Germaine Wittemann

Die Mondblumenpflückerin

Fantasy/Märchen

© 2010

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1. Auflage 2010

Lektorat: Sabine Lebek, Berlin

Covergestaltung

Juliette Wittemann/ Tatjana Meletzky

Illustration Juliette Wittemann

Printed in Germany

ISBN 978-3-86254-128-7

Alle Personen und Namen sind frei erfunden.

Ähnlichkeiten mit lebenden Personen

sind zufällig und nicht beabsichtigt.

1. Kaselius

Celine hielt sich die Ohren zu. Wie konnten ihre Eltern so miteinander umgehen? Dieses Geschrei im Haus, dieser Hass. Celine zog sich mehr und mehr die Decke über den Kopf.

Am liebsten wäre sie mit ihrem Bett zum Fenster hinaus geflogen, in eine andere, bessere Welt. Aber das Bett bewegte sich nicht, und das Geschrei ging weiter.

Wie lange ging das eigentlich schon so? Celine überlegte. Sie war nun elf Jahre alt. Als sie zehn war, schien die Welt noch völlig in Ordnung.

Sie waren in das wunderschöne kleine Reihenhaus außerhalb der Großstadt gezogen und hatten sich alles hübsch eingerichtet. Sie erinnerte sich noch genau wie stolz und glücklich ihre Eltern damals waren. Das Glück währte allerdings nicht besonders lange. Bald schon unterhielten sich ihre Eltern nur noch über Geld. Ihre Mutter musste als Kassiererin in einem Supermarkt arbeiten gehen. Celine war sehr oft alleine, wenn sie mittags von der Schule nach Hause kam.

Ihr hatte das alte Leben in der kleinen beengten Drei-Zimmerwohnung, mitten im Großstadtlärm, besser gefallen.

Als die Eltern anfingen sich zu streiten, war das für Celine sehr erschreckend. Das erste Mal, als ihr Vater laut wurde und es Ärger gab, weil ihre Mutter sich ein neues Kleid geleistet hatte, brach Celines heile Welt in sich zusammen. Von da an war nichts mehr wie zuvor.

Celine zog sich mehr und mehr zurück und besuchte nun öfter Freundinnen, um nicht daheim sein zu müssen. Eine Lösung war das aber nicht, und die Probleme schienen nicht enden zu wollen.

Es drohte schließlich der Verkauf des Hauses. Ihre Eltern arbeiteten nun von früh bis spät und wurden noch gereizter und unzufriedener.

Celine fing an zu weinen, wie fast jeden Abend, wenn die Eltern so stritten. Sie weinte und weinte bis sie schließlich erschöpft und unglücklich einschlief. In dieser Nacht hatte sie einen merkwürdigen Traum.

Zunächst dachte sie noch, es sei ein Traum gewesen, aber so ganz sicher war sie sich am nächsten Tag doch nicht mehr. Sie entdeckte nämlich etwas Seltsames in ihrem Bett.

Aber zunächst einmal zu ihrem Traum:

Celine fand sich wieder auf einer wunderschönen Wiese mit vielen leuchtenden Blumen in allen Formen und Farben. Der Duft dieses Blumenmeeres war atemberaubend.

Plötzlich drehte sich alles in ihrem Kopf. Ihr wurde schwindelig. Ein Sog riss sie hinweg. Sie flog in einer unvorstellbaren Geschwindigkeit durch die Luft. Oder sollte man besser sagen durch die Zeit? Sie wusste es selbst nicht so genau, aber plötzlich gab es einen heftigen Ruck. Sie schien irgendwo gelandet zu sein.

Celine öffnete vorsichtig die Augen. Was sie jetzt sah übertraf alles, was sie bisher in ihren immerhin schon elf Lebensjahren gesehen hatte. Sie befand sich in einer blauen Welt. Nicht irgendeiner blauen Welt, sondern in einer Welt, die in ein so wunderschönes, gleißendes Blau getaucht war, dass man die Augen gar nicht mehr schließen wollte. Blaue Häuser, die mit Kristallen besetzt waren, die in einem zarten blassblau funkelten und glitzerten. Bäume in ein Blau, von einer Feinheit und Reinheit getaucht, dass Celine ganz verzaubert war.

Der Himmel war kristallblau und leuchtete so klar und hell, dass sie auch hier ihren Blick nicht abwenden wollte.

Wo war sie? Ungläubig schüttelte Celine den Kopf.

Sie traute kaum sich zu bewegen, voller Angst, aus dieser zauberhaften Welt wieder herauskatapultiert zu werden.

Sie wusste nicht wie viel Zeit bereits vergangen war, als sie plötzlich ein leises Geräusch hinter einem der Bäume vernahm.

Sie bekam etwas Angst, trotzdem rief sie leise:

„Wer ist da? Zeig dich bitte!“

Hinter dem Baum kam das sonderlichste Wesen hervor, das man sich nur vorstellen kann.

Es war ein blaues Männlein, nicht viel größer als ein kleiner Affe, mit zwei kleinen, dürren Beinchen und einem riesenhaften Kopf auf einem spindeldürren Hals.

Es hatte kein Gesicht. Das erschreckte Celine besonders, aber bald schon sollte sie feststellen, dass es immer dann ein Gesicht hatte, wenn es eines benötigte.

Manchmal hatte es nur einen Mund, nämlich dann, wenn es redete. Ohren konnte man sehen, wenn es zuhörte, und wenn es etwas anschauen wollte, so erschienen auf einmal kleine, runde Kulleraugen, die so blau waren wie das Meer und auch genauso tiefgründig.

Es hatte im Gegensatz zu den kleinen, dürren Beinchen recht starke, lange Arme und zwar gleich vier von der Zahl. An jedem Arm waren drei Hände mit sechs Fingern. Das sah sehr witzig aus. Celine überlegte augenblicklich, wie die dürren Beinchen das Gewicht des großen Kopfes und der vielen Arme und Hände tragen konnten.

Diese Frage wurde ihr recht schnell beantwortet, denn das seltsam anmutende Männlein lief plötzlich auf sie zu. Kopf und Arme schienen federleicht zu sein oder eben die Beinchen doch stärker als sie aussahen.

Celine bekam einen großen Schreck, als sie das Männlein auf sich zukommen sah.

Sie konnte sich nicht bewegen. Sie war wie gelähmt vor Angst. Sie wollte schreien, doch sie brachte keinen Ton heraus.

Kurz vor ihr stoppte das komische Männchen. Zwei Kulleraugen erschienen in dem großen Kopf, um sie ganz genau zu betrachten. Plötzlich verschwanden die Augen und ein klitzekleiner Mund erschien, in dem ansonsten glatten, blauen Gesicht.

Eine helle, flötende Stimme ertönte. Celine verstand jedes Wort, obwohl der kleine Mann offensichtlich in einer anderen Sprache zu ihr redete.

„Celine, willkommen auf Kaselius, dem schönsten Planeten des Universums! Ich weiß, ihr denkt, dass ihr auf dem blauen Planeten lebt, wegen eurer wunderschönen Weltmeere, aber der wirkliche und eigentliche blaue Planet des Universums ist und bleibt Kaselius.“

Celine rang um Fassung. Das war zu viel für sie. Sie wünschte sich heraus aus diesem Traum, wieder zurück in ihr Zimmer unter die schützende Bettdecke, selbst wenn ihre Eltern immer noch stritten.

Das kleine Männlein schien ihre Gedanken lesen zu können, denn es sagte plötzlich:

„Wir Bewohner hier auf Kaselius wissen von deinem Problem, deshalb bist du hier. Wir wollen dir helfen. Das wird ein hartes Stück Arbeit. Wenn du aber unsere Ratschläge befolgst, wird bald alles gut werden.“ Celine kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. Das Männlein faszinierte und ängstige sie gleichermaßen. Mal erschienen Augen, dann wieder der kleine Mund, nur Ohren waren noch keine erschienen, denn Celine hatte noch keinen Ton gesagt, sondern nur gedacht. Das Männlein konnte ihre Gedanken lesen, ja noch schlimmer, es wusste sehr viel über Celine, wie es den Anschein hatte.

Da ertönte schon wieder das helle, glockenklare Stimmchen:

„Bist du bereit, Celine? Willst du, dass deine Welt wieder schön und friedlich wird und deine Eltern sich wieder verstehen?“

Im Moment wollte Celine ehrlich gesagt nur noch eines, nämlich zurück in ihr Bett, nach Hause, weg von diesem Männlein und weg von Kaselius.

„Wie es scheint, bist du noch nicht soweit“, sprach das blaue Wesen. „Aber das macht nichts, zu gegebener Zeit, wenn du unsere Hilfe brauchst, wirst du uns finden. Ich heiße übrigens Bratzipus und bin der älteste Bewohner von Kaselius. Deshalb habe ich hier das Sagen.“

Bratzipus drehte sich plötzlich um und rannte blitzschnell zum Baum zurück. Er sprang hoch und pflückte geschwind etwas. Celine staunte, denn die Bäume waren nicht kleiner als die unserer Erde. Die dürren Beinchen des Männleins waren wirklich kräftig.

Er lief zurück zu Celine und drückte ihr etwas in die Hand.

„Das ist ein Kaseliusdiamant. Alle Häuser sind bei uns damit verziert. Sie bringen Glück. Du kannst jederzeit hierher zurückkehren, indem du den Kristall in die linke Hand nimmst und dreimal Kaselius rufst. So kommst du wieder genau zu dieser Stelle hier, und ich werde da sein.

Mach es gut kleine Celine. Pass auf dich auf!“

Celine konnte gar nicht so schnell denken, wie dieser kleine Bratzipus plötzlich verschwunden war.

Fast genauso schnell lag sie wieder in ihrem Bett und hatte noch immer die Decke über dem Kopf. Aber nun war sie hellwach. Was für ein eigenartiger Traum!

Celine lauschte. Ihre Eltern hatten aufgehört zu streiten.

Bald schon fiel sie in einen ganz ruhigen Schlaf. Am nächsten Morgen fühlte sie sich frisch und erholt.

Lecker, es duftete nach heißer Schokolade!

Kurz kam ihr wieder in den Sinn, was sie geträumt hatte. Das musste sie gleich ihren Eltern erzählen. Heute war Sonntag, und die beiden mussten zum Glück nicht arbeiten.

Freudig hüpfte sie aus dem Bett. Wie jeden Morgen schlug sie gleich zum Auslüften ihre Bettdecke auf. Wie bereits erwähnt, dachte Celine ja, sie hätte alles geträumt.

Bis ja, bis sie etwas Kleines, Funkelndes in ihrem Bett fand: den Diamanten von Kaselius.

2. Der Diamant

Celine sprang freudig in die Küche. Sie liebte die Sonntage. Ihre Eltern waren an diesem Tag besser gelaunt und stritten nicht ganz so viel, wie an den Abenden unter der Woche, wenn sie müde von der Arbeit nach Hause kamen. Celine merkte jedoch sofort, dass heute irgendetwas nicht stimmte. Das Radio lief nicht. Normalerweise wurde sie sonntags mit fröhlicher Musik empfangen. Die Mutter nahm sie für gewöhnlich erst einmal in die Arme, um ihr zärtlich guten Morgen zu sagen und ihr Vater gab ihr stets einen Morgenkuss auf die Wange. Heute aber saßen beide mit todernsten Gesichtern da und schauten Celine traurig an. Keine Musik, kein liebevolles guten Morgen, kein Kuss? Celine bekam es mit der Angst zu tun.

„Was ist passiert?“, stammelte sie erschrocken.

„Setz dich erst einmal zu uns“, sagte ihr Vater mit sorgenvollem Unterton. „Wir müssen mit dir reden.“

Schwer ließ sich Celine auf einen der Stühle fallen. Was jetzt wohl kam? Tausend Dinge schossen ihr durch den Kopf. Ihre Eltern hatten genauso betroffen geschaut, als damals ihr Opa gestorben war. Vielleicht war etwas mit Oma geschehen. Celine traten bei dem Gedanken die Tränen in die Augen.

„Ist Oma gestorben?“, murmelte sie fast unhörbar.

„Nein, nein“, vernahm Celine die beruhigende Stimme ihrer Mutter. „Es geht um mich und deinen Vater. Wir müssen es dir endlich sagen. Bestimmt hast du schon längere Zeit bemerkt, dass wir uns nicht mehr besonders gut verstehen. Wir haben alles versucht, uns immer wieder bemüht, aber es geht einfach nicht mehr. Wir lassen uns scheiden.“

-Scheiden-? Celine wurde schwindelig. Wie konnten ihre Eltern nur so einen Unsinn reden. Bestimmt war sie wieder in einem seltsamen Traum gefangen. Nicht irgendeinem Traum, nein, dem schlimmsten Albtraum, den sie je hatte.

Sie kniff sich in den Arm, um zu sehen ob sie träumte oder wachte. Autsch, das tat weh! Celine überlegte, ob man auch träumen konnte, dass das Kneifen weh tut. Sie fand darauf keine Antwort. Wortlos fing sie an, ihre heiße Schokolade zu trinken.

„Es tut uns leid Schatz“, hörte sie ihren Vater ganz weit weg sagen. Alles erschien ihr so unwirklich. „Wir haben uns gedacht, dass wir heute einen Ausflug in den Zoo machen. Unsere Scheidung hat rein gar nichts mit dir zu tun. Du wirst weiterhin einen Vater und eine Mutter haben, und du darfst bestimmen bei wem du wohnen willst. Wir akzeptieren deine Entscheidung, denn wir wissen du liebst uns beide. An den Wochenenden darfst du dann immer, je nachdem für wen du dich entschieden hast, Mama oder Papa besuchen. So haben wir uns das gedacht!“

Aha, so hatten sie sich das gedacht. Ihr Vater war ja lustig. Was redete er da nur? Sie sollte sich entscheiden? Sie hätte weiterhin Vater wie Mutter?

Nichts würde sein wie bisher, gar nichts! Begriffen ihre Eltern das denn nicht? Sie waren doch erwachsen und Celine war erst elf, und trotzdem schien sie viel mehr das Ausmaß des Wortes „Scheidung“ zu begreifen, als ihre Eltern selbst.

„Macht was ihr wollt!“, schrie Celine auf einmal.

Es brach einfach so aus ihr heraus.

„Merkt ihr nicht, dass ihr alles kaputt macht?“

Sie sprang auf und rannte in ihr Zimmer. Laut schlug sie die Tür zu. Extra laut. Jeder sollte hören, wie kaputt hier alles war, in der Delmehoststraße 3.

Alles zerstört, ihr Glück, ihre Familie! Schluchzend warf sie sich aufs Bett. Mit den Fäusten trommelte sie auf ihr Kopfkissen ein, als sei sie schuldig, schuldig an allem. An all den Streitereien, den Geldsorgen und der drohenden Scheidung ihrer Eltern. Celine konnte im Moment keinen klaren Gedanken fassen. Sie wusste nur eines, sie musste das mit allen Mitteln verhindern, sie wusste nur noch nicht wie. Wieder schlief sie weinend und erschöpft in ihrem Bett ein.

Plötzlich sah sie in ihrem Traum Bratzipus vor sich. Sie war aber nicht auf dem wunderschönen Planeten mit den blauen Bäumen. Nein, er saß direkt an ihrem Bett, und sie sah in sein glattes Gesicht, ohne Nase, ohne Mund, ohne Augen. Da erschien schon sein kleines Mündchen, und es ertönte sein bereits bekanntes helles Stimmchen. Dieses Mal hatte Celine schon weniger Angst.

„Celine“, sagte Bratzipus „denke daran, du kannst jederzeit wieder zurück nach Kaselius. Nimm den Diamanten dazu! Erinnere dich daran, was ich dir gesagt habe. Wir können dir zeigen, wie deine Welt wieder in Ordnung kommt.“

Zack! Bratzipus war verschwunden. Celine lag hellwach in ihrem Bett und starrte zur Decke. -Ich glaube ich werde langsam verrückt. Sowas träumt kein normales Kind, schon gar nicht zweimal hintereinander.- Und wenn das eben kein Traum war, dann musste sie wohl total verrückt sein. Nannte man sowas nicht Halluzinationen? Aber Moment, sie hatte doch diesen Stein in ihrem Bett gefunden!

Sie setzte sich auf und nahm den Kaseliusdiamanten in die Hand. Wie schön er leuchtete. Sie hatte noch nie in ihrem Leben einen so wunderschönen Kristall gesehen. Er funkelte in vielen verschiedenen Blautönen, es war eine Pracht. Celine dachte an Bratzipus. Da! Was war das? Hatte der Kristall nicht eben ganz stark aufgeleuchtet, so als wolle er ein Signal geben?

Sie konzentrierte sich noch einmal auf Bratzipus, und da geschah es wieder. Der Kristall sendete ein unbeschreiblich helles Licht aus. Celine schaute jetzt genau hinein und sah wie in dem Diamanten Bratzipus erschien. Sie schaute ihm direkt in die Augen, und er zwinkerte ihr zu. Vor Schreck warf Celine den Zauberstein in die Ecke. Sie hatte nun wirklich Angst durchzudrehen. Sie saß ganz starr für längere Zeit auf der Bettkante und wusste nicht was sie tun sollte. Dann stand sie langsam auf, um den Diamanten aufzuheben. Okay, vielleicht war sie ja wirklich verrückt, aber egal wie, es gab nur eine Möglichkeit die Ehe ihrer Eltern zu retten. Die Lösung lag in ihren Händen.

Der Kaseliusdiamant, der sie auf den blauen Planeten zurückbringen konnte. Zurück zu Bratzipus, der anscheinend wusste was zu tun war. Natürlich hatte sie Angst. Celine war schon immer ein eher ängstliches Mädchen gewesen, aber wenn es darauf ankam, konnte sie sehr mutig und tapfer sein.

Sie versuchte sich in Erinnerung zu rufen, wie sie ihrer besten Freundin zu Hilfe gekommen war, als diese von drei viel größeren Jungs verprügelt worden war. Sie hatten es gemeinsam geschafft, sie in die Flucht zu schlagen. Das war überhaupt die Idee! Sie würde ihre Freundin Katja einweihen. Zu zweit waren sie viel stärker und Katja hatte immer außergewöhnlich gute Einfälle. Noch heute Mittag würde sie sie besuchen und ihr alles erzählen, auch auf die Gefahr hin, dass ihre beste Freundin sie für verrückt hielt.

3. Katja

Gleich nach dem Mittagessen lief Celine zum Haus von Katja, das nur zwei Straßen weit entfernt lag und klingelte wild. Ihre Mutter öffnete erstaunt.

„Celine, was bist du denn so stürmisch heute? Scheint ja äußerst dringlich zu sein. Du hast Glück, dass Katja da ist. Normalerweise wäre sie ja übers Wochenende bei ihrer Oma, aber unser Auto ist kaputt. Wir konnten nicht fahren.“

„Entschuldigung“; sagte Celine etwas kleinlaut.

„So schlimm ist das nicht“, lachte Katjas Mutter und begleitete sie ins Haus.

„Du weißt ja wo ihr Zimmer ist. Na, renn schon los!“

Celine ließ sich das nicht zweimal sagen. Immer zwei Stufen auf einmal nehmend, sprang sie die Treppe zum Zimmer ihrer Freundin nach oben. Ohne zu klopfen trat sie ein. Katja, die gerade an ihrem Computer saß, zuckte zusammen.

„Meine Güte, hast du mich erschreckt. Kannst du nicht anklopfen?“

„Oh Entschuldigung, war keine böse Absicht, aber es ist wirklich ganz dringend! Ich muss mit dir reden.“

„Mit mir reden? Und dringend ist es auch noch. Da bin ich aber echt gespannt was jetzt kommt!“, antwortete Katja neugierig.

„Komm, wir setzen uns auf mein Bett.“

Celine fing sofort an zu erzählen. Sie machte keine Pause. Sie redete und redete und ließ nichts aus. Von dem Traum, der wahrscheinlich gar kein Traum gewesen war. Von Bratzipus auf dem wunderschönen blauen Planeten Kaselius, von den Bäumen, auf denen Diamanten wuchsen und auch von der wunderschönen Blumenwiese, die sie gesehen hatte, bevor sie das erste Mal auf dem blauen Planeten gelandet war. Katja stand der Mund sperrangelweit offen. Hielt ihre Freundin sie jetzt zum Narren, oder war sie verrückt geworden? Katja glaubte kein Wort von alledem, was Celine ihr da erzählte.

„Wann hast du diesen Film gesehen?“, fragte sie mit sanfter Stimme, bemüht ihre eifrige Freundin nicht allzu sehr zu verletzen.

„Aber versteh doch, Katja! Ich habe das nicht im Fernsehen gesehen, sondern wirklich und wahrhaftig erlebt. Bratzipus will mir helfen die Ehe meiner Eltern zu retten. Ich habe sogar einen Beweis.“

Jetzt riss Katja ihre großen blauen Augen ganz weit auf. Sie hatte langes, blond gelocktes Haar und sah aus wie ein Engelchen aus dem Bilderbuch. Celine hingegen hatte ganz schwarze, glatte Haare, die sie stets zu einem Pferdeschwanz band und dunkle, schöne, mandelförmige Augen.

„Also, einen Beweis hast du? Den würde ich ja mal gerne sehen.“

Katja schaute ihrer Freundin gespannt in die Augen. Celine machte ihr kleines rosafarbenes Handtäschchen auf, das ihr Opa Bernd kurz vor seinem Tod geschenkt hatte, zusammen mit einer bunt schillernden Murmel, die ihr Glücksbringer war. Sie nahm den Kaseliusdiamanten heraus und drückte ihn Katja in die Hand.

„Na, was sagst du jetzt?“

„Was soll das sein? Das ist ein Glasstein nehme ich an, weiter nichts.“ Ihre Freundin schaute etwas enttäuscht.

„Von wegen nur ein Glasstein“, regte sich Celine auf. „Das ist einer der Diamanten von Kaselius. Pass mal auf!“

Der Stein sah momentan wirklich eher unscheinbar aus, das fiel selbst Celine auf. Daheim hatte er viel mehr gefunkelt. Nun war er nur noch dunkelblau und glanzlos. Das war äußerst merkwürdig. Celine nahm den Diamanten wieder an sich. Augenblicklich fing er an zu leuchten und zu funkeln.

„Oh, was ist das?“, rief Katja total überrascht.

„Das ist ja der Wahnsinn!“

„Sieh genau hin!“, sagte Celine sichtlich erleichtert, dass ihr Kristall seinen Glanz zurück gewonnen hatte.

Sie schaute tief in den blauen Stein und dachte fest an Bratzipus. „Schnell Katja! Schau mir über die Schulter direkt in den Kristall!“

Der Diamant fing an zu leuchten, genau wie daheim bei Celine, als sie auf ihrem Bett gesessen war und an den kleinen Kaselianer Bratzipus gedacht hatte. Siehe da! Auch dieses Mal erschien das glatte Gesicht des Männleins. Von einer Sekunde auf die andere kamen die blauen Äuglein hervor und zwinkerten Celine zu.

Katja konnte nur noch stottern:

“Wie machst du das, Celine?“

Das war der Beweis. Celine hatte nicht geträumt und verrückt war sie auch nicht. Katja sah das Gleiche wie sie. Gott sei Dank! Ihr fiel ein riesiger Stein vom Herzen.

„Das ist kein Trick. Glaubst du mir jetzt endlich?“

Fast schon flehend schaute Celine ihre Freundin an.

„Ja, ich glaube dir. Das wird die aufregendste Geschichte unseres Lebens. Du wirst ganz sicher meine Hilfe brauchen. Du kannst auf mich zählen.“

Die beiden Mädchen fielen sich überglücklich in die Arme. Celine war so froh. Nun konnte das Abenteuer beginnen. Noch wusste sie nicht welche großen und auch gefährlichen Aufgaben ihr bevorstehen sollten. Aber vielleicht war das besser so, sonst hätte sie vielleicht gekniffen.

4. Bratzipus

Am Abend, als Celine sich in ihr Bett gekuschelt hatte, bemerkte sie, dass die Eltern gar nicht wie üblich stritten. Sie gingen sich aus dem Weg. Es schien alles geregelt. Wie sie sich fühlte, schien im Moment niemanden zu interessieren. Ihre Eltern waren viel zu sehr mit sich selbst und ihren Problemen beschäftigt.

Celine lag da und schloss die Augen. In ihrer linken Hand hielt sie den blauen Diamanten. Es kostete sie ein wenig Überwindung, aber sie nahm allen Mut zusammen und sagte dreimal laut und deutlich: „Kaselius, Kaselius, Kaselius.“

Sie fühlte, wie das Bett anfing leicht zu vibrieren. Dieses anfänglich schwache Vibrieren ging sehr schnell über in ein heftiges Wackeln, und plötzlich drehte sich das ganze Bett. Oder drehte nur sie sich? Wie sie es schon einmal erlebt hatte, wurde sie durch Raum und Zeit katapultiert. Es war kein unangenehmes Gefühl. Ihr wurde es auch zum Glück nicht übel. Plötzlich befand sie sich wieder auf dem wunderschönen blauen Planeten Kaselius.

„Bratzipus, wo bist du?“, rief sie ganz leise.

So ganz wohl fühlte sie sich nicht in ihrer Haut, in einer ihr fremden Welt, so weit entfernt von ihrer Familie und von Katja.

„Hier bin ich schon“, ertönte das helle, glockenklare Stimmchen von Bratzipus.

„Du musst keine Angst haben, dir wird hier nichts geschehen. Kaselius ist ein friedlicher Planet, einer der friedlichsten des Universums.“

Celine zuckte leicht zusammen. Bratzipus konnte nicht nur Gedanken lesen, sondern er wusste scheinbar auch genau, was sie gerade fühlte.

„Ja“, sagte Bratzipus, „wir wissen genau, wie sich andere Wesen fühlen. Das ist einer der Gründe, warum unser Planet so friedlich ist. Wir wollen niemanden durch Worte oder Gedanken verletzen. Wenn wir es täten, würden wir genau das fühlen, was der Andere erleidet. Manche Menschen auf der Erde können das auch. Man nennt es Mitleid. Dieses Mitleid mit anderen Wesen ist bei uns nur viel stärker ausgeprägt, weil wir wirklich mitleiden und die Gefühle der Anderen auch unsere Gefühle sind. Verstehst du, was ich meine?“

Bratzipus legte seinen großen Kopf etwas schief. Trotz des fehlenden Gesichtes konnte man einen fragenden Blick erahnen.

„Ja, ich verstehe das. Ich habe auch oft Mitleid mit anderen Menschen, auch mit Tieren, die gequält werden, mit Mitschülern, die gemobbt werden und auch mit meinen Eltern, wenn sie streiten. Es tut mir so weh, dass ich weinen muss. Ich glaube, ich erspüre auch die Gefühle anderer.“

Bratzipus‘ Augen erschienen plötzlich in seinem Kopf. Er schaute Celine genau an. Sein Blick war milde und gnädig.

„Ich weiß, du bist uns sehr ähnlich, Celine. Du bist eine Auserwählte. Ich muss dir so vieles erklären, sonst kannst du nicht verstehen worum es geht. Ich werde dir nun öfter in deinen Träumen erscheinen und dich auf deine große Aufgabe vorbereiten. Du musst nämlich nicht nur die Ehe deiner Eltern retten, es ist etwas schwieriger. Du wirst schon bald verstehen warum. Aber jetzt geh erst einmal wieder nach Hause. Schon heute Nacht werde ich dir im Traum die erste Lektion mitteilen. Sei aufmerksam und merke dir gut, was ich dir sage!

Wir haben übrigens gesehen, dass du deine Freundin Katja eingeweiht hast. Das ist vollkommen in Ordnung. Sie gehört auch zu dem großen Plan, zum Plan der Rettung der Planeten Kaselius, Aurum, Trilunata und dem Planeten Lachius, dem Planeten der lachenden Kinder. Nur wenn du diese vier Planeten retten kannst, wirst du dein eigenes Glück finden können!“

Celine konnte gar nichts mehr dazu sagen, so schnell flog sie in einer wirklich atemberaubenden Geschwindigkeit zurück und fand sich wieder eingekuschelt in ihrem Bett. Sie musste erst einmal verdauen, was Bratzipus ihr da eben gesagt hatte.

Vier Planeten sollte sie retten? Celine bekam es mit der Angst zu tun. Auf was hatte sie sich nur eingelassen? Sie war doch nur ein kleines Mädchen. Was erwartete Bratzipus von ihr? Sie sei eine Auserwählte? Woher wollte dieser Bratzipus wissen, dass ausgerechnet sie die Planeten retten konnte?

Fragen über Fragen gingen ihr durch den Kopf. Ein paar sollten tatsächlich noch in dieser Nacht beantwortet werden. Bratzipus erschien ihr im Traum, unmittelbar nachdem die Müdigkeit sie übermannt hatte und sie in einen tiefen Schlaf gefallen war.

„Hallo, kleine Celine“, sagte Bratzipus ganz sanft. „Erschreck dich nicht, ich bin es. Wie versprochen bin ich gekommen, um schon einmal einen Teil der vielen Fragen, die in deinem Kopf herumschwirren, zu beantworten.

Zunächst einmal will ich dir etwas über die Kaselianer erzählen. So nennen sich die Bewohner von Kaselius. Nicht alle Bewohner haben sechs Arme wie ich. Die Arme verdienen wir uns im Laufe unseres Lebens, indem wir Diamanten pflücken. Wir werden mit zwei Armen geboren. Wenn wir aber sehr viel arbeiten und viele Diamanten ernten, können uns noch bis zu vier weitere Arme nachwachsen.

Diese blau leuchtenden Diamanten sind bei uns die Lichtbringer. Wie bei euch die Sonne Licht zur Erde sendet und alles wachsen und gedeihen lässt, so sind wir von ihnen abhängig. Sie strahlen ununterbrochen und beleuchten so unseren schönen Planeten. Kaselius wird durch diese Kristalle in sein wunderschönes blaues Licht getaucht. In was für einer Farbe Kaselius erstrahlen würde, wenn wir eine Sonne hätten, so wie eure Erde, das weiß kein Kaselianer.

Ich habe also, wie du dir denken kannst, sehr fleißig Diamanten gepflückt, denn bei mir sind schon sechs Arme gewachsen, auf jeder Seite drei. Du hast ja gesehen, die Diamanten wachsen bei uns auf den Bäumen, wie bei euch die Früchte.“

Celine hörte gespannt zu, sie unterbrach Bratzipus kein einziges Mal. Es war viel zu spannend, was er alles erzählte.

„Sie werden verwendet, um unsere Häuser zu zieren, und auf ganz Kaselius verteilt, um auch die dunkelsten Winkel zu erhellen. Kaselius ist immer hell. Nur in den Häusern packen wir hin und wieder die Steine weg, um schlafen zu können. Ich habe dir ja erzählt, dass unser Planet sehr friedlich ist. Eigentlich hätte ich sagen müssen: er war friedlich, denn das Böse hat sich auf Kaselius ausgebreitet. Wir ahnen bereits, wie es in unsere Welt gekommen ist, aber das erkläre ich dir ein anderes Mal, wenn du uns zu Hause besuchen kommst.“

Nun musste Celine doch eine Zwischenfrage stellen. Sie war ziemlich aufgeregt.

„Woran habt ihr denn gemerkt, dass das Böse zu euch gekommen ist?“

„Ganz einfach, plötzlich haben verschiedene Bewohner von Kaselius angefangen die wunderschönen Bäume zu fällen. Die Bäume, die lebensnotwendig sind, da sie die lichtbringenden Diamanten hervorbringen. Ohne diese Bäume müssen wir alle sterben. Ich habe versucht mich in den ein oder anderen der Baumfäller einzufühlen. Ich fühlte nur Kälte. Es war so kalt, was ich erfühlte, dass ich aus Angst ganz schnell weggelaufen bin. Kaselianer können eigentlich gar keine Kälte ausstrahlen, nur wenn das Böse sie besetzt hat. Die dunkle Macht ist auf unserem Planeten. Nur du kannst sie vertreiben!“

Celine schluckte:

„Aber wieso denn ausgerechnet ich? Ich bin doch nur ein kleines, schwaches Mädchen. Was kann ich denn schon bewirken?“

„Sag das nicht“, antwortete Bratzipus ernst. „Du bist das einzige Wesen aller existierender Planeten, welches die Gabe besitzt.“

„Was für eine Gabe soll das denn sein?“, fragte Celine und schaute Bratzipus mit ihren großen, dunklen Augen gespannt an.

Sie konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass sie und nur sie Kaselius retten konnte. In der Schule hatte sie nur Dreien und auch sonst fiel sie nirgends wirklich besonders auf. In Sport war sie auch eine unter den Schlechten. Nein, Bratzipus musste sich täuschen. Das war alles ein großes Missverständnis.

„Das ist kein Missverständnis“, lachte Bratzipus plötzlich auf.

Sein helles Stimmchen wurde noch viel heller, wenn er lachte.

„Wir haben auf Kaselius eine Seherin. Sie beobachtet dich schon seit deiner Geburt. Wir alle haben hier auf den großen Tag gewartet, an dem du endlich zu uns kommst. Unsere Seherin täuscht sich nie.

Als du fünf Jahre alt warst, haben wir dich öfter von uns träumen lassen, haben dir ganz Kaselius gezeigt und dir unsere Sprache beigebracht. Deshalb kannst du uns verstehen. Erinnerst du dich noch daran, als du klein warst? Du und deine Freundin Katja hattet eine Geheimsprache. Das war kaselianisch. Du hast es ihr damals beigebracht, deshalb versteht uns auch Katja.

Eigentlich ist dir hier alles bereits bekannt, sonst hättest du viel zu viel Angst gehabt jemals hierher zu kommen. Wir haben dich vorbereitet. Du wusstest von klein auf, dass du immer, wenn du ein Problem hast, zu uns kommen kannst. Der Weg führte über deine Träume, aber mit dem Diamanten kannst du von nun an immer zu uns gelangen und mit uns Kontakt aufnehmen. Wenn du ihn in die rechte Hand nimmst und ganz fest an jemanden denkst, der auch so einen Stein besitzt, erscheint er augenblicklich, und ihr könnt miteinander reden. Nimmst du den Stein in die linke Hand und sagst dreimal das Wort „Kaselius“, kommst du direkt zu uns auf den Planeten. Du musst gut aufpassen auf deinen Stein! Nur an jedem tausendsten Baum wächst so ein Kontaktdiamant. Du wirst ihn noch brauchen.“

Celine nickte eifrig.

„Ja, das werde ich tun, ich hüte ihn jetzt schon wie einen Schatz.“

„Das ist sehr gut“, lobte Bratzipus.

„Nun muss ich aber leider wieder gehen. Morgen komme ich wieder und erzähle dir von deinen Aufgaben und den anderen Planeten. Schlaf schön, erhole dich gut. Du musst ausgeruht sein, wenn du auf deine lange Reise gehst.“

5. Viele Fragen

Gleich am nächsten Morgen in der Schule, berichtete Celine ihrer besten Freundin von all den Neuigkeiten. Von ihrem Kristall, der ein seltener Kontaktstein war, und welch große Aufgabe ihr bevorstand.

„Hast du keine Angst?“, fragte Katja voller Ehrfurcht, nachdem sie sich alles angehört hatte.

„Und wie ich Angst habe! Wenn ich daran denke wird mir ganz elend“, gab Celine ohne Umschweife zu.

„Ich muss es aber wagen, nicht nur für mich und meine Familie, sondern für Kaselius und die anderen drei Planeten, die von einer bösen, dunklen Macht heimgesucht wurden. Nach der Wahrsagung bin ich auserwählt. Scheinbar kann kein anderer diese Macht vertreiben. Also muss ich das tun, ob ich will oder nicht. Ich trage die Verantwortung.“

„Ich bewundere dich sehr“, sagte Katja. „ Ein bisschen bin ich sogar neidisch. Du bist etwas ganz Besonderes, stell dir das mal vor. Wer hätte das gedacht. Scheinbar bist du so etwas wie Superwoman.“

Celine lachte.

„Na, du musst jetzt nicht übertreiben. Ich verfüge über keinerlei Superkräfte. Noch habe ich keinen der vier Planeten gerettet und auch nicht die Ehe meiner Eltern.“

„Was redet ihr da für einen Unsinn?“

Sonja aus der Siebten war um die Ecke gekommen und gesellte sich zu ihnen. Neugierig schaute sie die Beiden an.

„Na, sagt schon! Ich habe da gerade ein paar seltsame Sachen aufgeschnappt.“

„Ach“, antwortete Celine und tat recht gelangweilt.

„Wir haben da gestern so einen Film gesehen, und Katja meinte, ich sähe dieser Superwoman so ähnlich. Ich bin ja aber nun nicht gerade eine Heldin, zumindest erinnere ich mich nicht daran, jemals irgendwelche Planeten gerettet zu haben, wie es diese Superwoman in dem Film getan hat.“

Sonja schaute ein bisschen enttäuscht.

„Ach so, ich dachte schon, ich hätte etwas Interessantes verpasst. Ich geh dann mal in meine Klasse und ihr solltet das auch tun, es hat nämlich schon geklingelt.“

Celine und Katja schauten den Schulgang hinauf und hinunter. Kein Kind war mehr weit und breit zu sehen. Vor lauter Reden hatten sie völlig die Zeit vergessen. Na, das würde Ärger geben! Sie gingen beide in die 5. Klasse des Gymnasiums von Delmenhorst, und ihr Klassenlehrer Herr Lampert war ausgesprochen streng. Aber das mussten sie jetzt beide durchstehen. Etwas ängstlich öffnete Celine die Tür zum Klassenzimmer. Welche Erleichterung! Herr Lampert hatte Verspätung. Schnell liefen die beiden Mädchen zu ihren Plätzen und setzten sich. Keine Minute später betrat ihr Lehrer das Klassenzimmer. Celine flüsterte Katja noch rasch zu:

„Von nun an müssen wir vorsichtiger sein! Wir dürfen uns nur noch bei dir oder mir zu Hause über die Sache unterhalten.“

Katja nickte stumm.

Noch für den gleichen Mittag verabredeten sie sich, um mit Bratzipus über den Diamanten Kontakt aufzunehmen. Sie hatten auf einmal so viele Fragen. Es konnte ihnen nicht schnell genug gehen, alle beantwortet zu bekommen.

Katjas Mutter musste nicht arbeiten gehen. Celine besuchte deshalb meistens ihre Freundin, denn ihre Mutter verwöhnte die Mädchen immer sehr. Heute hatte sie Pizza für die beiden gemacht und frischen Orangensaft gepresst. Nachdem die Mädchen gegessen hatten, besprachen sie, was für Fragen sie Bratzipus stellen wollten.

„Schreib mal auf!“, sagte Katja und drückte Celine einen Zettel und einen Stift in die Hand.

„Es ist besser wir sammeln alle Fragen und halten sie schriftlich fest, dann vergessen wir nichts.“

Celine stimmte zu. Das war eben Katja. Sie hatte immer die besten Einfälle. Wenn sie etwas plante, dann konnte gar nichts schief gehen.

„Frage eins“, schrieb Celine und schaute ihre Freundin auffordernd an. „Zuerst deine Frage, ich notiere.“

Die beiden benötigten fast eine halbe Stunde, bis sie alle Fragen beisammen hatten. Celine hatte vor Aufregung rote Wangen bekommen und Katjas Augen glänzten vor Spannung.

„So, ich rufe jetzt Bratzipus und bitte ihn alles zu beantworten.“

Celine nahm den Stein in die rechte Hand. Sie konzentrierte sich ganz auf das kleine blaue Männlein und wie schon zweimal zuvor geschehen, fing der Stein hell zu strahlen an und sein Gesicht wurde in dem Kristall sichtbar.

„Hallo, Celine“, begrüßte Bratzipus sie und lächelte. „Ihr habt bestimmt viele Fragen. Ich beantworte sie euch sehr gerne. Ich kenne sie sogar schon alle. Ich sehe in meinen Gedanken was ihr notiert habt.“

Celine und Katja schauten sich ganz überrascht an. Bratzipus musste laut lachen.

„Wir Kaselianer haben Gaben, die ihr Menschen nicht habt. Das sollte euch aber nicht beunruhigen und auch nicht ängstigen. Das ist eine Fähigkeit, die alle Menschen einst hatten, aber verkümmern ließen. Ihr Menschen neigt dazu, nur an Dinge zu glauben, die ihr sehen und die ihr euch wissenschaftlich erklären könnt. Das ist sehr schade. Ihr tragt noch viele Gaben in euch, die ihr nutzen könntet, würdet ihr nur mehr an diese Dinge glauben. Nun aber zu euren Fragen. Ich will euch alles erklären.“

„Vielen Dank“, sagte Celine, „wir sind schon ganz gespannt. Beginnst du mit unserer ersten Frage?“

„Aber ja, selbstverständlich. Immer schön der Reihe nach. Ihr wollt wissen, was auf den anderen drei Planeten geschehen ist. Ich habe euch ja schon gesagt, dass Kaselius auf seine Diamanten, wegen des Lichts, das sie spenden, angewiesen ist. So braucht jeder Planet sein eigenes Lichtsystem, wenn dort Leben existieren soll. Das Böse versucht, den Planeten im Universum ihr Licht zu rauben. Bei uns hat es bewirkt, dass Kaselianer plötzlich die Diamantbäume fällen. Ihnen fehlt mit einem Mal die Einsicht, wie wichtig die Bäume für unser Überleben sind. Auf dem Planeten der lachenden Kinder, genannt Lachius, sind es die Kinder, die Licht bringen. Ihr Lachen erhellt diesen Planeten. Diese Kinder strahlen eine solche Freude und Heiterkeit aus, dass es um sie herum glitzert und leuchtet, das es eine Pracht ist. Die dunkle, böse Macht hat die Kinder entführt und der Planet der lachenden Kinder wurde auf einmal dunkel. Die Bewohner, die Lachianer, sind auf den Planeten der Mondblumen geflohen. Auch Trilunata wurde dunkel. Dort leuchteten einst drei silberne Monde. Drei friedliche, liebenswürdige Brüder, die immer bereitwillig jedem Rat gaben, der ihn benötigte. Keiner weiß was geschehen ist. Auf einmal wurden sie dunkel, grau und schwer. Man hat versucht zu fragen, was denn geschehen sei, aber die Monde gaben keine Antwort, und auf Trilunata wurde es Nacht. Auch die Trilunater sind auf den Planeten der Mondblumen geflohen.

Und nun zum letzten Planeten, dem einst wunderschönen Aurum. Hier befinden sich viele Flüsse, in denen pures Gold floss. Das Gold war so hell und rein, dass es ganz Aurum beleuchten konnte. Die Flüsse sind versiegt und Aurum genauso dunkel, wie die zwei anderen Planeten. Nur Kaselius ist noch nicht ganz dunkel geworden. Uns droht jedoch das gleiche Schicksal, wenn du, kleine Celine, uns nicht hilfst.“

„Aber ich helfe euch doch!“, rief Celine schnell dazwischen.

„Ich würde euch niemals im Stich lassen. Es ist ganz schrecklich, was all den Bewohnern der Planeten widerfahren ist. Sind die Bewohner von Aurum denn nun auch auf dem Planeten der Mondblumen?“

„Die Aurumaner meinst du?“, fragte Bratzipus.

„Ja, alle sind dorthin geflohen. Denn dies ist der einzige Planet, dem die böse Macht nichts anhaben kann.“

„Aber wieso denn nicht?“, fragte Katja.

„Gibt es dort kein Lichtsystem, das erlöschen kann?“

„Es gibt dort schon eine Lichtquelle, aber die kann keine böse Macht zerstören. Es sind dort die Mondblumen selbst, die durch ihre Schönheit alles um sich herum erhellen. Wer mit einer dieser Blumen in Kontakt kommt, dem öffnet sich sein Herz. Er kann unterscheiden zwischen Gut und Böse und bekommt Mitgefühl für alle Wesen, die es gibt. Die Mondblumen öffnen die Herzen für die Liebe. Die dunkle Macht traut sich nicht einmal in die Nähe dieser Blumen. Dort sind alle Bewohner der Planeten erst einmal sicher.“

„Was soll ich tun?“, fragte Celine etwas kleinlaut.

„Du musst auf allen vier Planeten das jeweilige Lichtsystem wieder zum Leuchten bringen, danach solltest du den Mondblumenplaneten finden und alle Bewohner zurückschicken auf ihre Planeten. Sie müssen Mondblumen mitnehmen, damit sie ihre Planeten schützen können und das Böse nicht zurückkommen kann. Das wird nicht einfach werden. Wir müssen einen genauen Plan ausarbeiten. Aber zunächst zu eurer zweiten Frage. Ihr wollt wissen, ob Celines Eltern nicht merken, wenn sie längere Zeit weg ist von zu Hause?“

„Ja“, sagte Katja. „Nicht, dass es Ärger gibt und Celines Eltern am Ende die Polizei anrufen.“

„Ich müsst euch keine Sorgen machen“, beruhigte Bratzipus die Mädchen. „Wenn du hundert Tage bei uns verbracht hast, sind auf der Erde gerade einmal zehn Minuten vergangen. Du wirst in der Nacht losreisen. Wir überwachen den Schlaf deiner Eltern. Wir hüllen sie in die allerschönsten Träume. Keiner wird wach werden. Da ich weiß, dass deine Eltern vor dem Schlafengehen immer noch einmal nach dir sehen, habe ich auch hierfür eine Lösung gefunden. Ihr könnt mir voll und ganz vertrauen.“

-Das ist schon einmal sehr beruhigend-, dachte Celine.

„Schön, dass du beruhigt bist“, lächelte Bratzipus.

Plötzlich klopfte es an die Tür. Es war Katjas Mutter, sie hatte heiße Schokolade gemacht. Bratzipus murmelte noch schnell, dass Celine ihn in der Nacht auf Kaselius besuchen sollte, dann würde er die restlichen Fragen beantworten und war blitzschnell verschwunden.

Celine und Katja tranken die leckere Schokolade und gingen noch einmal die Fragen durch. Eine ganz wichtige Frage schien zu sein, ob Celine auf den Planeten Gefahren drohten und wie sie sich gegebenenfalls davor schützen konnte. Sie mussten auch unbedingt wissen, ob Katja ihr helfen und vielleicht auch einen Kontaktdiamanten bekommen konnte, um immer mit Celine in Verbindung treten zu können. Celine würde sich auf alle Fälle viel besser fühlen und ungleich sicherer auf ihrer Reise durchs Universum. Aber sie mussten sich noch gedulden. Heute Nacht würde Celine wieder nach Kaselius reisen, um wichtige Dinge vor ihrem Abenteuer mit Bratzipus zu besprechen. Sie war neugierig und zugleich sehr, sehr aufgeregt.

6. Besuch auf Kaselius

Celines Eltern wunderten sich, als ihre Tochter an diesem Abend schon früh zu Bett ging.

„Du wirst doch nicht krank werden, fühlst du dich nicht gut?“, fragte ihre Mutter besorgt.

„Es geht mir ausgezeichnet, ich möchte heute noch ein bisschen lesen und es mir in meinem Bett gemütlich machen“, antwortete Celine fröhlich und rannte ins Bad, um sich die Zähne zu putzen.

Sie wollte Bratzipus unbedingt sagen, dass alles etwas schneller gehen musste, sonst war es vielleicht am Ende zu spät und die Scheidung ihrer Eltern vollzogen. Gerade heute waren beide bei einem Rechtsanwalt gewesen, um alles regeln zu lassen. Allzu lange konnte sie nicht mehr warten. Sie wusste auch nicht, wie lange es dauern würde, alle vier Planeten zu retten. Da fiel ihr wieder ein, dass Bratzipus gesagt hatte, dass hundert Tage dort zehn Minuten auf der Erde entsprachen. Zum Glück! Dann würde sie nicht zu viel Zeit verlieren. Sie wartete bis ihre Eltern zu Bett gegangen und eingeschlafen waren. Celine versuchte krampfhaft sich wachzuhalten, aber irgendwann konnte sie die Augen nicht mehr offen halten und schlief ein. Sie wurde sanft durch Bratzipus Stimmchen geweckt:

„Celine, Celine, wach auf! Du willst mich doch besuchen.“

Augenblicklich schaute sie auf ihren Kristall, mit dem sie in ihrer Hand eingeschlafen war. Sie sah in Bratzipus freundlich blickende Kulleraugen, die wieder so lustig zwinkerten.

„Ich bin schon unterwegs“, rief Celine und nahm den Stein aus der rechten in die linke Hand und sagte dreimal hintereinander:

„Kaselius, Kaselius, Kaselius.“

Ruck zuck wurde sie auf Kaselius befördert. An das Drehen und die Geschwindigkeit hatte sie sich mittlerweile schon gewöhnt. Sie hatte gar keine Angst mehr. Ganz erstaunt musste Celine feststellen, dass die Umgebung, in der sie gelandet war, ganz verändert aussah.

„Wo bin ich denn heute gelandet?“, fragte sie erstaunt.

Bratzipus stand schon wartend da und nickte traurig.

„Ja ja, die Bäume fehlen. Sie wurden von Kaselianern gefällt. Ist das nicht schrecklich? Wir müssen uns beeilen, sonst ist Kaselius dunkel und wir werden alle sterben.“

„Dann müsst ihr auch auf den Mondblumenplaneten fliehen!“, meinte Celine erschrocken. „Es darf keiner sterben.“

„Das geht leider nicht.“ Bratzipus ließ seinen großen Kopf hängen. „Wir haben die Koordinaten nicht. Die wirst du erst erfahren, wenn du den letzten der vier Planeten gerettet hast. Erst dann kann ich dich dorthin katapultieren. So besagt es die Vorhersehung. Aber jetzt komm erst einmal mit mir mit. Meine Frau Klussilla hat schon etwas Leckeres gerichtet. Wir müssen schon heute alles planen, und es ist gut, dass du so ein kluges Mädchen bist, denn du wirst dir viel merken müssen.“ „Ich bin gar nicht so klug“, sagte Celine schnell. „Meine Noten zeigen das ganz deutlich.“

„Bei uns zählen Noten nicht. Du bist klug, glaube mir! Was sagen denn schon eure seltsamen Schulnoten über einen Menschen aus? Du bist klüger als viele andere Kinder bei euch auf der Erde. Du hast nur noch nicht gelernt, an dich selbst zu glauben. Wir aber glauben hier alle an dich! Du wirst es schaffen!“

Bratzipus hob einen seiner langen, dünnen Finger in die Höhe und wiegte ihn hin und her.

„So wahr ich Bratzipus heiße, nur du bist fähig all diesen wunderschönen und einzigartigen Planeten ihre Lichtsysteme wiederzugeben. Erst dann können alle Wesen vom Mondblumenplaneten zurückkehren.“

Bratzipus nahm Celine an die Hand.

„Jetzt aber los, zu mir nach Hause. Wir müssen uns wirklich beeilen!“ Celine bemerkte, dass genau in diesem Moment Kaselius wieder ein wenig dunkler wurde. Bratzipus rannte so schnell los, dass sie kaum mithalten konnte. Er hatte sie aber fest an der Hand, sodass Celine wohl oder übel mitrennen musste. Auf einmal hob Bratzipus vom Boden ab, und Celine flog mit ihm in die Höhe.

„Das ist ja total verrückt!“, kreischte sie. „Wir fliegen, das ist der Wahnsinn!“

„Hier können das alle“, antwortete ihr neuer, blauer, kleiner Freund. Wenn wir Flügel brauchen, dann wachsen sie eben. Wir müssen nur genügend Anlauf nehmen. Entschuldige, falls du aus der Puste gekommen bist.“

Sie flogen eine ganze Zeit lang über Kaselius hinweg. Celine kam aus dem Staunen nicht heraus. Der blaue Planet war wirklich mehr als wunderschön. Blaue Flüsse, blaue Blumenwiesen, Häuser in verschiedenen Formen. Am hübschesten sahen die Kugelrunden aus, fand sie. Sie sah auch von oben ganz deutlich den hellen Schein der Diamanten. Die Kristalle waren überall verteilt. Sie wurden auch als Straßenpflastersteine verwendet. Somit waren alle Wege auf Kaselius wunderbar hell. Die Hauptlichtquelle aber waren die vielen strahlenden Kristallbäume, denn die frischen, noch auf den Bäumen wachsenden Diamanten, waren ungleich heller als die Gepflückten. Ach, Celine hätte noch ewig an der Hand von Bratzipus so dahinfliegen können, aber leider waren sie schon an dessen Haus angekommen und landeten sanft direkt vor seiner Haustür. Celine kratzte sich etwas verlegen am Kopf, als sie das winzige, kleine Häuschen sah.

„Tut mir leid Bratzipus, ich glaube ich passe nicht hinein, in dein kleines, schönes Haus.“

Bratzipus lachte und meinte:

„Lass das nur meine Sorge sein.“

Er holte etwas aus seiner Tasche, das Celine auf die Schnelle nicht erkennen konnte. Es schien ein kleines Beutelchen zu sein.

„Was ist das?“, fragte Celine und schaute etwas kritisch.

Wie wollte Bratzipus dieses Problem nur lösen?

„Ich kann es lösen, liebe Celine. Du solltest wirklich ein bisschen mehr Vertrauen haben.“

Celine lief rot an. Sie musste wirklich ihre Gedanken besser kontrollieren, das wurde langsam peinlich. Sie sah wie ihr kleiner Freund verschmitzt grinste. Er hatte selbstverständlich gemerkt, dass ihr das schrecklich peinlich war.

Celine konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, wie sie jemals in das Haus von Bratzipus und seiner Frau hinein passen sollte, denn es war ja nicht viel höher als eine Hundehütte.

„Pass auf was ich jetzt mache!“

Bratzipus schüttelte etwas aus seinem Beutelchen heraus. Es sah aus wie viele winzige, kleine Sternchen.

„Das ist Sternenstaub“, sagte Bratzipus stolz.

„Damit kann man auf Kaselius zaubern. Ich streue dir die Sternchen auf den Kopf, und während ich dies tue, sage ich folgenden Spruch:

„Ihr Sterne, zart und winzig klein,

Celine möchte auch so sein.

Zaubert doch mal ganz geschwind

etwas kleiner dieses Kind!“

Gesagt getan. Celine merkte nicht wie sie schrumpfte. Kein Schwindel, kein Vibrieren, nichts. Sie war einfach klein geworden und befand sich plötzlich auf Augenhöhe mit ihrem Freund. Das war ein komisches Gefühl. So mussten sich Mäuse fühlen, ganz klein und angreifbar.

„Du musst keine Angst haben“, beruhigte sie Bratzipus. „Du bist ganz sicher bei mir. Später zaubere ich dich wieder groß. Aber nun lass uns hinein gehen! Meine Frau kann es nämlich nicht mehr abwarten dich endlich kennenzulernen.“

Die beiden traten ein, und Celine staunte schon wieder. Das Haus von ihrem Freund war ja vollkommen leer! Kein Möbelstück, nichts! Sie hatte ja einiges erwartet, aber doch kein vollkommen leeres Haus. Da kam schon Bratzipus Frau angelaufen. Sie sah ganz anders aus, als Celine sie sich vorgestellt hatte. Sie sah ihrem Mann nicht sehr ähnlich. Sie war zwar auch blau, aber sie hatte zwei Arme wie wir Menschen und ihr Kopf passte genau auf ihren Körper. Ihre Beinchen waren schlank, aber nicht dürr. Die Kaselianer hatten alle zwar keine Haare, aber trotzdem keine Glatzen. Ihnen wuchsen lange Schnüre aus dem Kopf, die aussahen wie Gummischlangen. Bei manchen hatten sie viele verschiedene Farben. Bratzipus hatte alle Regenbogenfarben auf dem Kopf. Seine Schnüre waren halblang und fielen bis zu seinen Schultern. Bei Klussilla hingegen waren die wundersamen „Gummidinger“ ganz knallrot und etwas länger. Das sah sehr hübsch aus. Bratzipus hob stolz den Kopf und stellte Celine seiner Frau vor.

„Das ist meine geliebte Frau Klussilla. Ist sie nicht bildhübsch?“

Celine nickte.

„Wirklich wunderschön!“

Sie streckte Klussilla die Hand hin, aber diese wusste nichts mit dieser Geste anzufangen. Bratzipus lachte.

„Celine, das Händeschütteln kennen wir hier eigentlich nicht. Das machen die Menschen. Wir begrüßen uns etwas anders. Ich zeige dir das mal. Wir machen das mit unseren Blubbeln. Das ist sozusagen das, was bei euch die Haare sind.“

Er beugte seinen großen, wirklich massigen Kopf in Richtung des Kopfes seiner Frau. Die roten lustigen Schnüre fingen an sich zu bewegen und schlängelten sich auf den Kopf von Bratzipus. Dort begann ein wilder Tanz aller Blubbeln, der Roten, wie auch der Bunten. Celine musste lachen. Das sah so dermaßen lustig aus, sie konnte sich beim besten Willen nicht beherrschen. Zum Glück waren ihre beiden neuen Freunde nicht böse und lachten mit.

„Ich fand das genauso lustig, als ich das erste Mal Menschen sah, die sich die Hände schüttelten, das kannst du mir glauben!“, grinste Bratzipus.

Dann wandte er sich seiner Frau zu und sagte:

„Das ist die kleine Celine, die nach der Vorsehung von Hulsarta alle bedrohten Planeten retten wird.“

In Klussillas zartem Gesichtchen erschien ein relativ großer Mund. Sie lächelte.

„Ich bin froh, Celine, dich endlich kennenzulernen. Es ist wirklich eine große Ehre für mich. Mein Mann hat mir schon so viel von dir erzählt. Du musst ein großartiges Mädchen sein. Herzlich willkommen bei uns zu Hause.“

Celine lächelte zurück.

„Vielen Dank, ich freue mich auch sie kennenzulernen“, sagte sie höflich und machte einen kleinen Knicks.

Das hatte Oma Helene ihr beigebracht. Darauf war sie sehr stolz. Aber da fiel ihr ein, dass die Kaselianer wahrscheinlich auch diese Geste nicht kannten.

„Ich kenne das mit dem Knicks, ich habe Menschenkunde studiert auf Kaselius. Nur meine Frau kennt diese Dinge nicht, zumindest nicht alle.“

Bratzipus lächelte Celine an.

„Ist das denn noch üblich bei euch einen Knicks zu machen? Ich habe gelernt, dass das die Kinder früher einmal machten. Deine Generation ist mittlerweile weniger höflich, oder?“

Celine nickte.

„Ich mache das noch! Ich finde es nett. Ich werde immer zu den höflichen Kindern gezählt und mag das.“

„Siehst du!“, sagte Bratzipus.

„Ich habe doch gesagt, dass du ein ganz besonderes Kind bist. Wir haben so viele Kinder gesehen, die ihren Dreck auf eure Straßen werfen, sogar Glasflaschen und Tiere haben sich an den Splittern verletzt. Du aber hast schon einige Male den Müll von anderen aufgehoben. Du hast ein Herz für euren Planeten und auch für die Natur. Hulsarta hat dich beobachtet, als du Glassplitter aufgesammelt hast, aus Rücksicht auf die Hunde und Katzen, damit diese sich nicht die Pfoten verletzen. Und als du beim Spaziergang mit deinen Eltern im Wald allerlei Papier und Dosen aufgehoben hast, weil du nicht sehen konntest, dass der Wald so verschandelt ist. In deinem Herzen, kleine Celine, da wächst schon eine Mondblume. Lass diese niemals verwelken! Du bist wunderbar. Aber jetzt setz dich erst einmal hin, du musst ja schon mächtigen Hunger und Durst haben.“

Celine war richtig rot geworden. So war sie ja noch nie über den grünen Klee gelobt worden. Uh, das war ja schon richtig peinlich. Sie hatte in ihren eigenen Augen gar nichts Besonderes getan. Die Natur und die Tiere zu schützen und zu achten schien ihr selbstverständlich. Sie schaute sich in allen Richtungen um und suchte einen Stuhl in der komplett leeren Wohnung. Aber sie konnte beim besten Willen keinen entdecken. Sie schaute Bratzipus erstaunt an. Der fing herzlich an zu lachen.

„Ja, da staunst du. Weißt du, das ist so bei uns: Was wir momentan nicht brauchen, muss nicht im Weg herumstehen. Erst wenn wir eine Sache benötigen, also genau in diesem Moment ist sie auch da. Bei euch Erdbewohnern ist das anders. Was ihr braucht ist immer da. Dadurch habt ihr viel weniger Platz als wir. Eine Erfindung von einem Kaselianer namens Tschumblidus, vor vielen Hunderten von Jahren, ermöglicht es uns Dinge im selben Moment zu besitzen, indem wir sie nutzen wollen. Sicherlich kommen die Menschen auch noch dahinter wie das funktioniert. Das hat etwas mit Zeitverschiebung zu tun.“

Celine wusste nicht was sie davon halten sollte.

„Ja, aber wie muss ich mir das nun vorstellen? Wenn ich mich hinsetze, ist plötzlich ein Stuhl da?“

„Genau so ist es! Du verstehst wirklich schnell, was man dir erklärt. Probiere es doch einmal aus!“

Bratzipus nickte ihr aufmunternd zu.

Mit großer Vorsicht nahm Celine zunächst auf einem Stuhl Platz, der gar nicht da war. Und zack, plötzlich saß sie auf einem. Er war plötzlich aus dem Nichts aufgetaucht.

Sie war sprachlos. Das war die genialste Erfindung, die sie kannte. „Weißt du“, sagte ihr neuer Freund, „wir Kaselianer tanzen alle sehr gerne. Somit haben wir allen Platz in unseren Häusern, den wir brauchen. Wir tanzen jeden Tag und wirbeln durch unsere Wohnungen. Das macht so richtig Spaß. Du kannst nachher gerne einmal mittanzen.“

Celine lehnte dankend ab. Wenn sie etwas nicht konnte, dann tanzen. „Wir können dir dabei helfen. Tanzen lernst du hier schnell.“

Klussilla lächelte.

„Warte nur mal ab!“

Sie machte einen Schrank auf, der eben noch nicht da war und holte eine große Schüssel heraus.

„Ich habe uns etwas ganz Besonderes gebacken“, sagte sie stolz. „Das sind Zauberkekse, Pompeldidoms genannt. Die musst du unbedingt probieren! Jeder Pompeldidom hat eine andere Funktion. Sieh sie dir einmal genauer an, und du wirst erkennen, welcher Pompeldidom was bewirkt!“

Klussilla öffnete die Schüssel und reichte sie Celine. Diese entnahm einen der angepriesenen Gebäcke und staunte nicht schlecht, was sie nun zu sehen bekam. Sie hielt einen seltsamen, flachen, runden, grünen Keks in der Hand. Auf dem Keks sah sie kleine Kinder. Es waren eindeutig Kaselianerkinder, das konnte man sehr gut erkennen. Sie waren kleiner und zarter noch wie Bratzipus und seine Frau, und sie sprangen fröhlich herum, wie kleine Menschenkinder, und lachten und alberten.

„Na? Welchen Keks hast du denn gezogen?“, fragte Klussilla interessiert. Celine streckte ihn ihr entgegen.

„Den kannst du ruhig zurücklegen. Das ist ein Lachkeks. Er bewirkt, dass Kinder richtig fröhlich und lustig werden und Spaß haben. Er wird gerne für Kindergeburtstage gebacken. Zieh einen anderen bitte!“

Celine war nun mehr als neugierig. Sie zog dieses Mal einen roten Keks. Das war so herrlich spannend. Sie liebte diesen Planeten jetzt schon. Sie lernte hier eine ganz neue, aufregende, schillernde Welt kennen, von unglaublicher Schönheit.

Auf dem Pompeldidom sah sie die herrlichen, blauen Bäume von Kaselius mit den glitzernden Diamanten. Es sah aus, als wiegten sie sich im Wind, aber wenn man noch genauer hinsah, dann sah man fleißige Kaselianer, die auf den Bäumen saßen und die Kristalle ernteten.

„Was hat denn nun dieser Keks zu bedeuten?“, fragte Celine neugierig und starrte dabei unentwegt auf den Keks.

Sie war sehr fasziniert.

„Du hast den Baumpompeldidom gezogen. Das ist sehr gut“, lächelte Bratzipus. „Dieser Keks entsteht nur zufällig beim Backen. Es ist äußerst selten, dass dies überhaupt vorkommt. Ich habe dir ja erzählt, dass auf jedem tausendsten Baum bei uns ein Kommunikationskristall wächst, und den muss man erst einmal finden. Mit diesem Keks wirst du einen entdecken, ganz ohne Probleme. Iss den Keks und wir gehen gleich nach draußen. Es ist sehr wichtig, dass du noch so einen Stein besitzt. Den kannst du deiner Freundin Katja geben.“

Celine aß den Keks schnell auf. Er schmeckte hervorragend. Sie ging mit Klussilla und Bratzipus nach draußen. Nun durfte sie sogar selbst einen Diamanten pflücken. Es war so aufregend. Sie war überglücklich. Es war alles wie Bratzipus gesagt hatte. Ohne Probleme fand sie einen Baum und den Diamanten, den sie ihrer Freundin bringen durfte. Wie würde Katja sich freuen!

„Komm! Wir gehen wieder ins Haus. Wir müssen noch heute alles besprechen, und morgen schon geht deine Reise los. Es ist wirklich eilig, denn Kaselius wird immer dunkler, du hast es ja schon selbst bemerkt.“

Bratzipus war sehr ernst geworden, als er sprach.

Celines Herz fing an zu klopfen. Morgen schon sollte sie in ihr großes Abenteuer starten?

Drinnen im Haus nahmen alle wieder auf den zuerst nicht und dann doch plötzlich vorhandenen Stühlen Platz, und Celine durfte sich noch die restlichen Pompeldidoms anschauen und kosten. Sie fand den Gesangspompeldidom ganz toll. Nachdem sie ihn gegessen hatte, konnte sie wunderschön singen. Sie war im Musikunterricht immer diejenige, die die Töne nie traf. So einen Keks musste sie in die Schule mitnehmen. Wie würde Frau Obermeyer, ihre Musiklehrerin, staunen! Klussilla erlaubte es ihr, und sie steckte ihn freudestrahlend in ihre Tasche.

Der Tanzkeks sagte ihr dagegen nicht so zu. Obwohl es wirklich nett anzusehen war, wie einige Kaselianer, die auf dem gelben Keks erschienen, herumtanzten. Sie hatten ihren ganz eigenen Stil. Sie rannten hin und her und drehten sich wie wild im Kreis. Dann wieder hüpften sie hoch, und ihre Blubbeln auf dem Kopf tanzten munter mit.

Es gab da noch einen schwarzen Keks, der nicht sehr appetitlich aussah. Sie schaute ihn sich ganz genau an, plötzlich erschien eine Fratze darin. Celine erschreckte sich so sehr, dass sie den Keks weit von sich weg warf.

„Wa-wa-was war das?“, stotterte sie.

Sie war ganz blass geworden.

„Oh nein, entschuldige bitte. Ich habe nicht gesehen, dass ein schwarzer Keks beim Gebäck dabei war. Seit das Böse auf Kaselius eingekehrt ist, passiert es manchmal, dass so ein Keks beim Backen entsteht. Wir nehmen an, dass einige Kaselianer diese Kekse ahnungslos gegessen haben und sich deshalb so veränderten. Wir glauben, dass die dunkle Macht sie entstehen lässt und unter das Gebäck mischt. Was genau auf den anderen Planeten geschehen ist, wissen wir allerdings nicht. Sie wurden plötzlich dunkel und wir haben nur erfahren, dass die Bewohner alle auf den Mondblumenplaneten geflohen sind. Mehr konnten wir leider nicht in Erfahrung bringen.“

Celine nahm eine Hand von Bratzipus.

„Lieber Bratzipus, sorge dich nicht mehr! Wenn die Vorhersehung stimmt, dann wird doch alles gut, und ich habe es versprochen, ich lasse euch ganz bestimmt nicht im Stich.“

Klussilla lächelte und strich ihrem Mann über das ganz glatte Gesicht. „Vielleicht kannst du nun endlich mal wieder gut schlafen, mein Lieber. Vielen Dank, Celine. Deine Worte tun uns wirklich gut.“

„Ja, das stimmt.“ Bratzipus nickte. „Nun wollen wir uns aber an die Planung machen. Klussilla, meine Liebe, gib mir bitte ein wenig Kristallwasser!“

Er wandte sich an Celine.

„Wir nehmen die Kristalle und legen sie in Wasser. Die Kaseliusdiamanten können nicht nur unseren Planeten erhellen, sondern auch unseren Verstand. Hier, nimm einen Schluck. Es macht unsere Planung sicherer, wenn wir wachen Geistes sind.“

Celine nahm einen Schluck von dem Zaubertrunk und fühlte sich wirklich plötzlich hellwach und konzentriert.

7. Der Plan

Ihr kleiner, blauer Freund fing an zu reden und zu reden. Celine hörte gut zu und dank des Kristallwassers konnte sie sich alles merken und verstand auch kompliziertere Zusammenhänge. Als Bratzipus endete, grinste er.

„So, nun fasse einmal bitte kurz zusammen, was ich erzählt habe, damit ich sehe, ob noch etwas Wichtiges fehlt, dass du unbedingt wissen solltest!“

„Also”, fing Celine an, „wie ich es nun verstanden habe, ist das so: Ich muss zunächst auf den Planeten Lachius reisen, den Planeten der lachenden Kinder. Um dort hinzukommen, werde ich von euch durch das kaselianische Energiesystem katapultiert, durch welches ich auch immer hierher auf Kaselius gelange. Ich lande aber nicht direkt auf dem Planeten, sondern ich muss zunächst durch ein kompliziertes Röhrensystem gelangen. Diese Röhren sind angelegt wie ein Irrgarten. Nur durch Röhren die nach oben führen, gelangt man auf Lachius. Alle anderen, die bergab verlaufen, sind die Falschen. Sie führen irgendwohin ins Universum. Ich denke, das kann nicht so schwierig sein, Lachius zu finden.“

Klussilla fiel ihr ins Wort.

„Doch, das ist schwierig, denn man sieht in dem Durcheinander all der Röhren nicht sofort, ob eine nach oben führt oder eher nach unten. Es sind auch optische Täuschungen eingebaut. Weißt du was das ist, eine optische Täuschung?“

Celine nickte.

„Ja, weiß ich. Man nimmt zum Beispiel an, eine Person ist gleich groß wie die andere, obwohl dem gar nicht so ist. Wenn nämlich eine Person weiter weg steht und eine andere näher, lässt sich auf die Ferne kein Größenunterschied feststellen. Das kann ja heiter werden. Hoffentlich finde ich den richtigen Weg, wenn das so schwierig ist.“

„Du hast ja den Kontaktstein dabei. Wir können miteinander reden, und der Stein selbst wird dir auch manches Mal behilflich sein. Er hat viel mehr Kräfte als du glaubst“, beruhigte Bratzipus sie.

„Gut“, redete Celine weiter. „Wenn ich dann auf Lachius bin, muss ich dort herausfinden, warum der Planet dunkel wurde und ihm sozusagen wieder sein Licht anknipsen. Aber was ist mit der dunklen Macht? Ist sie noch dort?“

„Nein“, sagte Bratzipus. Ihr Werk auf den anderen Planeten ist ja vollbracht. Sobald völlige Dunkelheit eingekehrt ist, verschwindet sie. Am Ende soll nur noch der Planet des Bösen existieren. Sie möchte die Macht über das gesamte Universum erlangen. Das gelingt ihr aber nur, wenn alles verdunkelt ist. So ist kein Leben mehr möglich. Allein die dunkle Macht würde noch herrschen. Das Böse lebt von der Dunkelheit, nicht von Licht. Allerdings ist es sehr schwierig Kaselius mit einem Schlag zu verdunkeln. Das dauert viel länger, als auf den anderen Planeten, da wir sehr, sehr viele Bäume und Kristalle besitzen. Sobald ein Kristall gepflückt wird, wächst sofort ein neuer nach. Nur das Fällen der Bäume selbst kann uns schaden. Sie versuchen auch eine Lösung zu finden, den Mondblumenplaneten zu verdunkeln, aber das ist sehr schwierig, das habe ich dir ja schon erzählt.“

„Nun gut“, sagte Celine.

„Wenn es wieder Licht gibt auf Lachius, ist dort zunächst meine Aufgabe erfüllt, und ich muss weiter nach Trilunata, den Planeten, auf dem die drei silbernen Monde erloschen sind. Wenn ich herausgefunden habe, wieso dies geschehen ist und sie wieder zum Leuchten gebracht habe, ist auch dort zunächst meine Aufgabe erfüllt. Trilunata ist genau wie Lachius nicht so leicht zu erreichen.“

„Das ist richtig“, unterbrach Bratzipus sie.

„Lachius und Trilunata haben eine schützende Hülle um sich herum. Das Röhrensystem zum Beispiel, ist auch nicht einfach zu finden. Wir haben zum Glück die Koordinaten, also den genauen Weg dorthin, erhalten.“

„Ok“, Celine atmete tief durch und erzählte weiter, was sie sich gemerkt hatte.

„Trilunata ist über eine Sternenstaubstraße erreichbar. Diese ist wahnsinnig gefährlich, weil sie viele Löcher hat. Der Sternenstaub ist immer in Bewegung, dadurch entstehen ständig neue Löcher. Die Straße ist unberechenbar. Ich muss sehr vorsichtig sein und jeden Schritt wohl überlegen, den ich tue.“

„Wirklich jeden!“, bemerkte Klussilla und legte ein Ärmchen auf Celines Schulter.

„Du musst dich in acht nehmen, mein liebes Kind! Es lauern viele Gefahren da draußen, und du bist ganz allein auf dich gestellt.“

„Das ist mir bewusst.“ Celine hob stolz den Kopf an. „Ich werde es schaffen, ich weiß es. Wenn die Monde wieder leuchten, befördert ihr mich direkt auf Aurum, den Planeten, auf dem die goldenen Flüsse nicht mehr fließen. Ich muss auch hier die Aufgabe lösen und das Gold in den Flüssen wieder zum Fließen bringen. Habt ihr wirklich keine Ahnung was passiert sein könnte?“

„Überhaupt keine, leider, leider!“

Bratzipus Augen erschienen in seinem Gesicht. Er sah wirklich betrübt aus.

„Das wird nicht leicht werden, Celine.“

„Das weiß ich. Ich habe große Angst. Aber wer nicht wagt, der nicht gewinnt! Da ich die Einzige bin, die es schaffen kann vier Welten zu retten und auch die Ehe meiner Eltern, habe ich wohl keine andere Wahl, als dieses Abenteuer anzunehmen.

Aber nun weiter zu meiner Reise. Auf Aurum muss ich die Koordinaten in Erfahrung bringen, wie ich den Mondblumenplaneten finden kann. Ich gebe euch die Route durch, und ihr katapultiert mich dann sofort dorthin. Dort sage ich allen geflohenen Bewohnern Bescheid, dass sie auf ihre Planeten zurückkehren können. Jeder nimmt eine Mondblume mit zum Schutz.“

„Ja, und das Schöne daran ist, die Mondblumen bieten immer Schutz, egal, ob sie vertrocknet sind oder noch ganz frisch. Lediglich ihren Duft können sie verlieren. Er kommt aber sofort zurück, wenn sie Wasser bekommen, denn Wasser erweckt sie zu neuem Leben.“

Klussilla lächelte und fuhr fort:

„Bring uns bitte drei Stück mit! Du selbst benötigst eine einzige für deine Eltern.“

„Würdest du mir bitte, wenn du auf der Sternenstaubstraße bist, dieses Säckchen mit Sternenstaub füllen? Dann spare ich mir die gefährliche Reise dorthin.“

Bratzipus griff in die Luft und hielt Celine ein kleines, leeres Säckchen hin. Sie nahm es und tat es in die Tasche ihres Opas.

„Ich gebe dir nämlich meinen letzten kleinen Rest Sternenstaub mit, du wirst ihn vielleicht brauchen.“

Er reichte ihr ein weiteres Säckchen, das gefüllt war.

„Wann genau holt ihr mich denn morgen ab?“ Celine bekam bei dem Gedanken Magenschmerzen.

„Morgen um Mitternacht holen wir dich nach Kaselius und dann musst du auch schon los!“

Bratzipus Gesicht erschien plötzlich komplett in seinem eigentlich nicht vorhandenen Gesicht: Augen, Nase, Mund und Ohren.

„Da staunst du nicht wahr?“, lachte er. „Das passiert immer, wenn ich sehr aufgeregt bin. Ab ins Bettchen! Schlaf gut und tanke Kraft für dein großes Abenteuer.“

Bratzipus machte eine Handbewegung, und ehe sich Celine versah, war sie wieder zu Hause in ihrem Bett.

8. Aufregung in der Schule

Am nächsten Tag in der Schule rannte Celine sofort zu Katja.

„Ich muss dir so viel erzählen, du glaubst nicht, was ich heute Nacht alles erlebt habe!“, rief sie ihrer besten Freundin schon von weitem entgegen.

Katja schaute sie gespannt an.

„Schieß schon los! Ich kann es nicht mehr abwarten, was du alles zu erzählen hast.“

Leider läutete in diesem Moment die Schulglocke. Der Unterricht begann. Die beiden mussten sich gedulden, bis zur nächsten Pause.

Celine kritzelte auf einen Zettel eine kleine Nachricht und schob sie Katja heimlich unter der Schulbank zu. Darauf stand:

-Liebe Katja, ich habe ein Geschenk für dich, du wirst Augen machen. Ich freue mich jetzt schon auf dein Gesicht, wenn ich es dir nachher gebe. 10000 Küsschen. Hab dich lieb, deine Celine-.

Katja hatte richtig rote Backen bekommen, als sie den Text las. Das musste ja wirklich ein ganz besonderes Geschenk sein, wenn Celine sich so darauf freute, es ihr zu geben.

Den beiden Mädchen fiel förmlich ein Stein vom Herzen, als endlich die Glocke die Pause einläutete. Sie fassten einander bei den Händen und rannten hinaus in den Schulhof. Sie hatten nicht viel Zeit. Celine fing sofort an zu plappern. Ohne Punkt und Komma erzählte sie alles. Von der sonderbar leeren Wohnung, in der doch irgendwie alles da war, was man benötigte und von den Zauberkeksen. Von den Planeten, und wie wichtig es war, dass dort wieder Licht schien. Wie sie auf Aurum die Koordinaten suchen musste, um auf den Mondblumenplaneten zu kommen. Wie die Mondblumen dann alle Planeten schützen würden vor dem Bösen. Sie ließ nichts aus und bald hatte sie alles erzählt.

„Aber nun zu deinem Geschenk“, sagte sie etwas außer Atem, weil sie vor lauter Aufregung kaum Luft geholt hatte beim Erzählen.

„Hier ist es!“

Sie holte den Kaseliusdiamanten aus ihrer Tasche und hielt ihn ihrer Freundin direkt unter die Nase.

„Na, was ist das?“

„Ich sehe ja nichts, so dicht unter meiner Nase“, lachte Katja und schnappte nach dem Ding in Celines Hand.

Erstaunt schaute sie auf den wunderschönen Stein.

„Aber Celine, den brauchst du doch selbst, den kann ich nicht annehmen!“

„Doch“, antwortete Celine freudestrahlend. „Ich habe nämlich meinen eigenen Kristall. Nun können wir immer, egal wo ich mich befinde, miteinander reden und in Kontakt treten. Ist das nicht toll?“

„Das ist mehr als toll!“, schrie Katja und hüpfte vor Freude wild herum. „Das ist der Megahammer!“

„Pschhhhh“, zischte Celine. „Nicht, dass wieder jemand auf uns aufmerksam wird.“

Aber es war schon zu spät. Drei Jungs aus ihrer Klasse hatten schon bemerkt, dass etwas im Gange war. Celine und Katja waren sonst zwei eher zurückhaltende Schülerinnen und nun plötzlich so ein Lärm und Theater.

„Was ist denn mit euch los?“

Der große, schlaksige Ben mit den rabenschwarzen Locken blickte neugierig zu den Mädchen. Er tat immer betont cool und hatte auch jetzt wieder beide Hände in den Hosentaschen vergraben.

„Ich wüsste nicht, was dich das angeht!“, fauchte Katja giftig.

Sebastian, der etwas kleiner war als Ben und goldrotes, glattes Haar hatte, machte einen Schritt auf Katja zu.

„Na, na, na, geht das auch in einem freundlichen Ton oder hast du dir den abgewöhnt?“

Seine Augen blitzten böse. Plötzlich packte er sie am Arm und drehte ihn um. Katja schrie vor Schmerzen auf. Blitzschnell öffnete der kleine Felix, der bisher ruhig zugeschaut hatte, ihre Hand und nahm den Kaseliusdiamanten an sich. Felix war eigentlich bisher immer sehr nett gewesen zu den Mädchen. Sie hatten sich sehr gut verstanden mit ihm, aber seitdem er mit Ben und Sebastian zusammen abhing, hatte er sich sehr verändert. Er wollte zu den Jungs gehören und passte sich an.

„Felix!“, schrie Celine. „Gib das sofort zurück! Du hast kein Recht das einfach zu nehmen!“

„Hahaha“, lachte Ben.

Die anderen Jungs fielen in das schadenfrohe Gelächter ein. Sie krümmten sich vor Lachen. Celine und Katja allerdings stand der Schweiß auf der Stirn. Sie mussten den Kristall sofort wieder haben! Celines Reise stand auf dem Spiel! Sie wollte ihr Abenteuer nur beginnen, wenn sie sicher war, mit Katja in Kontakt stehen zu können. „Entweder ihr gebt uns unseren Stein zurück, oder wir sagen es Frau Hampe!“, drohte Celine.

Frau Hampe, die Klassenlehrerin, hatte schon so manchen Streit geschlichtet. Sie würde bestimmt dafür sorgen, dass Katja ihr Eigentum zurückbekam. Die Jungs aber lachten nur noch mehr. Felix steckte den Kristall in seine Tasche und rannte weg. Sebastian und Ben liefen hinterher.

„Welcher Stein?“, rief Ben noch grinsend, und schon waren die drei um die Ecke verschwunden.

„Was sollen wir nur tun?“, Katja fing an zu weinen.

Celine schluckte tapfer ihre Tränen hinunter.

„Ich werde Bratzipus fragen. Mach dir keine Sorgen! Er weiß wie wir den Kristall wieder bekommen. Ich bin mir ganz sicher. Frau Hampe brauchen wir gar nichts sagen, sonst heißt es doch nur wieder, dass wir Petzen sind. Die Jungs leugnen sowieso den Stein zu haben. Das können wir deshalb vergessen.“

„Ja“, schluchzte Katja. „Mein schöner Diamant! Ich hatte mich so gefreut. Hoffentlich wird alles gut.“

Sie wischte sich die Tränen am Ärmel ab.

„Wird schon“, tröstete Celine ihre Freundin. „Gleich heute Mittag nach der Schule rufe ich Bratzipus. Wahrscheinlich weiß er es sogar schon und hat eine Lösung.“

Der Unterricht dauerte viel zu lange. Celine und Katja fieberten regelrecht dem Ende der letzten Stunde entgegen. Als die Schulglocke endlich ertönte, rannten die beiden befreit aus dem Klassenzimmer. Nichts wie heim!

„Ich rufe dich sofort an, wenn ich mit Bratzipus gesprochen habe, okay?“, rief Celine ihrer Freundin zu und machte sich eiligst auf den Heimweg.

Wie immer war ihre Mutter arbeiten, hatte aber den Abend zuvor schon etwas gekocht, so konnte Celine ihr Essen einfach in der Mikrowelle aufwärmen. Es gab heute ihr Lieblingsessen. Knödel mit Pilzsoße.

-Da könnte ich mich hineinlegen-, dachte Celine und freute sich schon darauf.

Aber zuerst musste sie Bratzipus rufen. Das Mittagessen konnte noch warten. Es war viel wichtiger, dass Katja so schnell wie möglich ihren Stein zurückbekam.

9. Ausgetrickst

Sie sprang die Treppe zu ihrem Zimmer hinauf und setzte sich auf ihr kleines, gemütliches Sofa. Den Diamanten hielt sie fest in der Hand. „Bratzipus, Bratzipus bitte melde dich!“, rief sie laut und stellte sich ihren blauen Freund in Gedanken vor.

„Du musst gar nicht so schreien“, lachte Bratzipus. „Ich bin doch schon hier.“

„Hast du denn mitbekommen, was passiert ist?“ Celines Stimme zitterte vor Aufregung.

„Ja, natürlich habe ich das mitbekommen. Alles halb so wild. Mit drei so kleinen Menschenkindern wird ja wohl Kaselius stammesältester Bürger mit Leichtigkeit fertig.“

Bratzipus‘ Augen erschienen in seinem Gesicht und glotzten Celine sehr überzeugend an.

„Uffffff“, sagte Celine erleichtert. „Wie willst du den Stein zurückbekommen? Weißt du überhaupt, wo der Diamantendieb wohnt?“

„Felix wohnt gar nicht weit weg von dir, hab ich recht? In der Ruhgasse 5. Ich bin bestens informiert. Ich hab sogar schon einen Plan.“

„Der da lautet?“, wollte Celine gleich wissen. „Schaffst du es alleine, oder sollen Katja und ich dir dabei helfen?“

„Ganz alleine kann ich den Stein nicht wieder bekommen, leider. Ihr müsst mich schon ein wenig unterstützen.“

Bratzipus wiegte seinen großen Kopf mit all den Blubbeln hin und her. Celine musste lachen.

„Was sollen wir denn tun?“

„Ihr müsst Felix aus seinem Zimmer locken und so lange hinhalten, bis ich den Stein bei ihm gefunden habe. Da müsst ihr euch eben etwas einfallen lassen, was der liebe Felix interessant findet! Er darf auf gar keinen Fall sein Zimmer betreten, sonst gibt es eine Katastrophe. Er bekäme wahrscheinlich einen Schock, wenn er einen kleinen, blauen Mann ohne Mund und ohne Nase in seinem Schulranzen wühlen sehen würde.“

Bratzipus kratzte sich am Kopf.

„Das wäre nicht auszudenken!“

Celine bekam einen Lachanfall. Sie stellte sich Felix Gesicht vor, wenn ihm Bratzipus begegnete.

„Hahaha, ich kann nicht mehr. Eigentlich würde ihm das recht geschehen. Das hätte er davon. Immerhin hat er uns bestohlen!“

„Das stimmt schon“, stimmte Bratzipus ihr zu. „Aber die Strafe wäre nun wirklich zu hart. Er würde bestimmt denken, er sei verrückt geworden.“

„Hast ja recht“, kicherte Celine weiter.

„Ich rufe jetzt mal Katja an, und dann gehen wir zu Felix. Hoffentlich macht er uns die Tür auf. Alleine, ohne seine starken Freunde, ist er nämlich lange nicht so mutig.“

Sie holte sofort das Telefon und wählte die Nummer ihrer Freundin. Diese hob sofort ab, als hätte sie nur auf Celines Anruf gewartet.

„Katja Hölbricht am Apparat“, meldete sie sich höflich.

„Ich bin es, Celine. Ich hole dich gleich ab. Bratzipus hat einen Plan. Wir müssen Felix aus seinem Zimmer locken. Dann holt Bratzipus den Diamanten aus seiner Schultasche. Ich lege auf.“

Katja sagte noch Tschüss, aber Celine hatte schon den Hörer auf die Gabel gelegt, so eilig hatte sie es. Keine fünf Minuten später klingelte es bei ihr. Celine stand vor der Tür.

„Hopp! Zieh deine Jacke an!“

„Meine Güte, machst du einen Stress!“, schnaufte Katja und riss ihre Jacke von der Garderobe. „Eine alte Frau ist doch kein D-Zug.“

Aber Celine hatte kein Mitleid.

„Lass uns losrennen!“

Außer Atem kamen sie vor Felix Haus an.

„Klingle bitte!“, sagte Celine.

„Ich rufe noch einmal Bratzipus an. Ich verstecke mich aber vorsichtshalber hier hinten einem Baum.“

Sie nahm den Stein aus ihrer Tasche und dachte fest an den kleinen Kaselianer. Da erschien auch schon sein Gesicht im Kristall.

„Hier bin ich! Kann es losgehen?“

„Ja, kann es. Was aber, wenn die Schultasche nicht in seinem Zimmer steht?“

„Sie befindet sich ganz sicher in seinem Zimmer, das habe ich gesehen über Hulsartas Beobachtungsauge.“

„Was ist das denn?“, fragte Celine erstaunt.

„Vor vielen Millionen Jahren starb auf Kaselius das letzte Bunzi. Das war ein außergewöhnliches Wesen, das immer genau wusste, was im nächsten Moment geschehen wird. Leider konnten Bunzis nur im Dunkeln leben. Als die Diamantbäume entstanden und Licht brachten, sind die Bunzis ausgestorben. Nach all der Zeit hat unsere Seherin Hulsarta durch Zufall das Auge eines Bunzis gefunden. Es war noch sehr gut erhalten und durch dieses Auge kann sie alles beobachten, auch was auf anderen Planeten vor sich geht.“

„Das ist aber toll. Wie sahen denn diese Bunzis aus?“

Celine war aber auch zu neugierig. Leider rief in diesem Augenblick Katja nach ihr. Felix hatte wohl geöffnet.

„Es geht los, Bratzipus“, flüsterte Celine nervös und lief schnell zum Haus. Felix stand am Eingang und schaute sehr überrascht. „Was wollt ihr denn hier? Doch nicht etwa euren komischen Stein? Den habe ich nicht mehr. Da seid ihr bei mir völlig falsch.“ Er grinste so frech, dass die beiden Mädchen einen Zorn bekamen. Sie mussten sich aber beherrschen, sonst hätte Felix ihnen am Ende noch die Tür vor der Nase zugeknallt.

„Ach was, der doofe Stein, vergiss ihn!“, sprach Katja mit Engelszunge. „Wir haben etwas viel Interessanteres entdeckt und wollten fragen, ob du mitkommst. Es ist nur zwei Straßen weiter.“

„So, so!“

Felix schaute mehr als argwöhnisch.

„Ihr wollt mir wohl eine Falle stellen. Denkt ihr denn, ich bin doof?“ Am liebsten hätte Celine -Ja-! gerufen, aber sie unterdrückte ihre Wut und sagte:

„Das würden wir uns doch nie trauen. Du kommst auf Ideen. Aber egal, dann gehen wir alleine da hin. Tschüss!“

Sie drehte sich um und zog Katja am Ärmel weg.

Felix war nun doch neugierig geworden.

„Was soll das denn sein, das ihr so toll findet?“

Katja und Celine blieben stehen. Wunderbar! Sie hatten Felix Interesse geweckt.

„Angeblich sitzt ein Papagei auf Frau Heinrichs Terrasse, und da du in unserer Nähe wohnst, dachten wir, wir holen dich ab. Aber jetzt schnell, sonst ist er weg!“

Celine zog Katja mit sich und sie liefen weiter. Plötzlich hörten sie Felix rufen:

„Moment, ich komme mit!“

Hurra, sie hatten es geschafft! Nun konnte Bratzipus in Ruhe den Stein suchen. Die drei rannten durch die Straßen von Delmehost. Celine hatte mit Absicht Frau Heinrichs Haus genannt, weil es ganz am Ende der kleinen Gemeinde lag. Das brachte Zeit. Als sie das Haus von Frau Heinrich erreicht hatten, war der erfundene Papagei selbstverständlich schon weiter geflogen.

„So ein Pech aber auch!“, fluchte Felix.

„Ja, ein totales Pech, wir sind zu spät gekommen“, stimmten die Mädchen ihm zu und rannten nach Hause.

Drei Straßen weiter mussten sie anhalten. Endlich konnten sie befreit lachen. Sie lehnten sich an eine Hauswand und hielten sich die Bäuche.

Bratzipus meldete sich über den Kaseliusdiamanten. Er hatte den Stein erfolgreich zurück gestohlen und sogar schon in Katjas Zimmer, auf ihren Schreibtisch, gelegt. Die Mädchen waren überglücklich.

Gleich nach dem Abendessen nahm Celine ihren Kristall aus dem Opa-Handtäschchen. Sie musste unbedingt probieren, ob es funktionierte, mit Katja in Kontakt zu treten. Sie nahm ihren Stein in die Hand und dachte ganz fest an ihre Freundin. Plötzlich hörte sie Katjas fröhliche Stimme in ihrer Hand quäken.

„Huhu, hihi, haha, es klappt! Hier bin ich! Mein Kristall hat richtig angefangen zu leuchten und zu vibrieren.“

Celine schaute in den Stein und tatsächlich, sie sah in Katjas glückliches Gesicht.

„Mensch, super, das ist irre! Vor allem die Reichweite, die hätten wir mit keinem Telefon der Welt!“, begeisterte sich Celine.

„ Ein Stein mit dem man sogar andere Planetenbewohner anrufen kann. Sowas hat doch niemand!“

„Aber wirklich, da hast du recht. Egal wo immer du bist, wir haben besten Empfang.“

Katja klapperte wie wild mit ihren langen, dichten Wimpern.

„Heute Nacht schon geht deine Reise los, Celine. Ich werde kein Auge zu bekommen vor Aufregung!“

„Na, und ich erst. Ich muss Punkt Mitternacht auf Kaselius sein, bekomme letzte Anweisungen und weiß überhaupt nicht, was mich dann erwartet. Ich könnte mir in die Hose machen vor Angst, wenn ich daran denke.“

Katja tröstete ihre Freundin.

„Es wird schon alles gut gehen. Ich und Bratzipus stehen dir bei. Du wirst am Schluss als Heldin gefeiert, warte es nur mal ab.“

„Das will ich gar nicht. Ich will nur, dass alles wieder so wird wie früher. Ich will mein schönes Leben wieder zurück. Das erreiche ich aber nur, wenn sich meine Eltern wieder vertragen. Zudem will ich, dass alle geflüchteten Planetenbewohner wieder in ihre friedlichen Welten zurückkehren können. Mehr nicht.“

„Siehst du!“, sagte Katja, „für mich bist du jetzt schon eine Heldin.“

„Ach, Katja“, sagte Celine, wenn ich dich nicht hätte! Hoffentlich geht alles gut.“

„Wird schon, ich glaube an dich. Ich muss jetzt aber langsam zum Ende kommen, mein Vater hat gerufen. Ich soll ihm etwas helfen.“

„Okay, ich rufe dich an, sobald ich Kaselius verlassen habe. Schlaf bloß nicht ein! Ich drehe durch, wenn ich alleine in diesen fremden Welten unterwegs bin.“

„Ne, ne“, beruhigte Katja sie, „bis heute Nacht irgendwann!“

„Tschüss!“

Celine legte ihren wertvollen Kristall zurück in die Tasche. Sie hatte ein mulmiges Gefühl. Wenn sie doch nur tauschen könnte mit Katja. Die hatte ja leicht reden. Während Celine in ein Abenteuer voller Gefahren tauchte, konnte ihre Freundin gemütlich im Bett liegen und ihr Tipps geben. Aber sie war nun einmal die Auserwählte und nicht Katja. Ein bisschen stolz war sie ja schon, besonders weil Katja sie eine Heldin genannt hatte.

Sie würde am Abend am besten gar nicht schlafen gehen, sondern sich die Zeit bis Mitternacht mit fernsehen vertreiben.

10. Die Reise nach Lachius

Die Stimmung daheim bei Celine war recht angespannt. Beim Abendessen wurde kaum ein Wort gesprochen, und Celine war froh, als sie sich endlich zurückziehen konnte.

„Ich gehe in mein Zimmer, ich möchte noch ein bisschen Fernsehen schauen“, sagte sie hastig, schob sich den letzten Bissen ihres Käsebrotes in den Mund und sprang auf.

„Na, du wirst dich noch verschlucken, nun iss doch erst einmal in Ruhe fertig!“

Ihre Mutter schaute ärgerlich, aber Celine war schon außer Reichweite und rannte die Treppe hoch.

„Alles okay Mama, ich will meinen Film nicht verpassen.“

„Dann aber nicht mehr so lange, morgen musst du in die Schule!“

„Wenn du wüsstest, Mama...“, dachte Celine.

Sie schaltete den Fernsehapparat ein und kuschelte sich in ihr Bett. Ihre Lieblingsserie kam. Sie hatte noch keine fünf Minuten geschaut, da leuchtete plötzlich die Tasche mit dem Kaseliusdiamanten ganz hell auf. Sie sah es aus dem Augenwinkel heraus.

„Na endlich“, sagte Bratzipus und zwinkerte ihr wie immer lustig zu. „Wenn du jetzt nicht bald etwas gemerkt hättest, hätte ich Alarm geben müssen. Dann wärst du aber aus dem Bett gefallen.“

„Huch, ist das so laut?“, fragte Celine entsetzt.

„Mehr als laut“, antwortete der kleine Kaselianer.

„Deshalb habe ich zunächst noch das Supermegalicht eingeschalten, damit deine Eltern nicht aufmerksam werden.“

„Hat ja geklappt zum Glück. Was ist denn eigentlich los? Es ist noch nicht einmal 20 Uhr. Wir sind doch erst um Mitternacht verabredet.“ Celine starrte gespannt in den Kristall.

„Ja ich weiß“, sagte Bratzipus.

„Es gibt eine Änderung, du musst gleich mitkommen!“

„Was?“, schrie Celine auf. „Das geht nicht, meine Eltern schlafen doch noch gar nicht. Was ist denn nur geschehen?“

„Hulsarta hat im Bunziauge gesehen, dass die lachenden Kinder von Lachius in Gefahr sind. Wenn du nicht bald dort bist und sie findest, dann wird Lachius nie mehr hell werden können. Wenn Lachianerkinder länger als dreißig Stuckis, das entspricht in eurer Zeitrechnung ungefähr drei Monaten, nicht mehr lachen können, dann erlischt ihr Licht für immer und ewig. Es sind jetzt seit ihrer Entführung achtundzwanzig Stuckis vergangen. Seitdem haben die Kinder, laut Hulsarta, nicht mehr gelacht. Es bleibt wirklich nicht mehr viel Zeit!“

„Ach du Schreck! Wie regeln wir das denn nun mit meinen Eltern?“, fragte Celine besorgt. „Sie werden die Polizei anrufen, wenn ich aus meinem Zimmer verschwinde, ohne etwas zu sagen. Meine Mutter und mein Vater schauen immer noch einmal nach mir, bevor sie schlafen gehen.“

„Das ist kein Problem. Klussilla legt sich so lange für dich hinein, bis wir deine Eltern in einen ganz tiefen Schlaf geführt haben.“

Bratzipus lächelte, als er das Gesicht von Celine sah.

„Ha ha, da staunst du, was?“, kicherte er.

„Na, also bitte. Was du mir so erzählst. Klussilla in meinem Bett und meine Eltern sollen denken ich sei das, da fällt mir nichts mehr ein.“ Celine schüttelte verwirrt den Kopf.

„Achtung, wir kommen jetzt! Nicht erschrecken bitte!“

Bratzipus Gesicht verschwand im Kristall. Plötzlich standen er und Klussilla an Celines Bett.

„Ihr seid ja ganz schön mutig, ihr Beiden“, sagte Celine.

„Wenn jetzt meine Mama oder mein Papa euch sehen, bekommen sie garantiert einen Herzinfarkt.“

„Keine Sorge“, sagte Klussilla mit sanfter Stimme. „Hulsarta beobachtet sie und warnt uns rechtzeitig.“

„Gut, dann bin ich schon ruhiger. Aber wie wollt ihr das jetzt machen, mit Klussilla? Sie sieht mir ja nun so gar nicht gleich.“

„Dann pass mal auf Celine!“, lachte Bratzipus.

„Gib mir mal bitte deinen Sternenstaub, ich brauche ein bisschen davon!“

Celine holte das Säcklein, das ihr Bratzipus für ihre Reise gegeben hatte und reichte es ihm.

„Was machst du damit? Willst du wieder zaubern?“

„Schau nur zu und staune ein bisschen!“

Bratzipus entnahm ein bisschen Staub und verteilte es auf Klussillas Kopf. Dabei sprach er die Worte:

„Sternchen, Sternchen,

Schnell wie der Wind,

verwandelt Klussilla in dieses Kind!“

Dabei zeigte er auf Celine, der beinahe die Augen zum Kopf heraus fielen vor Staunen. Klussilla verwandelte sich doch tatsächlich in sie selbst.

„Soll ich dir den Kinnladen wieder hochklappen?“, scherzte Bratzipus. „Ich sagte doch, dass es kein Problem ist, eine Ersatz-Celine hier ins Bett zu legen.“

Er musste herzhaft lachen, weil Celine Klussila immer noch so komisch anschaute.

„Du überraschst mich immer wieder“, stammelte sie. „Dann nichts wie in mein Bett gekuschelt, Klussilla, und ich ziehe mit deinem Mann los!“ Bratzipus beugte sich zu seiner Frau hinunter und wollte zum Abschied mit ihr blubbeln. Das ging ja nur leider nicht mehr, weil Klussilla ja nun Haare hatte und keinen Blubbeln mehr. Celine und Klussilla mussten beide lachen, über Bratzipus verdutztes Gesicht. Er streichelte seiner Frau sanft übers Gesicht und grinste ein bisschen dabei.

Celine und Bratzipus reisten nun gemeinsam nach Kaselius. Celines Herz klopfte ihr bis zum Hals, so aufgeregt war sie. Zunächst würde ihr Bratzipus aber noch einige Dinge erklären und ihr wichtige Sachen, die sie eventuell benötigen könnte, mitgeben. Den Sternenstaub hatte sie schon, und damit, das wusste sie jetzt, konnte man wirklich richtig toll zaubern. In Bratzipus Haus nahmen die beiden noch einmal Platz, nachdem Bratzipus seine Freundin wieder klein gezaubert hatte.

„Was ganz wichtig ist“, begann der kleine Kaselianer. „Hulsarta meint, die Vorsehung besagt, dass für jeden der Planeten ein Rätsel auf dich wartet, das es zu lösen gilt. Nur so kannst du erfahren, wie du das Licht zurückbringen kannst.“

„Wer hat denn die Rätsel verfasst?“, fragte Celine erstaunt.

„Hulsarta hat davon geträumt, und da sie eine Seherin ist, zeigt die Lösung der Rätsel den Weg zum Licht.“ Bratzipus hüstelte. „Sie hat dir alle Rätsel aufgeschrieben. Leider kennt Hulsarta die Lösungen nicht. Sie hat versucht sie zu sehen, immer und immer wieder, aber nach der Bestimmung kannst nur du sie lösen, sonst kein anderer.“

„Da bin ich mal gespannt. Hast du die Rätsel für mich, auf Zetteln oder so?“

„Nein, Hulsarta lässt die sie durch einen Zauber in Leuchtbuchstaben direkt auf den Planeten erscheinen. So wirst du sie nicht verfehlen können. Das ist sicherer. Du könntest auf der löchrigen Sternenstaubstraße oder im Röhrensystem sonst die Zettel viel zu leicht verlieren. Dann wäre das ganze Unternehmen gefährdet. So sind die Rätsel sicher und du wirst sie finden.“

„Das leuchtet mir ein, ich verliere andauernd etwas.“

Celine lächelte:

„Was wolltest du mir denn noch mitgeben?“

„Moment bitte, deine Eltern schlafen tief und fest, ich erlöse nur mal eben die arme Klussilla“, sagte Bratzipus und war auch schon verschwunden, um keine Minute später wieder mit ihr aufzutauchen. Sie sah wieder wie die richtige Klussilla aus.

„Bin ich froh, wieder ich zu sein“, kicherte sie.

„Ich kann allerdings nur kurz bleiben. Besser ist es, ich bleibe in deinem Bett, falls deine Eltern doch noch einmal nach dir schauen. Die vielen Küsse deiner Eltern, brrrrr! Nochmal möchte ich das nicht aushalten müssen. Hoffentlich schlafen sie tief und fest und wir können sie lange genug in schöne Träume verwickeln.“

Celine musste lachen.

„Oh weh, du Arme! Ihr kennt hier doch gar nicht euch zu küssen, oder?“ „Nein“, grinste Bratzipus, „wir blubbeln nur. So, aber nun zu deiner Reise! Du hast den Sternenstaub, und Klussilla hat dir noch Kekse als Proviant gebacken und Kristallwasser eingepackt. Aber ganz wichtig ist, dass du eine Lichtquelle hast. Der eine Kommunikationsstein wird nicht ausreichen, deshalb habe ich dir eine Laterne aus Kaseliusdiamanten gebastelt. Hier ist sie! Mit ihr kannst du wie mit einer Taschenlampe leuchten oder auch ein Feuer entfachen. Könnte ja sein, dass dir kalt wird. Hierzu musst du nur auf die Lampe klopfen und eine Flamme kommt aus den Diamanten heraus. Je öfter du klopfst, desto größer ist die Flamme. Bitte vorsichtig! Sehr, sehr heiß!“

„Die ist aber toll!“, lobte Celine.

Viele Diamanten in einer durchsichtigen Kugel leuchteten wunderschön und sehr hell.

„Da alle Planeten dunkel sind kann ich das wirklich gut gebrauchen. Vielen Dank, Bratzipus.“

„Du musst mir nicht danken. Wir haben einzig und alleine dir zu danken, meine Kleine.“

Bratzipus nahm Celine, ganz wie wir Menschen es tun, in die Arme. Das ging gut, so klein wie Celine nun war.

„Ich zaubere dich draußen vor dem Haus noch groß und gebe dann die Koordinaten für Lachius in unser Energiesystem ein. Du wirst dann zur Schutzhülle von Lachius katapultiert. Überwinde mit Schlauheit das Röhrensystem und du gelangst auf den Planeten! Viel Glück, liebe, mutige Celine!“

„Ich wünsche dir viel Erfolg“, flüsterte Klussilla.

Sie konnte kaum noch reden, ihre Stimme war tränenerstickt.

„Passe bitte gut auf dich auf mein Kind!“

Celine konnte sich nicht mehr verabschieden, sie spürte einen Ruck und anders als sonst drehte sich nicht alles, sondern sie flog durch eine Welt voller Farben und wunderschöner Klänge.

-Ich bin in einer richtigen Zauberwelt-, dachte Celine, als sie so dahinflog. Leider war sie schon bald beim Röhrenschutzsystem von Lachius angekommen. Die Farben und Klänge waren aber immer noch da. –Lachius war bestimmt ein ebenso schöner Planet wie Kaselius-, dachte Celine und suchte den Eingang. Es dauerte nicht lange, da hatte sie ihn gefunden und trat ein. Die Röhren waren nur etwas höher als sie groß war, und sie bückte sich ein wenig. Alle Röhren waren komplett durchsichtig und man konnte durch sie hindurchsehen, in die wundersame Farbenpracht ringsumher. Nur die Klänge hörte man hier leider nicht mehr. Celine musste nicht sehr lange laufen, als sie plötzlich vor etlichen Röhrenabzweigungen stand. Nun stand sie da und hatte die Wahl zwischen sechs Röhren, unter denen sie die Eine und Richtige finden musste, die nach Lachius führte. Sie war ganz durcheinander! Dadurch, dass alle Röhren durchsichtig waren, eingetaucht in die Farben, konnte man wirklich nicht unterscheiden, welche nun nach oben verlief und welche nach unten. Celine wurde richtig schwindelig. So schwierig hatte sie sich diese Aufgabe nicht vorgestellt, auch wenn sie bereits vorgewarnt war. Sie würde einmal probeweise in eine der Röhren eintreten. Mal sehen was geschah! Celine betrat eine Röhre ihrer Wahl und ehe sie sich versah, rutschte sie nach unten. Wie auf einer Rutschbahn, nur viel länger und viel tiefer, rutschte sie. Oh nein! Was sollte sie jetzt tun? Alles ging ganz schnell. Es kribbelte entsetzlich stark in ihrem Bauch. Celine schrie laut vor Angst. Sie wusste nicht einmal, wo sie nun landen würde.

Unten angekommen schaute sie sich um. Sie befand sich immer noch im Röhrensystem und hatte dieses Mal noch mehr Röhren zur Auswahl. Das war so verwirrend. Sie wollte auf keinen Fall noch einmal in so einer rasanten Geschwindigkeit hinab rutschen.

Sie rief sofort Katja zu Hilfe. Ihre Freundin wartete schon ganz gespannt.

„Endlich meldest du dich!“, sagte sie hektisch. „Ich sitze hier auf glühenden Kohlen, habe mich aber nicht getraut dich anzurufen.“

„Ich sitze schon in der Klemme. Ich bin eben schon recht unschön eine der Röhren runtergerutscht. So entferne ich mich immer mehr von Lachius. Ich darf doch nur Röhren nehmen, die nach oben führen. Das ist ein Irrgarten, Katja.“

Celine war es zum Heulen zumute.

„Jetzt mal keine Panik“, sagte Katja beruhigend. Wie viele Röhren hast du denn gerade zur Auswahl?“

„Im Moment stehe ich vor acht Röhren, und es ist absolut nicht ersichtlich, welche nach oben oder unten führt.“

„Hm?“, Katja machte ein fragendes Gesicht. „Und wenn du ganz vorsichtig mit dem Fuß vorfühlst? Vielleicht merkst du, wohin die Röhre verläuft.“

„Ich kann es ja einmal versuchen. Klingt nach einer guten Idee.“ Vorsichtig streckte Celine ihren rechten Fuß in die Röhre, die sich auf der linken Seite befand. Sie bekam einen riesigen Schreck. Sie wurde sofort hinein gesogen und rutschte wieder hinunter. Sie schrie aus vollem Hals.

„Was ist passiert?“, fiel Katja in das Geschrei mit ein. Celine hielt den Diamanten fest umklammert in ihrer Hand. Somit hatte ihre Freundin nichts sehen können, nur den grässlichen Schrei ihrer Freundin gehört.

„Ni…ni…nichts“, stotterte Celine und stand immer noch unter Schock. „Ich bin wieder runtergerutscht und war nicht darauf gefasst. Die Röhre hat mich sofort eingesaugt. Ich hatte keine Chance. Das ist auf keinen Fall die Lösung. Mir tut schon alles weh, was machen wir nur?“

Celine fing jetzt wirklich an zu weinen. Sie wusste sich keinen Rat. „Rufe doch Bratzipus an, vielleicht weiß er was zu tun ist.“

„Bratzipus, Bratzipus!“, rief Celine mit weinerlicher Stimme. „Komm bitte, ich brauche deine Hilfe!“

„Bin schon hier“, meldete sich ihr kleiner Freund augenblicklich. „Was ist denn los? Du weinst ja.“

„Ich kann die Röhren nicht unterscheiden. Ich bin nun schon zweimal nach unten gerutscht. Was soll ich nur tun? Man kann sie wirklich nicht unterscheiden. Klussilla hatte recht. Es ist so schwierig. Viel schwieriger, als ich dachte. Ich werde nie auf Lachius ankommen.“ Wieder fing Celine an zu weinen.

„Ach Kind“, sagte Bratzipus, „nun weine doch nicht! Das bricht einem ja das Herz. Beruhige dich erst einmal. Dann trinke einen Schluck Kristallwasser, das dir Klussilla mitgegeben hat. Ich bin sicher, dir fällt etwas ein!“

„Okay“, schluchzte Celine. Sie holte das Wasser aus ihrem Proviantbeutel heraus und trank einen kleinen Schluck.

„Ich melde mich später wieder, Bratzipus.“

Die beiden verabschiedeten sich. Celine steckte ihren Diamanten wieder in die Tasche ihres Großvaters. Plötzlich rollte ihr ihre Glücksmurmel in die Hand. Celine wollte sie schon zurück in die Tasche legen, als ihr plötzlich eine wunderbare Idee kam. Sie lachte hell auf vor Begeisterung. Dass sie darauf nicht gleich gekommen war! Zunächst musste sie noch einmal Bratzipus mit ihrem Kontaktkristall rufen.

„Du strahlst ja wie ein Honigkuchenpferd“, sagte Bratzipus erstaunt. „Eben noch total verzweifelt und nun so froh. Sag, ist dir etwa eine Idee gekommen?“

„Natürlich!“, lachte Celine. „Ich benötige zunächst deine Hilfe, denn ich brauche viele Murmeln. Kannst du mir helfen sie mit dem Sternenstaub herbeizuzaubern?“

„Oh, das ist nicht so einfach. Dazu bräuchtest du zunächst eine Murmel. Dann könnte ich sie vervielfältigen mit dem Staub.“ Bratzipus schaute sehr betrübt. Er wollte gerade lachen, weil er Celines Gedanken gelesen hatte und sie gerade an ihre Murmel in ihrer Tasche gedacht hatte, aber Celine kam ihm zuvor.

„Ich habe hier doch eine Murmel. Mach bitte fünfzig Stück daraus.“

„Nimm die Murmel in die rechte Hand und sprich:

Sternenstaub, Sternenstaub,

sieh die Murmel ist allein.

Lass sie geschwind viele sein!

Fünfzig Murmeln an der Zahl,

Zauber mit dem Sternenstrahl.“

Bratzipus sprach langsam, sodass Celine sich alles gut merken konnte. Da sie das Kristallwasser getrunken hatte, war es nicht schwer, sich den Zauberspruch zu merken. Geschwind sprach sie ihn nach und innerhalb von nicht einmal einer Sekunde lagen ihr genau fünfzig Murmeln zu Füßen. Celine hob sie schnell alle auf und steckte sie in den Beutel mit ihrem Proviant. Die Glücksmurmel schob sie in ihre Opa-Tasche. Sie hatte Angst, sie mit den anderen Murmeln zu verwechseln.

„Und nun?“, fragte Bratzipus zum Scherz, denn er kannte ja Celines Gedanken.

„Dann pass mal auf!“, rief diese und legte eine Murmel in eine der Röhren. Man konnte deutlich sehen, wie sie losrollte und zwar nach unten.

„Das ist aber schlau!“, rief Bratzipus begeistert. „So kannst du ganz herausfinden, welche Röhren die Richtigen sind und wirst schnell auf Lachius gelangen. Das ist genial, Celine.“

Bratzipus freute sich wie ein kleines Kind. Celine lachte und probierte sofort eine andere Röhre raus. Dieses Mal war es die Richtige! Celine lief los und rannte und rannte, bis sie erneut zu einer Kreuzung kam. Sie probierte wieder mit ihren Murmeln aus, welche nach unten verliefen und suchte die eine, die nach oben führte heraus. Es dauerte keine halbe Stunde und sie stand vor einem wunderschönen Regenbogeneingang, der sie auf den Planeten Lachius einlud.

Sie rief sofort Katja an und hielt den Stein über den Eingang, um ihr den herrlichen Regenbogen zu zeigen. „Na, was sagst du? Das ist der Eingang zum Planeten Lachius. Ist er nicht einzigartig?“

„Uh!“, rief Katja überrascht. „Hast du es so schnell geschafft? Konnte Bratzipus dir helfen?“

„Er hat mir geholfen, aber die Idee hatte ich. Ich ließ Murmeln in die Röhren rollen, so erkannte ich genau, ob sie nach oben oder unten verlaufen.“ Celine war sehr stolz auf ihre Leistung.

„Darauf wäre ich nicht gekommen“, sagte Katja ehrfurchtsvoll. „Du bist ja der Hit.“

Nun wurde Celine wieder etwas rot. Soviel Lob von ihrer Freundin. Das war ihr immer sehr peinlich.

„Ich muss leider weiter, Katja. Du weißt ja, es eilt. Aber ich melde mich auf alle Fälle zwischendurch wieder. Drück mir die Daumen, dass ich die armen Kinder schnell finde!“

„Klar, pass auf dich auf!“, rief Katja noch schnell und schon brach der Kontakt zu ihrer Freundin ab. Celine trat aus dem Röhrensystem und betrat endlich den Planeten der lachenden Kinder: Lachius.

Sie erschrak zunächst sehr, denn alles um sie herum war dunkel. Ihr Herz klopfte laut vor Angst. Da es in den Röhren schön hell und bunt gewesen war, mussten sich ihre Augen zunächst an die Dunkelheit gewöhnen. Langsam konnte sie schemenhaft die Dinge um sich herum erkennen. Sie holte die Taschenlampe mit den Kaseliusdiamanten hervor. Ah, das war schon viel besser! Lachius ähnelte Kaselius kein bisschen. Soweit Celine etwas erkennen konnte, war auch hier alles kunterbunt. Es wuchsen seltsame Pflanzen aus dem Boden, lange dünne Stiele mit roten Blüten daran, die aber alle kränklich und verwelkt aussahen. Es war ein schrecklicher Anblick!

„Wir werden sterben, wir werden sterben“, erhob sich plötzlich überall ein Wispern von den schönen, traurigen Pflanzen.

„Haltet durch!“, rief Celine laut. „Ihr werdet nicht sterben müssen! Sagt es allen weiter. Habt Hoffnung! Ich bin da! Ich werde die lachenden Kinder finden, habt keine Angst!“

Celine konnte ihre Tränen nicht mehr zurückhalten und begann zu weinen. Sie hatte Angst ihr Versprechen nicht halten zu können und fürchtete, dass all die armen, schönen Blumen sterben mussten.

„Mach schnell, mach schnell!“, wisperten die Pflanzen erneut. „Uns bleibt nicht mehr viel Zeit. Wir brauchen Licht, um leben zu können.“

11. Der Wompelsch

Celine rannte, blind vor Tränen, los. Sie rannte und rannte, bis sie über etwas stolperte und der Länge nach hinfiel.

„Aua!“, jammerte sie und rieb sich die Knie.

Sie beleuchtete den Boden, um zu sehen über was sie gestolpert war. Da lag etwas sehr Sonderbares. Es bewegte sich, besser gesagt es zuckte seltsam. Celine sprang schnell auf, um ein paar Meter Abstand zu gewinnen. Es sah aus wie ein roter Gummiball, nur unförmiger. Celine leuchtete unentwegt auf das zuckende Etwas. Sie traute sich nicht mehr, sich zu bewegen. Dieses Ding würde sie bestimmt jeden Moment anspringen. Als der unförmige rote Ball anfing zu wimmern, wäre sie am liebsten davon gelaufen vor Angst, aber sie stand starr vor Schreck da.

„Au, au, au!“, jammerte es und zuckte noch wilder. „Du hast mir schrecklich weh getan, kannst du nicht aufpassen?“

Celine war fassungslos. Nun konnte dieser Ball auch noch sprechen. „Ent-Ent-Entschuldigung“, stotterte sie. „Ich habe dich nicht gesehen. Tut mir leid!“

„Schon gut“, zuckte der rote Ball. „Das nächste Mal schau bitte nach unten, wenn du hier so wild herumrennst. Von meiner Sorte gibt es hier nämlich einige.“

„Wer seid ihr?“, fragte Celine.

Sie war ganz blass um die Nase geworden.

„Wir sind Wompelsche. Wir sind das Lieblingsspielzeug der Lachianerkinder.“

„Spielzeug?“, rief Celine erstaunt. „Aber dann kann dir doch gar nichts wehtun.“

„Hast du eine Ahnung!“, sagte der Wompelsch beleidigt. „Wir sind zwar programmiert, aber leider auch auf Schmerzen. So lernen die Kinder von Lachius sorgsam mit uns umzugehen. Das ist wichtig, denn dann gehen die Kinder auch mit anderen Dingen gut um.“

„Ja, da kannst du recht haben“, stimmte Celine dem Wompelsch zu. „Würdest du mir bitte erklären, wie und was man mit euch spielen kann?“

„Ach, willst du das wirklich wissen? Hast du denn so lange Zeit?“ Der Wompelsch wurde plötzlich kugelrund und rollte aufgeregt hin und her.

„Mit uns kann man nicht nur Ball spielen. Wir sind sehr formbar. Wir können jede Form annehmen, die sich ein Kind wünscht. Wompelsche machen Kinder wunschlos glücklich.“

Celine hatte eigentlich keine Zeit, aber das reizte sie nun doch sehr.- Sie konnte ja das Nützliche mit dem Schönen verbinden-.

„Könntest du bitte ein Hochsitz werden? Ich brauche dringend ein bisschen Sicht in die Ferne.“

„Aber gerne“, kicherte der Wompelsch und wurde ein sehr hoher Hochsitz.

„Das ist ja toll!“, schrie Celine begeistert und kletterte rasch nach oben. Sie packte ihre Kristalltaschenlampe weg und augenblicklich wurde es stockfinster ringsumher. -So ist es gut-, dachte Celine und schaute angestrengt in die Ferne. Da, was war das? Ein Flackern war zu erkennen, weit entfernt von Celine.

„Da vorne leuchtet etwas!“

„Das kann doch gar nicht sein“, antwortete der Hochsitz-Wompelsch. „Die Kinder sind alle entführt worden, hier gibt es keinerlei Licht mehr!“

„Das sind die Leuchtbuchstaben mit dem geträumten Rätsel von Hulsarta. Ich muss genau dorthin, sonst habe ich keine Chance die Kinder zu finden.“

Celine stieg hinunter und der Wompelsch nahm wieder seine ursprüngliche Form an.

„Sag bloß, du bist gekommen, um die Kinder zu finden?“, fragte er überrascht. „Das wäre großartig, weil wir Wompelsche ganz traurig sind ohne die lachenden Kinder, die mit uns spielen. Sie durften uns nicht mitnehmen. Nur ein einziges Kind hat es geschafft seinen Wompelsch zu verstecken. Der Glückliche!“

Die Stimme des Wompelsch klang sehr betrübt. Celine bekam sofort Mitleid.

„Du musst nicht traurig sein“, sagte sie schnell. „Ich werde die Kinder finden und alle Wompelsche dürfen zu ihren Kindern zurück.“

„Oh, darf ich dich begleiten?“, bettelte der kleine rote Wompelsch und hüpfte aufgeregt hin und her.

„Ich werde dich sogar dringend brauchen“, lachte Celine. „Könntest du dich in etwas Fahrbares verwandeln? Wir müssen uns beeilen! Wenn wir zu Fuß gehen müssen, dauert es viel zu lange, bis wir bei der Leuchtschrift sind.“

„Na“, freute sich der Wompelsch, „da habe ich eine bessere Idee. Wir werden fliegen. Ich verwandele mich in einen Puscher, dann sind wir ruck zuck dort.“ Celine staunte. Das war wirklich ein verrücktes Ding. Man hatte das Gefühl, es sei lebendig und doch war es ein Spielzeug, aber eben eines mit Gefühlen. Irgendwie doch ein Lebewesen. Das war schon ein wenig unheimlich. Der Puscher sah so aus, wie man sich eine fliegende Untertasse vorstellt. Ein runder Teller und darauf eine Kuppel, in die man einsteigen konnte. Celine nahm Platz und schon ging der Flug los.

„Ich habe mich schon programmiert“, sagte der Wompelsch stolz. „Wir fliegen zu den leuchtenden Buchstaben. Mein Programm findet alles. Ich bin sogar schon zur Erde geflogen. Du siehst aus, wie einer der Erdbewohner. Kommst du von dort?“

„Ja“, sagte Celine. „Das ist mein Planet. Nun verstehe ich auch, warum Menschen bei uns immer mal wieder fliegende Untertassen sehen.“

Sie musste herzlich lachen.

„Also gibt es das tatsächlich. Ich dachte immer, nur Spinner sehen so etwas.“

„Na ja, wenn du mit ‚fliegende Untertasse’ unsere Puscher meinst, dann gibt es sie sehr wohl. Wir haben schon oft mit den Lachianerkindern Ausflüge gemacht und nicht nur zur Erde. Die Kinder hier sind sehr neugierig und wollen alles kennenlernen.“

-Das würde mir auch Spaß machen-, dachte Celine. Die Kinder hier hatten bis zu ihrer Entführung ein herrliches Leben gehabt. Wahrscheinlich waren sie deshalb so fröhlich und strahlten so hell.

„Wir sind angekommen“, verkündete plötzlich der Wompelsch und riss Celine aus ihren Gedanken.

Tatsächlich, über ihr stand in riesengroßen Buchstaben das Rätsel, das es zu entschlüsseln galt.

Langsam las sie es laut vor:

„Wo sind die Kinder, wo sind sie hin?

Du kannst sie finden, schärf deinen Sinn!

Wären sie hier, dann wäre es hell,

doch hier ist es dunkel, an jeder Stell.

Das Licht ist verborgen,

die Kinder voll Sorgen.

Rette sie schnell, mach Lachius hell!“

Celine kratzte sich am Kopf. Na toll, was sollte sie denn damit anfangen? Sie war nun auch nicht klüger als zuvor. Die Kinder konnten nicht hier sein, sonst wäre Lachius ja wohl hell. Aber Bratzipus hatte doch gesagt, die Kinder wären auf jeden Fall hier auf dem Planeten Lachius. Die dunkle Macht konnte ja keine Lichtbringer auf ihren dunklen Planeten bringen. Wenn sie nicht hier waren und nicht anderswo, wo waren sie dann?

„Kannst du dir den Spruch erklären?“, fragte Celine hoffnungsvoll den Wompelsch.

„Nein“, sagte dieser traurig. „So etwas kann ich nun gar nicht verstehen. Darauf bin ich nicht programmiert.“

„Dann sollte ich wohl besser meine Sinne schärfen“, sagte Celine und öffnete ihren Rucksack mit dem Kristallwasser. Sie musste sparsam damit umgehen. Vielleicht kamen noch mehr solche Situationen auf sie zu. Sie trank einen kleinen Schluck und las den Spruch noch einmal durch. Also, die Kinder waren hier, aber im Verborgenen? Alles war dunkel hier, obwohl die Kinder hier waren. Sie waren bestimmt versteckt worden. Jawohl, sie waren versteckt an einem Ort, an dem kein Licht nach draußen dringen konnte. Celine sprang freudig herum und sang:

„Ich weiß es, ich weiß es!“

„Was weißt du?“, fragte der Wompelsch erstaunt.

„Na“, erklärte Celine, „die Kinder wurden auf Lachius versteckt. Das ist doch irgendwie logisch. Sie wurden so versteckt, dass man ihr Licht nicht sehen kann.“

„Ach so!“, antwortete der Wompelsch, als ob er soeben etwas total Selbstverständliches gehört hätte.

„Wo denkst du, sind die Kinder versteckt? Es sind sehr, sehr viele, musst du wissen, die kann man nicht so einfach mal eben alle verstecken.“

Celine überlegte und überlegte. Dann kam ihr ein Gedanke.

„Kleiner Wompelsch, habt ihr vielleicht einen Berg hier, mit einer großen Höhle oder eine unterirdische Höhle? Irgendeinen Ort, der viel Platz bietet, an dem kein Licht der Kinder nach außen dringen kann?“ Der rote Wompelsch blinkte etwas und wackelte nervös hin und her, dann antwortete er mit ängstlicher Stimme:

„Wir haben hier einen großen Berg mit einer Höhle. Aber dorthin darf kein Kind gehen, das wäre lebensgefährlich. Der Berg wird von Tazelien bewacht, die sind überaus gefährlich. Sie hüten den Berg ihres Herrschers Bolani. Niemals würden die Kinder lebend in den Berg gelangen. Eine Berührung von einer Tazelie und das Licht eines Lachianerkindes erlischt sofort. Es wäre sein sicherer Tod. So wird es den Kindern hier seit jeher erzählt. Wir sind darauf programmiert, die Kinder stets davon abzuhalten, auch nur in der Nähe des Berges zu spielen. Wir rollen dann immer zurück zu den Häusern, damit die Kinder uns nachrennen und wieder in Sicherheit sind. Dort können sie unmöglich sein, sie hätten viel zu viel Angst davor.“

„Doch, es muss so sein!“, antwortete Celine bestimmt.

„In ein Haus oder selbst in ein größeres Gebäude würden so viele Kinder nicht hineinpassen. Sie wurden gezwungen von der dunklen Macht und dorthin entführt. Sie sind bestimmt nicht freiwillig zum Berg gegangen. Wir haben keine andere Wahl, als sie dort zu suchen! Vielleicht sind das ja nur Märchengeschichten, die man sich erzählt. Berge sind nämlich immer gefährlich für Kinder. Die Eltern haben diese Schauergeschichten bestimmt erzählt, damit die Kinder dort nicht herum klettern und abstürzen. Wir werden uns sofort auf den Weg machen. Begleitest du mich und zeigst mir den Weg?“

Der kleine Wompelsch änderte schlagartig seine Farbe. Er wurde ganz weiß.

„Bist du eben blass geworden vor Schreck?“, lachte Celine. „Ja, bin ich“, krächzte der Wompelsch ängstlich. „Wir sind darauf programmiert Angst zu haben vor diesem Berg. Ich kann dir den Weg zeigen und dich ein Stück begleiten, aber ich kann nicht nahe an ihn heran. Ich rolle dann automatisch weg. Tut mir leid.“

„Schon gut“, beruhigte Celine den armen, blassen Wompelsch. „Den Rest muss ich dann eben alleine schaffen. Das ist schließlich meine Aufgabe und nicht deine. Könntest du mir noch erklären was es mit den Tazelien und diesem Herrscher auf sich hat? Falls es sie doch gibt, nur vorsichtshalber! Was weißt du darüber?“

Ein wenig mulmig war es Celine doch. So ganz sicher, dass es nur Geschichten waren, die man sich über diesen Berg erzählte, war sie sich leider nicht.

Der kleine weiße Wompelsch war inzwischen wieder rot geworden und fing an zu berichten, was er alles wusste.

„Die Tazelien sehen so aus“, begann er und verwandelte sich plötzlich in einen Bildschirm auf dem die abscheulichste Kreatur erschien, die Celine jemals gesehen hatte. „Okay, jetzt habe ich Angst. Können die Viecher beißen?“

Die Tazelien waren überaus große Spinnentiere mit zwölf Beinen und einem mächtigen, grünen, schleimigen Körper. Der Schleim tropfte und triefte nur so herab von ihnen. Ihre Köpfe waren fast so groß wie ihre Körper und ganz schwarz. Sie hatten Mäuler wie kleine Haifische mit mehreren Zahnreihen. Celine konnte nicht mehr hinschauen.

„Igitt!“, rief sie angewidert. „Mach das bitte wieder weg! Das ist wirklich unerträglich eklig!“

Der Wompelsch gab ihr recht und fuhr fort zu berichten. „Was die Tazelien so gefährlich macht, sind nicht ihre Zähne, sondern ihr überaus giftiger Schleim. Wie bereits gesagt, genügt eine Berührung damit man stirbt. Über den mächtigen Herrscher in dem Berg wird berichtet, dass er einst ein Lachianer war und ganz normal unter allen anderen Lachianer lebte. Durch ein tragisches Unglück starb sein kleiner Lachianersohn, was beinahe unmöglich ist, denn ein Lachianerkind stirbt nur, wenn sein Licht erlischt. Es wird erzählt, dass sein Sohn draußen herumtollte und dem Berg immer näher kam. Sein Wompelsch funktionierte an diesem Tag nicht richtig und rollte nicht weg. So geschah es, dass das Kind mit einer Tazelie in Berührung kam und starb. Der Vater war untröstlich und zog zu dem Berg. Er machte sich aus Rache die Tazelien untertan und drohte sie alle zu vernichten, wenn sie ihm nicht gehorchten. Wie er das schaffte, weiß keiner. Aber die Tazelien folgten ihm, hüteten von da an den Berg und schützten ihn vor Besuchern. Bolani war so traurig, dass er nur noch alleine sein wollte.“

„Das ist eine traurige Geschichte“, sagte Celine mit gesenktem Kopf, „wirklich traurig.“ Sie stellte sich den alten, traurigen Bolani in dem Berg vor, wie er einsam da saß und immer noch um seinen Sohn trauerte.

„Ich muss trotzdem dorthin, ich habe keine andere Wahl.“

In Celines kleiner Handtasche fing es an zu vibrieren.

„Das ist bestimmt Katja“, dachte sie und holte schnell ihren Kontaktstein heraus. Sie hatte richtig getippt.

„Mensch Celine!“, schrie Katja. „Könntest dich ja mal öfter melden! Ich mache mir hier schon Sorgen!“

„Entschuldige bitte“, sagte Celine und fuhr aufgeregt fort zu reden. „Hier ist schon wieder so viel passiert! Ich habe leider keine Zeit dir alles zu erzählen, aber mal so viel: Ich glaube zu wissen wo die Kinder sind. Hier gibt es einen Berg, und ich denke dort sind sie alle versteckt. Ich bin schon auf dem Weg dorthin. Einzelheiten erzähle ich dir, wenn ich zurück bin. Sei mir nicht böse, aber den Kindern darf nichts passieren. Sie müssen so schnell wie möglich befreit werden!“

„Dann nichts wie los!“, rief Katja. „Ich drücke dir die Daumen, dass du sie findest und alles gut geht. Bis später.“

„Bis später!“

Celine packte ihren Stein wieder weg und wandte sich an den Wompelsch.

„Ich würde sagen, wir fliegen sofort los. Ich habe wirklich Angst um die Kinder.“

„Klar, bitte einsteigen!“, rief der Wompelsch, der sich wieder in einen Puscher verwandelt hatte. Die beiden starteten.

Celine überlegte, ob der Tazelienschleim auch für sie giftig war oder nur für Lachianer. Wie sollte sie sich gegen diese Bestien nur wehren, falls es sie tatsächlich gab? Sie hing so ihren ängstlichen Gedanken nach, dass sie deshalb fast ihren Kontaktstein überhört hätte.

„Huch! Entschuldige bitte, Bratzipus, ich hatte dich gar nicht gehört. Alles ist in bester Ordnung. Ich bin auf dem Weg zu einem Berg, in dem ich das Versteck der Kinder vermute. Es könnte gefährlich werden. Es wäre daher gut, wenn ich dich jederzeit erreichen könnte.“

„Aber Celine“, sagte Bratzipus entrüstet, „ich bin ständig hier auf Empfang. Ich würde dich doch nicht im Stich lassen.“

„Das ist gut. Ich glaube, wir sind nämlich bald dort. Ich kann schon den Berg in der Ferne sehen. Ich melde mich bei dir, Bratzipus, spätestens, wenn ich deine Hilfe benötige.“

„Ja, mach das. Viel Erfolg!“

Bratzipus warf ihr noch einen besorgten Blick zu, dann verschwand er.

12. Tazelien

„Wir sind da!“, rief der Wompelsch. „Ich bitte auszusteigen!“

Celine kletterte aus dem Puscher und staunte nicht schlecht, als sie den riesengroßen Berg sah. Sie waren nicht mehr weit entfernt. Nur bis hierher war es dem Wompelsch möglich, sie zu begleiten.

Es hieß vorerst Abschied nehmen. Celine nahm den kleinen Wompelsch, der wieder rund und knuffig war, hoch und drückte ihn an ihr Herz. Er schnurrte wie eine kleine Katze.

-Herrjeh-, dachte Celine-, das ist doch nur eine Maschine, aber ich hab ihn schon so lieb gewonnen, als wäre er lebendig-.

Sie schüttelte über sich selbst den Kopf und setzte ihn behutsam wieder ab.

„Bis später. Drück mir die Daumen, dass ich die Kinder zurückbringen kann. So dumm, du hast ja gar keine Daumen. Wünsch mir Glück!“ „Klar“, sagte der Wompelsch. „Ich werde schon mal alle Wompelsche zusammentrommeln. Wir warten dann hier auf unsere Kinder. Wir wären so glücklich, wenn wir wieder vereint wären. Ich glaube die Kinder würden vor Glück so hell strahlen, dass Lachius bis nach Kaselius zu sehen wäre.“

Celine lief beherzt los. Sie hatte keine Ahnung, wie sie sich schützen sollte gegen die Tazelien, und wie sie in das Berginnere gelangen sollte. Zuerst musste sie einen Eingang finden. Sie merkte, wie Angst in ihr hochstieg, aber sie lief immer weiter. Nichts konnte sie jetzt mehr aufhalten. Sie hielt erst an, als sie direkt vor dem Berg angekommen war. Alles schien ruhig. Es war kein Geräusch zu vernehmen. Sie hörte nur das laute Klopfen ihres Herzens.

Sie würde zunächst um den Berg herumlaufen, um nach einem Eingang oder dergleichen zu suchen. Sie erkundete alles ganz genau. Nichts entging ihren Blicken. Immer wieder hatte sie den Eindruck, als ob irgendetwas hin und her huschte. Ob das wohl diese Tazelien waren? Igitt, das war ja so gruselig! Plötzlich erblickte Celine eine große, dunkle Öffnung im Berg. Sie war ziemlich weit oben und es würde anstrengend und gefährlich werden, ohne Sicherung so weit nach oben klettern zu müssen. Celine holte ihren Kaseliusdiamanten heraus und rief nach Bratzipus, um sich Rat zu holen.

„Wie soll ich nur auf diesen Berg klettern? Ich bin doch kein Bergsteiger“, jammerte sie gleich los.

„Langsam, langsam“, beruhigte Bratzipus sie. „Du weißt doch, es gibt für alles eine Lösung. Wir müssen sie nur finden. Wenn die Kinder wirklich in dem Berg sind, sind auch sie dort hochgekommen. Es ist nicht unmöglich. Lass uns gemeinsam überlegen, was zu tun ist!“

„Du bist lustig“, meckerte Celine weiter. „Mein Hirn raucht schon vom vielen Nachdenken. Ich muss da hoch und das Risiko eingehen.“

Sie verzog schmerzlich ihr Gesicht bei dem Gedanken. Bratzipus überlegte hin und her und musste Celine schließlich recht geben. Es tat ihm sehr leid, dass er ihr nicht helfen konnte.

Celine verabschiedete sich, schnürte sich ihre Tasche um den Bauch, und schon begann der gefährliche Aufstieg. Immer wieder rutschte sie an dem glitschigen Gestein ab und konnte sich nur mit Mühe und Not festhalten. Nicht auszudenken, wenn jetzt noch Tazelien auftauchten. Celine wäre mit Sicherheit vor Schreck abgestürzt. Innerhalb kürzester Zeit standen ihr Schweißperlen auf der Stirn, und sie hatte noch nicht einmal die Hälfte der Strecke bewältigt. Als sie eine kurze Atempause machte, vernahm sie plötzlich ein seltsames Zischen. Was war das nur? Es hörte sich fast wie leise Stimmen an, die sich unterhielten. Celine hatte den Eindruck, sie redeten über sie. Da hing sie in der steilen Felswand, hatte schreckliche Angst abzustürzen und dann noch diese unheimlichen Stimmen. Das war ja kaum auszuhalten.

Celine fing leise an zu weinen. Sie war wirklich mit ihren Nerven am Ende. Die Stimmen schienen näher zu kommen. Sie hätte am liebsten laut geschrien vor Angst, aber sie konnte nicht. Wenn nur ihre Mutter oder ihr Vater jetzt hier sein könnten oder wenigstens Katja, die immer Rat wusste. Wie gerne hätte sie sie jetzt angerufen, aber sie brauchte beide Hände, um sich festzuhalten. Sie konnte nicht loslassen und den Stein aus der Tasche nehmen. Da vernahm sie plötzlich einen sehr beruhigenden Satz:

„Habe keine Angst, mein Kind. Wir helfen dir!“

Celine hörte augenblicklich auf zu weinen und schaute sich um. Wer hatte das eben zu ihr gesagt?

„Hallo, wer ist da?“, rief sie, noch immer mit etwas weinerlicher Stimme.

„Wir würden uns gerne zeigen, aber wir möchten dich nicht erschrecken.“

„Oh, ich erschrecke mich schon nicht, wenn ihr mir versprecht, mir nichts zu tun!“, rief Celine.

Sie zog sich mit aller Kraft nach oben, auf einen Felsvorsprung. Endlich konnte sie sicher stehen.

„Seid ihr vielleicht Tazelien?“

„Ja, ja, ja!“, rief es plötzlich von allen Seiten. „Hat dir schon jemand von uns erzählt?“

„Ja“, antwortete Celine, „ich habe einen Wompelsch getroffen, der hat mir erzählt wie gefährlich euer Schleim ist. Ihr werdet verstehen, dass ich gebührlichen Abstand zu euch halten will, auch wenn ich sonst natürlich gar nichts gegen euch habe.“

Celine hörte wie die Tazelien kicherten. „Du bist doch ein Menschenkind, oder?“

„Ja“, antwortete Celine verwundert. „Ändert das etwas?“

„Ja, das ändert einiges. Unser Schleim ist für dich ungefährlich. Genauso ungefährlich wie der Schleim eurer Schnecken auf dem Planeten Erde.“

Da war Celine aber mehr als erleichtert. Eine Gefahr weniger. Plötzlich schoss Celine durch den Kopf, dass die Tazelien vielleicht nicht die Wahrheit sagten. Das konnten ja ganz verlogene Biester sein, die nur die beste Gelegenheit abwarteten sie zu töten.

„Wieso seid ihr euch da so sicher?“, fragte sie kess, und errötete ein wenig, weil sie Angst hatte etwas zu frech geklungen zu haben.

„Du bist nicht der erste Mensch hier auf unserem Planeten. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass nichts passiert, wenn ein Mensch unseren Schleim abbekommt. Durch einen Menschen, der Lachius vor langer, langer Zeit besuchte, wissen wir viele Dinge von eurem Planeten.

Zum Beispiel, das mit den Schnecken. Ihr Schleim hat beinahe die gleiche Zusammensetzung wie unserer.“

Das war eine recht einleuchtende Erklärung und klang sehr ehrlich, fand Celine.

„Können wir uns zeigen?“, riefen die Tazelien wieder im Chor. Celine musste lachen.

„Natürlich könnt ihr euch zeigen, ich weiß sogar schon wie ihr ausseht, ich habe es im Wompelsch gesehen.“

Celine hatte kaum ausgesprochen, da krabbelte und wimmelte es auch schon von allen Seiten. Die Tazelien waren in natura noch gruseliger anzuschauen, als auf dem Bild im Wompelsch. Celine bekam eine Gänsehaut und unterdrückte einen leisen Schrei. Sie riss sich wirklich zusammen, um die Tazelien nicht zu beleidigen.

Um sich aus der angespannten Situation zu retten, fing sie augenblicklich ein Gespräch an.

„Ich habe gehört, dass hier vor vielen, vielen Jahren ein Lachianerkind ums Leben gekommen ist und dessen Vater euch deshalb vernichten wollte. Angeblich ist er nun euer Herrscher. Könnt ihr mir zu dieser Geschichte etwas erzählen?“

Eine besonders fette, große Tazelie krabbelte auf Celine zu.

„Liebes Menschenkind, es wird Zeit, dass diese Geschichte endlich geklärt wird und die Lachianer erfahren, was passiert ist.

Als sich damals dieses Lachianerkind auf unserem Berg verirrte, wussten wir zunächst gar nicht, was wir tun sollten. Der Junge weinte und rief ständig nach seinen Eltern. Es war ganz schrecklich! Wir Tazelien haben ein gutes Herz. Wir trauten uns nicht, dem Kind näher zu kommen. Wir wollten es nicht erschrecken, aber wir mussten ihm doch den Weg zeigen, wie es wieder hinunterkam.

Also redeten wir zunächst einmal ganz einfühlsam mit ihm und erklärten ihm, dass wir hässlich sind, sehr hässlich, aber es sich nicht erschrecken braucht. Der Junge wurde ganz ruhig und so traute ich mich aus meinem Versteck. Leider bekam der Kleine trotz meiner langen Vorrede so einen Schreck, als er mich sah, dass er rückwärts lief. Ich schrie er solle anhalten, aber es war schon zu spät. Das Kind stürzte ab. Wir wollten ihm helfen und berührten ihn mit unserem Schleim. Wir wussten nicht, dass das tödlich ist für Lachianerkinder. Es war so schrecklich! Ich weine heute noch, wenn ich daran denke.

Ein paar Tage später kam der Vater, um seinen Sohn zu suchen, aber nicht um uns zu töten. Er fand sein Kind bei uns in der Höhle. Wir hatten die ganze Zeit geweint. Ich erzählte, was passiert war, und Bolani, so heißt der Vater des Kindes, war mir nicht böse. Ich wollte aber gutmachen was geschehen war und da ich damals der Herrscher der Tazelien war, übergab ich die Herrschaft über diesen Berg und die Tazelien an Bolani. Er war von nun an der Meister unseres Reiches. Alle Tazelien folgten ihm. Bolani blieb bei uns, er hatte nicht den Mut, der armen Mutter die Kunde vom Tode ihres Sohnes zu überbringen. Nun weißt du, was geschehen ist. Ich habe auch eine Frage. Bist du gekommen, um die Lachianerkinder endlich aus unserem Berg zu befreien?“

Celine stockte der Atem. Kinder im Berg? Sie hatte recht gehabt! Die Kinder waren hier! Sie hätte die ganze Welt umarmen können vor Glück.

„Wo sind sie?“, rief sie. „Ja, ich bin gekommen die Kinder zu befreien. Es eilt, die Kinder müssen sterben, wenn sie nicht bald befreit werden!“

„Das wissen wir“, sagte die dicke Tazelie. „Wir haben die Kinder schon zwei Tage lang nicht mehr gehört. Sie sind in einer großen Höhle versteckt, nicht weit von hier. Etwas wirklich Böses hat sie dort eingeschlossen. Es war noch hässlicher als wir und strahlte so viel Dunkelheit und Bosheit aus, dass wir uns alle vor Angst fünf Tage verkrochen haben und nicht mehr heraus trauten. Wir sind leider zu schwach, die schwere Felswand, die die Höhle verschließt, wegzuschieben. Bolani hat zum Glück eine kleine Lücke entdeckt. Dort haben wir die ganze Zeit Essen hineingeschoben, sonst wären die Kleinen schon alle verhungert und verdurstet. Wir warteten auf dich, Menschenkind. Wir kennen die Prophezeiung.“

„Lasst uns bitte keine Zeit verlieren! Ich habe solche Angst um die Kinder. Führt mich zur Höhle, bitte!“

Celine war sehr aufgeregt.

Hunderte von Tazelien krabbelten los und Celine stolperte hinterher. Sie waren schnell, diese seltsamen Spinnentiere, Celine konnte kaum Schritt halten.

Sie musste noch ein bisschen klettern, aber bald schon hatten sie ihr Ziel erreicht.

13. Die Rettung

Eine riesige, schwere Felswand verschloss die Höhle. Celine konnte sie unmöglich auch nur einen Zentimeter verschieben. Sie rief durch die kleine Lücke und bat die Kinder, ein Lebenszeichen von sich zu geben, aber alles blieb ruhig. Celine setzte sich vor die Höhle und dachte nach. Viel Zeit blieb ihr offensichtlich nicht. Es stand wohl sehr schlecht um die Kinder. Kein Laut war zu hören.

Sie holte den Kontaktstein heraus und erzählte Bratzipus, dass sie die Kinder eigentlich gefunden hatte, oder zumindest wusste, wo sie waren. Dass vielleicht schon jede Hilfe zu spät kam und sie die Felswand nicht wegschieben konnte. Hundert Mann hätten das nicht geschafft, so schwer war sie. Bratzipus beruhigte sie.

„Nach unseren Berechnungen können die Kinder noch nicht tot sein. Ich weiß auch schon, wie wir sie befreien können. Hast du die kleine Lücke in der Felswand gesehen? Das wird der Ausgang der Kinder sein.“

„Der ist doch viel zu klein“, schluchzte Celine. Sie hatte sie ganze Zeit gegen die Tränen angekämpft, aber jetzt konnte sie sie nicht länger zurückhalten. Sie hatte so panische Angst um die Lachianerkinder.

„Da passen die Kinder doch gar nicht durch!“

„Dann denke einmal an deinen Sternenstaub, Celine“, sagte Bratzipus. „Du wirst die Kinder klein zaubern müssen und wenn sie draußen sind wieder groß. Bitte weine nicht! Es findet sich immer ein Weg.“

Celine schlug sich auf den Kopf. Sie war wirklich schon übermüdet. Dass sie darauf nicht gekommen war!

„Sagst du mir bitte hierfür den Sternenstaubspruch?“

„Kein Problem, sprich mir nach:

Ihr Sterne, zart und winzig klein,

die Kinder möchten auch so sein.

Zaubert doch mal ganz geschwind,

etwas kleiner jedes Kind!

Streu den Sternenstaub in die Höhle! Wirf ihn in die Lücke! Der Staub findet die Kinder. Mach schnell, du wirst alle Kinder retten!“

Celine sprach den Zauberspruch und warf den zarten Sternenstaub in die Höhle.

Es rührte sich nichts. Celine wurde unruhig.

„Wo seid ihr Kinder? Bitte kommt zum Höhlenausgang, wir helfen euch!“

Nichts, kein Geräusch, keine Kinder.

Nun fing die dicke Tazelie an zu weinen. Diese hässlichen Viecher hatten wirklich ein gutes Herz. „Kannst du nicht durch die Lücke kriechen und nach den Kindern schauen?“, fragte Celine mit zitternder Stimme.

„Oje“, antwortete die Tazelie. „Dann erschrecken sich die Kinder so sehr, dass wir sie wirklich nicht mehr retten können. Seit das mit dem kleinen Lachianerjungen passiert ist, habe ich mir geschworen, mich keinem Lachianerkind mehr zu zeigen.“

Die Tazelie schaute bedrückt zu Boden.

-Eigentlich hat sie ganz schöne, große Augen-, dachte Celine. Je lieber sie die Tazelien gewann, desto schöner empfand Celine sie. Die Tazelien schienen sich förmlich zu verwandeln. Kam es ihr nur so vor, oder sahen die Tazelien wirklich immer hübscher aus?

Sie durfte nicht länger ihren Gedanken nachhängen, sondern musste handeln. Sie würde sich selbst klein zaubern und durch den Spalt in die Höhle kriechen.

Sie schüttete Sternenstaub auf sich und sprach den Spruch, mit dem sie schon einmal klein gezaubert wurde.

„Ihr Sterne, zart und winzig klein,

Celine möchte auch so sein.

Zaubert doch mal ganz geschwind,

etwas kleiner dieses Kind!“

Es geschah aber dieses Mal nichts. Celine wiederholte den Spruch. Sie schaute enttäuscht an sich herunter. Es tat sich nichts. Konnte der Sternenstaub seine Wirkung verlieren? Sie rief schnell noch einmal Bratzipus, um zu fragen, was da los war. Der lachte und erklärte ihr, dass, wenn sie sich selbst klein zaubern wollte, sie einen anderen Spruch aufsagen musste. Damals hatte er ja Celine klein gewünscht.

Gott sei Dank, dann war ja noch nicht alles verloren.

Celine sprach nach, was Bratzipus ihr sagte:

„Ihr Sterne, zart und winzig klein,

gerne möchte ich auch so sein.

Zaubert doch mal ganz geschwind,

etwas kleiner mich, das Kind!“

Wupps, schon war Celine so klein, dass sie durch den Spalt passte. Sie krabbelte in das Höhleninnere. Uh, war es hier dunkel! Zum Glück hatte sie ihre Diamanttaschenlampe dabei. Sie leuchtete die Höhle aus und gruselte sich ganz schrecklich. Von den Decken hingen seltsame Wesen herunter, die sich nicht regten. Sie hatten langgezogene dünne Körper, mit noch längeren Beinen, aber einen Kopf konnte Celine nicht entdecken. Es waren bestimmt hundert Stück an der Zahl. Ängstlich rief sie:

„Was sind das für seltsame Wesen, die da rumhängen?“

„Das sind Filüre, die machen nichts. Du musst keine Angst haben. In Acht nehmen musst du dich nur vor dem Bach, der sich durch den Berg schlängelt. Bleib weg vom Rand! Das Wasser darin ist lebendig und versucht immer wieder seine Opfer hineinzuziehen, um sie dann zu verschlingen“, antwortete die mittlerweile noch hübscher gewordene Tazelie.

„Ach herrje!“, rief Celine. „Hoffentlich wurde keines der armen Kinder verschlungen.“

„Nein, nein“, rief die Tazelie zurück. „Wir haben die Kinder gewarnt. Wir konnten mit ihnen durch die Felslücke reden. Sie wussten Bescheid.“

Celine schritt mutig voran. Immer wieder rief sie nach ihnen.

Sie passte höllisch auf, ob irgendwo Wasser zu sehen war. Sie hörte und sah aber rein gar nichts. Huch, was war das denn? Sie spürte etwas Eiskaltes an ihrem Bein. Unwillkürlich zog sie es zurück. Sie sah hinunter und erblickte das Wasser. Es hatte die Gestalt einer sich windenden Schlange und versuchte ihr Bein zu umschlingen. Was ein Albtraum! Es war Wasser, aus dem alles verschlingenden Bach. Er hatte nur einen kleinen Teil seines Wassers ausgesandt, um sie am Bein mit sich zu ziehen.

Celine hüpfte herum wie ein wild gewordenes Känguru.

„Das werden wir mal sehen, du lausiger kleiner Bach! Mich erwischt du nicht so schnell, da musst du schon früher aufstehen.“

Aber so leicht, wie sie es sich vorgestellt hatte, war es nun doch nicht. Von weitem sah Celine schon das Glitzern von noch mehr Wasser, das auf sie zufloss. Vor ihren Augen blieben fünf große Wasserwellen stehen und türmten sich meterhoch vor ihr auf. Celine konnte sich nicht bewegen vor Schreck. Ihr Gehirn arbeitete. Die kleine Wasserschlange war wohl nur ein Späher gewesen und hatte nun irgendwie die eigentlichen Wasserfänger alarmiert. Wie konnte sie das Wasser nur verdrängen? Vor was hatte Wasser denn schon Angst? Schreien würde bestimmt nichts bringen. Herumhüpfen war auch zwecklos. Jede Sekunde würden die riesigen Wassermassen über sie hereinbrechen und mit sich ziehen in den Bach. Da fiel ihr schlagartig ein, dass sie eine Feuertaschenlampe von Bratzipus bekommen hatte. Das war es! Sie holte rasch die Lampe heraus und klopfte darauf. Eine ganz kleine Flamme entzündete sich. Celine jubelte innerlich. Sie klopfte mehrmals auf die Lampe, bis sie eine riesengroße Flamme hatte. Nun konnte sie es wagen. Sie rannte mitten durch die Wasserwellen hindurch. Die Lampe mit der Flamme hielt sie über ihren Kopf. Es klappte! Sie hörte es zischen und brausen. Das Wasser verdampfte durch die große Hitze. Sie konnte ganz leicht hindurch. Geschafft! Celine war völlig außer Atem. Sie sah, wie sich die Wellen zurückzogen.

-Na, Feuer kennen die wohl noch nicht-, dachte sie schadenfroh. - Das geschah dem grausamen Bach recht!-

Plötzlich hörte sie aus dem hinteren Teil der Höhle ein leises Wimmern. Schnell rannte sie in die Richtung, aus der die Geräusche kamen. Da lagen sie, die kleinen Lachianerkinder. Sie waren ganz schwach und ihr Licht war schon beinahe erloschen.

„Ihr lieben Kinder“, sagte Celine und die Tränen standen ihr vor Glück in den Augen.

„Ich bringe euch hier raus und zurück zu euren Eltern. Bitte, habt keine Angst! Ihr seid jetzt in Sicherheit.“

Die Kinder waren aber schon zu schwach selbst aufzustehen. Sie hatten ganz traurige Augen und ihr Lachen war längst verklungen.

Es waren so viele, sie konnte unmöglich jedes einzelne aus der Höhle tragen, selbst wenn sie sich wieder groß zaubern würde, es war nicht zu schaffen.

Sie überlegte hin und her. Die Kinder waren so schwach, weil sie nicht mehr lachen konnten. Deshalb erlosch langsam ihr Lebenslicht. Sie musste sie unbedingt zum Lachen bringen. Ihr fiel aber leider kein Witz ein. Also machte sie den Kaspar. Sie hüpfte auf einem Bein im Kreis herum und zog Grimassen. Die Kinder reagierten aber nicht. Was sollte sie nur tun? Da kam ihr die zündende Idee. Die Pompeldidomkekse!!! Natürlich, sie hatte bestimmt einen Lachkeks dabei! Den würde sie mit Sternenstaub vervielfältigen, und alle Kinder würden wieder ihr Lachen zurückgewinnen.

Schnell holte Celine den Diamanten aus ihrer Tasche, um Bratzipus zu rufen.

„Sind die Kinder gerettet?“, fragte der sogleich und schaute gespannt aus seinen Kulleraugen, die soeben erschienen waren.

„Noch nicht, Bratzipus. Die Kinder sind zu schwach, um aus der Höhle zu klettern. Ihre Lebenslichter sind schon fast erloschen. Sag mir schnell, wie ich den Lach-Pompeldidom vervielfältigen kann! Die Kinder müssen ganz schnell ihr Lachen wiederfinden.“

Celine hatte den Lachkeks schon herausgesucht und hielt ihn in der Hand.

„Das ist ein guter Einfall! Pass auf! Du musst folgenden Spruch sagen:

Sternenstaub, Sternenstaub,

sieh, der Pompeldidom ist ganz allein.

Lass geschwind ihn viele sein!

Reichen soll es für jedes Kind,

nun beeil dich wie der Wind!“

Celine sprach den Zauberspruch langsam und deutlich nach.

Huch, sie erschrak ein bisschen. Der Höhlenboden lag voll mit saftigen, leckeren Keksen. Sie hatte sie gar nicht alle halten können.

Celine verteilte sie eilig an die schwachen Kinder. Mit letzter Kraft aßen sie sie auf. Ein Kind nach dem anderen fing plötzlich herzlich zu lachen an. Es war so schön anzusehen, wie Kind für Kind zu strahlen begann, die Lebenslichter wieder aufflammten und die Kinder fröhlich wurden. Bald schon waren alle Lachianerkinder wieder bei Kräften. Die Höhle war nun hell erleuchtet. Celine rief Katja an, um sie an diesem Glück teilhaben zu lassen. Sie erzählte was alles passiert war und die Mädchen hätten sich vor Freude nur zu gerne in die Arme genommen.

Nun aber musste Celine die Kinder aus der Höhle geleiten und zu ihren Eltern bringen. Sie zauberte alle mit dem Sternenstaub klein und so war es gar kein Problem. Sie kletterten, eines nach dem anderen, glücklich aus der engen Spalte im Fels heraus, und ringsumher wurde es schlagartig hell. Schnell wurden alle wieder in ihre natürliche Größe zurück gezaubert. Celine schaute sich nach den Tazelien um. Keine einzige war mehr zu sehen. Bestimmt hatten sie Angst, die Kinder würden sich erschrecken und hatten sich versteckt. So erzählte Celine den Kindern von den hässlichen Spinnentieren und dass sie sich nicht fürchten mussten. Sie erzählte auch, dass deshalb schon einmal ein Lachianerkind in den Tod gestürzt war. Es waren die Tazelien, die sie vor dem alles verschlingenden Bach gewarnt und den Kindern immer das Essen gebracht hatten.

„Wir werden uns nicht erschrecken“, sagte ein kleiner Lachianerjunge. „Sie haben uns das Leben gerettet. Wir werden ihnen für immer dankbar sein. Wenn sie uns nicht mit Nahrung versorgt hätten, wären wir schon lange tot.

Und du wirst gefeiert werden auf Lachius, weil du uns aus der Höhle befreit hast. Unsere Eltern werden die schönste Feier ihres Lebens für dich ausrichten!“

Die anderen Kinder nickten zustimmend mit den Köpfen.

„Vielen Dank, das werden wir dir niemals vergessen! Nicht wahr?“

Der Junge drehte sich zu den anderen Kindern um und wartete auf ihre Zustimmung.

„Jawohl, niemals!“, riefen die Kinder.

„Ihr müsst mir nicht danken“, sagte Celine und wurde knallrot. „Ich will auch keine Feier. Es war mir eine Freude euch aus der Höhle zu befreien.“

Die Kinder lachten glücklich. Sie waren so fröhlich und strahlten ein wundervolles Licht aus. Lachius war gerettet! Die Pflanzen waren alle wieder frisch erblüht und strahlten in den prächtigsten Farben. Rote, gelbe, blaue und lilafarbene Blumen streckten lebensfroh ihre Blütenköpfe in die Höhe. Sie strömten einen wundersamen, herrlichen, süßlichen Duft aus. Sie lachten leise vor sich hin und riefen immer wieder:

„Danke, kleines Mädchen, danke, du hast uns alle gerettet!“

Celine war so froh. Sie konnte ihr Glück gar nicht in Worte fassen. Das Schönste aber waren die hüpfenden Wompelsche, die man in sicherer Ferne sehen konnte. Offensichtlich konnten sie es nicht mehr abwarten, von ihren Kindern in die Arme geschlossen zu werden.

„Auf, ihr Kinderchen! Da unten warten eure liebsten Freunde!“, rief Celine freudestrahlend.

„Hurra, Hurra!“, riefen die Lachianermädchen und -jungen. Flink stiegen sie den Berg hinunter. Unten angelangt, hüpfte jedem Kind ein roter Wompelsch in die Arme. Die Kinder lachten und weinten durcheinander. Sie küssten und herzten ihre Freunde, auf die sie so lange hatten verzichten müssen. Celine schluckte die Tränen runter. Es war so rührend anzusehen, wie sehr sich alle freuten. Nur Celines Freund war keinem Kind in die Arme gesprungen. Das war sehr eigenartig.

„Wo ist denn dein Kind?“, fragte Celine und schaute erstaunt auf ihren kleinen Wompelsch hinunter.