„Muss ich sie daran erinnern, dass wir alle
erwachsen sind und eine Lösung anstreben?“
Lardes hielt sich für gewöhnlich aus den Streitereien raus, aber
manchmal übertrieben sie.
„Uns sollte
bewusst sein, ganz gleich welchen Standpunkt wir teilen, dass sie
uns momentan überlegen sind. Es wäre größtenteils nichts als
Verschwendung ihnen unsere Leute zu schicken um sie zahlen zu
lassen. Die andere Seite ist, dass wir sie auch nicht einfach ohne
irgendein Wort davon kommen lassen dürfen. Wir müssen zumindest den
Anschein erwecken, wir würden sie zur Rechenschaft ziehen. Sollten
zum Teil aber auch bedenken, wie Suriel richtig bemerkte,
dass sie ausschließlich ihre Feinde
getötet haben. Sie hätten herum wildern
können, ihrem Hunger nachgeben können und sie sind nur rein, haben
ihre Absicht erledigt und sind wieder raus.“
„Wer weiß,
was sie mit den armen Kerlen angestellt haben, eh sie die Häuser
nieder brannten“, murrte Gerrus.
„Das kann man
nicht ausschließen“, stimme Lardes zu,
„bleibt
jedoch dennoch Spekulation und wir müssen uns im Moment mit den
Fakten befassen.“
Ein leises Klopfen unterbrach sie alle.
„Ja?“
Ein kleiner unauffälliger Mann trat ein. Er wirkte sehr scheu und
ließ seinen Blick nervös wandern „Was gibt es
denn?“
„Tut mir leid
euch zu stören, meine Herren..und Dame. Aber wir haben eine
Delegation hier,
die wünscht den Anführer zu sprechen.“
„Eine
Delegation? Wir erwarten niemand, von welchem Land?“
„Nun das weiß
ich nicht, aber“-
„Herrgott
dann finden Sie es heraus Mann, Sie stören
uns und können dann nicht mal Auskunft geben?“ Lardes brachte
Gerrus mit einem Blick zum verstummen.
„Nun ich
glaube nicht, dass sie irgendjemand mitteilen werden, woher sie
genau kommen.
Es handelt sich um Abgesandte der
Werwölfe.“
Sofortige Stille trat ein. Lardes war der erste, der sich wieder
fasste.
„Nun wir
sollten unsere Manieren nicht vergessen. Dann bringt sie
herein.“
„Verzeihung,
aber das wird nicht möglich sein.“
„Wo liegt
denn jetzt schon wieder das Problem?“
Lardes seufzte. Irgendwann einmal würde er Gerrus einem
Benehmkurs aufbrummen und ihm beibringen, wie man vernünftig mit
Leuten umging.
„Reden Sie
bitte weiter.“ Freundlich lächelte Lardes ihn an.
„Sie bestehen
darauf allein mit dem Anführer zu sprechen. Sie räumen ihm ein, er
möge soviel Schutz mitbringen, wie er benötigt um sich wohl zu
fühlen. Aber ansonsten wollen sie ausschließlich mit ihm
sprechen.“
„Ich danke
Ihnen. Führen Sie unsere Gäste zunächst in mein Arbeitszimmer und
bietet ihnen Erfrischungen an.“
„Ja, Herr.“
So plötzlich er gekommen war, so plötzlich war er auch wieder
weg.
„Ich halte
gar nichts davon. Nur den Anführer, ja klar und wenn wir nach Euch
sehen finden wir ein ausgeräuchertes Arbeitszimmer oder
wie?“
„Oh Gerrus,
schaltet eure Vorurteile doch endlich mal ab.“ Suriel schien
mittlerweile ernsthaft wütend, normalerweise war sie die
Beherrschte von ihnen.
„Ich denke
auch wenn eine gewisse Gefahr darin lauert, dass wir nie wieder so
leicht eine Chance bekommen werden, sie zur Rechenschaft zu ziehen.
Und dass sie hier sind, bedeutet ja immerhin dass sie
aufgeschlossen zu sein scheinen.“
„Wenn der
Preis euer Kopf ist, gebe ich nichts darauf mit den Viechern zu
verhandeln.“
Viele stimmten Gerrus murmelnd zu.
„Sie hätten
jeden von uns in der Nacht töten können, ohne dass wir auch nur
etwas bemerkt hätten. Wieso sollten sie sich jetzt hier auf dem
Silbertablett präsentieren, wenn sie tödliche Absichten hätten? Da
gäbe es viel bessere Methoden für sie.“
„Da fängt es
schon an, ihr hinterfragt diese Tölen, was von der Annahme ausgeht
sie wären intelligente Wesen. Und Silbertablett ist das richtige
Stichwort. Hören wir, was sie wollen und schicken wir sie in direkt
in die Hölle.“
„Nein,
Gerrus.“ Diesmal war Lardes, Suriel zuvor gekommen.
„Ich verstehe
deinen Standpunkt und es mag einiges wahres daran sein, aber sie
sind immer noch unsere Gäste. Wir werden sie also dementsprechend
behandeln und das sieht laut Gastrecht keinen Totschlag vor, ich
muss dich enttäuschen. Ich werde mir anhören, was sie
wollen.“
„Aber“-
„Nein, kein diskutieren mehr! Ich werde mir Wachen mitnehmen und
auch vor der Tür werden welche postiert sein. Aber davon abgesehen,
wird es keine kriegerischen Handlungen geben.
Das gilt vor allem für dich, Gerrus.“ Lardes konnte ein Lächeln
nicht unterdrücken.
Er meinte es gut, das
wusste er, aber zuweilen schoss Gerrus doch über das Ziel
hinaus.
„Solange es
nicht zu spontanen Änderungen kommt, die ich euch mitteilen würde,
sehen wir uns wie sonst auch um 5 Uhr zur allgemeinen Versammlung.
Jetzt entschuldigt mich, unsere Gäste warten.“
Walerion verstand Kelladres mittlerweile sehr gut. Wie er durch die
Stadt gegangen war und die Häuser und manches Innenleben gesehen
hatte, ließ sich die Entwicklung der Menschen nicht verleugnen. Er
hatte so oder so, der Stadt einen Besuch abstatten wollen. Die
unerwartete Entwicklung mit seiner Absetzung hatte den Wunsch nur
unterstützt. Er brauchte ein wenig Ruhe und Abstand. Bailor war in
der Nacht noch zu ihm gekommen und hatte ihn gebeten als
offizieller Diplomat mit den Menschen in Kontakt zu
treten.
Walerion hatte ohne zögern sofort zugestimmt und ihn ziemlich
schnell abgefertigt. Er war einfach nicht in der Stimmung für
langatmige Gespräche, nicht mal mit dem Anführer.
Er wollte nicht hören, dass es nicht Bailor's Absicht gewesen war
und wie leid es ihm vermutlich doch tat. Die Situation hatte sich
grundlegend geändert und Walerion passte sich so gut wie möglich
eben an. Aber stundenlanges darüber debattieren konnte er jetzt
echt nicht gebrauchen.
Geräusche und ein Tür öffnen kündigten nun endlich das
Menschenoberhaupt an.
Walerion war die Geduld in Person, hatte sich jedoch langsam
gefragt, wie lange er sie eigentlich warten lassen wollte. Bailor
hatte ihm ursprünglich persönlichen Geleitschutz angeboten, aber er
hatte abgelehnt. Von privaten Motiven abgesehen, war es auch nicht
richtig wenn der neue Anführer sich unnötig in Gefahr begab.
Walerion unterdrückte Anflüge von Bitterkeit.
Zudem war er unauffälliger wenn er von zwei aufgedrängten
Leibwachen abgesehen, alleine reiste „Tut mir
leid, dass ich Euch warten ließ. Wir waren nur mitten in Absprachen
und Euer Besuch kam etwas unerwartet. Ich bin Lardes.“ Er reichte
ihm die Hand.
„Walerion.“
„Nun was kann
ich für Euch tun?“
„Zunächst
einmal solltet Ihr dem, den ihr Gerrus nennt, vielleicht einen
Maulkorb anlegen.
Ich denke da nur an seinen eigenen Schutz. Wobei
Tölen aus der
Sicht eines Menschen fast schon charmant ist.“ Walerion
lächelte.Lardes war erstarrt und räusperte sich.
„Ihr habt uns
belauscht?“
„Von lauschen
kann nicht die Rede sein. Ihr habt laut genug gesprochen, sodass
ich euch auch außerhalb des Gebäudes noch hätte vernehmen
können.“
Walerion amüsierte sich, soweit es die gegebenen Umstände
erlaubten, köstlich.
Aus seiner Sicht trat er eigentlich relativ friedfertig auf und
dennoch schien sich sein Gegenüber ziemlich unwohl zu
fühlen.
Aber lieber etwas mehr
Respekt, als wenn sie bald gar keine Ruhe mehr hatten.
„Nun..es tut
mir leid, wenn wir Euch beleidigt haben sollten. Das lag nicht in
unserer Absicht.“ Lardes wurde nervös, vielleicht war das doch ein
Fehler gewesen. Hörte er sie erst einmal an. „Also, was führt Euch
eigentlich zu uns?“ Er bemühte sich ein gewinnendes Lächeln
aufzusetzen, obwohl er sich nicht ganz wohl in seiner Haut
fühlte.
Walerion schien ein
angenehmer Mensch zu sein äh Wolf und wirkte im Moment recht
friedlich und doch...Sah er da was silbriges in seinen Augen? War
es normal, dass ein vermeintlicher Greis so rüstig
war?
„Ich bin
wegen denselben Problemen besorgt, wie auch Ihr. Das mit euren
Jägern war eine wirklich unglückliche Entwicklung. Wir sind
gekommen um zu besprechen, wie es für beide Seiten am besten
weitergeht.“
„Bedauert Ihr
es wirklich oder bemüht Ihr euch nur taktvoll zu sein?“
„Beides. Es
war notwendig und doch bin ich nicht glücklich mit dieser
Entscheidung.“
„Was schlagt
Ihr in dem Sinne vor?“ Lardes hätte sich am liebsten auf die Zunge
gebissen.
Er war der Anführer
bei seinem Volk: einflussreich und respektiert. Er sollte nicht wie
ein kleiner Schuljunge in die Defensive gehen vor dem
Wolf.
„Ein
Friedensangebot im weitesten Sinne. Wir brauchen Menschenfleisch
nun mal. Es ist unsere Natur und es lässt sich schwer gegen
ankommen. Allerdings halten wir sehr lange aus mit einer
Nahrungseinheit. Wir werden nie mehr als nötig nehmen und unsere
Spuren so gut es geht verwischen. Es wird bei eurer
Bevölkerungsdichte schwerlich auffallen, wenn mal zwei bis drei
verschwinden im Monat. Im Gegenzug dazu erwarten wir in Ruhe
gelassen zu werden.“
„Ist
Euch klar, dass das was ihr als Nahrungseinheit bezeichnet,
Menschen sind? Menschen mit Familien, denen ich Rechenschaft
schuldig bin?“
„Nun das ist
ehrlich gesagt nicht unser Problem. Habt ihr schlaflose Nächte
wegen ihrer Familien, wenn ihr Rehe oder Hasen tötet und
esst?“
„Nein, aber
das ist was anderes..“-
„Warum? Weil
es für euch normal ist und ihr ganz ohne Fleisch nicht
auskommt?“
Lardes konnte absehen, in welche Richtung Walerion's Gedanken
gingen und das schlimme war,
er konnte es nachvollziehen. Soviel zum Thema dumme
Tölen, dachte er sarkastisch.
„Ihr sprachet
von Ruhe, inwiefern meint Ihr das? - Alle Jäger sind
tot.“
Euretwegen,
fügte Lardes im Stillen hinzu.
„Ich denke da
auch an die Beschützer.“
„Ich fürchte
ich kann nicht folgen.“
„Wir töten.
Zwangsläufig könnte früher oder später mal einer der sogenannten
Beschützer unter unsere Zähne kommen. Dann haben wir selbst eine
neue Generation von Verfolgern erschaffen. Genauso könnten die
bisher parteilosen Bürger sich plötzlich entscheiden,
die Jäger neu zu
gründen. Das bringt niemand von uns weiter. Es wäre vom Regen in
die Traufe.
Wir möchten in Frieden leben und haben auch kein Interesse an
regelmäßigen Blutgemetzeln.“
„Wie edel von
euch.“ Lardes verstand sie durchaus, aber es war schwer die
Gedanken an sein eigenes Volk außer Acht zu lassen.
„Könnt ihr
eure...Streifzüge..nicht auf Mörder oder Gesetzlose beschränken?
Bei uns gibt es davon nun nicht soviel, aber es gibt etliche
Menschensiedlungen. Warum wir?“
Walerions
Augen blitzten.
„Wir sind
keine Reste Verwerter! Wir haben
sehr weit entwickelte moralische Ansichten.
Für die Meisten von uns ist der Tod niemals
etwas leichtes und wir werden ganz bestimmt nicht das Blut von
Mördern in uns aufnehmen! Und Ihr meintet es gäbe andere. Ihr
würdet um selbst Ruhe zu haben wirklich andere bereitwillig opfern?
Ihr würdet ohne mit der Wimper zu zucken fremde Menschen, die Ihr
nicht kennt, zum Tode erklären und kommt dann mir mit einer
Moralansprache?“ Lardes war verlegen, mit so einer Reaktion hatte
er nicht gerechnet.
„Das hatte
ich so nicht gemeint, es..ich.. es war nur so ein
Gedanke.“
„Dann
betrachtet das als nur mal eben eine Meinungsäußerung zu eurem
Gedanken.“
„Wie stellt
Ihr euch das eigentlich vor, soll ich vielleicht ein Gesetz
erlassen, was Werwolfsjagd verbietet? Auf gewisse Weise würde ich
damit sagen, dass wer Mörder mordet, selbst verurteilt wird. Das
ist Wahnsinn.“
„Wie
ich schon sagte, sind das Eure Sorgen und nicht meine. Ihr könntet
uns als Verbündete präsentieren. Lasst gewisse Details aus und
stellt uns als Freunde dar. Ich denke in Eurer Politik gibt es dazu
genauso gewisse Richtlinien, wie verbotener Mord, wie auch in
anderen Ländern?“ „Das
ist...nicht zufrieden stellend. Ihr erwartet nichts anderes als,
dass ich die Augen verschließe.“ Lardes war dabei nicht wohl
zumute.
„In dem Sinne
was wir tun könnten, verhalten wir uns vorbildlich. Ihr könnt es
nachvollziehen,
aber können es Eure Bürger auch? Nur zu testet sie, teilt ihnen
offen unser Gespräch und dessen Inhalt mit, vielleicht überraschen
sie uns ja.“ Walerion machte eine Pause.
„Ich kann
eure Sorgen bis zu einem bestimmten Punkt verstehen und versichere
Euch, auch uns ist nicht wohl dabei. Aber es ist vorläufig die
beste Lösung für das Wohl aller. Wenn ihr einen besseren Vorschlag
habt, bin ich jederzeit offen.“ Lardes schwieg.
„Nun, ich bin
sicher Eure Ratgeber verlangen schon nach Euch und Details über
unser Gespräch. Wenn wir noch viel länger hier bleiben, erliegt
dieser Gerrus vielleicht doch noch der Versuchung uns
auszuräuchern.“ Walerion konnte ein Lächeln nicht ganz unterdrücken
bei dem Gedanken „Wenn Ihr uns also jetzt entschuldigt, wir machen
uns auf den Rückweg.“
Beide standen auf und gaben sich die Hände.
„Ich muss
sagen, Sie sind unerwartet fähig, dafür dass Sie ein Mensch sind.
Sie hätten uns viel mehr Ärger bereiten können.“
Lardes wusste nicht, was er auf dieses zweifelhafte Kompliment
entgegnen sollte. Überhaupt waren ihm die Worte nach dem Gespräch
etwas abhanden gekommen. Die Wölfe waren bereits aus dem Fenster
hinaus in die Seitengasse gesprungen! Vermutlich um mit wenig
Aufregung zu verschwinden. Ein letztes Nicken für Lardes und dann
waren sie von der Gasse auf eine Hauptstraße gebogen und in der
Masse verschwunden.
8.
Kapitel
Walerion war
in seine Dokumente vertieft, als es klopfte. Er war vor wenigen
Stunden erst aus der der Menschensiedlung zurückgekehrt.
„Herein.“
Bailor schien unschlüssig und stand im Türrahmen.
„Rein oder
raus, aber mach die Tür zu.“, lachte Walerion - er hatte bisher
nicht aufgesehen von seinen Papieren.
„Ich war
unsicher, ob ich willkommen bin.“ Letztendlich trat Bailor ein und
schloss die Tür. Jetzt blickte Walerion doch auf.
„Wie könnte
unser Anführer mir nicht
willkommen sein.“ Bailor scharrte mit dem Fuß.
„Hör mal, es
war nie meine Absicht Anführer zu werden, das weißt du. Und wenn es
in meiner Hand gelegen hätte...“
„Das tat es
aber nicht und darum ist es irrelevant, was wäre wenn.“ Bailor
schwieg.
„Du möchtest
bestimmt wissen, wie es mit den Menschen gelaufen ist.“
„Walerion,
lass das nicht zwischen uns stehen, ich bitte dich. Ich war genauso
geschockt,
wie alle anderen dass du abgewählt wurdest und noch mehr, dass
Skerres mich vorschlug.“
Walerion seufzte. „Es steht nicht zwischen uns. Ich bin nicht
deinetwegen...verstimmt.“
Jedenfalls nicht
nur, fügte er
im Stillen hinzu.
„Aber du
solltest auch verstehen, dass ich dir zuliebe keine
überschwängliche Laune aufsetzen werde, selbst wenn du jetzt der
Anführer bist. Und ich bezweifle, dass
alle
geschockt
waren.
Sie schienen doch äußerst einig während der Abstimmung.“
Bailor schwieg erneut.
„Es lief gut,
um deine Frage zu beantworten. Lardes scheint mir ein fähiger
Anführer zu sein und sie werden sich soweit wie möglich bemühen uns
als Verbündete zu betrachten. Wir werden keine Verpflichtungen
haben, aber dieser Status wird uns unsere Ruhe gewähren. Auch was
die Beschützer anbelangt, bekam ich sein Wort, dass er sie im Auge
behalten wird.“
„Hältst du es
für möglich, dass sie gelogen haben?“
„Ich denke
das kann ich mit großer Sicherheit ausschließen. Sie schienen dafür
viel zu viel Angst zu haben.“ Walerion lächelte leicht.
„Hmpf besser
so. Ich meine im Zweifelsfall kann ihnen ein wenig Respekt vor uns
nicht schaden.“
„War es das
dann? Wie du siehst bin ich beschäftigt.“
„Nein. Ich
möchte Euch in den Rat zurück holen. Ich möchte Euch an meiner
Seite haben, da ich Eure Meinung schätze und auch dazu offen
stehe.“ Bailor hatte bewusst ins Förmliche zurück gewechselt, um
seinen Respekt zu bekunden.
„Ich fürchte
diesem Wunsch kann ich nicht nachkommen.“
„Walerion“ -
„Bailor Ihr seid jetzt der Anführer, also handelt wie
einer.
War dein Wunsch etwa ein Befehl?“
„Nein,
natürlich nicht“
„Dann haben wir uns in diesem Punkt nichts weiter zu sagen. Ich
nehme hin, was passiert ist,
werde aber keine weiteren Demütigungen über mich ergehen lassen.
Ich bewahre mir dieses Stück Würde. Ich werde
weiterhin die Jungen unterrichten, wenn es dir
als Anführer genehm
ist.“
„Natürlich, Meister.“
„Nein,
einfach nur noch Walerion. Ihr habt jetzt dich als
Meister.“
„Ihr seid
auch so der weiseste und einer der ersten Wölfe. Das nimmt euch ein
blöder Titel nicht weg!“
„Ehrenhaft,
Bailor, nicht blöd. Du musst deine Denkweise nun ein wenig
anpassen.“,
mahnte Walerion sanft.
„Wie auch
immer. Ich habe dir Bericht erstattet und hätte jetzt gern meine
Ruhe. Ich bin ein alter Mann und muss mich von der Reise
erholen.“
„Seit wann
seid Ihr alt? Und auch wenn Ihr Eure Meinung klar gemacht habt,
überdenkt doch bitte nochmal die Sache mit dem Rat...“
„Du darfst
gern die Tür schließen, wenn du dann endlich
gehst.“
Wie überdeutlich sollte Walerion denn noch werden?
Bailor murmelte irgendetwas unverständliches und verließ eine
Verbeugung andeutend, sein Haus. Walerion seufzte. Es hätte
wesentlich schlimmere Ergebnisse als Neuwahl geben
können.
Bailor wäre auch für ihn mit unter den ersten, die er gewählt
hätte. Es klopfte erneut.
Langsam kam Walerion an die Grenzen seiner Geduld.
„Ja?“ Myrac
trat ein.
„Ich habe
gehört, dass Ihr zurück seid.“
„Wie du
siehst, bestätigt sich das Gehörte. Was kann ich für dich
tun?“
„Ich will
morgen wieder beim Unterricht dabei sein.“
„Deine
Strafzeit ist noch nicht um, Myrac.“
„Mir egal ich
will es und darum werden sie mich lassen und es sind doch eh nur
noch wenige Tage.“
„So werde
ich?“
„Ja, wenn
nicht erzähl ich es meinem Vater und Sie haben ja gesehen, wohin es
Sie gebracht hat mich auszuschließen.“ Walerion lächelte
müde.
„Ich fürchte
ich muss dein Weltbild ein wenig zurecht rücken, Junge. Meine
Abwahl,
auf die du anspielst, hat nicht das Geringste mit dir zu
tun.“
„Hat es
wohl.“
„Nein, das
lässt dein Vater dich glauben aber so ist es leider nicht.
Unsere..unterschiedlichen Meinungen, hatten
seit je her Bestand. Du warst einfach nur ein willkommenes Mittel
zum Zweck. Ein Auslöser, aber nicht die Ursache. Ich wünschte dein
Vater würde dir tatsächlich soviel Aufmerksamkeit geben, wie du
glaubst. Ich wünschte es wirklich.“
„Sie
lügen!“
„Nun, wenn du
meinst. Was die wenigen Tage betrifft, so ist es vielleicht nur
eine kurze Zeit noch.
Aber es geht um das Prinzip. Du hast gegen die Regeln verstoßen und
hattest eine Auszeit verdient. Die restliche Zeit wegzustreichen,
wäre eine Strafminderung und hieße wir würden Kodex und
Regelverstöße hinnehmen. Da wir das jedoch
nicht
tun, spielt
es keine Rolle, ob es wenige Tage, wenige Stunden oder auch nur
Minuten sind. Du wirst also auch morgen und übermorgen fern
bleiben, bis deine Strafe wirklich herum ist und nichts ändert
etwas daran.“
„Das werden
Sie bereuen!“
Wenn die Lage nicht so ernst gewesen wäre, hätte Walerion beinahe
lächeln müssen. Dieses kleine Gesichtchen voller Trotz und
offensichtlich unterdrückter Tränen.
„Dein Vater
könnte jetzt hier vor mir stehen und erneut meine Abwahl wünschen
und es würde dennoch nichts an meiner Meinung ändern. Man mag
jemanden dazu zwingen können, dass er seine Gedanken verschweigt.
Aber du wirst niemals die Art der Gedanken beherrschen
können.“
„Ich werde
einen Weg finden, warten Sie es ab!“
„Es würde
mich erschrecken, wenn mehr dahinter, als kindlicher Trotz
steckte.“
„Ich hasse
Sie!“ Weinend verließ er das Haus und knallte mit Türen.
Walerion massierte sich die Stirn, als es erneut klopfte. Das
reichte, was zu viel ist, ist zu viel.
Er öffnete sein Fenster, verwandelte sich und rannte mit weiten
Sprüngen in den Wald, fort von allem. Er hatte sein Leben lang
Fragen beantwortet und war für andere da gewesen. Jetzt hatten sie
sich Bailor zum Anführer genommen, also sollte er sich gefälligst
um die Probleme kümmern
– sie hatten
es so gewollt. Es waren wirklich Zeiten des Wandels, ganz wie
Kelladres voraus gesagt hatte. Das Rudel war manipulierbar, selbst
Ehrenhafte wurden gezwungen sich einzugliedern in die Farce; die
Menschen stellten im weitesten Sinne ihre Verbündeten da,
obwohl sie das Fressen sein sollten; ihre Vettern waren trotz
Walerion's Bemühungen entfernter denn je und die Jugend? In der war
jetzt schon der Keim Skerres gesät. Es war nur eine
Frage
der Zeit,
wann er ausbrechen würde. Wandel...an sich dem Stillstand stets
vorzuziehen,
aber Walerion sah einfach nichts Positives, was daraus entstehen
sollte. Während seiner Gedanken legte er einige Kilometer zurück
und war an den Ausläufern eines Gebirges angekommen.
Hier würde er vorläufig Frieden finden, einfach immer weiter laufen
und den felsigen Boden
unter den Pfoten spüren und nichts hören, als die Tiere in seiner
Umgebung und das stetige Trommeln seines Laufrhythmus...
***
Teil 2
1. Kapitel
Kinder
rannten lachend durch die Gegend. Die Erwachsenen waren alle
beschäftigt und scherten sich nicht weiter darum. Die Sonne schien
und entlockte selbst die kleinste Falte in Walerion's Gesicht.
Alles schien so idyllisch und normal, dass niemand auf den Gedanken
gekommen wäre, dass sich hier je etwas ändern könnte. Alles ging
seinen Gang. Was sollte schon großartig passieren?
Doch es hatte sich einiges geändert. Wenn Walerion darüber
nachdachte, war es generell schon merkwürdig, dass er überhaupt
noch hier war. Nach seiner Abwahl vor einigen Jahren und den
öffentlich präsentierten Verrat aller, angeführt von Skerres, hatte
er sich eigentlich in die Wildnis zurückziehen wollen. Bailor war
ihr neuer Anführer, sie hatten es so gewollt und doch hatte er
keine Ruhe bekommen und galt nach wie vor als erste Anlaufstelle
für Fragen. Einen kurzen Moment lang konnte er sich abgrenzen, aber
kaum dass er nach den Verhandlungen mit den Menschen wieder hier
gewesen war, wurde er mit Fragen behelligt. Fragen, auf die er
Antworten haben sollte. Walerion war schließlich Hals über Kopf
geflüchtet um sich ein wenig der Einsamkeit hinzugeben.
Er war los gerannt ohne irgendeine Habseligkeit einzustecken und
hatte geplant auf unbestimmte Zeit sich seinen Wolfsinstinkten
hinzugeben.
Doch nicht einmal das war ihm vergönnt gewesen. Serena hatte
vermutlich auch nur mit ihm reden wollen und hatte als sie sein
Haus leer fand, sofort die richtigen Schlüsse gezogen und war ihm
gefolgt. Er hatte sich gar nicht erst die Mühe gemacht, Diplomatie
zu heucheln und hatte ihr gegenüber die Zähne gefletscht. Sie
jedoch ließ sich kein bisschen beeindrucken, verwandelte sich und
trat ihm entgegen. Während eines kurzen Kampfes, war sie
offensichtlich unterlegen.
Aber anstatt zu triumphieren, war Walerion's Wut verpufft. Er ließ
sie einfach liegen und ging seines Weges. Man hätte meinen können,
sie hätte es da begriffen dass er Ruhe haben wollte.
Aber sie dachte gar nicht daran und lief ihm nach kurzem Zögern
einfach nach. Von seinem erneuten Kläffen ließ sie sich kein
bisschen beeindrucken und blieb auf diese Weise mehrere Tage an
seiner Seite. Nach ein oder zwei Wochen, Walerion hatte in dieser
Phase ein schlechtes Zeitgefühl, saß sie auf einmal wieder als
Mensch neben ihm.
„Reicht es
dir jetzt oder möchtest du noch mehr heraus lassen? Ich könnte
unter Umständen auch Bailor herholen, damit du dich noch eine Runde
fetzen und beißen kannst.“
Walerion hatte geschwiegen.
„Ich versteh
dich sehr gut, auch wenn du mir nicht glauben magst. Aber du
solltest wenigstens an die Kinder denken.“ Walerion
schnaubte.
„Sieh es so,
auch wenn es nur ein kleiner Teil sein mag, ist es doch besser als
gar nichts zu tun.
Ich weiß du denkst, alle hätten dich verraten und das mag auch
stimmen. Aber indem du weiter unterrichtest, wird immer ein kleiner
Teil Treuer fortbestehen. Die Existenz einer noch so kleinen
Gegenwehr ist immer noch besser, als nur zu zusehen. Es macht dich
nicht besser als deine Widersacher, wenn du dich jetzt zurück
ziehst und sie sich selbst überlässt.“
Walerion war ansatzweise beschämt und verwandelte sich
zurück.
„Bailor ist
mittlerweile euer Anführer. Du solltest keine Zeit mit mir
verschwenden.“
„Das
mag eine Erklärung sein, aber ein Argument ist es deshalb noch
lange nicht, für eigenes Moral verwerfen. Komm zurück! Es wird
immer welche geben, die hinter dir stehen und den wahren Kodex
vertreten. Nur weil sie sich scheuen offen aufzutreten, heißt es
nicht dass es keine mehr gäbe.“ Walerion grummelte.
„Walerion, er
hatte doch nie die Absicht Anführer zu werden.“, fuhr sie mit
sanfterer Stimme fort „Wir wussten,
dass Skerres etwas am laufen hatte, aber wann war das nicht der
Fall?
Wir dachten es wären nur die üblichen kleinen intriganten
Spielchen. Und wenn Bailor nein gesagt hätte, würden wir nun unter
Skerres dienen, das weißt du!“
Er räusperte sich. „Ich hatte ja nie vor komplett zu
verschwinden.“
Sie zog eine Augenbraue leicht hoch.
„Nun es war
zumindest kein fester Entschluss bisher.“ Beide
schwiegen.
„Und denkst
du denn“, fuhr Walerion leicht auf, „ich wüsste nicht, dass es
nicht Bailor's Absicht war? Aber ob er dazu gezwungen war oder
nicht, ändert es nichts daran, dass er durch das Amt annehmen sich
öffentlich gegen mich gestellt hat. Das kann man nicht einfach so
wegwischen,
ganz gleich wie oft mir mein Verstand sagt, dass es
vermutlich richtig war in
dieser Situation.“
„Ihm geht es
doch so schon schlecht genug deswegen. Willst du ihm deswegen auch
noch Vorbehalte machen?“
„Spielst du
jetzt Schlichterin zwischen uns oder was?“, Walerion lachte bitter
auf.
„Mir sind die
Fakten bekannt Serena und es tut mir ja leid, dass es
dem neuen Anführer scheinbar unwohl geht, aber
nach meinem Befinden fragt schließlich auch keiner. Ich gehe im
Gegensatz zu ihm, Bailor nicht öffentlich an, aber ich brauche
etwas Abgeschiedenheit, vor allem von ihm.
Und ich sage es dir schlicht wie es ist: wenn es ihm
dadurch nicht so toll geht, dann
ist das sein Problem und nicht meines; der Preis den er zu zahlen
bereit war um das Richtige zu
tun.
Also soll er jetzt keinen Rückzieher machen, es war schließlich
seine Entscheidung.
Was hat er denn erwartet? Dass ich hingehe und ihm auf die Schulter
klopfe, super gemacht neuer Anführer, ich wollte schon lange mal
eine Pause?“
Serena konnte sich ein leichtes Grinsen nicht verkneifen.
„Natürlich
nicht. Ich meinte ja auch nur, dass
ihr
beide nicht
vergessen solltet, wer wirklich hinter den Umständen steckt. Wir
drei sind Freunde und nur weil
es nicht leicht ist, sollte
das trotzdem nicht so leicht weggeworfen werden, vor allem nicht
aufgrund von Skerres Wunsch nach mehr Macht. Sagtest du selbst
nicht immer, wir sollten uns nicht auseinander reißen lassen und
eine Einheit bleiben, um im Ernstfall stark auftreten zu
können?“
„Das war
Verblendung. Eine wirkliche Rudel Einheit existiert heute nicht
mehr. Wir machen uns da alle etwas vor, mehr Schein als
Sein.“
Serena durchbohrte ihn regelrecht mit bösen Blicken.
„Selbst wenn
da nicht nur die aktuelle Situation aus dir heraus sprechen
würde,
wäre es nicht erst Recht ein Argument, alles zu geben um das Rudel
wieder zu stärken,
anstatt sich zu verkriechen?“ Walerion
seufzte.
„Ich brauchte einfach einen Moment Ruhe und
Frieden...verstehst du mich? Man sollte meinen,
alle richten ihre Probleme an den neuen umjubelten
Anführer und stattdessen kamen sie doch weiter zu mir.
Es ging in dem Moment einfach nicht mehr. Auch
Gelehrte haben ein
Recht mal Luft zu holen und etwas Wut rauszulassen, nicht nur
Krieger.“
Serena
lächelte. „Schön, dass du wieder bei uns bist.“
„Ich bin noch
nicht losgelaufen.“
„Ja ich weiß,
aber du wirst.“
Eh er noch was entgegnen konnte, hatte sie sich verwandelt und war
Richtung Siedlung zurück gelaufen. Und sie hatte Recht behalten.
Walerion musste immer noch schmunzeln, wenn er an diesen Moment
dachte. Er war zurück gekehrt und alles hatte sein scheinbar
normalen Ablauf genommen. Er lehrte die neuen Generationen, so wie
er es immer getan hatte. Die Leute baten ihn gelegentlich um Rat,
doch auch das hatte sich geregelt mit der Zeit. Bailor hatte
mittlerweile das letzte Wort und so hatten sie sich angewöhnt zu
ihm zu gehen.
Walerion trauerte dieser Entwicklung kein bisschen nach. Das
Verhältnis mit den Menschen hatte sich im weitesten Sinne
eingepegelt. Gewiss, sie waren nach wie vor unglücklich über das
Arrangement, aber es war eine leben und leben lassen Beziehung
geworden. Von ihren Vettern hatten sie schon lange nichts mehr
gehört, was man jedoch positiv werten konnte.
Freundschaftliche Bande waren eh ausgeschlossen, diesbezüglich
hatten sich beide Rudel kein bisschen weiter entwickelt und wenn
sie sich wegen irgendetwas auf den Schlips getreten fühlen würden,
hätten sie schon längst reagiert und notgedrungen Abgesandte
geschickt.
Alles im allen, schien ihre Zukunft rosiger, als Walerion vor
einigen Jahren befürchtet hatte.
Und doch ließ sich der Verfall der alten Zeiten nicht leugnen. Er
war nicht engstirnig,
entgegen dem, was Einige dachten.
Entwicklung war etwas Gutes und er würde es sehr begrüßen, wenn die
Traditionen gebrochen wären zu Gunsten von positiver Neuerung. Aber
wohin er auch sah, er bemerkte nur Verfall und keine neuen Pflanzen
darunter. Ihr Volk war kämpferisch und leichtsinnig. Sie ließen
sich von Charakteren wie Skerres ihre Meinung einflüstern und
Skerres schien nur nach Krieg und Chaos zu trachten. Wenn man ihm
wenigstens noch hätte unterstellen können, dass er das Beste für
alle im Sinn habe. Dann wäre sein Verhalten vielleicht nicht
richtig, aber zumindest hätte er dann gute Absichten gehabt. Aber
das war Wunsch denken. Skerres dachte allein an sich und benutzte
das Rudel als Mittel zum Zweck.
In früheren Zeiten hätte man Wölfe wie ihn einfach
ausgeschlossen.
Aber heute...Einige teilten seine Ansichten und andere waren zu
feige ihm zu widersprechen.
Ihnen war es lieber sich zu verleugnen, aber dafür der Gemeinschaft
anzugehören. Und alleine konnte Walerion da nichts weiter
ausrichten. Er musste zusehen, wie das Rudel seinem Untergang
entgegensteuerte und konnte seine Hoffnung nur in die neuen
Generationen setzen,
dass sie es besser machen würden. Seine früheren Schützlinge waren
mittlerweile alle in ihrer Endausbildung. Sie setzten sich mit
ihrer Zukunft auseinander. Sie lernten kämpfen und fassten
politische Meinungen. Kaum einer kam noch mal zu Walerion, um ihn
um Rat zu bitten.
Sie hatten sich einfach in die Gemeinschaft eingegliedert und er
konnte ihnen schwer einen Vorwurf machen. Es war der leichte und
offensichtliche Weg, selbst wenn man die Ansichten des Rudels nicht
teilte. Er konnte im Moment kein bisschen absehen, was aus ihnen
werden sollte.
Das konnte nur die Zeit zeigen. Von neuen Anhängern Skerres bis zu
vereinzelten Nacheiferern Bailors, konnte alles möglich sein. Es
schien ein wenig hoffnungslos, doch wie Serena richtig bemerkt
hatte, konnte man einfach nur weitermachen. Die Alternative wäre,
Skerres einfach machen zu lassen und sich ihm anzuschließen am
besten noch und das kam für
Walerion
niemals infrage.
2.
Kapitel
„Ich habe
dich schon wieder geschlagen.“
„Wir waren
gleich schnell.“
„Meine Nase
war ein Stück vor dir.“
„Das ist bei
dem langen Ding auch nicht schwer.“
„Nimm das
zurück.“
„Ich denk ja
nicht dran.“
Was als nächstes kam, war so absehbar gewesen und alltäglich, dass
die Anderen schon mit den Augen rollten. Myrac sah
sich wie immer als oberster
und bester von allen. Feran hatte ihm,
wie immer die Stirn
geboten und Myrac rastete wie immer aus und
wollte ihn mithilfe von Wolfsgewalt zwingen.
„Jungs nun
kommt schon, werdet mal erwachsen.“
Die beiden waren verbissen ineinander und keiner schien die
Oberhand zu haben.
„Oh seht mal,
da kommt Bailor.“
Sofort war Schluss mit den Mätzchen und von eine auf die andere
Sekunde, waren sie zurück verwandelt und standen
nebeneinander.
„Ich
sehe ihn gar nicht.“
Myrac machte ein total verdutztes Gesicht. Das war den Anderen zu
viel und sie konnten nicht mehr und brachen in Lachen
aus.
„Ich würde
tippen, es war eine Finte My.“ Feran grinste.
Einen Moment lang sah es so aus, als wenn Myrac erneut ausrasten
wollte. Aber dann beherrschte er sich und stimmte mit in das Lachen
der Anderen ein.
„Schon
irgendwelche Pläne für heute Abend?“
„Nö bisher
nicht.“
Dem neutralen Betrachter mochte es so erscheinen, dass Myrac
gereift war. Er war eben er und versuchte darum nach wie über
andere zu bestimmen, aber seine Wutanfälle verliefen meistens im
Spaß ab und nicht aus Ernst. Doch Feran wusste es besser. Nicht
seine Grundeinstellung hatte sich geändert, sondern es war
lediglich ein Zweck Denken mit dem Alter eingesetzt. Egal wie viel
Macht er über Andere haben mochte, wenn er es sich mit jedem
verscherzte würde er irgendwann alleine da stehen. Er hatte nicht
sein Verhalten abgelegt, er hatte nur gelernt es nicht ganz so
offensichtlich zu tun. Von daher konnte sich ihm auch kaum jemand
offen verweigern.
Denn er machte ja scheinbar nichts, wieso also
hätte man nicht sein Freund sein
wollen.
Sein Vater war ihm diesbezüglich bestimmt ein guter Lehrmeister
gewesen. Auch er war eigentlich nie beliebt gewesen und doch schien
er sehr viele Freunde im Rudel mittlerweile zu haben.
Feran war noch zu klein gewesen um alles mitzubekommen. Die
Geschichte lag immerhin schon über 40 Jahre zurück. Aber er wusste
noch genau, wie er damals ein Elterngespräch belauscht hatte und
wie sein Vater nur knapp verkündet hatte, dass Skerres eine Wahl
geleitet hätte und Bailor nun ihr neuer Anführer war.
Er hatte sich damals keinen Reim darauf machen können und doch
erinnerte er sich, wie verwirrt er als Kind gewesen war. Walerion
war ihr Meister, das war unumstößlich – wieso war das nun nicht
mehr so? Sie hatten in der Zeit einige Wochen gar keinen Unterricht
und als er schließlich wieder einsetzte, hatte sein ehemaliger
Meister kühl und distanziert gewirkt. Es war nicht so, dass er sie
nicht mehr gelehrt hätte. Aber er schien seine Gefühle sehr zu
beherrschen und wurde nie persönlicher als nötig. Feran wusste
noch, wie er sich als Kind vorgenommen hatte Walerion nach diesen
Ereignissen zu zu fragen, wenn er nur erst älter war. Mittlerweile
war er frisch volljährig geworden und hatte sich immer noch kein
Herz gefasst. Alle gingen zu Bailor, wenn es Probleme gab. Er hatte
also kein besonderen Grund, warum er zu ihm hätte gehen müssen.
Überhaupt schien der Meister außerhalb des Unterrichtes sich sehr
zurück zu ziehen. Selten sah man ihn im Geschehen und er schien
gelegentlich mit den Oberen des Rudels Kontakt zu haben, doch auf
Ratsversammlungen sah man ihn generell nicht mehr.
Theoretisch hätte Feran einfach zu ihm gehen können, aber praktisch
sprach sich alles bis spätestens zum Abend im Rudel herum und er
hätte dann einigen Rede und Antwort stehen müssen.
Er seufzte. Manchmal wünschte er sich seine Kinderzeit zurück, da
schien alles so einfach gewesen zu sein. Myrac durchbrach seine
Gedanken.
„Denkt dran!
In 2 Wochen feiern wir meine Volljährigkeit und ihr seid alle
eingeladen und sollt es auch an die Anderen weitertragen! Das wird
klasse!“ Feran rollte die Augen.
Zum wirklich engeren Zirkel gehörten eigentlich nur er und eine
Hand voll Jungs. Nicht dass er sich darum gerissen hätte, aber im
Zweifelsfall zählte er doch lieber zu seinen Freunden als zu seinen
Feinden. Doch wenn es um so etwas wie eine Feier ging, wo massig
Wölfe auf einen Fleck gepfercht wären und ihm ob sie wollten oder
nicht Aufmerksamkeit schenken mussten...
Ja dann vergaß er diese Tatsache und absolut jeder im annähernd
gleichen Alter war sein Freund. Normalerweise lebten die jungen
Frauen und Männer auch getrennt für sich. Zum einem aus Zweck
dienlichen Gründen, bis zu einem gewissen Alter konnten die Jungs
ja doch immer mal ausrasten und zum anderen waren sie eh nicht
willkommen. Solange die Männer im Rudel
unterwegs waren,
galten Frauen nur als schwache Geschöpfe, die nicht weiter
Beachtung verdienten. Feran wusste, dass diese Ansicht vor allem
von Myrac stammte und nur in ihrem Alter verbreitet war. Es konnte
absolut nicht stimmen, selbst wenn man nicht an führende Frauen,
wie Serena dachte.
Aber was sollte ein Einzelner schon bewirken? Sonst widersprach
Niemand Myrac und es hätte auch nichts an seiner Meinung geändert,
dafür war sein Ego viel zu groß.
Also schwieg Feran und blendete die ein oder andere Ansicht von My
einfach gänzlich aus.
Und wenn es um so etwas wie eine Feier ging, waren Frauen natürlich
auf einmal herzlich willkommen. Myrac's sonstiges Auftreten
hinderte ihn nicht daran heftig Eindruck schinden zu wollen und
nach ihrer Anerkennung zu lechzen. Feran war von diesem Verhalten
nicht wirklich überzeugt, konnte aber andererseits auch nichts für
die Damen ihres Alters
tun.
„Wird schon
passen mit den Leuten. Was hast du denn geplant?“
„Lasst euch
überraschen Lirek. Es wird auf jeden Fall aufregend
werden!“
Lirek war
ein schmächtiger Kerl, der bei jeder Gelegenheit Myrac zu Munde
redete.
Wenn er seine Nase noch näher ran drücken
würde, könnte er ihm auch gleich den pelzigen Hintern
putzen., dachte
Feran.
„Nun aber
genug geplaudert, Jungs die Übungen gehen weiter. Lauft euch ein,
die Strecke von hier bis zum Fluss und zurück, los!“
Ihr Lehrmeister war von hinten an sie ran getreten, ohne dass sie
es bemerkt hatten. Sie setzten sich sofort in Bewegung, Myrac an
Feran's Seite.
„Meinst
du Merra wird kommen?“ Feran lachte.
„Ich wette es
gibt genug Frauen, die dir heimlich hinterher schmachten, warum
musst du dich auf die Einzige stürzen, die ganz offensichtlich kein
Interesse hat?“ Es war tatsächlich so.
Seit ihrer ersten Begegnung hatte Merradine nichts als Abneigung
gegenüber Myrac gezeigt.
Sie blieb stets höflich, war jedoch eindeutig keine von denen, die
ihm heimlich hinterher schauten.„Aus Prinzip. Ich verliere nicht
gern.“
„Das wäre mir
jetzt aber nicht aufgefallen.“, selbst Myrac musste
grinsen.
„Früher oder
später wird sie einsehen, dass sie mich liebt. Du wirst schon
sehen. Alle mögen mich, da mache ich jetzt keine
Ausnahme.“
„Darum geht
es dir also. Sie ist dir im Grunde egal oder? Hauptsache es zeigt
niemand offen,
dass er dich zur Hölle wünscht.“ Myrac rammte ihn von der
Seite.
„Klar, was
dachtest du denn, etwa dass mich ihr langweiliges Leben wirklich
interessiert?“
Feran konnte nur, wie so häufig den Kopf schütteln. Aber es war
schließlich Myrac's Problem und wenn sie tatsächlich so dumm war
auf ihn reinzufallen, dann ging ihn das nichts an.
„Ganz
ehrlich, wenn ich mir meine
Haare wachsen ließe und zu dir nein sagte, würdest du mich genauso
bespringen wollen oder? Hauptsache Herausforderung...“
Myrac lachte und tat so als würde er sich schütteln.
„Nee, du bist
dann doch nicht mein Typ.“
Ab da war Schweigen und sie konzentrierten sich auf ihr Training.
Feran konnte einfach nur abwarten, was bei Myrac's Feier passierte
und im Notfall ihn mit Alkohol und
Männer
Raufereien ablenken.
Vielleicht passierte ja auch ein Wunder und Merra und die Anderen
würden einfach nicht kommen, weil sie die Schnauze voll hatten von
Myrac. Naja wohl eher nicht, korrigierte sich Feran. Das würde wohl
doch ein Traum bleiben. Wenn es nach ihm ging, konnte der
Geburtstag seines Freundes gar nicht
schnell genug kommen. Je schneller er da war, umso schneller war
auch der Wirbel wieder vorbei und er musste sich nur um alltägliche
Wutausbrüche kümmern.
3.
Kapitel
Geburtstage
sprachen sich immer schnell herum, vor allem wenn es um
Volljährigkeit ging.
Alle brannten natürlich darauf die
neuen
Wölfe in der
Gemeinschaft zu begrüßen. Mit dem erreichen der 50 waren sie
wirkliche Wölfe und allgemein akzeptiert, während sie als Kinder
kaum weiter beachtet wurden. Myrac war durch seinen Vater ein
besonderer Fall und bekam noch mehr Aufmerksamkeit als zu solchen
Anlässen eh schon üblich war.
Der Sohn des hohen, beliebten
Ratsmitgliedes würde endlich in die Fußspuren
seines Vaters treten. Walerion hatte es vor diesem Tag gegraust,
seit der Abwahl damals und seiner letzten Konfrontation mit Myrac.
Solange er ein Kind gewesen war, konnte Walerion sich noch bemühen,
ihn zu lenken und ihm die Fehler seines Handelns aufzuzeigen. Aber
als vollwertiger Wolf,
würde er der zweite Skerres sein. Er konnte tun und lassen, was er
wollte solange er offiziell die Regeln befolgte. Moralische Aspekte
und der Kodex im eigentlichen Sinne, waren schon länger nicht mehr
relevant. Es zählte nur, dass es keine allzu grobe Regelverletzung
gab, alles andere war egal - erst Recht innerhalb der Politik.
Wortklaubereien und schändliches Verhalten versteckt hinter
hübschen Gerede und Posen waren an der Tagesordnung.
Walerion seufzte. Er ließ sich gehen. Es sprach einiges für seine
Gedanken, aber herum jammern wollte er auch nicht. Wohin er auch
sah, überall waren aufgeregte junge Wölfe zu entdecken.
Myrac schien absolut jeden zu seiner Feier eingeladen zu haben.
Volljährigkeit hin oder her dachte Walerion, er würde in den späten
Abendstunden mal ein Auge auf sie werfen. Auch vollwertige
Mitglieder der Gemeinschaft hatten sich an Regeln zu halten und
gerade wenn Alkohol im Spiel war, konnte man nie wissen. Plötzlich
stutzte Walerion.
Der eine Junge kam ihm bekannt vor. Wobei
Mann
es
mittlerweile mehr traf. Es war Feran!
Der hatte sich ja gemausert. Vom neugierigen Naseweis von früher,
war nicht viel übrig geblieben. Feran erkannte ihn, im selben
Moment.
„Meister! Ich
habe euch lange nicht gesehen.“
Die Anderen in seinem Trupp lachten.
„Das ist nur
Walerion.“
„Hast du
schon heimlich was getrunken?“
„Bailor ist
jagen!“ Ferans Lächeln erstarrte.
„Er war mein
Meister früher und eurer genauso und für
mich
ändert sich
daran nichts, nur weil es in der Politik Änderungen
gab!“ Einen Moment lang herrschte Stille.
Walerion war überrascht über die heftige Reaktion des jungen
Mannes. Im Gegensatz zu ihm hatte er sein Lächeln jedoch nicht
einmal abgelegt.
„Das Laster
der Volljährigkeit. Man fühlt sich stark und jedem überlegen und
vergisst gern seine Anfänge.“, lachte er.
Ihn überraschte das Verhalten der Anderen kein bisschen. Sie gaben
doch nur wieder,
was ihre Eltern dachten. Wer wollte ihnen daraus einen Vorwurf
machen.
„Komm endlich
Feran! Myrac wartet sicher schon und wird noch kaum einen Finger
gerührt haben für seine Feier. Wir wollten ihm doch
helfen.
Oder willst du lieber deine Zeit mit dem Alten
vergeuden?“
Feran warf Walerion einen letzten traurigen Blick zu und lief den
Anderen dann hinterher.
Es war ja klar gewesen, was die meisten nach außen hin von Walerion
hielten und doch regte es ihn auf. Viel mehr noch regte es ihn
jedoch auf, dass er total machtlos war. Er konnte nichts dagegen
tun.
Als Kind hätte er einfach mitgehen können unter dem Vorwand eines
Schulprojektes, aber jetzt Allein diese kleine Szene wird sich bald
herum gesprochen haben und Feran konnte sich jetzt schon den
Vortrag seiner Eltern ausmalen. Ob er denn nicht wüsste, wie
wichtig Ansehen innerhalb des Rudels war und dass er es sich selbst
und ihnen doch nicht mit Bailor verscherzen durfte.
Er verdrehte entnervt die Augen. Dagegen schien ihm eine Feier mit
Myrac als das Wunderbarste überhaupt. Die Feierlichkeiten sollten
außerhalb der Siedlung stattfinden. Zum einen war dort mehr Platz
und es konnte nicht so schnell etwas aus betrunkener Unachtsamkeit
kaputt gemacht werden und zum anderen würden Musik oder allgemeines
Gegröle nicht so leicht zu den Anderen dringen und sie stören.
Entgegen ihrer Annahmen, war doch schon einiges aufgebaut, als sie
ankamen. Myrac hatte als Ort eine von der Siedlung weit entfernte
Lichtung gewählt. Hier war schon ein Tisch mit Leckereien
aufgebaut, eine kleine Anhöhe mit einigen Instrumenten und Musik
Begabten und eine angedeutete Lagerfeuerstelle. Als er sie sah,
grinste er.
„Na Jungs,
doch schon her gefunden?“
„Feran
meinte, er müsse unbedingt mit Walerion plauschen.“
Manchmal hätte Feran, Lirek gerne erwürgt. Er könnte es wie ein
Unfall aussehen lassen und es auf seine Wolfsgene schieben.
Immerhin schien Myrac sich nichts weiter dazu zu denken.
„Kommt der
alte Narr dir auch so oft in die Quere um den Moralischen zu
spielen?“
Feran zuckte unverbindlich mit den Schultern.
„Hast Recht,
reden wir nicht weiter darüber, wir wollen schließlich
feiern.“
Ob durch Unachtsamkeit oder nicht, in solchen Momenten konnte man
Myrac fast mögen.
„Wir müssen
noch Holz für ein Lagerfeuer sammeln und bevor es vollkommen dunkel
ist,
muss der Rand der Lichtung und ein Stück des Weges mit
Kerzengläsern markiert werden.
Lirek grinste. „Wir sind Wölfe, Myrac. Wir können nachts fast
genauso scharf sehen, wie tags.“
„Darum geht
es doch nicht! Es ist meine Feier und
das soll man auch schon von weitem erkennen. Es ist schließlich ein
fröhlicher Anlass und keine Trauerfeier!“ Feran amüsierte sich
köstlich.
Zum Glück war Lirek's Dummheit fast genauso ausgeprägt, wie seine
Neigung sich bei Besseren ein zu schleimen. Obwohl sie relativ
zügig fertig waren, hatte sich die angebrochene Dämmerung in der
Zeit in Dunkelheit verwandelt und die meisten Gäste schienen gerade
einzutrudeln.
Unter ihnen war auch Merradine und wie prophezeit, schmiss Myrac
sich sofort an ihre Seite und nahm sie in Beschlag. Beide schienen
sehr stur zu sein, wenn Feran an ihre Verweigerung gegenüber Myrac
dachte. Da blieb es interessant zu sehen, wer am Ende länger
durchhielt.
Myrac's Charakter konnte diese seltene Ablehnung nur zugute
kommen.
Alles in allem, schien es doch ganz unterhaltsam zu sein. Wenn
Anfangs vielleicht noch leichte Verkrampfung herrschte, so löste
diese sich nach nur 1-2 Stunden Musik und fröhlich fließendem Wein
auf. Mittlerweile waren alle gelöst und unterhielten sich
aufgekratzt, teilweise schon zu aufgekratzt, wo Feran dankbar für
die Entfernung von der Siedlung war. Der Wein tat eindeutig seine
Wirkung und es war einer der wunderbaren Vorteile der
Volljährigkeit, dass sie ganz für sich waren ohne
Aufsicht.
Nach einer Weile feiern, fiel Feran ein, dass Myrac eine
Überraschung angedeutet hatte.
Theoretisch könnte man sagen, dass eine Feier
von ihm ohne
besondere Zwischenfälle mit nichts als guter Laune, schon
eine Überraschung war. Aber er
kannte ihn zu gut, um sich darauf zu verlassen. Und tatsächlich kam
ein ganzes Stück später in der Nacht eine kleine Ansprache von
Myrac.
„Für
diejenigen, die solange durchgehalten haben und trinkfest waren,
folgt nun eine besondere Feier. Jeder der noch stehen kann, folgt
mir jetzt damit wir das Ganze in privaterer Runde fortführen
können.“
An dieser Stelle verabschiedeten sich einige und manche schliefen
schlicht an Ort und Stelle.
Eine Hand voll jedoch, darunter auch Merradine und einige von
Myrac's engeren Freunden,
schlossen sich ihm an. Er führte sie ein gutes Stück Weg entlang,
immer tiefer in den Wald hinein und schließlich kamen sie auf einer
Lichtung an, wo einige Kisten herum zu liegen schienen. Myrac
bedeutete ihnen zu warten und zündete mehrere Kerzen an, um es
ihnen bequemer zu machen. Im Licht sah man jetzt auch, dass
die Kisten viel größer
waren, als zuerst angenommen und mit großen weißen Tüchern
abgedeckt waren.
Was war das für eine Lichtung, eine Art Müllsammlung? Feran war
irritiert und er schien nicht
der Einzige zu sein.
„Setzt euch,
hier sind wir noch ungestörter.“
Myrac reichte eine Flasche mit eindeutig hochprozentigen Zeug
herum.
„Weinbrand,
habe ich meinem Vater abgeluchst.“
Merradine zögerte.
„Nun sei
nicht feige“, zog er sie auf.
„Du stehst
immer noch auf den Beinen, du bist mit hergekommen, also machst du
auch mit.“
Alkoholisiert kam eindeutig mehr von Myrac's Wesen raus, als ihr
lieb war. Schließlich zuckte sie mit den Schultern, nahm einen
größeren Schluck und hustete kurz danach ordentlich. Die anderen
Jungs pfiffen.
„Klasse Frau,
pass auf dass du die Anderen nicht vorführst“, lachte
Myrac.
Ob Myrac sich nun bei jeder Gelegenheit bei
ihr einschleimen wollte oder ob er sie wirklich mochte und es nur
nicht zugeben konnte – Feran wurde
einfach nicht schlau aus ihm.
Der Weinbrand hatte eindeutig seine Wirkung und es war auch lustig
in der viel kleineren Runde, aber nur dafür so ein Aufstand? Myrac
nahm sich scheinbar wieder mal sehr wichtig.
Vielleicht hoffte er auch noch betrunkener und tiefer im Wald,
Merradine leichter rum zu kriegen. Wer konnte das bei ihm schon
sagen. Ferans Sinne waren leicht umnebelt.
„Ich weiß
nicht, wie es euch geht Jungs...und Mädel“, ergänzte er
hastig,
„aber ich
kriege immer einen Mordshunger, wenn ich eine Weile feiere und
trinke.“ Alle lachten. „Ich habe mir darum erlaubt uns einen
kleinen Imbiss mitzubringen.“ Er zog mit einem Ruck die Tücher weg
und was Feran darunter sah, stockte ihm den Atem. Menschen!
Mindestens 10 Stück zusammengepfercht in den drei vermeintlichen
Kisten, welche sich als Käfige heraus stellten und sie waren
lebendig!
Die Anderen zogen ihren Kreis alle enger und schauten regelrecht
geifernd auf ihre Beute.
Feran bekam nun auch den köstlichen Geruch mit und doch war er zu
geschockt, als dass er die Fassung hätte verlieren
können.
„Na habe ich
zu viel versprochen?“, flüsterte Myrac grinsend.
Ihre Beute rückte näher
zusammen und einige wimmerten. Wie hatte Myrac sie nur ohne
Aufsehen zu erregen, hier her geschafft? Plötzlich ertönte ein
Schrei und Feran nahm nur noch einen Fellberg wahr. Als er wieder
etwas sehen konnte, wurde ihm beinahe schlecht. Myrac hatte seine
Gier scheinbar nicht mehr ausgehalten, sich verwandelt und dem am
nächsten stehenden Menschen durch die Gitterstäbe ein Stück vom
Bein herausgerissen. Derselbige stieß nun hohe Schreie aus und
umklammerte die Reste seines Beins. Myrac war schnell fertig und
verwandelte sich zurück.„Er hatte seine Chance an der Feier
teilzunehmen, aber wenn er nicht will.“, seufzte er...und drehte
ihm den Hals um! Stille. Keiner sagte ein Wort, Merradine schien
sehr blass und hatte einige Blutspritzer abbekommen.
„Bedient
euch!“, strahlte Myrac und nun kamen auch die Anderen
näher.
„Ach komm
Merra, es wird dir gefallen. Jungs helft mir mal, ich glaube wir
müssen Überzeugungsarbeit leisten.“ Er schlang ihr den Arm um die
Taille und zog sie mühelos näher zu den Käfigen.
„Welcher
gefällt dir? Der große, kräftige dort? Oder wie wäre es mit dem
kleinen, etwas zarterem? Du hast die freie Wahl.“
„Lass mich,
ich werde gehen, dann könnt ihr euch allein weiter amüsieren.“ Fast
alle lachten. „Aussteigen gibt es nicht, Merra!“ Sie schien zurück
weichen zu wollen, traf jedoch sofort auf Lirek, der ihr bereits
aufdringlich nahe kam. Auf einen Wink hin, wurde sie von ihm und
zwei weiteren gepackt und mit dem Gesicht nahe an Käfig
gedrückt.
„Heißt das du möchtest lieber gefüttert werden? Das ist gar kein
Problem wirklich.“
Während seiner Worte riss Myrac das Restbein des Toten mit einem
Ruck ab und hielt es ihr,
nur wenige Zentimeter vor ihren Mund entfernt, hin.
„Sag ah!“,
lachte er. Merradine wehrte sich, doch gegen drei Mann, dazu noch
Wölfe hatte sie keine Chance. Myrac berührte mit dem blutigen
Fleisch schon sanft ihre Lippen -
„Myrac, das
reicht!“ Alle zuckten vom lauten Zwischenruf zusammen.
„Was gibt es
Feran?“ Er schien irritiert.
„Möchtest du
sie lieber füttern?“
„Wenn sie
nicht will ist das ihr gutes Recht, lass sie gehen!“
„Wieso sollte
ich, wo wir doch soviel Spaß gerade haben?“ Feran trat an sie
heran.
„Wenn
offensichtliche Gründe nicht zählen, dann überlege mal was
passiert, wenn sie ihrer Familie hier von erzählt. Glaubst du dein
Vater wird so ein Skandal erfreuen?“
Myrac's Grinsen geriet ins Flackern.
„Er würde es
bestimmt verstehen, er war auch mal jung.“
„Er
vielleicht, aber auch das Rudel? Und wessen Ruf würde wohl darunter
leiden, wenn das hier ans Licht käme?“ Myrac verzog sein
Gesicht.
„Du hast
Recht. Hier nimm,“ er stieß Merradine von sich,
„ich habe für
Schwächlinge eh nichts weiter übrig. Sie zu dass du sie nach Hause
bringst und dann komm zurück und lass uns weiter feiern.“ Und schon
war er wieder am grinsen.
Feran fiel es in dem Moment schwer ihm nicht eine reinzuhauen, aber
Merra war im Moment wichtiger, eh sie es sich wieder anders
überlegten. Er half ihr auf und verschwand mit ihr in der
Dunkelheit. Eine Weile schwiegen sie.
„Danke...“
Feran blickte auf.
„Ich hätte
schon früher eingreifen müssen, es tut mir leid.“ Sie zuckte mit
den Schultern.
„Immerhin
hast du eingegriffen und nur das zählt unterm Strich.“ Er
betrachtete sie.
„Versteh mich
nicht falsch, aber mich würde interessieren...also...rochen sie gar
nicht köstlich für dich?“
„Dasselbe
könnte ich dich fragen, du standest als Einziger abseits.“ Wieder
schwieg er.
„Sie taten
mir einfach so leid. Wenn sie wenigstens Leichen gewesen wären.
Aber sie saßen da, voller Angst und haben einen angeschaut und dann
Myrac's überflüssige brutale Reaktion.
Wenn er ihn vorher umgebracht hätte okay, aber er schien sich
schlicht einen Spaß daraus zu machen die Menschen besonders zu
quälen. Ich konnte da einfach nicht.“ Sie schauderte.
Er strich ihr über den Rücken.
„Das war
richtig so, du brauchst dich nicht zu rechtfertigen.“ Sie lächelte
ihn dankbar an „Merradine, Feran!“ Beide zuckten heftig
zusammen.
Wie aus dem Nichts, war Walerion vor sie getreten.
„Es ist schon
Morgen, ich weiß ja wie die Jugend denkt, aber
übertreiben...“,
Walerion stockte der Atem.
„Merra, was
ist denn mit dir passiert?“
„Nichts.“
Ihre Stimme klang selbst für Feran zu piepsend, als dass nichts
sein könnte.
Verdammt, sie hatten einfach nicht mehr an das Blut gedacht. So
schlimm sahen sie auch gar nicht aus, aber Walerion war wie immer
nichts entgangen.
„Und wie
konnte nichts dann Flecken
auf dir hinterlassen, die Blut sehr ähnlich sehen?“
Er legte seine Stirn in Falten. Feran bemühte sich um ein Wogen
glätten, aber sein Kopf war noch sehr umnebelt, was das Denken
erschwerte.
„Das muss
bestimmt vorhin passiert sein, als wir tanzten und dabei Wein umher
reichten.“
Walerion durchbohrte ihn mit seinen Blicken.
„Merra, wir
sind am Rand des Waldes. Ich denke den Rest des Weges schaffst du
bestimmt allein.“ Beklommen schaute sie zu Feran, der ihr jedoch
ermutigend zu nickte. Kaum war sie ein paar Schritte gegangen,
wandte sich Walerion an ihn.
„Ich muss
sagen, ich bin enttäuscht.
Wenn ihr schon lügen müsst, hättet ihr euch wenigstens etwas
glaubhafteres ausdenken können.“ Feran musste grinsen. Es war kein
bisschen angemessen in der Situation, aber es war das erste Mal
seit langem, dass er sich wieder wie ein ertappter Junge fühlte und
Walerion ihn rügte.
„Führe mich
zu den Anderen. Wir werden verspätete Nachzügler jetzt ebenfalls
nach Hause schicken, ihr hattet schließlich lang genug. Einige von
uns stehen mittlerweile schon wieder auf und ihr feiert noch
immer.“
Der Alte schüttelte nachsichtig den Kopf, „manchmal möchte man
glatt wieder jung sein.“
Feran überlegte rasch. Würde er sich in irgendeiner Form
verweigern, würde das Walerion's Misstrauen sofort wecken. Die
andere Lichtung war schließlich viel tiefer drinnen.
Es war unwahrscheinlich, dass Walerion sie bemerken würde. Also
führte er ihn zur nahe liegenden Hauptlichtung. Als sie ankamen,
waren die meisten eh schon weg. Ein paar lagen noch schlafend da,
doch diese wurden geweckt und unverzüglich zurück geschickt.
Überall waren ihre Feierindizien verstreut.
„Nun gut, das
Aufräumen könnt ihr auch morgen übernehmen, solange ihr es nicht
vergesst.
Dann lass uns...“ Feran folgte Walerion's Blick um zu sehen, was
diesen zum Verstummen gebracht hatte und ihm wurde übel. Man sah
deutlich einen großen Lichtschein aus der Richtung,
von der er vorhin gekommen war.
„Brennt da
etwas? Du liebe Güte, komm schnell.“
Feran spürte nicht den geringsten Drang ihm zu folgen, aber hatte
er eine andere Wahl?
Wie mechanisch bewegten ihn seine Beine vorwärts. Als sie nahe an
der Lichtung waren, überkamen Feran Wellen der Lähmung. Es war ein
mittlerer Waldbrand! Wo waren die Jungs „Myrac? Lirek?“ Panik
erfasste ihn, wo waren sie?
„Ganz ruhig
bleiben, das Feuer wird dank der vielen Sandflächen schnell
ausgedörrt sein und deine Freunde werden wir auch
finden.“
Sie wurden von schrillen Schreien unterbrochen. War das einer
seiner Freunde? Es ließ sich nicht sagen. Sie sahen sich nur kurz
an und rannten der Geräuschquelle nach. Walerion konnte trotz
seines Alters locker Schritt halten. Sie bogen noch um eine weitere
Ecke und waren auf der Lichtung. Überall Flammen! Und jetzt sahen
sie, woher die Schreie stammten.
Von den Jungs war keine Spur zu sehen, sie waren Wasser holen oder
geflüchtet, wer wusste das schon...und hatten die Menschen zurück
gelassen. Feran wollte ihnen noch helfen, aber Walerion hielt ihn
zurück.
„Es ist zu
spät.“, flüsterte er.
„Das Feuer hat sie komplett eingekesselt und geht bereits auf
die Käfige über.“
Feran war fassungslos, wäre er nur hier geblieben. Und wo zum
Henker waren die anderen?
Sie hatten den Brand gelegt und sich dann einfach aus dem Staub
gemacht. Die Schreie wurden lauter, mittlerweile hatten alle
Menschen Feuer gefangen. Feran wollte sich abwenden,
doch Walerion hielt ihn zurück.
„Egal, wie
dein Anteil an dieser Sache aussehen mag, so ist es doch ein
Ergebnis aller Beteiligten. Also sieh auch genau hin, was ihr
angerichtet habt!“ Er hatte Recht.
Feran hatte dies nie gewollt, aber er hätte sofort gehen sollen,
schon als Myrac die Käfige offenbart hatte. So standen Walerion und
er stumm vor den Käfigen und sahen zu, wie die Menschen verbrannten
und ihre Schreie irgendwann heiser wurden und schließlich ganz
verstummten.
Feran liefen Tränen übers Gesicht und er konnte nicht sagen, ob der
Ruß oder seine Tat dafür verantwortlich waren...
4.
Kapitel
Walerion
kochte beiden eine starke Tasse Tee und servierte außerdem beiden
eine Art Kräuterschnaps aus seinem persönlichem Vorrat. Feran hatte
seit der Szene im Wald kein einziges Wort mehr gesagt. Sie hatten
stumm das Feuer überprüft und dann angefangen die kleineren Stellen
mit Wasser aus einem See in der Nähe, zu löschen. Bisher wusste
niemand im Rudel, was letzte Nacht geschehen war, außer den
Beteiligten. Walerion räusperte sich.
„Du weißt,
warum du zu schauen musstest?“ Er war sich nicht sicher, ob Feran
überhaupt irgendetwas wahr nahm, aber schließlich nickte er dem
Teppich zu.
„Ich denke
auch ohne die Geschichte gehört zu haben, dass du eher am Rande des
Geschehens involviert warst und doch hat es keinen Zweck sich
deswegen unschuldig zu
fühlen.
Man kann nicht seine Taten sorglos vollziehen und dann die Augen
vor den Konsequenzen verschließen.“ Wieder nickte Feran.
Walerion musterte ihn.
„Trink! Es
beruhigt dich etwas und dann muss ich erfahren, was gestern Nacht
wirklich passiert ist, vor allem keine weiteren Lügen!“
Einen Moment lang passierte nichts, dann nahm Feran den Schnaps und
trank ihn in einem Schluck. Er erschauderte kurz und legte dann die
Hände um die Tasse und begann zu erzählen. Er ließ nichts aus, auch
nicht sein Zögern nachdem er die Menschen entdeckt hatte. Er fühlte
sich schuldig und darüber zu reden war wunderbarer Weise als würde
etwas Giftiges aus ihm heraus gefiltert werden. Feran sprach
bestimmt eine Stunde lang, die Sonne stand schon weit am Himmel,
als er endlich verstummte. Walerion schien nachzudenken.
„Was mich
interessieren würde, was meinst du wie es zu dem Brand kam? Auch
wenn uns die Wahrheit natürlich nur die Anderen sagen können, wovor
sie sich hüten werden.“
„Ich bin mir
nicht sicher...“
„Aber du hast
eine Theorie oder? Feran, ihr steckt eh schon alle tief drinnen.
Indem du dich dazu äußerst, kannst du es nicht mehr schlimmer
machen, höchstens besser.“
Feran schwieg einen Moment.
„Da waren
Kerzen...“
„Was meinst
du damit genau?“
„Sie haben
die Hauptlichtung gesehen, überall waren kleine Gläser mit Kerzen
für die Stimmung aufgestellt.“
„Ja, nur das
war an der großen Lichtung, was hat das mit...“
Walerions Augen wurden groß.
„Ihr Idioten
habt im dichtesten Stück Wald neue Kerzen im Dunkeln aufgestellt?“
Feran nickte. „Und dann euch als wärt ihr noch nicht angetrunken
genug, hochprozentiges hinterher gekippt?“ Feran nickte wieder.
Walerion stöhnte und massierte sich die Stirn.
„Ich weiß es
nicht mit Sicherheit, aber wo hätte der Brand sonst her kommen
sollen?
Es muss mit den Kerzen zusammen hängen. Als ich mit Merra los
gegangen bin, sah der Situation entsprechend alles noch gut aus.
Und als wir wieder kamen, war ich genauso geschockt, wie
Ihr.“
Walerion schwieg und sah nachdenklich ins Kaminfeuer, was er in den
Morgenstunden
entfacht hatte.
Er glaubt irgendwie nicht an einen Unfall
durch den Wind, aber es ließ sich eh nichts beweisen, also verwarf
er den Gedanken.
„Ich denke,
also vielleicht ist jemand aus Versehen gegen eines der Gläser
gekommen und da sie nicht ganz nüchtern waren“, Walerion
schnaubte,
„werden sie
es vielleicht nicht bemerkt haben, erst als es zu spät
war.“
„Und dann
sind sie weggelaufen und haben die Menschen dem Flammentod
überlassen,
füge ich hinzu.“
„Vielleicht
hatten sie Angst oder vielleicht wären sie ja mit Hilfe wieder
gekommen...“
„Feran, als
wir kamen waren die Flamen schon am Höhepunkt angelangt und hatten
dank der Sandflächen aufgehört sich weiter auszubreiten. Du kennst
Myrac besser als jeder Andere,
wie kannst du ihn jetzt in Schutz nehmen?“
„Tu ich doch
nicht!“, fuhr Feran auf.
„Es ist
nur...Ich will kein Verräter sein und...je schlimmer seine Taten
sind, umso schlimmer sind auch meine, weil ich beteiligt war.“
Walerion musterte ihn.
„Es war
wichtig, dass du die Verantwortung nicht einfach von dir weist und
natürlich warst du beteiligt, aber es liegt nicht in deiner
Verpflichtung dir Myrac's Lasten aufzulegen. Du hast Situation
bezogen weitest gehend richtig gehandelt. Du hättest lediglich
schon früher eingreifen sollen oder Hilfe holen, da du es nicht
konntest. Aber selbst das kann man dir nur schwerlich zum Vorwurf
machen, so wie sich der Abend entwickelte. Du bist nicht
unschuldig, aber du trägst auch keine große Schuld! Rede dir so
etwas nicht ein, nur weil Myrac seit seiner Geburt entschlossen
ist, alle Regeln zu umgehen!“
„Was wird
jetzt passieren?“ Walerion wägte seine Worte vorsichtig
ab.
„Wir werden
Rat halten müssen und dann wird Myrac angeklagt werden. Ich nehme
an,
ihr werdet als Zeugen nochmal befragt werden. Vermutlich werdet ihr
Verantwortungslektionen erhalten und man wird euch eine Menge
Arbeiten auf lasten, da ihr immerhin beteiligt wart.
Aber zumindest solltet ihr weitest gehend ohne größeren Ärger davon
kommen.“
Feran schwieg, er hatte es verdient ganz gleich was da kommen
würde.
„Und Myrac?“
Walerion sah müde aus.
„Das kann ich
dir leider nicht sagen, man wird sehen. In dem Fall wird das ganze
Rudel über sein Urteil entscheiden.“ Er erhob sich.
„Ich muss
mich jetzt mit Einigen beraten.“ Feran nickte bekümmert.
„Vielleicht
möchtest du vorerst hier bleiben und meine Papiere etwas
ordnen?“
Beim raus gehen murmelte Feran ihm ein Danke hinterher, er war
sicher dass Walerion es noch gehört hatte.
Er war rasch an Bailor's Haus und hatte unterwegs Serena gleich mit
eingesammelt. Nach kurzem Höflichkeiten Austausch, hatte Walerion
die ganze Geschichte bis ins letzte Detail geschildert und nun
schwiegen die drei. Bailor fand als erstes seine Stimme
wieder.
„Dir ist doch
eines klar: so grausam seine Taten gewesen sein mögen, die toten
Menschen werden kaum Einen interessieren.“ Serena fuhr sofort
auf.
Er beschwichtigte sie. „Es ist mir nicht gleichgültig. Ich sage
nur, wie die meisten Anderen es sehen werden und so ist es nun
mal.“ Walerion stimmte ihm zu.
„So gerne ich
ihm seine Taten vor Augen führen möchte, da wird nicht viel zu
machen sein.
Was jedoch ein Fakt ist: er hat sich und seine Freunde und beinahe
den ganzen Stamm,
in höchste Gefahr gebracht. Er hat ohne Zustimmung unnötig Jagd auf
Menschen gemacht,
noch dazu auf viele, nicht nur einen und es dürften wenn wir Pech
haben noch weitere Konsequenzen kommen.
Ich erinnere euch nur an unsere lieben Vettern, wenn die von der
Sache Wind bekommen haben können wir schon einpacken.“ Serena
meldete sich nun erstmalig zu Wort:
„Problematisch ist auch, dass er offiziell
volljährig war und dadurch seine Taten in der vollen Tragweite
beachtet werden müssen, ob eine Nacht oder ein ganzes Jahr
dazwischen liegt, er hat nicht mehr als
Kind
gehandelt.
Auch Skerres Position ist unklar und könnte den Ausgang
beeinflussen.“ Die anderen beiden nickten.
„Was ist mit
dem anderen Jungen, diesen ...Feren?“
„Feran.“,
verbesserte Walerion ihn.
„Ich habe ihn
vorläufig unter meine Obhut genommen. Es muss ja nicht sein, dass
sie zu alledem sich noch gegenseitig fertig machen oder als Zeugen
beeinflussen.“
„Was
glaubst du in wie weit die Anderen involviert waren?“
Walerion überlegte, wie er es am neutralsten ausdrücken
konnte.
„Sie haben
ganz klar unbesonnen gehandelt. Aber ich denke, dass sie
einfach nur Mitläufer
waren und von Myrac die ganze Handlung ausgeht.“
Bailor stand wütend auf und ging ein paar Schritte.
„Nur Ärger
mit dieser Sippschaft.“ Er überlegte.
„Es bleibt
dabei. Wir könnten uns noch Stunden die Köpfe heiß reden, es hat
keinen Sinn.
Wir werden eine sofortige Anklage erheben und dann muss das Rudel
entscheiden.“
Er räusperte sich kurz.
„Walerion...,
ich kenne deine Meinung gut und doch würde ich dich in dem Fall
bitten der Sitzung beizuwohnen.“
„Keine Frage,
Bailor.“ Die alten Freunde lächelten sich an.
„So ich geh
dann mal.“ Die beiden lachten.
„Serena,
deine Anwesenheit ist so selbstverständlich, dass ich sie nicht
weiter erwähnte.“
Bailor legte seine Hand auf ihre Schulter.
„Na dann.“,
bemerkte sie spitz, konnte sich ein Lächeln jedoch auch nicht
verkneifen.
„Was meinst
du, wann sie stattfindet?“ Sofort wurden alle wieder
ernst.
„So schnell
wie möglich, noch heute Nachmittag, wenn ich es schaffe. Da das
interne Probleme sind, haben wir keine Verpflichtung das Rudel
komplett einzuberufen.“
„Heute
Nachmittag schon...“ Walerion starrte in die Ferne...
5.Kapitel
Die
Ratshalle war ziemlich voll. Obwohl die anderen Stämme keinerlei
Verpflichtung hatten,
schien sich die Nachricht schnell herum gesprochen zu haben und
jeder, der Zeit entbehren konnte, war anwesend. Viele verrenkten
sich die Hälse um einen Blick auf Walerion zu werfen.
Er hatte sich die letzten Jahre sehr zurück gezogen und allein
seine Anwesenheit zeigte,
wie ernst die Angelegenheit sein musste. Bailor erhob sich und mit
einem Schlag trat Stille ein. „Bringt den
Angeklagten rein.“
Es bildete sich ein Gang zwischen den Versammelten und Skerres
schritt voran und im einigen Abstand kam sein Sohn hinterher.
Einige murmelten. Es war ungewöhnlich,
dass Familienangehörige die Klage mit leiteten und dass er ihn
persönlich hin führte,
schien noch sonderbarer. Bailor versuchte sich auf das Wesentliche
zu beschränken.
„Dem
Angeklagten wird Folgendes vorgeworfen: er hat ohne Zustimmung und
ohne besonderen Grund Jagd auf Menschen gemacht; er hat diese zum
eigenen Vergnügen am Leben gelassen und gequält vor seinen
Freunden; er hat infolgedessen auf
das
Ärgste unser
Abkommen mit den Menschen strapaziert und es ist bisher nicht
ersehbar welche weiteren Konsequenzen sich noch bezüglich unserer
Vettern ergeben; er hat andere Wölfe unserer Gesellschaft versucht
zu denselben Taten zu zwingen; hat trotz Ermahnungen kein Einlenken
gezeigt und er hat im Wald mitten in der Nacht einen schlimmen
Brand gelegt, der ohne beherztes Eingreifen Anderer eine ernste
Gefahr hätte werden können! Außerdem ist er nach seinen Taten
geflüchtet, ohne den Versuch zu machen dafür gerade zu
stehen!“
Entsetzte Stille hatte den ganzen Rat ergriffen. Fast jeder war
fassungslos. Einen groben Überblick, was einen während der
Versammlung erwartete, bekam jeder vorher. Aber es war etwas ganz
anderes, es so detailliert zu hören. Bailor wandte sich nun direkt
an Myrac.
„Angeklagter,
du hast nun die Chance dich zu deinen Taten zu äußern.“
Myrac richtete sich auf und lächelte. Walerion konnte es nicht
fassen. Er schien weder Reue zu haben, noch den Ernst seiner Lage
zu begreifen. Vielleicht erhoffte er sich auch Milde
aufgrund
der Stellung seines Vaters.
„Es waren
doch nur Menschen und ich hatte Hunger. Ich mein, wer war nicht
schon mal jung und verspürte nach einer durchzechten Nacht das
Bedürfnis nach mehr? Und die Rede war von Zwang, ich wüsste nicht
seit wann man teilen mit Freunden als Zwang bezeichnen
sollte.
Ob ein paar Menschen mehr oder weniger, bemerken die Anderen doch
gar nicht. Und was das Feuer anbelangt, so bin ich unschuldig. Ich
bin nur mal kurz durch den Wald gejagt mit den Anderen, der Wind
muss eine Kerze umgestoßen haben oder ein wildes Tier. Und als ich
dann von weitem Flammen sah, hatte ich einfach Angst und wollte uns
erst einmal in Sicherheit bringen,
eh ich Hilfe geholt hätte.“ Bailor hatte sich schnell wieder im
Griff.
„Ich fasse
deine Aussage mal zusammen: du siehst dich kein bisschen im Unrecht
und du verspürst auch keine Reue.“ Myrac lachte.
„Wofür sollte
ich Reue spüren, vielleicht dafür dass ich Hunger hatte oder dafür
dass ich mit meinen Freunden teilen wollte?“ Bailor musterte ihn
kühl.
Normalerweise war es nicht leicht ein strenges Urteil über
Angeklagte zu fällen, da sie ja doch Brüder waren. Aber dieser
Junge dort, hatte kein Einsehen. Im Gegenteil, er schien
noch
mit seinen Taten zu prahlen.
„Nun, wenn
das dein letztes Wort ist, kommen wir nun zum Urteil deiner
Bestrafung...“
Bailor unterbrach sich, Skerres war mitten im Wort aufgestanden. So
langsam gewöhnte er sich an das Verhalten dieser unverschämten
Familie.
„Skerres, du
möchtest dich für deinen Sohn einsetzen?“
„Mit
Sicherheit! Ich bin den angeklagten Punkten bis ins letzte Detail
gefolgt und zweifel nicht daran, dass ihr Beweise habt.“
Das war so typisch, dachte Walerion. Selbst wenn alles gegen ihn
sprach, schaffte er es über verdrehte Sätze nochmal höhere
Meinungen anzuzweifeln.
„Die
Beweislast ist erdrückend. Aber wenn du möchtest, können wir gerne
nochmal detailliert darauf eingehen.“ Bailor musterte ihn weiterhin
kühl.
„Oh nein, das
wird nicht nötig sein. Ich habe da vollstes Vertrauen in
euch.“
Nur wer genau hinhörte, konnte den leisen Spott von Skerres
bemerken.
„Normalerweise würdet Ihr nun zu einem Urteil
gelangen, doch da es dadurch dass es mein Sohn ist, auch meine
Angelegenheit ist, würde ich gerne einen Vorschlag
machen.“
Er wartete obligatorisch auf ein Zustimmen und Bailor nickte
leicht.
„Wir hören.“
Skerres räusperte sich kurz.
„Myrac hat
sich gestern Nacht auf eine Weise benommen, die ich nicht für
möglich gehalten hätte. Er stellte eine ernsthafte Gefahr für uns
alle dar, so etwas darf sich nicht wiederholen.
Zudem kommt auch noch, dass er mittlerweile volljährig ist und
damit die volle Tragweite seiner Handlungen spüren muss.“ Myrac
lachte erneut.
„Ach nun tu
doch nicht so scheinheilig Vater. Als ob du es nicht lustig
gefunden hättest.“
Skerres ohrfeigte ihn vor versammelten Publikum. Das Geräusch
schallte durch den ganzen Raum. „Egal, was meine persönlichen
Neigungen für oder gegen die Menschen betrifft, so habe ich doch
das Wohl aller stets über mein eigenes gestellt! Ich
habe niemals das Rudel
auf diese Weise in Gefahr gebracht, nur um meinem eigenen Vergnügen
nach zu gehen! Und ganz gewiss bin ich niemals vor meinen Taten
davon gelaufen, Feigling!“
Alle schwiegen und Walerion runzelte die Stirn. Nach einer Weile
räusperte sich Bailor.
„Du wolltest
etwas vorschlagen, Skerres...?“
Er blickte seinen Sohn noch ein letztes mal Hass erfüllt an, eh
dieser zu Boden sah.
„Das
war vielleicht nicht ganz die korrekte Wortwahl.“ Er schwieg einen
Moment.
„Hiermit
bekenne ich offen, dass ich keinen Sohn habe. Dieses Ding da, was
sich hochmütig als Wolf unserer Gemeinschaft betrachtet, gehört
nicht länger zu mir!“
Myrac schien zwar entsetzt, doch sich nach wie vor seiner Position
sehr sicher zu fühlen.
„Komm Vater,
du bist nur wütend...“ Skerres würdigte ihn keines
Blickes.
„Da ich nun
also als neutrales Mitglied unseres Stammes spreche, schlage ich
folgendes Urteil vor. Jeder, der auf solche bewusste und
eigennützige Weise unser Rudel höchster Gefahr ausgesetzt hat,
bekennt sich als Verräter des Kodex und uns aller. Er ist nicht
länger würdig unser Bruder zu sein. Knüpft ihn auf!“
Auf seine Worte folgte erneut Stille. Myrac schien wie unter Schock
zu stehen. Er musste sich verhört haben oder das ganze war ein
Traum, ein schlechter Scherz, das musste es sein.
Skerres war sein Vater, egal was er gerade aus Wut heraus
behauptete. Er konnte ihm nicht den Tod wünschen, das war absurd.
Er versuchte es erneut.
„Vater, ich
verstehe dass du enttäuscht sein magst. Aber ich bin dein Sohn, ob
du es wahrhaben willst oder nicht! Du liebst mich, wir haben
dasselbe Blut. Du kannst mich nicht tot sehen wollen.“ Skerres sah
ihn kühl an.
„Mag sein,
dass wir dasselbe Blut haben. Aber du warst für mich nie mehr als
ein Mittel zum Zweck. Eine neue Generation, die mir vielleicht
irgendwann folgen könnte. Aber du hast nie auch nur annähernd meine
Erwartungen erfüllt, du bist einfach nur eine Last gewesen, eine
Plage.
Dein Verhalten gestern Nacht war der überfällige Weckruf für mich.
Ich befreie mich von diesem nervigen Anhängsel, was du darstellst.
Ich habe dir nichts weiter zu sagen.“
Er kehrte ihm den Rücken zu.
„Vater..nein..“
Myrac wehrte sich gegen den Griff der Wachen, die ihn zur
Sicherheit festhielten.
Er weinte hemmunglos.
„Das ist
nicht dein Ernst ich weiß es, dreh dich um!“ Skerres verzog
angewidert das Gesicht. „Bailor mir geht es nicht gut und dieses
Gejammere macht es nicht besser. Würdet ihr mich von der
Versammlung entschuldigen?“
Ohne großartig auf sein „Natürlich..“ zu warten, wandte sich
Skerres um und verließ durch die schweigende Masse den Raum. Myrac
brüllte ihm noch mehrere Male hinterher, doch es hatte keinen Sinn.
Walerion kochte vor Wut. Natürlich hatte Myrac angemessene
Bestrafung verdient. Aber diese Gelegenheit zu nutzen, seinen
eigenen Namen rein zu waschen und alles auf den Sohn
abzuwälzen...Ihn öffentlich zu demütigen, nicht nur ihm weh zu tun,
sondern auch noch alle daran teilhaben zu lassen...Das war
unfassbar! Walerion war immer klar gewesen, dass Myrac sich
Illusionen hingab, wenn es um seinen Vater ging. Aber mit so einem
Verhalten von Skerres Seite, hatte selbst er nicht gerechnet.
Bailor wirkte unsicher.
„Ich werde
mich kurz beraten, die Sitzung geht gleich weiter.“
Er nickte Serena und Walerion zu und sie verschwanden in einem
kleinen Nebenzimmer.
„Das
ist empörend“, fauchte sie sofort los.
„Als Familienmitglied sollte er fern bleiben oder sich für den
Jungen einsetzen und nicht seine Situation noch schlimmer machen!
Da steckt doch sowieso nichts als Eigennutz hinter.
Das widerspricht allem, was der Kodex uns seit Jahrhunderten
lehrte!“
Die Anderen musterten sie. Walerion äußerte sich als Erster
wieder.
„Der Kodex,
so angesehen er mal gewesen sein mag, ist schon seit langem nicht
mehr relevant. Offiziell lehren wir ihn und inoffiziell greifen wir
nur dann ein, wenn es extreme Gesetz Überschreitungen gab.“ Bailor
fand nun auch seine Stimme, während ein Summen von Gesprächen
draussen immer lauter wurde.
„Ich stimme
Skerres Urteil nicht zu, doch ich bin auch nicht sicher was in dem
Fall eine angemessene Bestrafung ist. Er hatte leider in einigen
Punkten vollkommen Recht,
ganz gleich was man vom Kodex oder seiner Moral allgemein halten
mag.“ Walerion überlegte. „Myrac ist zu
weit gegangen und wir dürfen uns nicht noch einmal einer solchen
Gefahr aussetzen. Doch ich würde das Urteil abmildern, keine
Todesstrafe, aber er kann auch nicht einfach weiter unter uns leben
wie zuvor, nach solchen Taten. Man muss bedenken, egal wie sein
Charakter ist, dass man streng genommen nicht nur ihm die Schuld zu
weisen darf. Das Verhalten von Skerres eben, hat wunderbar gezeigt,
wie sehr er zum Teil auch einfach das Ergebnis äußerer Einflüsse
ist. Ignoranz und Schwäche, haben ihm zulange offene Türen
gelassen, sodass er keine Chance hatte auf einen anderen Weg zu
kommen.“ Die Anderen stimmten ihm stumm zu.
„Wir sollten
wieder zurück zur Versammlung“, meinte Bailor schließlich. Stille
trat ein, sobald sie den Raum betraten. Jeder war gespannt, welches
Urteil es geben würde. Bailor holte tief Luft,
um sich zu ordnen.
„Wir stimmen
dem Vorschlag von Skerres nicht zu und doch ist das Verhalten des
Angeklagten zu fahrlässig gewesen, um auf Milderung zu hoffen.
Myrac wird mit sofortiger Wirkung vom Rudel ausgeschlossen. Er wird
100 Kilometer entfernt von unserer Siedlung geführt werden und es
ist ihm von da an verboten, jemals wieder eine Wolfssiedlung zu
betreten. Durch missachten des Verbotes, bliebe uns keine Wahl als
dies mit dem Tod zu bestrafen.“ Walerion räusperte sich.
„Wenn Jemand
der Meinung ist, Myrac wäre unschuldig oder die Strafe für zu hart
hält,
wäre jetzt der richtige Moment etwas einzuwenden.“
Stille. Myrac hatte kurz gehetzt aufgeschaut, doch alle Gesichter
wirkten verschlossen und teilweise zornig. Er hatte niemand, der
sich für ihn einsetzte, er war allein. Bailor wandte sich direkt an
ihn. „Myrac, du bist kein Mitglied unserer
Gemeinschaft mehr!“
Walerion warf Bailor kurz einen Blick zu, welcher mit einem Nicken
beantwortet wurde.
„Wenn du es
wünschst, so wird dir eine Stunde gewährt um dich von deiner
Familie und..Freunden zu verabschieden.“, sagte er mit sanfter
Stimme.
Bailor fügte jedoch mit strengen Blick hinzu: „Wenn du soweit bist,
hast du dich am zentralen Platz am Brunnen einzufinden. Solltest du
das als Fluchtanlass, egal welcher Art benutzen, hast du keine
Gnade zu erwarten.“
Myrac nickte. Die Versammlung wurde aufgehoben. Alle tuschelten
über das Geschehene beim raus gehen und warfen ihm nicht einen
Blick mehr zu.
Ein paar letzte Sonnenstrahlen fielen durch die Bäume und das Vogel
zwitschern machte sich langsam rar. Er war nochmal ein letztes Mal
zur Lichtung zurück gekehrt und besah sich die
Reste
der letzten
Nacht. Hätte Myrac gestern gewusst, wie sich das alles
entwickelt...
Nein, er hätte wohl nichts anders gemacht. Zwischen den Bäumen
traten seine Freunde hervor.
Merra war auch mit bei. Feran richtete als Erster das Wort an
ihn.
„Es tut mir
leid.“ Myrac sah ihn an.
„Wirklich
oder nur, dass du nicht zu sehen konntest?“ Feran fühlte sich
unbehaglich.
„Dein
Verhalten war falsch und als ich dich gestern warnte, wolltest du
immer noch nicht einlenken!“, rechtfertigte er sich.
„Ich wollte
doch nie, dass das ganze so ausgeht. Ich denke Niemand“, und sein
Blick fiel auf Merradine, „hätte dir das gewünscht, ganz gleich was
gestern Abend war.“ Myrac schwieg.
„Weißt du
normalerweise würde ich mich mit dir
Verräter
ja
kloppen,
aber irgendwie bin ich gerade nicht in der richtigen Stimmung.“ Er
lachte.
Nun trat er zu Merra. „Lasst ihr uns einen Moment?“
Feran wusste zwar nicht, was die beiden sich zu sagen haben
sollten, aber es war andererseits Myrac's letzter Moment mit ihr.
Also zuckten sie die Schultern und ließen die beiden
allein.
Von weitem sah er nur, wie Myrac plötzlich auf die Knie vor ihr
fiel und danach sah er weg um ihnen den privaten Moment zu
gönnen.
„Merra,
nimmst du meine Entschuldigung an, eh ich fort muss?“ Sie
schwieg.
„Ich könnte
es ja jetzt auf den Alkohol schieben, aber das wäre
gelogen.
Ich sehe selbst jetzt nicht, was daran falsch sein soll
sein Fressen auf die
Weise zu genießen,
wie man es mag. Deswegen müssen Andere mir ja nicht zustimmen. Es
tut mir nur leid,
dass ich dich, wie man mir später sagte scheinbar gezwungen habe.
Das hätte ich nicht tun sollen.“ Sie blinzelte verwirrt. Seine
Augen blickten sie so ernst und aufrichtig an, dass sie das Gefühl
hatte zum ersten Mal hinter seine Fassade schauen zu können. Wer
war er eigentlich wirklich?
Hatte sie ihm Unrecht getan? Klar war sein Verhalten widerlich,
aber andererseits hatte sich jeder schon mal auf die eine oder
andere Weise verstellt. Sie nickte.
„Ich nehme
deine Entschuldigung an.“ Er lächelte.
„Ich danke
dir! Jetzt kann ich mein Urteil annehmen. Was zukünftig kommen mag
ist mir egal,
aber ich wollte mich von meiner Schuld befreien.“
„Meinst du
wir werden uns jemals wiedersehen?“ Es war ein komischer
Moment.
Sie mochte ihn nach wie vor nicht, aber es fiel ihr auch schwer ihn
zu hassen. Er stand auf und lachte.
„Nur wenn ich
mein Leben satt habe und dir und den Kerlen da zuliebe zurück in
eine Siedlung komme.“ Er lachte wieder.
„Wobei
ersteres durch aus den Preis wert wäre.“
Sie verdrehte die Augen. Selbst jetzt konnte er es nicht lassen.
Fast konnte man ihm wirklich glauben, dass er sie liebte, aber eben
nur fast. Er lachte
wieder und küsste sie auf die Wange.
Danach machte er sich auf den Weg zum Brunnen um sich
offiziell rausschmeißen zu
lassen.
Sie war also doch eingeknickt, dachte Feran, der dir letzte Szene
mitbekommen hatte.
Andererseits würde Myrac für immer verschwinden und vielleicht
wollte sie ihm nur den Abschied leichter machen. Er wusste nicht
mehr, was er denken sollte. Myrac hatte ihm auf dem Weg in die
Siedlung im vorbei gehen böse grinsend zu genickt. Er hatte
verdient, was er bekam und es war richtig. Und doch...fühlten sich
die Freunde, als wenn sie auf einer Beerdigung wären.
Nichts würde mehr sein, wie vorher...
6.
Kapitel
Er
überprüfte gerade einige Wirtschaftsangaben, wie es um ihre Vorräte
stand und dergleichen,
als es klopfte.
„Herein.“
„Tut mir leid
Euch stören zu müssen.“
„Ah Serena,
du störst nie. Ich beschäftige mich eh nur mit unseren
Essensvorräten.“
Bailor verdrehte die Augen.
„Das Anführer
Dasein kann ja so spannend
sein.“ Sie kicherte.
„Du wolltest
es so.“
„Das sei
dahin gestellt“, grummelte er.
„Weswegen ich
eigentlich hier bin, unsere Vettern statten uns mal wieder einen
Besuch ab.
Ich dachte das interessiert dich.“ Bailor stand sofort
auf.
„Haben sie
gesagt, was sie wollen? Sie waren ja immerhin einige Jahre nicht
hier.“
Sie zuckte mit den Schultern. Einige Jahre, schien ihr eine
höfliche Untertreibung zu sein.
Allein ein Blick auf die Generation um Myrac, offenbarte, wie viel
Zeit wirklich vergangen war. „Du kennst
sie doch, alte Geheimniskrämer. Sie warten auf den Anführer, mit
Anderen wollen sie nicht reden.“ Er seufzte.
„Dann lass
uns hören, was sie wollen.“
„Bailor?“
„Ja?“
„Sei...besonnen. Wenn sie ihr Schweigen
brechen und auf einmal wieder zu uns kommen,
ist die Vermutung naheliegend,“
„dass es wegen den Menschen ist. Ja der Gedanke kam mir auch
schon.“ Beide schwiegen.
„Nun wir
finden es nicht heraus, indem wir hier bleiben. Lass uns
gehen.“
Kelladres ließ seinen Blick wandern: dieselben Hütten, dieselben
Wölfe. Vielleicht waren ein paar Junge gereift, aber mehr schien
sich hier nicht verändert zu haben. Er schreckte aus seinen
Gedanken hoch, als ein kräftiger Krieger ihm entgegen trat.
Instinktiv gingen sie in eine Abwehrhaltung. Jetzt entdeckte er
auch die Frau von eben, neben ihm.
„Willkommen
bei uns Kelladres. Es ist einige Zeit her, seit Ihr uns das letzte
Mal besuchtet.“ Kelladres schien verwirrt. Er wandte sich an
Serena.
„Ich hatte
doch deutlich gemacht, dass ich nur mit dem Anführer
spreche.“
„Das ist der
Anführer. Bailor wurde vor rund 40 Jahren zum neuen Oberhaupt
gewählt.“
Auf ihre Erklärung folgte eine kurze Stille, dann brachen sie in
heftiges Lachen aus.
Bailor blickte hilfesuchend Serena an, doch die war genauso ratlos.
Bei einem Wolf wie Kelladres, war sie eigentlich der Überzeugung
gewesen, er könne überhaupt nicht lachen.
Nachdem die Delegation sich einigermaßen beruhigt hatte, sprach er
erneut.
„So ihr habt
also Walerion abgesetzt und euch einen aufgepumpten Krieger vor die
Nase gesetzt, ja?“ Seine Begleiter lachten schon wieder, aber er
brachte sie mit einem Blick zum Schweigen. „Nun, es geht uns nichts
an. Wenn ihr meint das würde euch weiter bringen bitte, ist ja eure
Beerdigung.“ Bei diesen Worten ging einer seiner Begleiter ein
Stück abseits um mit Mühe seine Beherrschung zurück zu erlangen.
Serena fasste sich sehr schnell wieder.
„Wir Ihr
richtig bemerktet, ist dies unsere Angelegenheit. Da wir nicht
wüssten inwiefern wir euch beleidigten, erbeten wir uns dasselbe
Recht. Bailor ist ein fähiger Kopf und ihr habt keinen Grund
anmaßend zu werden.“ Bailor legte ihr eine Hand auf die
Schulter.
„Schon gut.“,
murmelte er. Kelladres wirkte amüsiert.
„Ein
Tatsachen aussprechen ist noch lange kein beleidigen, Teuerste. Mir
ist es wie gesagt auch einerlei, bringt mich zu
Walerion.“
„Ihr wolltet
den Anführer sprechen und wenn eure Neuigkeiten weiter gehend sind,
dann muss davon das Oberhaupt erfahren.“ Kelladres zuckte die
Schultern.
„Ich bin
sicher, wenn ihr nett genug bittet wird er mit euch
teilen.“
Wieder flackerte kurz ein boshaftes Grinsen über sein Gesicht. Was
war nur mit diesen Biestern los, dachte Bailor erbost.
„Wir werden
sehen, was sich machen lässt.“, meinte Serena. Sie und Bailor
suchten Walerion gemeinsam auf. Als er die Tür öffnete und ihre
ernsten Gesichter sah,
rechnete er schon mit dem Schlimmsten.
„Oh nein, was
ist jetzt schon wieder passiert?“ Bailor schien immer noch mit
seiner Fassung zu ringen, also sprach erneut Serena.
„Im Grunde,
bisher noch nichts.“ Walerion sah sie fragend an.
„Nun wir
haben Besuch von unseren Vettern und wie früher schon warten sie am
Rand und wollen nur mit dem Anführer sprechen.“
„Ja und
weiter, das hat ja mit mir nichts mehr zu tun oder wollt ihr mich
dabei haben?“
Serena versuchte ihre Worte abzuwägen, um Bailor nicht weiter zu
provozieren.
„Ich brachte
Bailor zu ihnen und als sie erfuhren, dass er der neue Anführer
ist, fanden sie das nun ja...anscheinend sehr...amüsant.“ Bailor
grunzte.
„Des weiteren
bestanden sie darauf dich zu sehen und als wir darauf pochten, dass
sie ja schließlich den Anführer sehen wollten, fanden sie das Ganze
nur noch lustiger und meinten du würdest bestimmt teilen.“ Stille.
Walerion's Mundwinkel zuckten leicht.
„Nun
Kelladres war schon immer sehr...eigensinnig. Es gibt deswegen
keinen Grund das persönlich zu nehmen, Bailor.“ Er grunzte wieder
nur. Walerion überlegte schnell.
„Wenn es in
eurem Sinne ist, werde ich sie einfach empfangen und hören, was sie
zu sagen haben und danach können wir uns beraten.“ Bailor nickte
nur und drehte sich steifen Schrittes um.
Serena lächelte ihn dankbar an.
„Es ist nicht
gegen dich, er fühlt sich nur ein wenig ähm... bloßgestellt.“,
flüsterte sie.
„Kommst
du endlich Serena? Walerion sollte unsere
Gäste
doch nicht
länger warten lassen.“
Sie lächelte ein letztes Mal und folgte dann Bailor. Walerion
konnte sich, kaum dass sie ihm den Rücken zugedreht hatten, ein
Grinsen nicht länger verkneifen. Er mochte Bailor und fand ihn
durchaus fähig, aber dennoch fand er Kelladres Reaktion sehr
erheiternd.
Er war an sein Verhalten gewöhnt, aber ein stolzer Krieger wie
Bailor...
Was mochte es ihn gekostet haben, die Beherrschung nicht zu
verlieren, dachte Walerion lächelnd. Schnell war er am Rand der
Siedlung angelangt.
„Kelladres,
lange nicht gesehen.“
„Walerion.“,
er nickte. Kaum dass sie in seinem Haus waren, legte er
los.
„Mir scheint
du wurdest runter gesetzt von dem Rudel, zu dem du
ja so stehst.“
Walerion zuckte die Schultern.
„Es war ihre
Entscheidung, wenn sie meinen es ist besser so, dann nehme ich das
hin.
Es ist ja schon eine Weile so, ich bin nun daran
gewöhnt.“
Kelladres
musterte ihn.
„Mal im Ernst
Walerion, was hält dich hier? Dies ist ein untergehendes Schiff und
solltest du gewisse Gewohnheiten überdenken,
könnten wir einen wie dich gut gebrauchen bei uns.“
Walerion seufzte. „Manchmal hinterfrage ich das schon.“, gab er
zu.
„Aber
andererseits kann ich dem Schiff auch nicht
den Rücken zu kehren, nur weil es mal durch stürmische Gewässer
fährt.“
„Ich
verstehe...mit einer anderen Reaktion wärst du wohl auch nicht du
selbst.“ Walerion nickte. „Was führt euch zu uns? Nach unserem
letzten Gespräch sah es nicht so aus, als würden wir uns bald
wieder sehen und ich bezweifle, dass ihr nur gekommen seid um
Bailor zu provozieren.“ Kelladres lachte.
„Dieses
aufgeblasene Paket? Nein, es war amüsant aber nicht unser Grund,
wir wussten gar nichts von einer Neuwahl bei euch.“ Walerion
schwieg und wartete darauf, dass er weiter sprach.
„Wir sind so
gesehen, als Boten der Menschen
hier.“ Das wiederum überraschte Walerion.
„Wie darf ich
das verstehen?“
„Nun nach den
bedauerlichen Vorfällen damals, erwarteten wir eigentlich einen
Krieg.
Da dieser nicht kam, zogen wir doch diplomatische Verhandlungen in
Betracht und trafen uns mit den Menschen. Dadurch erfuhren wir auch
von eurem Schachzug. Du kannst dir vorstellen,
dass ihr Oberhaupt Lardes sehr überrascht war gleich zwei Mal in
kurzer Zeit von Wölfen aufgesucht
zu werden. Du musst es wohl beiläufig vergessen haben, unsere
Existenz zu erwähnen.“ Walerion lachte. „Ich war mir sicher, dass
er irgendwann einmal von euch erfahren würde.
Aber warum sollte ich ihm zu diesem Zeitpunkt mehr als nötig
verraten?“ Kelladres nickte.
„Weitest
gehend nachvollziehbar, ja. Ich will mich an dieser Stelle knapp
fassen, dir dürfte klar sein dass er auf euch nicht gut zu sprechen
ist?“ Walerion seufzte.
„Was hast du
ihm erzählt?“
„Och nur das
Übliche.“ Er zuckte mit den Schultern.
„Dass wir uns
abgetrennt haben und inwieweit sich unsere Überzeugungen
trennen.
Den Rest hat er sich selbst zusammen gereimt. Er scheint es
als Verrat zu sehen,
dass du nie andere Alternativen zum Morden erwähnt hast.“ Walerion
verdrehte die Augen.
„Und ich
wette du hast ihn noch darin bestärkt, dass euer Weg
so leicht ist und wir
schlicht aus Freude am töten so weiter machen.“
Kelladres grinste. „Na ja nun nicht unbedingt in dieser Wortwahl,
aber ansonsten schon ja...“ Walerion wirkte beinahe
belustigt.
„Ich würde
dich ja jetzt gern Blutverräter nennen und dir die Genugtuung
geben, wie sehr du uns doch geschockt hast. Aber ich habe ehrlich
gesagt nichts anderes erwartet. Seit damals habe ich damit
gerechnet und dass es unsere Beziehung mit ihnen
belasten würde, war sowieso klar.“ Kelladres nickte
anerkennend.
„Was uns in
dem Sinne nun herführte ist Folgendes: scheinbar seid ihr euren
normalen Jagdgewohnheiten nach gegangen und habt zusätzlich
unerwartet 10 Menschen getötet.
Der besorgte Mensch fragt sich nun, ob das vielleicht der Anfang
von vollkommen fehlender Kontrolle eurerseits ist.“ Walerion
fluchte innerlich. Es war abzusehen gewesen, aber er hatte sich bis
zu Letzt doch an die Hoffnung geklammert, es wäre geheim
geblieben.
„Wir hatten
mit einigen..internen..Problemen zu tun. Es wurde sich darum
gekümmert und die Menschen haben nichts weiter zu
befürchten.“
Kelladres musterte ihn und schien seine Worte genau
abzuwägen.
„Wir haben
nichts vom Krieg und wünschen uns definitiv auch keinen weiteren
mehr.
Erst Recht werden wir nicht die Schmutzarbeit der Menschen
erledigen.“ Er atmete tief ein.
„Aber sollten
eure Probleme wieder
auftauchen und öfter, sehen wir uns gezwungen einzugreifen, mit
Menschen an unserer Seite notfalls. Sie billigen euch nicht länger,
sind aber doch relativ machtlos, solange sie eure Standorte nicht
kennen. Wir sehen weitest gehend weg, doch sollten eure
Gewohnheiten sich in Sinn freies Abschlachten ändern, könnten wir
unsere Kriegsunlust plötzlich vergessen. Betrachte
dich also als gewarnt!“ Walerion nickte.
Er hätte gerne etwas entkräftendes gesagt, aber zum einen gingen
sie die Details mit Myrac wirklich nichts an und zum anderen,
verstand er sie auch und gab ihnen bedingt Recht. Kelladres erhob
sich. „Das wäre
vorerst alles. Wir werden uns künftig wohl wieder regelmäßiger
sehen,
sofern bestimmte..Dinge..nicht eintreffen.“
„Ich würde ja
sagen, ich freue mich, aber das kommt mir unter diesem Umständen
deplatziert vor.“, sagte Walerion lächelnd. Kelladres
lachte.
„Durchaus,
wenn man bedenkt, dass wir nur kommen um an eurem Untergang
teilzuhaben.
Ich frage mich, ob du in einigen Jahren diesen ..Bailor.. immer
noch verteidigst.“
„Man wird
sehen, was die Zukunft bringt.“
„Allerdings.
Ich nehme nicht an, dass du dir unser Angebot nochmal überlegt
hast?“
„Überlegen
immer noch, aber dafür entschieden, nein.“
„Was anderes
habe ich eigentlich auch nicht erwartet. Man wird sich sehen...oder
auch nicht...“ „Kelladres“, er nickte.
„Walerion“.
Und schon fiel die Tür ins Schloss.
7.
Kapitel
Einige
Monate waren mittlerweile vergangen seit Myrac aus dem Rudel
verstoßen worden war.
Es war Spätsommer und die Temperaturen langsam wieder erträglich.
Feran und Merradine gingen zusammen im Wald spazieren. Sie hatten
kein bestimmtes Ziel, ließen sich einfach nur treiben. Inzwischen
waren sie eine Art Paar geworden, wobei Feran Schwierigkeiten
hatte,
ihre Beziehung zu definieren. Sie waren gute Freunde geworden und
teilten vieles, aber es schien nie mehr zu sein. Dann hatten sie
sich eines Abends geküsst und von da an taten sie regelmäßig
eindeutig mehr als Freunde würden. Es
fühlte sich nicht an, wie Feran erwartet hatte.
Merradine bedeutete ihm viel und doch schienen sie nicht das
klassische Paar zu sein.
Sie riss ihn aus seinen Gedanken.
„Schau
mal!“
Als sie näher kamen, entdeckte er überall vereinzelte Knochen
verstreut. Er sah sich um.
Sie schienen auf einer verwilderten Lichtung zu sein, die scheinbar
regelmäßige Besucher hatte,
den Knochen nach zu urteilen. Er runzelte die Stirn. Die Spuren,
die er fand, waren ganz frisch
und auch einige der Knochen hatten noch Fleischfasern. Sie hätten
schon längst verwest sein müssen, wenn es alte gewesen wären. Ein
Knurren überraschte sie von hinten.
Als sie sich umwandten, trafen sie auf einen verwilderten Wolf, der
eine frische Leiche im Maul trug. Eine Menschenleiche! Es musste
eindeutig ein Werwolf sein, auch wenn man bei seinem mageren
Zustand nicht sicher sein konnte. Merradine krallte ihre Hände in
Feran's Arm.
„Myrac?“,
flüsterte sie ungläubig.
„Du solltest
der Siedlung nicht so nahe kommen, was ist wenn dich andere sehen?
Du darfst mit keinem in Kontakt treten, sagt dein
Urteil.“
Der Wolf kläffte sie an, schnappte sich sein Fleisch und verschwand
irgendwo im nächsten Unterholz. Feran stutzte.
„Das war
nicht Myrac.“
„Bist du
sicher?“
Er nickte: „Absolut! Ich sah ihn unzählige Male verwandelt und habe
mit ihm gekämpft.
Das war er nicht.“
„Dann muss
ich mich wohl geirrt haben, aber er sah ihm sehr ähnlich
oder?“
„Das stimmt
allerdings.“ Feran grübelte.
„Sag mal was
anderes: seit wann sorgst du dich um Myrac?
Du darfst der Siedlung nicht so nahe
kommen?“ Sie
verschränkte die Arme vor der Brust.
„Er ist doch
weg, du brauchst nicht weiter einen auf Konkurrent
machen,
wo er eh dem Rudel nicht mehr angehört.“
Feran stutzte. „So war das gar nicht gemeint. Du machtest mir
früher nur nicht den Eindruck,
ihn sonderlich zu mögen. Ich war nur überrascht.“
Ihre Mine wurde sanfter. „Zum einen finde ich sein Urteil ziemlich
grausam...“
- Sie fuhr mit lauterer Stimme fort, da er Anstalten machte sie zu
unterbrechen -
„Ich
sage ja nicht, dass er es nicht verdient hat. Ich sage nur, stell
dir doch mal vor von heute auf morgen niemanden zu haben, mit
niemand reden zu können, ganz allein auf der Welt zu
sein.
Und das andere...“ Sie zögerte.
„Ja?“, sagte
er ermutigend.
„Ich
frage mich, ob ich ihn früher falsch eingeschätzt habe. Durch seine
Verbannung, werde ich es nie heraus finden und auch nie die Chance
haben im Falle eines Irrtums es wieder gut zu machen.“ Feran
starrte sie an.
„Wieso
glaubst du, ihn falsch eingeschätzt zu haben?“ Sie
überlegte.
„Es war
einfach der Moment, als er sich verabschiedete. Es war, als wenn er
auf einmal ein ganz anderer war, als ob ich zum ersten Mal hinter
seine Fassade blicken durfte.“
Feran sagte nichts dazu, das musste sie einfach selbst wissen. Er
konnte es nur nicht fassen,
dass Myrac selbst nach seinem Abgang noch weitere
Fäden spann. Das war so typisch.
Die einen hatten ihn nie durchschaut und die Anderen verwechselten
sein heimtückisches um den Finger wickeln, mit echten Gefühlen.
Wenn seine eine Masche nicht zog, spielte er schlicht