zi­vil­cou­ra­ge?“

M. Ja­nus (Hö­he­re Ge­walt; Il­tis, 1959)

 

Sa­gen und My­then paß­ten ei­gent­lich schlecht in ein Gen­re, das so pe­ne­trant sei­ne stren­ge Wis­sen­schaft­lich­keit her­aus­strich. Da­her fin­det der Le­ser bei den SF-Leih­bü­chern auch nur sel­ten Tex­te, die nach un­se­rem heu­ti­gen Ver­ständ­nis der Fan­ta­sy zu­zu­rech­nen wä­ren. Man ging al­ler­dings Kom­pro­mis­se ein: Zu der Kon­stan­te Wis­sen­schaft­lich­keit kam auch et­was My­thi­sches hin­zu.

Hier ist die Re­de von tra­dier­ten, of­fe­nen My­then, im Ge­gen­satz zu den vor­her er­wähn­ten My­thi­sie­run­gen (vor al­lem des Krie­ges). Es geht um ur­al­te Göt­ter, die na­tür­li­che Ka­ta­stro­phen aus­lö­sen, um Göt­ter, de­ren Ent­ste­hung mit­un­ter auch na­tür­li­che Ur­sa­chen ha­ben kann (der letz­te Über­le­ben­de ei­ner höchst­ent­wi­ckel­ten, ur­al­ten Kul­tur, ein üb­rig­ge­blie­be­nes Ro­bot­ge­hirn u.a.m.). Ein Be­mü­hen um My­thi­sches ist so­mit fest­zu­stel­len, wenn auch der je­wei­li­ge Hand­lungs­ab­lauf we­nig In­no­va­ti­ves oder aus dem Rah­men Fal­len­des an­zu­bie­ten hat. Kurz ge­sagt: Es kommt zu ge­walt­tä­ti­gen Aus­ein­an­der­set­zun­gen.

Wir ma­chen fol­gen­de My­then-Be­ar­bei­tun­gen aus:

- Über­lie­fer­te My­then: „Der Flie­gen­de Hol­län­der des Alls“ und „Ahas­ve­rus“ (B. Tors­holm, Ge­heim­nis um IRA IX; Be­win, 1958).

- Schöp­fungs­my­thos: G. P. Gray, Der Mars­ru­bin (Be­win, 1958). Als Mars­ru­bi­ne auf die Er­de ge­bracht wer­den, lö­sen sie Un­heil und Ver­der­ben aus. Ei­ne Sint­flut ver­heert die Er­de. Jahr­tau­sen­de spä­ter: Die Er­de ist wie­der be­sie­delt, da ge­rät der Pla­net in ein an­de­res Uni­ver­sum und dort in den An­zugs­be­reich ei­ner Son­ne na­mens Sol …

- Ori­en­ta­li­sche My­then: Ein Gott er­wacht im Hi­ma­la­ja und ver­spürt Zorn über die Zu­stän­de auf der Er­de (A. K. Bur­mes­ter, Die Er­de reißt; Netzsch, 1952). Ein in­di­scher Jä­ger lernt auf ei­ner an­de­ren Welt das Volk der Nir­wa­ne­sen (!) ken­nen, um da­nach ei­ne Prin­zes­sin aus der Ge­walt ei­nes Schur­ken zu be­frei­en (A. Jef­fers, Der Fa­kir und die Ti­ge­rin; Hön­ne, 1954). Ein Scheich will das al­te ara­bi­sche Groß­reich in un­se­rer Zeit wie­der­er­ste­hen las­sen (A. Jef­fers, Die Ka­ra­wa­ne des letz­ten Ka­li­fen; Hön­ne, 1954). West­li­che Wis­sen­schaft­ler ent­de­cken ei­ne Me­tho­de der Zeit­rei­se, die ti­be­ti­schen Mön­chen schon lan­ge mög­lich ist (K. Mer­ten, Ti­me-Ra­dar; Rei­hen­buch, 1952).

- Neue My­then: Am En­de des Raums steht die Burg von Lu­ci­us Tamer­lan (no­men est omen), der mit sei­nen merk­wür­di­gen Kräf­ten das gan­ze Uni­ver­sum in sei­nen Bann zu zie­hen ver­sucht (A. Jef­fers, Wo die Ster­ne en­den; Hön­ne, 1954).

 

Einen Son­der­fall im Be­reich der My­then stellt das Phä­no­men At­lan­tis dar. Lan­ge Zeit wur­den Pla­tos (an­geb­lich au­then­ti­sche) Be­rich­te um den ver­sun­ke­nen Kon­ti­nent für ba­re Mün­ze ge­nom­men. Wenn auch der an­ti­ke Dich­ter, wie vie­le His­to­ri­ker heu­te an­neh­men, da­mit nur ei­ne Ide­al­ge­sell­schaft schil­dern woll­te (die, wie das Schla­raf­fen­land, im Grun­de nir­gend­wo liegt), so han­delt es sich bei dem At­lan­tis-My­thos durch­aus nicht nur um ein harm­lo­ses Phä­no­men. Auf sei­ne be­son­de­re Be­deu­tung in der Na­zi­zeit und bei ge­wis­sen Kri­sen in den Jahr­zehn­ten da­vor ver­weist Nagl und be­legt, daß der ver­sun­ke­ne Kon­ti­nent u.a. als Heim­statt der Ari­er dar­ge­stellt wur­de{26}.

At­lan­tis im SF-Leih­buch der Bun­des­re­pu­blik: In der Re­gel ret­ten die At­lan­ter durch das recht­zei­ti­ge Wie­der­auf­tau­chen ih­res Kon­tin­ents oder durch ih­re Hin­ter­las­sen­schaft im All die Mensch­heit aus ei­ner Ge­fahr. Die At­lan­ter sind wei­ser, sind ethisch und tech­no­lo­gisch fort­ge­schrit­te­ner als die Men­schen. Sie sind edel und gut. Sie spie­len für die Er­de den Schutz­en­gel. Sie ha­ben auch schon ein­mal et­was ge­gen die Chi­ne­sen. Sie sind kei­ne In­di­vi­du­en mit Schwä­chen und Feh­lern. Sie sind ein My­thos. (Bei­spie­le: F. Ber­ning, Nord­pol ruft At­lan­tis; Be­win, 1960; C. Mor­ris, Der Ring der Ple­ne­toi­den; Be­win, 1962; W. A. Kral, Ge­heim­nis im Ur­wald; Be­win, 1964 und … und sie exis­tie­ren doch; Be­win, 1964; Ch. Rei­ners, Ver­mächt­nis im All; Be­win, 1966; A. Jef­fers, Le­mu­ria; Hön­ne, 1955 – hier ist es Le­mu­ria statt At­lan­tis, ein an­geb­lich ver­sun­ke­ner Kon­ti­nent, um den sich ein ähn­li­cher My­thos rankt). Zwei Ro­ma­ne mit leich­ten Va­ri­an­ten zum Schluß. W. A. Kral macht sich dar­an, die Ge­schich­te des Kon­tin­ents At­lan­tis zu er­zäh­len (At­lan­tis, das En­de ei­ner Macht; Be­win, 1963) und ver­zich­tet nicht dar­auf, über Par­al­le­len zu un­se­rer His­to­rie zu spe­ku­lie­ren. Ein nicht ganz so ed­les und be­schüt­zen­des At­lan­tis führt R. Koch vor (Flam­men­de Er­de; Awa, 1952): Ei­ne Ka­ta­stro­phe ist über die Er­de her­ein­ge­bro­chen. At­lan­tis taucht wie­der auf und be­droht die über­le­ben­den Men­schen mit neu­en Ge­fah­ren.

 

WÜRDIGUNG

 

„… daß wir uns un­se­rer ro­man­ti­schen Ge­füh­le und Sehn­süch­te nicht zu schä­men brau­chen.“

(M. Ja­nus, Hö­he­re Ge­walt; Il­tis, 1959)

 

„Man kann aus den Ja­nus-Ro­ma­nen ei­ne Men­ge ler­nen.“

(Aus In­halts­an­ga­be zu M. Ja­nus, Hö­he­re Ge­walt; Il­tis, 1959)

 

„Es gibt auf dem Mond ei­ne Art St. Pau­li.“

(M. Ja­nus, Gangs­ter im Welt­raum; Il­tis, 1959)

 

Ein an­ge­mes­se­nes Ge­sam­t­ur­teil über die SF-Leih­bü­cher zu fäl­len ist nicht leicht. Aus heu­ti­ger Sicht stößt man bei ih­nen auf zu viel Un­säg­li­ches, Plum­pes und Wi­der­wär­ti­ges. Zu sehr wir­ken sie auf ge­walt­tä­ti­ge Aus­ein­an­der­set­zun­gen aus­ge­rich­tet. Zu we­nig ist auf Ver­än­de­run­gen im Le­ser­ge­schmack rea­giert wor­den. Zu ab­sto­ßend ist der re­la­tiv weit ver­brei­te­te Ras­sis­mus im Leih­buch. Zu platt sind die Cha­rak­tere, zu we­nig aus­ge­formt die Sze­na­ri­en, die Exo­tik, das Be­son­de­re des Gen­res.

Doch man muß der Leih­buch-SF zu­gu­te hal­ten, daß die anglo-ame­ri­ka­ni­sche SF der fünf­zi­ger Jah­re über wei­te Stre­cken auch nicht so viel mehr zu bie­ten hat­te{27} (die ins Deut­sche über­tra­ge­nen Ro­ma­ne aus USA und Groß­bri­tan­ni­en fü­gen sich doch recht gut in das Leih­buch-Ge­samt­kon­zept ein). Die Um­bruch­ten­den­zen dies­seits und jen­seits des At­lan­tiks, die seit den Sech­zi­gern un­zwei­fel­haft fest­zu­stel­len sind, er­reich­ten hin­ge­gen das SF-Leih­buch nicht mehr. Da­zu er­wies sich das Me­di­um als zu un­be­weg­lich.

Un­be­strit­ten ist das Leih­buch zu­sam­men mit dem Heft bis in die Mit­te der sech­zi­ger Jah­re der Trä­ger der bun­des­deut­schen SF ge­we­sen. Nach dem Rauch-Fias­ko{28} wa­ren die Hard­co­ver für an­dert­halb Jahr­zehn­te als Kon­kur­ren­ten ver­drängt (die Bü­cher des Ge­br. Weiß Ver­lags wa­ren als Ju­gend­bü­cher kon­zi­piert und spiel­ten da­her kei­ne ent­schei­den­de Rol­le), und die Ta­schen­bü­cher konn­ten sich erst ge­gen Mit­te der Sech­zi­ger voll durch­set­zen. So­mit präg­ten Heft und Leih­buch auch auf lan­ge Zeit das schlech­te Image der Science Fic­ti­on in un­se­rem Land. Die­ser Vor­wurf trifft sie nicht un­be­grün­det, wenn man die o.a. sti­lis­ti­schen und the­ma­ti­schen Schwä­chen be­rück­sich­tigt. Die Markt- und Pro­duk­ti­ons­be­din­gun­gen in bei­den Me­di­en lie­ßen auch nur sel­ten ein hö­he­res Ni­veau zu: schnel­le Ver­käuf­lich­keit (vor al­lem beim Heft) und stän­di­ge Neu­er­schei­nun­gen bei großem An­ge­bot und re­la­tiv we­ni­gen Au­to­ren (vor al­lem beim Leih­buch). Die Au­to­ren pro­du­zier­ten schnel­ler (und rou­ti­nier­ter, d.h. in­halt­lich ri­si­ko­lo­ser), was auf Kos­ten des Ni­ve­aus ging{29}. Es wä­re aber un­ge­recht, al­lein die Au­to­ren für das mä­ßi­ge Ni­veau ver­ant­wort­lich zu ma­chen. Die Pro­duk­ti­ons­be­din­gun­gen der Ver­la­ge lie­ßen kei­ne an­de­ren Ar­beits­mög­lich­kei­ten zu, wenn je­mand als SF-Au­tor sein Ein­kom­men ver­die­nen woll­te. Und an­de­re Märk­te als Heft und Leih­buch stan­den ihm nicht of­fen. Auch heut­zu­ta­ge fin­det man nur we­ni­ge haupt­be­ruf­li­che SF-Au­to­ren, die nicht im Heft­be­reich (äl­te­re auch im Leih­buch) be­gon­nen ha­ben – an­ge­fan­gen von W. Erns­ting und W. Voltz über R. M. Hahn, H. J. Al­pers und H. Pu­kal­lus bis zu R. Zu­beil und A. Brand­horst. So ge­se­hen ist die Be­deu­tung von Leih­buch und Heft für die bun­des­deut­sche SF nicht zu über­se­hen. Erst in den letz­ten Jah­ren ha­ben sich die Ver­öf­fent­lie­hungs­mög­lich­kei­ten um den Be­reich des Ta­schen­buchs ver­mehrt – vor al­lem im Be­reich der Kurz­ge­schich­te, wo haupt­säch­lich die Ver­la­ge Hey­ne, Gold­mann und Moewig zu nen­nen sind. Und zag­haft noch, doch mit deut­lich stei­gen­der Ten­denz, öff­nen sich auch die Ju­gend­buch-Ver­la­ge.

In sei­ner Hoch­zeit, den fünf­zi­ger Jah­ren, spiel­te das Leih­buch ei­ne we­sent­lich grö­ße­re Rol­le als das Heft. Erst­ver­öf­fent­li­chun­gen bzw. Ori­gi­nal­aus­ga­ben fan­den im Leih­buch statt. Oft sind die Ro­ma­ne dann im Heft nach­ge­druckt wor­den, und zwar in al­len gän­gi­gen Rei­hen: Uto­pia und Uto­pia-Groß­band (Pa­bel), Ter­ra und Ter­ra Ex­tra (Moewig), Lu­na und Lu­na-Ta­schen­ro­man (Leh­ning), die sich vor­nehm­lich von den Lei­buch-Ver­la­gen Be­win, Ge­br. Zim­mer­mann, Dör­ner und Awa Li­zen­zen nah­men{30}.

Auch spä­te­re Heft-Rei­hen kon­zen­trier­ten sich auf Leih­buch-Nach­dru­cke: Zu­kunfts­ro­man (Neu­zeit), Zau­ber­kreis-Ex­klu­siv und die Ein­zel­ro­ma­ne aus dem An­dro­me­da/Astra-Ver­lag. In­ter­essant auch die Heft-Rei­he aus dem Zau­ber­kreis-Ver­lag (nicht zu ver­wech­seln mit Zau­ber­kreis Ex­klu­siv): Ne­ben ei­ni­gen Leih­buch-Nach­dru­cken sind hier über­wie­gend auch Leih­buch-Co­ver ver­wandt wor­den. So gut wie kei­ne Neu­ver­öf­fent­li­chun­gen sind hin­ge­gen von den SF-Ro­ma­nen der Ver­la­ge Al­ka und Feld­mann zu ent­de­cken.

Im Ge­samt­an­ge­bot der Leih­buch-Ver­la­ge war die Science Fic­ti­on nicht über­mä­ßig breit ver­tre­ten. In ei­ner Un­ter­su­chung aus dem Jahr 1963 kom­men Ar­nim und Knil­li{31} zu ei­nem Wert von 2,8 % des An­ge­bots mit 5,5 % der Ge­samt­le­ser­schaft. Auch die­se Wer­te ha­ben sich mitt­ler­wei­le zu­guns­ten der Science Fic­ti­on ver­scho­ben. Heu­te fin­det das Gen­re über­wie­gend im Ta­schen­buch statt. Leih­bü­cher spie­len gar kei­ne, Hef­te – au­ßer­halb des Per­ry-Rho­dan-Kom­ple­xes – nur noch ei­ne un­ter­ge­ord­ne­te Rol­le. Die be­son­de­re Form des Ta­schen­buch-Me­di­ums er­laubt den Au­to­ren bes­se­re Ar­beits­mög­lich­kei­ten und hö­he­re Ho­no­ra­re. Das Ni­veau ist deut­lich an­ge­stie­gen, und auch Au­to­ren aus dem Main­stream nä­hern sich dem Gen­re. Ei­ne ge­wis­se Be­hag­lich­keit ist zu ver­spü­ren, den Ta­schen­buch-SF-Rei­hen steht mehr Raum zu Ex­pe­ri­men­ten und Ver­su­chen zur Ver­fü­gung. Brei­te­re Le­ser­schich­ten konn­ten so für die Science Fic­ti­on ge­won­nen wer­den.

Das Ta­schen­buch hat die Leih­bü­cher ver­drängt, hat die Hef­te – wie­der aus­ge­nom­men Per­ry Rho­dan, At­lan etc. – fast zur Be­deu­tungs­lo­sig­keit re­du­ziert und schickt sich seit ei­ni­gen Jah­ren an, den Hard­co­ver-An­teil am Markt im­mer wei­ter zu be­schnei­den. Das Ver­hält­nis von Preis zu In­halt und Auf­ma­chung, so­wohl qua­li­ta­tiv als auch quan­ti­ta­tiv, er­weist sich im Ta­schen­buch als op­ti­mal und kommt den Käu­fer­in­ter­es­sen am nächs­ten. 1982 er­schie­nen durch­schnitt­lich 30 SF-Ta­schen­bü­cher (in 19 Rei­hen) und 13 SF-Hef­te (in 5 Rei­hen) pro Mo­nat. Der An­teil der Hard­co­ver am Ge­samtaus­stoß der Science Fic­ti­on be­wegt sich um die 10 % – mit ab­neh­men­der Ten­denz.

Ist nun das Leih­buch das „schwar­ze Schaf“ in der bun­des­deut­schen SF, des­sen man sich nur un­gern er­in­nert, der dunkle Fleck in der Ver­gan­gen­heit des Gen­res? Ei­ne ein­deu­ti­ge Ant­wort ist wohl kaum mög­lich. Ja – weil, wie oben an­ge­führt, die SF ei­ni­gen Scha­den in ih­rem Image auf sich neh­men muß­te, von dem sie sich bis heu­te noch nicht völ­lig er­holt hat. Nein – weil sich auch bei den Leih­bü­chern Ti­tel fin­den, die zu Un­recht mit dem all­ge­mei­nen Er­schei­nungs­bild des Gen­res in einen Topf ge­wor­fen wor­den und da­bei lei­der in Ver­ges­sen­heit ge­ra­ten sind. Si­cher ei­ne loh­nen­de, wenn auch zeit­auf­wen­di­ge Auf­ga­be, die auch heu­te noch zur Ver­öf­fent­li­chung ge­eig­ne­ten Ti­tel auf­zu­spü­ren.

Ein wei­te­rer Aspekt zur be­schei­de­nen Eh­ren­ret­tung der SF-Leih­bü­cher ist der der Tra­di­ti­on. Wenn sie auch mitt­ler­wei­le über­wun­den wur­de, so ist sie doch ei­ne un­be­streit­ba­re his­to­ri­sche Tat­sa­che. Welt­raum­schlach­ten, end­lo­se In­va­sio­nen, „Gel­be Ge­fahr“ und vie­les an­de­re mehr präg­ten einst das Gen­re und sind heu­te so gut wie nicht mehr vor­han­den. Wich­ti­ger aber ist der an ei­ni­gen Stel­len ver­mit­tel­te sen­se of won­der, der nach jah­re­lan­gen ge­schmack­li­chen und in­halt­li­chen Fehl­grif­fen all­mäh­lich ei­ne Sen­si­bi­li­sie­rung bei Au­to­ren und Le­sern da­für schuf, was die SF will, soll und zu leis­ten ver­mag. Die SF im Leih­buch soll­te da­her als (not­wen­di­ge) Kin­der­krank­heit in der Ent­wick­lung ei­ner ei­gen­stän­di­gen bun­des­deut­schen Science Fic­ti­on (die ja heu­te noch nicht ab­ge­schlos­sen ist) an­ge­se­hen wer­den. Die Leih­buch-SF ist ein we­sent­li­cher und di­rek­ter his­to­ri­scher Vor­läu­fer, an dem sich heu­ti­ge und zu­künf­ti­ge Pro­duk­tio­nen nicht nur mes­sen kön­nen, son­dern auch die Lern­fä­hig­keit der Be­tei­lig­ten un­ter Be­weis zu stel­len ha­ben. Trotz emi­nen­tem an­glo­ame­ri­ka­ni­schen Ein­fluß ist die his­to­ri­sche Li­nie un­ge­bro­chen. SF-Au­to­ren der Ge­gen­wart kön­nen frei­er ar­bei­ten, brau­chen sich nicht mehr mit dem Bal­last her­um­zu­schla­gen, den die Leih­bü­cher auf ih­re Fah­nen ge­schrie­ben hat­ten. Auf die­sem Bal­last läßt sich in­so­weit auf­bau­en, als man sich von ihm fort- und wei­ter ent­wi­ckelt. Und die we­ni­gen po­si­ti­ven Aus­nah­men im Leih­buch soll­ten dar­über nicht ver­ges­sen wer­den.

Ei­ne wei­te­re For­schung am Leih­buch ist nö­tig. Die ge­gen­wär­ti­ge bun­des­deut­sche SF hat ei­ne Ent­wick­lung hin­ter sich (die na­tür­lich über das Leih­buch hin­aus­geht), sie muß sich ihr stel­len und wei­ter von ihr ler­nen.