Der Wilde Mann
Es war einmal ein wilder Mann, der war verwunschen und ging zu den Bauern in den Garten und ins Korn und machte alles zu Schanden. Da beklagten die sich bei ihrem Gutsherren, sie könnten ihre Pacht nicht mehr bezahlen, und da ließ der Gutsherr alle Jäger zu sich kommen: Wer das Tier fangen könne, der soll eine große Belohnung bekommen. Da kam ein alter Jäger und sagte, er wolle das Tier fangen, da gaben sie ihm eine Flasche Fusel, eine Flasche Wein und eine Flasche Bier. Und er setzte sich ans Wasser, wo sich das wilde Tier alle Tage wusch.
Und als er hinter dem Baum stand, da kam das Tier und trank aus den Flaschen, leckte sich das Maul und schaute herum, ob ihn jemand gesehen. Da ward er betrunken, blieb liegen und schlief. Da kam der Jäger und band ihn Hände und Füße zusammen und weckte das Tier auf und sprach: »Du wilder Mann, komm mit, das sollst du alle Tage trinken.«
Da nahm er es mit zum Schloss und sperrte es in einen Käfig. Die sollten sehen, was für ein Tier er gefangen habe. Da spielte ein Kind mit seinem Ball und lies es in den Käfig fallen und das Kind sagte: »wilder Mann, wirf mir doch den Ball wieder zu.«
Da sagte der wilde Mann: »Denn Ball muss du dir schon selbst holen«
»Ach«, sagte das Kind, »Ich habe keinen Schlüssel.«
»Dann schau in die Tasche deiner Mutter und stiehl ihr den Schlüssel.«
Da schloss das Kind den Käfig auf und der wilde Mann brach aus. Das Kind fing an zu schreien: »Wilder Mann, bleib hier, ich bekomme sonst Schläge.«
Da nahm der wilde Mann das Kind am Kragen und lief damit in den Wald. Der wilde Mann war weg, das Kind war verloren.
Der wilde Mann packte das Kind in Lumpen und schickt ihn zum Gärtner an des Kaires Hof, um zu fragen, ob man einen Gärtners-Jungen bräuchte.
Da antwortet der, das Kind sei so schmutzig, dass es nicht dort schlafen könne.
Und das Kind antwortete, er könne sich auch ins Stroh legen und geht am Morgen in den Garten. Da kam ihm der wilde Mann entgegen und sprach: »Wasch und kämm’ dich« und der wilde Mann machte den Garten so schön, wie es der Gärtner selbst nicht besser machen konnte.
Und die Prinzessin sah alle Morgen den schönen Jüngling. Und sie bat den Gärtner, der Jüngling solle ihr einen Bund Blumen bringen. Sie fragte das Kind, wo es herkäme. Doch er wisse es nicht. Worauf sie ihm einen Braten gefüllt mir Geldstücken gab.
Als er nach Hause kam, gab er das Geld seinem Herrn und sprach: »Was soll ich damit tun, das brauche ich nicht.«
Und als er ihr wieder einen Bund Blumen bringen musste, da gab sie ihm schließlich eine Ente gefüllt mit Geldstücken, die er wieder seinem Herrn gab. Und eines Tages gab sie ihm eine Gans gefüllt mit Geldstücken, die er wieder seinem Herrn gab.
Da meinte die Prinzessin, er hätte jetzt das Geld und sie hätte nichts und da heirateten sie heimlich. Und weil ihre Eltern daraufhin wütend waren, sollte sie sich nun selbst mit Spinnen ernähren. Und er ging in die Küche und half dem Koch den Braten drehen und manchmal stahl er ein Stück Fleisch und gab es seiner Frau.
Da kam es zu einem schlimmen Krieg in England, wo der Kaiser hin musste und zusammen mit ihm alle Männer des Landes. Da sagte der junge Mann, er wolle auch dort hin und verlangte nach einem Pferd aus dem Stall. Darauf gab man ihm ein Pferd mit drei Beinen, das sollte schon gut genug für ihn sein.
Er setzte sich auf das Pferd und das humpelte. Da kam der wilde Mann des Weges, und sprach vor ihm würde sich ein Heer so groß wie ein Berg auftun mit wohl tausend Soldaten und Offizieren, gekleidet mit den schönsten Uniformen und auf den schönsten Pferden.
Da ging er mit seinem ganzen Volk in den Krieg nach England und der Kaiser empfing ihn auf das fröhlichste und bat ihn ihm beizustehen. Er gewann die Schlacht und verscheuchte alle. Da bedankte sich der Kaiser und fragte ihn, welcher Herkunft er denn sei. Darauf sprach er: »Das dürfen Sie mich nicht fragen, denn das weiß ich nicht, Herr.«
Und es kam, dass er mit seinem Volk wieder gen England ritt, da kam ihm der wilde Mann nun wieder entgegen. Und wieder ritt er auf seinem dreibeinigen Pferd, da lästerten Sie: »Da kommt unser Humpler mit seinem dreibeinigen Pferd wieder.«
Und sie fragten: »Wo hast Du hinter der Hecke gelegen und geschlafen?«
»Ach«, erwiderte er, »ohne mich wäre es gegen England schlecht ausgegangen.«
Sie sagten, »Junge, schweig stille, sonst gibt dir der Herr einen auf die Jacke.« – Und so geschah es noch zweimal, noch zweieinmal gewann er die Schlachten. Da bekam er einen Pfeil in den Arm, da nahm der Kaiser sein Tuch und verband ihm die Wunde.
Da nötigten sie ihm, er möge doch bleiben. »Nein, ich bleibe nicht bei dir, und was ich bin, geht dich nichts an.«
Da kam ihm der wilde Mann wieder entgegen, aber er nahm sein Pferd und ritt nach Hause. Da lachten die Leute und riefen, »Da kommt ja unser Humpler wieder, wo hast du wieder herumgelegen und geschlafen?«
Er sagte, »ich habe für wahr nicht geschlafen, denn nun ist für euch ganz England gewonnen und jetzt herrscht ein wahrer Frieden.«
Da sagte der Kaiser zum schönen Ritter, er hätte ihn bestohlen. Da sagte der junge Mann zum Kaiser, »Wäre ich nicht bei euch gewesen, es wäre niemals gutgegangen.«
Da will ihn der Kaiser ordentlich schlagen. Da erwiderte er, »Wenn Du mir das nicht glauben willst, dann schaue dir meinen Arm an.«
Und als der den Arm sah und die Wunde, da war der Kaiser ganz verwundert und sagte, »vielleicht bist du Gott selbst oder ein Engel, den mir Gott geschickt hat« und bat um Verzeihung, dass er so grobherzig mit ihm umgegangen sei, und schenkte ihm sein ganzes Kaiserreich. Und da war der wilde Mann erlöst und auf einmal war er wieder verwandelt in einen grauhaarigen König, und als er die ganze Geschichte erzählte, da wurde der Berg zum Königsschloss und er nahm seine Frau mit darauf und sie lebten vergnügt bis zu ihrem Tode.