FAUST:
  Sie schleicht heran, an abertausend Enden,
  Unfruchtbar selbst, Unfruchtbarkeit zu spenden;
  Nun schwillt's und wächst und rollt und überzieht
  Der wüsten Strecke widerlich Gebiet.
  Da herrschet Well' auf Welle kraftbegeistet,
  Zieht sich zurück, und es ist nichts geleistet,
  Was zur Verzweiflung mich beängstigen könnte!
  Zwecklose Kraft unbändiger Elemente!
  Da wagt mein Geist, sich selbst zu überfliegen;
  Hier möcht' ich kämpfen, dies möcht' ich besiegen.
  Und es ist möglich!—Flutend wie sie sei,
  An jedem Hügel schmiegt sie sich vorbei;
  Sie mag sich noch so übermütig regen,
  Geringe Höhe ragt ihr stolz entgegen,
  Geringe Tiefe zieht sie mächtig an.
  Da faßt' ich schnell im Geiste Plan auf Plan:
  Erlange dir das köstliche Genießen,
  Das herrische Meer vom Ufer auszuschließen,
  Der feuchten Breite Grenzen zu verengen
  Und, weit hinein, sie in sich selbst zu drängen.
  Von Schritt zu Schritt wußt' ich mir's zu erörtern;
  Das ist mein Wunsch, den wage zu befördern!

  MEPHISTOPHELES:
  Wie leicht ist das! Hörst du die Trommeln fern?

  FAUST:
  Schon wieder Krieg! der Kluge hört's nicht gern.

  MEPHISTOPHELES:
  Krieg oder Frieden. Klug ist das Bemühen,
  Zu seinem Vorteil etwas auszuziehen.
  Man paßt, man merkt auf jedes günstige Nu.
  Gelegenheit ist da, nun, Fauste, greife zu!

  FAUST:
  Mit solchem Rätselkram verschone mich!
  Und kurz und gut, was soll's? Erkläre dich.

  MEPHISTOPHELES:
  Auf meinem Zuge blieb mir nicht verborgen:
  Der gute Kaiser schwebt in großen Sorgen.
  Du kennst ihn ja. Als wir ihn unterhielten,
  Ihm falschen Reichtum in die Hände spielten,
  Da war die ganze Welt ihm feil.
  Denn jung ward ihm der Thron zuteil,
  Und ihm beliebt' es, falsch zu schließen,
  Es könne wohl zusammengehn
  Und sei recht wünschenswert und schön:
  Regieren und zugleich genießen.

  FAUST:
  Ein großer Irrtum. Wer befehlen soll,
  Muß im Befehlen Seligkeit empfinden.
  Ihm ist die Brust von hohem Willen voll,
  Doch was er will, es darf's kein Mensch ergründen.
  Was er den Treusten in das Ohr geraunt,
  Es ist getan, und alle Welt erstaunt.
  So wird er stets der Allerhöchste sein,
  Der Würdigste—; Genießen macht gemein.

  MEPHISTOPHELES:
  So ist er nicht. Er selbst genoß, und wie!
  Indes zerfiel das Reich in Anarchie,
  Wo groß und klein sich kreuz und quer befehdeten
  Und Brüder sich vertrieben, töteten,
  Burg gegen Burg, Stadt gegen Stadt,
  Zunft gegen Adel Fehde hat,
  Der Bischof mit Kapitel und Gemeinde;
  Was sich nur ansah, waren Feinde.
  In Kirchen Mord und Totschlag, vor den Toren
  Ist jeder Kauf- und Wandersmann verloren.
  Und allen wuchs die Kühnheit nicht gering;
  Denn leben hieß sich wehren.—Nun, das ging.

  FAUST:
  Es ging—es hinkte, fiel, stand wieder auf,
  Dann überschlug sich's, rollte plump zuhauf.

  MEPHISTOPHELES:
  Und solchen Zustand durfte niemand schelten,
  Ein jeder konnte, jeder wollte gelten.
  Der Kleinste selbst, er galt für voll.
  Doch war's zuletzt den Besten allzutoll.
  Die Tüchtigen, sie standen auf mit Kraft
  Und sagten: Herr ist, der uns Ruhe schafft.
  Der Kaiser kann's nicht, will's nicht—laßt uns wählen,
  Den neuen Kaiser neu das Reich beseelen,
  Indem er jeden sicher stellt,
  In einer frisch geschaffnen Welt
  Fried' und Gerechtigkeit vermählen.

  FAUST:
  Das klingt sehr pfäffisch. +

  MEPHISTOPHELES:
  Pfaffen waren's auch,
  Sie sicherten den wohlgenährten Bauch.
  Sie waren mehr als andere beteiligt.
  Der Aufruhr schwoll, der Aufruhr ward geheiligt;
  Und unser Kaiser, den wir froh gemacht,
  Zieht sich hieher, vielleicht zur letzten Schlacht.

  FAUST:
  Er jammert mich; er war so gut und offen.

  MEPHISTOPHELES:
  Komm, sehn wir zu! der Lebende soll hoffen.
  Befrein wir ihn aus diesem engen Tale!
  Einmal gerettet, ist's für tausend Male.
  Wer weiß, wie noch die Würfel fallen?
  Und hat er Glück, so hat er auch Vasallen.

  MEPHISTOPHELES:
  Die Stellung, seh' ich, gut ist sie genommen;
  Wir treten zu, dann ist der Sieg vollkommen.

  FAUST:
  Was kann da zu erwarten sein?
  Trug! Zauberblendwerk! Hohler Schein.

  MEPHISTOPHELES:
  Kriegslist, um Schlachten zu gewinnen!
  Befestige dich bei großen Sinnen,
  Indem du deinen Zweck bedenkst.
  Erhalten wir dem Kaiser Thron und Lande,
  So kniest du nieder und empfängst
  Die Lehn von grenzenlosem Strande.

  FAUST:
  Schon manches hast du durchgemacht,
  Nun, so gewinn auch eine Schlacht!

  MEPHISTOPHELES:
  Nein, du gewinnst sie! Diesesmal
  Bist du der Obergeneral.

  FAUST:
  Das wäre mir die rechte Höhe,
  Da zu befehlen, wo ich nichts verstehe!

  MEPHISTOPHELES:
  Laß du den Generalstab sorgen,
  Und der Feldmarschall ist geborgen.
  Kriegsunrat hab' ich längst verspürt,
  Den Kriegsrat gleich voraus formiert
  Aus Urgebirgs Urmenschenkraft;
  Wohl dem, der sie zusammenrafft.

  FAUST:
  Was seh' ich dort, was Waffen trägt?
  Hast du das Bergvolk aufgeregt?

  MEPHISTOPHELES:
  Nein! aber, gleich Herrn Peter Squenz,
  Vom ganzen Praß die Quintessenz.

  MEPHISTOPHELES:
  Da kommen meine Bursche ja!
  Du siehst, von sehr verschiednen Jahren,
  Verschiednem Kleid und Rüstung sind sie da;
  Du wirst nicht schlecht mit ihnen fahren.
  Es liebt sich jetzt ein jedes Kind
  Den Harnisch und den Ritterkragen;
  Und, allegorisch wie die Lumpe sind,
  Sie werden nur um desto mehr behagen.

  RAUFEBOLD:
  Wenn einer mir ins Auge sieht,
  Werd' ich ihm mit der Faust gleich in die Fresse fahren,
  Und eine Memme, wenn sie flieht,
  Fass' ich bei ihren letzten Haaren.

  HABEBALD:
  So leere Händel, das sind Possen,
  Damit verdirbt man seinen Tag;
  Im Nehmen sei nur unverdrossen,
  Nach allem andern frag' hernach.

  HALTEFEST:
  Damit ist auch nicht viel gewonnen!
  Bald ist ein großes Gut zerronnen,
  Es rauscht im Lebensstrom hinab.
  Zwar nehmen ist recht gut, doch besser ist's, behalten;
  Laß du den grauen Kerl nur walten,
  Und niemand nimmt dir etwas ab.

Auf dem Vorgebirg

  obergeneral
  Noch immer scheint der Vorsatz wohlerwogen,
  Daß wir in dies gelegene Tal
  Das ganze Heer gedrängt zurückgezogen;
  Ich hoffe fest, uns glückt die Wahl.

  KAISER:
  Wie es nun geht, es muß sich zeigen;
  Doch mich verdrießt die halbe Flucht, das Weichen.

  OBERGENERAL:
  Schau hier, mein Fürst, auf unsre rechte Flanke!
  Solch ein Terrain wünscht sich der Kriegsgedanke:
  Nicht steil die Hügel, doch nicht allzu gänglich,
  Den Unsern vorteilhaft, dem Feind verfänglich;
  Wir, halb versteckt, auf wellenförmigem Plan;
  Die Reiterei, sie wagt sich nicht heran.

  KAISER:
  Mir bleibt nichts übrig, als zu loben;
  Hier kann sich Arm und Brust erproben.

  OBERGENERAL:
  Hier, auf der Mittelwiese flachen Räumlichkeiten,
  Siehst du den Phalanx, wohlgemut zu streiten.
  Die Piken blinken flimmernd in der Luft,
  Im Sonnenglanz, durch Morgennebelduft.
  Wie dunkel wogt das mächtige Quadrat!
  Zu Tausenden glüht's hier auf große Tat.
  Du kannst daran die Masse Kraft erkennen,
  Ich trau' ihr zu, der Feinde Kraft zu trennen.

  KAISER:
  Den schönen Blick hab' ich zum erstenmal.
  Ein solches Heer gilt für die Doppelzahl.

  OBERGENERAL:
  Von unsrer Linken hab' ich nichts zu melden,
  Den starren Fels besetzen wackere Helden,
  Das Steingeklipp, das jetzt von Waffen blitzt,
  Den wichtigen Paß der engen Klause schützt.
  Ich ahne schon, hier scheitern Feindeskräfte
  Unvorgesehn im blutigen Geschäfte.

  KAISER:
  Dort ziehn sie her, die falschen Anverwandten,
  Wie sie mich Oheim, Vetter, Bruder nannten,
  Sich immer mehr und wieder mehr erlaubten,
  Dem Zepter Kraft, dem Thron Verehrung raubten,
  Dann, unter sich entzweit, das Reich verheerten
  Und nun gesamt sich gegen mich empörten.
  Die Menge schwankt im ungewissen Geist,
  Dann strömt sie nach, wohin der Strom sie reißt.

  OBERGENERAL:
  Ein treuer Mann, auf Kundschaft ausgeschickt,
  Kommt eilig felsenab; sei's ihm geglückt!

  ERSTER KUNDSCHAFTER:
  Glücklich ist sie uns gelungen,
  Listig, mutig, unsre Kunst,
  Daß wir hin und her gedrungen;
  Doch wir bringen wenig Gunst.
  Viele schwören reine Huldigung
  Dir, wie manche treue Schar;
  Doch Untätigkeits-Entschuldigung:
  Innere Gärung, Volksgefahr.

  KAISER:
  Sich selbst erhalten bleibt der Selbstsucht Lehre,
  Nicht Dankbarkeit und Neigung, Pflicht und Ehre.
  Bedenkt ihr nicht, wenn eure Rechnung voll,
  Daß Nachbars Hausbrand euch verzehren soll?

  OBERGENERAL:
  Der zweite kommt, nur langsam steigt er nieder,
  Dem müden Manne zittern alle Glieder.

  ZWEITER KUNDSCHAFTER:
  Erst gewahrten wir vergnüglich
  Wilden Wesens irren Lauf;
  Unerwartet, unverzüglich
  Trat ein neuer Kaiser auf.
  Und auf vorgeschriebnen Bahnen
  Zieht die Menge durch die Flur;
  Den entrollten Lügenfahnen
  Folgen alle.—Schafsnatur!

  KAISER:
  Ein Gegenkaiser kommt mir zum Gewinn:
  Nun fühl' ich erst, daß ich der Kaiser bin.
  Nur als Soldat legt' ich den Harnisch an,
  Zu höherm Zweck ist er nun umgetan.
  Bei jedem Fest, wenn's noch so glänzend war,
  Nichts ward vermißt, mir fehlte die Gefahr.
  Wie ihr auch seid, zum Ringspiel rietet ihr,
  Mir schlug das Herz, ich atmete Turnier;
  Und hättet ihr mir nicht vom Kriegen abgeraten,
  Jetzt glänzt' ich schon in lichten Heldentaten.
  Selbständig fühlt' ich meine Brust besiegelt,
  Als ich mich dort im Feuerreich bespiegelt;
  Das Element drang gräßlich auf mich los,
  Es war nur Schein, allein der Schein war groß.
  Von Sieg und Ruhm hab' ich verwirrt geträumt;
  Ich bringe nach, was frevelhaft versäumt.

  FAUST:
  Wir treten auf und hoffen, ungescholten;
  Auch ohne Not hat Vorsicht wohl gegolten.
  Du weißt, das Bergvolk denkt und simuliert,
  Ist in Natur- und Felsenschrift studiert.
  Die Geister, längst dem flachen Land entzogen,
  Sind mehr als sonst dem Felsgebirg gewogen.
  Sie wirken still durch labyrinthische Klüfte
  Im edlen Gas metallisch reicher Düfte;
  In stetem Sondern, Prüfen und Verbinden
  Ihr einziger Trieb ist, Neues zu erfinden.
  Mit leisem Finger geistiger Gewalten
  Erbauen sie durchsichtige Gestalten;
  Dann im Kristall und seiner ewigen Schweignis
  Erblicken sie der Oberwelt Ereignis.

  KAISER:
  Vernommen hab' ich's, und ich glaube dir;
  Doch, wackrer Mann, sag an: was soll das hier?

  FAUST:
  Der Nekromant von Norcia, der Sabiner,
  Ist dein getreuer, ehrenhafter Diener.
  Welch greulich Schicksal droht' ihm ungeheuer!
  Das Reisig prasselte, schon züngelte das Feuer;
  Die trocknen Scheite, ringsumher verschränkt,
  Mit Pech und Schwefelruten untermengt;
  Nicht Mensch, noch Gott, noch Teufel konnte retten,
  Die Majestät zersprengte glühende Ketten.
  Dort war's in Rom. Er bleibt dir hoch verpflichtet,
  Auf deinen Gang in Sorge stets gerichtet.
  Von jener Stund' an ganz vergaß er sich,
  Er fragt den Stern, die Tiefe nur für dich.
  Er trug uns auf, als eiligstes Geschäfte,
  Bei dir zu stehn. Groß sind des Berges Kräfte;
  Da wirkt Natur so übermächtig frei,
  Der Pfaffen Stumpfsinn schilt es Zauberei.

  KAISER:
  Am Freudentag, wenn wir die Gäste grüßen,
  Die heiter kommen, heiter zu genießen,
  Da freut uns jeder, wie er schiebt und drängt
  Und, Mann für Mann, der Säle Raum verengt.
  Doch höchst willkommen muß der Biedre sein,
  Tritt er als Beistand kräftig zu uns ein
  Zur Morgenstunde, die bedenklich waltet,
  Weil über ihr des Schicksals Waage schaltet.
  Doch lenket hier im hohen Augenblick
  Die starke Hand vom willigen Schwert zurück,
  Ehrt den Moment, wo manche Tausend schreiten,
  Für oder wider mich zu streiten.
  Selbst ist der Mann! Wer Thron und Kron' begehrt,
  Persönlich sei er solcher Ehren wert.
  Sei das Gespenst, das, gegen uns erstanden,
  Sich Kaiser nennt und Herr von unsern Landen,
  Des Heeres Herzog, Lehnherr unsrer Großen,
  Mit eigner Faust ins Totenreich gestoßen!

  FAUST:
  Wie es auch sei, das Große zu vollenden,
  Du tust nicht wohl, dein Haupt so zu verpfänden.
  Ist nicht der Helm mit Kamm und Busch geschmückt?
  Er schützt das Haupt, das unsern Mut entzückt.
  Was, ohne Haupt, was förderten die Glieder?
  Denn schläfert jenes, alle sinken nieder;
  Wird es verletzt, gleich alle sind verwundet,
  Erstehen frisch, wenn jenes rasch gesundet.
  Schnell weiß der Arm sein starkes Recht zu nützen;
  Er hebt den Schild, den Schädel zu beschützen;
  Das Schwert gewahret seiner Pflicht sogleich,
  Lenkt kräftig ab und wiederholt den Streich;
  Der tüchtige Fuß nimmt teil an ihrem Glück,
  Setzt dem Erschlagnen frisch sich ins Genick.

  KAISER:
  Das ist mein Zorn, so möcht' ich ihn behandeln,
  Das stolze Haupt in Schemeltritt verwandeln!

  HEROLDE:
  Wenig Ehre, wenig Geltung
  Haben wir daselbst genossen,
  Unsrer kräftig edlen Meldung
  Lachten sie als schaler Possen:
  "Euer Kaiser ist verschollen,
  Echo dort im engen Tal;
  Wenn wir sein gedenken sollen,
  Märchen sagt:—Es war einmal."

  FAUST:
  Dem Wunsch gemäß der Besten ist's geschehn,
  Die fest und treu an deiner Seite stehn.
  Dort naht der Feind, die Deinen harren brünstig;
  Befiehl den Angriff, der Moment ist günstig.

  KAISER:
  Auf das Kommando leist' ich hier Verzicht.
  In deinen Händen, Fürst, sei deine Pflicht.

  OBERGENERAL:
  So trete denn der rechte Flügel an!
  Des Feindes Linke, eben jetzt im Steigen,
  Soll, eh' sie noch den letzten Schritt getan,
  Der Jungendkraft geprüfter Treue weichen.

  FAUST:
  Erlaube denn, daß dieser muntre Held
  Sich ungesäumt in deine Reihen stellt,
  Sich deinen Reihen innigst einverleibt
  Und, so gesellt, sein kräftig Wesen treibt.

  RAUFEBOLD:
  Wer das Gesicht mir zeigt, der kehrt's nicht ab
  Als mit zerschlagnen Unter- und Oberbacken;
  Wer mir den Rücken kehrt, gleich liegt ihm schlapp
  Hals, Kopf und Schopf hinschlotternd graß im Nacken.
  Und schlagen deine Männer dann
  Mit Schwert und Kolben, wie ich wüte,
  So stürzt der Feind, Mann über Mann,
  Ersäuft im eigenen Geblüte.

  OBERGENERAL:
  Der Phalanx unsrer Mitte folge sacht,
  Dem Feind begegn' er, klug mit aller Macht;
  Ein wenig rechts, dort hat bereits, erbittert,
  Der Unsern Streitkraft ihren Plan erschüttert.

  FAUST:
  So folge denn auch dieser deinem Wort!
  Er ist behend, reißt alles mit sich fort.

  HABEBALD:
  Dem Heldenmut der Kaiserscharen
  Soll sich der Durst nach Beute paaren;
  Und allen sei das Ziel gestellt:
  Des Gegenkaisers reiches Zelt.
  Er prahlt nicht lang auf seinem Sitze,
  Ich ordne mich dem Phalanx an die Spitze.

  EILEBEUTE:
  Bin ich auch ihm nicht angeweibt,
  Er mir der liebste Buhle bleibt.
  Für uns ist solch ein Herbst gereift!
  Die Frau ist grimmig, wenn sie greift,
  Ist ohne Schonung, wenn sie raubt;
  Im Sieg voran! und alles ist erlaubt.

  OBERGENERAL:
  Auf unsre Linke, wie vorauszusehn,
  Stürzt ihre Rechte, kräftig. Widerstehn
  Wird Mann für Mann dem wütenden Beginnen,
  Den engen Paß des Felswegs zu gewinnen.

  FAUST:
  So bitte, Herr, auch diesen zu bemerken;
  Es schadet nichts, wenn Starke sich verstärken.

  HALTEFEST:
  Dem linken Flügel keine Sorgen!
  Da, wo ich bin, ist der Besitz geborgen;
  In ihm bewähret sich der Alte,
  Kein Strahlblitz spaltet, was ich halte.

  MEPHISTOPHELES:
  Nun schauet, wie im Hintergrunde
  Aus jedem zackigen Felsenschlunde
  Bewaffnete hervor sich drängen,
  Die schmalen Pfade zu verengen,
  Mit Helm und Harnisch, Schwertern, Schilden
  In unserm Rücken eine Mauer bilden,
  Den Wink erwartend, zuzuschlagen.
  Woher das kommt, müßt ihr nicht fragen.
  Ich habe freilich nicht gesäumt,
  Die Waffensäle ringsum ausgeräumt;
  Da standen sie zu Fuß, zu Pferde,
  Als wären sie noch Herrn der Erde;
  Sonst waren's Ritter, König, Kaiser,
  Jetzt sind es nichts als leere Schneckenhäuser;
  Gar manch Gespenst hat sich darein geputzt,
  Das Mittelalter lebhaft aufgestutzt.
  Welch Teufelchen auch drinne steckt,
  Für diesmal macht es doch Effekt.
  Hört, wie sie sich voraus erbosen,
  Blechklappernd aneinander stoßen!
  Auch flattern Fahnenfetzen bei Standarten,
  Die frischer Lüftchen ungeduldig harrten.
  Bedenkt, hier ist ein altes Volk bereit
  Und mischte gern sich auch zum neuen Streit.

  FAUST:
  Der Horizont hat sich verdunkelt,
  Nur hie und da bedeutend funkelt
  Ein roter ahnungsvoller Schein;
  Schon blutig blinken die Gewehre;
  Der Fels, der Wald, die Atmosphäre,
  Der ganze Himmel mischt sich ein.

  MEPHISTOPHELES:
  Die rechte Flanke hält sich kräftig;
  Doch seh' ich ragend unter diesen
  Hans Raufbold, den behenden Riesen,
  Auf seine Weise rasch geschäftig.

  KAISER:
  Erst sah ich einen Arm erhoben,
  Jetzt seh' ich schon ein Dutzend toben;
  Naturgemäß geschieht es nicht.

  FAUST:
  Vernahmst du nichts von Nebelstreifen,
  Die auf Siziliens Küsten schweifen?
  Dort, schwankend klar, im Tageslicht,
  Erhoben zu den Mittellüften,
  Gespiegelt in besondern Düften,
  Erscheint ein seltsames Gesicht:
  Da schwanken Städte hin und wider,
  Da steigen Gärten auf und nieder,
  Wie Bild um Bild den äther bricht.

  KAISER:
  Doch wie bedenklich! Alle Spitzen
  Der hohen Speere seh' ich blitzen;
  Auf unsres Phalanx blanken Lanzen
  Seh' ich behende Flämmchen tanzen.
  Das scheint mir gar zu geisterhaft.

  FAUST:
  Verzeih, o Herr, das sind die Spuren
  Verschollner geistiger Naturen,
  Ein Widerschein der Dioskuren,
  Bei denen alle Schiffer schwuren;
  Sie sammeln hier die letzte Kraft.

  KAISER:
  Doch sage: wem sind wir verpflichtet,
  Daß die Natur, auf uns gerichtet,
  Das Seltenste zusammenrafft?

  MEPHISTOPHELES:
  Wem als dem Meister, jenem hohen,
  Der dein Geschick im Busen trägt?
  Durch deiner Feinde starkes Drohen
  Ist er im Tiefsten aufgeregt.
  Sein Dank will dich gerettet sehen,
  Und sollt' er selbst daran vergehen.

  KAISER:
  Sie jubelten, mich pomphaft umzuführen;
  Ich war nun was, das wollt' ich auch probieren
  Und fand's gelegen, ohne viel zu denken,
  Dem weißen Barte kühle Luft zu schenken.
  Dem Klerus hab' ich eine Lust verdorben,
  Und ihre Gunst mir freilich nicht erworben.
  Nun sollt' ich, seit so manchen Jahren,
  Die Wirkung frohen Tuns erfahren?

  FAUST:
  Freiherzige Wohltat wuchert reich;
  Laß deinen Blick sich aufwärts wenden!
  Mich deucht, er will ein Zeichen senden,
  Gib acht, es deutet sich sogleich.

  KAISER:
  Ein Adler schwebt im Himmelhohen,
  Ein Greif ihm nach mit wildem Drohen.

  FAUST:
  Gib acht: gar günstig scheint es mir.
  Greif ist ein fabelhaftes Tier;
  Wie kann es sich so weit vergessen,
  Mit echtem Adler sich zu messen?

  KAISER:
  Nunmehr, in weitgedehnten Kreisen,
  Umziehn sie sich;—in gleichem Nu
  Sie fahren aufeinander zu,
  Sich Brust und Hälse zu zerreißen.

  FAUST:
  Nun merke, wie der leidige Greif,
  Zerzerrt, zerzaust, nur Schaden findet
  Und mit gesenktem Löwenschweif,
  Zum Gipfelwald gestürzt, verschwindet.

  KAISER:
  Sei's, wie gedeutet, so getan!
  Ich nehm' es mit Verwundrung an.

  MEPHISTOPHELES:
  Dringend wiederholten Streichen
  Müssen unsre Feinde weichen,
  Und mit ungewissem Fechten
  Drängen sie nach ihrer Rechten
  Und verwirren so im Streite
  Ihrer Hauptmacht linke Seite.
  Unsers Phalanx feste Spitze
  Zieht sich rechts, und gleich dem Blitze
  Fährt sie in die schwache Stelle.—
  Nun, wie sturmerregte Welle
  Sprühend, wüten gleiche Mächte
  Wild in doppeltem Gefechte;
  Herrlichers ist nichts ersonnen,
  Uns ist diese Schlacht gewonnen!

  KAISER:
  Schau! Mir scheint es dort bedenklich,
  Unser Posten steht verfänglich.
  Keine Steine seh' ich fliegen,
  Niedre Felsen sind erstiegen,
  Obre stehen schon verlassen.
  Jetzt!—Der Feind, zu ganzen Massen
  Immer näher angedrungen,
  Hat vielleicht den Paß errungen,
  Schlußerfolg unheiligen Strebens!
  Eure Künste sind vergebens.

  MEPHISTOPHELES:
  Da kommen meine beiden Raben,
  Was mögen die für Botschaft haben?
  Ich fürchte gar, es geht uns schlecht.

  KAISER:
  Was sollen diese leidigen Vögel?
  Sie richten ihre schwarzen Segel
  Hierher vom heißen Felsgefecht.

  MEPHISTOPHELES:
  Setzt euch ganz nah zu meinen Ohren.
  Wen ihr beschützt, ist nicht verloren,
  Denn euer Rat ist folgerecht.

  FAUST:
  Von Tauben hast du ja vernommen,
  Die aus den fernsten Landen kommen
  Zu ihres Nestes Brut und Kost.
  Hier ist's mit wichtigen Unterschieden:
  Die Taubenpost bedient den Frieden,
  Der Krieg befiehlt die Rabenpost.

  MEPHISTOPHELES:
  Es meldet sich ein schwer Verhängnis:
  Seht hin! gewahret die Bedrängnis
  Um unsrer Helden Felsenrand!
  Die nächsten Höhen sind erstiegen,
  Und würden sie den Paß besiegen,
  Wir hätten einen schweren Stand.

  KAISER:
  So bin ich endlich doch betrogen!
  Ihr habt mich in das Netz gezogen;
  Mir graut, seitdem es mich umstrickt.

  MEPHISTOPHELES:
  Nur Mut! Noch ist es nicht mißglückt.
  Geduld und Pfiff zum letzten Knoten!
  Gewöhnlich geht's am Ende scharf.
  Ich habe meine sichern Boten;
  Befehlt, daß ich befehlen darf!

  OBERGENERAL:
  Mit diesen hast du dich vereinigt,
  Mich hat's die ganze Zeit gepeinigt,
  Das Gaukeln schafft kein festes Glück.
  Ich weiß nichts an der Schlacht zu wenden;
  Begannen sie's, sie mögen's enden,
  Ich gebe meinen Stab zurück.

  KAISER:
  Behalt ihn bis zu bessern Stunden,
  Die uns vielleicht das Glück verleiht.
  Mir schaudert vor dem garstigen Kunden
  Und seiner Rabentraulichkeit.
  Den Stab kann ich dir nicht verleihen,
  Du scheinst mir nicht der rechte Mann;
  Befiehl und such uns zu befreien!
  Geschehe, was geschehen kann.

  MEPHISTOPHELES:
  Mag ihn der stumpfe Stab beschützen!
  Uns andern könnt' er wenig nützen,
  Es war so was vom Kreuz daran.

  FAUST:
  Was ist zu tun? +

  MEPHISTOPHELES:
  Es ist getan!—
  Nun, schwarze Vettern, rasch im Dienen,
  Zum großen Bergsee! grüßt mir die Undinen
  Und bittet sie um ihrer Fluten Schein.
  Durch Weiberkünste, schwer zu kennen,
  Verstehen sie vom Sein den Schein zu trennen,
  Und jeder schwört, das sei das Sein.

  FAUST:
  Den Wasserfräulein müssen unsre Raben
  Recht aus dem Grund geschmeichelt haben;
  Dort fängt es schon zu rieseln an.
  An mancher trocknen, kahlen Felsenstelle
  Entwickelt sich die volle, rasche Quelle;
  Um jener Sieg ist es getan.

  MEPHISTOPHELES:
  Das ist ein wunderbarer Gruß,
  Die kühnsten Klettrer sind konfus.

  FAUST:
  Schon rauscht ein Bach zu Bächen mächtig nieder,
  Aus Schluchten kehren sie gedoppelt wieder,
  Ein Strom nun wirft den Bogenstrahl;
  Auf einmal legt er sich in flache Felsenbreite
  Und rauscht und schäumt nach der und jener Seite,
  Und stufenweise wirft er sich ins Tal.
  Was hilft ein tapfres, heldenmäßiges Stemmen?
  Die mächtige Woge strömt, sie wegzuschwemmen.
  Mir schaudert selbst vor solchem wilden Schwall.

  MEPHISTOPHELES:
  Ich sehe nichts von diesen Wasserlügen,
  Nur Menschenaugen lassen sich betrügen,
  Und mich ergetzt der wunderliche Fall.
  Sie stürzen fort zu ganzen Haufen,
  Die Narren wähnen zu ersaufen,
  Indem sie frei auf festem Lande schnaufen
  Und lächerlich mit Schwimmgebärden laufen.
  Nun ist Verwirrung überall.
  Ich werd' euch bei dem hohen Meister loben;
  Wollt ihr euch nun als Meister selbst erproben,
  So eilet zu der glühnden Schmiede,
  Wo das Gezwergvolk, nimmer müde,
  Metall und Stein zu Funken schlägt.
  Verlangt, weitläufig sie beschwatzend,
  Ein Feuer, leuchtend, blinkend, platzend,
  Wie man's im hohen Sinne hegt.
  Zwar Wetterleuchten in der weiten Ferne,
  Blickschnelles Fallen allerhöchster Sterne
  Mag jede Sommernacht geschehn;
  Doch Wetterleuchten in verworrnen Büschen
  Und Sterne, die am feuchten Boden zischen,
  Das hat man nicht so leicht gesehn.
  So müßt ihr, ohn' euch viel zu quälen,
  Zuvörderst bitten, dann befehlen.

  MEPHISTOPHELES:
  Den Feinden dichte Finsternisse!
  Und Tritt und Schritt ins Ungewisse!
  Irrfunkenblick an allen Enden,
  Ein Leuchten, plötzlich zu verblenden!
  Das alles wäre wunderschön,
  Nun aber braucht's noch Schreckgetön.

  FAUST:
  Die hohlen Waffen aus der Säle Grüften
  Empfinden sich erstarkt in freien Lüften;
  Da droben klappert's, rasselt's lange schon,
  Ein wunderbarer falscher Ton.

  MEPHISTOPHELES:
  Ganz recht! Sie sind nicht mehr zu zügeln;
  Schon schallt's von ritterlichen Prügeln,
  Wie in der holden alten Zeit.
  Armschienen wie der Beine Schienen,
  Als Guelfen und als Ghibellinen,
  Erneuen rasch den ewigen Streit.
  Fest, im ererbten Sinne wöhnlich,
  Erweisen sie sich unversöhnlich;
  Schon klingt das Tosen weit und breit.
  Zuletzt, bei allen Teufelsfesten,
  Wirkt der Parteihaß doch zum besten,
  Bis in den allerletzten Graus;
  Schallt wider-widerwärtig panisch,
  Mitunter grell und scharf satanisch,
  Erschreckend in das Tal hinaus.

Des Gegenkaisers Zelt

  EILEBEUTE:
  So sind wir doch die ersten hier!

  HABEBALD:
  Kein Rabe fliegt so schnell als wir.

  EILEBEUTE:
  O! welch ein Schatz liegt hier zuhauf!
  Wo fang' ich an? Wo hör' ich auf?

  HABEBALD:
  Steht doch der ganze Raum so voll!
  Weiß nicht, wozu ich greifen soll.

  EILEBEUTE:
  Der Teppich wär' mir eben recht,
  Mein Lager ist oft gar zu schlecht.

  HABEBALD:
  Hier hängt von Stahl ein Morgenstern,
  Dergleichen hätt' ich lange gern.

  EILEBEUTE:
  Den roten Mantel goldgesäumt,
  So etwas hatt' ich mir geträumt.

  HABEBALD:
  Damit ist es gar bald getan,
  Man schlägt ihn tot und geht voran.
  Du hast so viel schon aufgepackt
  Und doch nichts Rechtes eingesackt.
  Den Plunder laß an seinem Ort,
  Nehm' eines dieser Kistchen fort!
  Dies ist des Heers beschiedner Sold,
  In seinem Bauche lauter Gold.

  EILEBEUTE:
  Das hat ein mörderisch Gewicht!
  Ich heb' es nicht, ich trag' es nicht.

  HABEBALD:
  Geschwinde duck' dich! Mußt dich bücken!
  Ich hucke dir's auf den starken Rücken.

  EILEBEUTE:
  O weh! O weh, nun ist's vorbei!
  Die Last bricht mir das Kreuz entzwei.

  HABEBALD:
  Da liegt das rote Gold zuhauf—
  Geschwinde zu und raff es auf!

  EILEBEUTE:
  Geschwinde nur zum Schoß hinein!
  Noch immer wird's zur Gnüge sein.

  HABEBALD:
  Und so genug! und eile doch!
  O weh, die Schürze hat ein Loch!
  Wohin du gehst und wo du stehst,
  Verschwenderisch die Schätze säst.

  TRABANTEN USERS KAISERS:
  Was schafft ihr hier am heiligen Platz?
  Was kramt ihr in dem Kaiserschatz?

  HABEBALD:
  Wir trugen unsre Glieder feil
  Und holen unser Beuteteil.
  In Feindeszelten ist's der Brauch,
  Und wir, Soldaten sind wir auch.

  TRABANTEN:
  Das passet nicht in unsern Kreis:
  Zugleich Soldat und Diebsgeschmeiß;
  Und wer sich unserm Kaiser naht,
  Der sei ein redlicher Soldat.

  HABEBALD:
  Die Redlichkeit, die kennt man schon,
  Sie heißet: Kontribution.
  Ihr alle seid auf gleichem Fuß:
  Gib her! das ist der Handwerksgruß.
  Mach fort und schleppe, was du hast,
  Hier sind wir nicht willkommner Gast.

  ERSTER TRABANT:
  Sag, warum gabst du nicht sogleich
  Dem frechen Kerl einen Backenstreich?

  ZWEITER:
  Ich weiß nicht, mir verging die Kraft,
  Sie waren so gespensterhaft.

  DRITTER:
  Mir ward es vor den Augen schlecht,
  Da flimmert' es, ich sah nicht recht.

  VIERTER:
  Wie ich es nicht zu sagen weiß:
  Es war den ganzen Tag so heiß,
  So bänglich, so beklommen schwül,
  Der eine stand, der andre fiel,
  Man tappte hin und schlug zugleich,
  Der Gegner fiel vor jedem Streich,
  Vor Augen schwebt' es wie ein Flor,
  Dann summt's und saust's und zischt' im Ohr;
  Das ging so fort, nun sind wir da
  Und wissen selbst nicht, wie's geschah.

  KAISER:
  Es sei nun, wie ihm sei! uns ist die Schlacht gewonnen,
  Des Feinds zerstreute Flucht im flachen Feld zerronnen.
  Hier steht der leere Thron, verräterischer Schatz,
  Von Teppichen umhüllt, verengt umher den Platz.
  Wir, ehrenvoll geschützt von eigenen Trabanten,
  Erwarten kaiserlich der Völker Abgesandten;
  Von allen Seiten her kommt frohe Botschaft an:
  Beruhigt sei das Reich, uns freudig zugetan.
  Hat sich in unsern Kampf auch Gaukelei geflochten,
  Am Ende haben wir uns nur allein gefochten.
  Zufälle kommen ja dem Streitenden zugut:
  Vom Himmel fällt ein Stein, dem Feinde regnet's Blut,
  Aus Felsenhöhlen tönt's von mächtigen Wunderklängen,
  Die unsre Brust erhöhn, des Feindes Brust verengen.
  Der überwundne fiel, zu stets erneutem Spott,
  Der Sieger, wie er prangt, preist den gewognen Gott.
  Und alles stimmt mit ein, er braucht nicht zu befehlen,
  Herr Gott, dich loben wir! aus Millionen Kehlen.
  Jedoch zum höchsten Preis wend' ich den frommen Blick,
  Das selten sonst geschah, zur eignen Brust zurück.
  Ein junger, muntrer Fürst mag seinen Tag vergeuden,
  Die Jahre lehren ihn des Augenblicks Bedeuten.
  Deshalb denn ungesäumt verbind' ich mich sogleich
  Mit euch vier Würdigen, für Haus und Hof und Reich.
  Dein war, o Fürst! des Heers geordnet kluge Schichtung,
  Sodann im Hauptmoment heroisch kühne Richtung;
  Im Frieden wirke nun, wie es die Zeit begehrt,
  Erzmarschall nenn' ich dich, verleihe dir das Schwert.

  ERZMARSCHALL:
  Dein treues Heer, bis jetzt im Inneren beschäftigt,
  Wenn's an der Grenze dich und deinen Thron bekräftigt,
  Dann sei es uns vergönnt, bei Festesdrang im Saal
  Geräumiger Väterburg zu rüsten dir das Mahl.
  Blank trag' ich's dir dann vor, blank halt' ich dir's zur Seite,
  Der höchsten Majestät zu ewigem Geleite.

  KAISER:
  Der sich als tapfrer Mann auch zart gefällig zeigt,
  Du! sei Erzkämmerer; der Auftrag ist nicht leicht.
  Du bist der Oberste von allem Hausgesinde,
  Bei deren innerm Streit ich schlechte Diener finde;
  Dein Beispiel sei fortan in Ehren aufgestellt,
  Wie man dem Herrn, dem Hof und allen wohlgefällt.

  ERZKÄMMERER:
  Des Herren großen Sinn zu fördern, bringt zu Gnaden:
  Den Besten hülfreich sein, den Schlechten selbst nicht schaden,
  Dann klar sein ohne List und ruhig ohne Trug!
  Wenn du mich, Herr, durchschaust, geschieht mir schon genug.
  Darf sich die Phantasie auf jenes Fest erstrecken?
  Wenn du zur Tafel gehst, reich' ich das goldne Becken,
  Die Ringe halt' ich dir, damit zur Wonnezeit
  Sich deine Hand erfrischt, wie mich dein Blick erfreut.

  KAISER:
  Zwar fühl' ich mich zu ernst, auf Festlichkeit zu sinnen,
  Doch sei's! Es fördert auch frohmütiges Beginnen.
  Dich wähl' ich zum Erztruchseß! Also sei fortan
  Dir Jagd, Geflügelhof und Vorwerk untertan;
  Der Lieblingsspeisen Wahl laß mir zu allen Zeiten,
  Wie sie der Monat bringt, und sorgsam zubereiten.

  ERZTRUCHSESS:
  Streng Fasten sei für mich die angenehmste Pflicht,
  Bis, vor dich hingestellt, dich freut ein Wohlgericht.
  Der Küche Dienerschaft soll sich mit mir vereinigen,
  Das Ferne beizuziehn, die Jahrszeit zu beschleunigen.
  Dich reizt nicht Fern und Früh, womit die Tafel prangt,
  Einfach und kräftig ist's, wornach dein Sinn verlangt.

  KAISER:
  Weil unausweichlich hier sich's nur von Festen handelt,
  So sei mir, junger Held, zum Schenken umgewandelt.
  Erzschenke, sorge nun, daß unsre Kellerei
  Aufs reichlichste versorgt mit gutem Weine sei.
  Du selbst sei mäßig, laß nicht über Heiterkeiten
  Durch der Gelegenheit Verlocken dich verleiten!

  ERZSCHENK:
  Mein Fürst, die Jugend selbst, wenn man ihr nur vertraut,
  Steht, eh' man sich's versieht, zu Männern auferbaut.
  Auch ich versetze mich zu jenem großen Feste;
  Ein kaiserlich Büfett schmück' ich aufs allerbeste
  Mit Prachtgefäßen, gülden, silbern allzumal,
  Doch wähl' ich dir voraus den lieblichsten Pokal:
  Ein blank venedisch Glas, worin Behagen lauschet,
  Des Weins Geschmack sich stärkt und nimmermehr berauschet.
  Auf solchen Wunderschatz vertraut man oft zu sehr;
  Doch deine Mäßigkeit, du Höchster, schützt noch mehr.

  KAISER:
  Was ich euch zugedacht in dieser ernsten Stunde,
  Vernahmt ihr mit Vertraun aus zuverlässigem Munde.
  Des Kaisers Wort ist groß und sichert jede Gift,
  Doch zur Bekräftigung bedarf's der edlen Schrift,
  Bedarf's der Signatur. Die förmlich zu bereiten,
  Seh' ich den rechten Mann zu rechter Stunde schreiten.

  KAISER:
  Wenn ein Gewölbe sich dem Schlußstein anvertraut,
  Dann ist's mit Sicherheit für ewige Zeit erbaut.
  Du siehst vier Fürsten da! Wir haben erst erörtert,
  Was den Bestand zunächst von Haus und Hof befördert.
  Nun aber, was das Reich in seinem Ganzen hegt,
  Sei, mit Gewicht und Kraft, der Fünfzahl auferlegt.
  An Ländern sollen sie vor allen andern glänzen;
  Deshalb erweitr' ich gleich jetzt des Besitztums Grenzen
  Vom Erbteil jener, die sich von uns abgewandt.
  Euch Treuen sprech' ich zu so manches schöne Land,
  Zugleich das hohe Recht, euch nach Gelegenheiten
  Durch Anfall, Kauf und Tausch ins Weitre zu verbreiten;
  Dann sei bestimmt—vergönnt, zu üben ungestört—,
  Was von Gerechtsamen euch Landesherrn gehört.
  Als Richter werdet ihr die Endurteile fällen,
  Berufung gelte nicht von euern höchsten Stellen.
  Dann Steuer, Zins und Beth', Lehn und Geleit und Zoll,
  Berg-, Salz- und Münzregal euch angehören soll.
  Denn meine Dankbarkeit vollgültig zu erproben,
  Hab ich euch ganz zunächst der Majestät erhoben.

  ERZBISCHOF:
  Im Namen aller sei dir tiefster Dank gebracht!
  Du machst uns stark und fest und stärkest deine Macht.

  KAISER:
  Euch fünfen will ich noch erhöhtere Würde geben.
  Noch leb' ich meinem Reich und habe Lust, zu leben;
  Doch hoher Ahnen Kette zieht bedächtigen Blick
  Aus rascher Strebsamkeit ins Drohende zurück.
  Auch werd' ich seinerzeit mich von den Teuren trennen,
  Dann sei es eure Pflicht, den Folger zu ernennen.
  Gekrönt erhebt ihn hoch auf heiligem Altar,
  Und friedlich ende dann, was jetzt so stürmisch war.

  ERZKANZLER:
  Mit Stolz in tiefster Brust, mit Demut an Gebärde,
  Stehn Fürsten dir gebeugt, die ersten auf der Erde.
  Solang das treue Blut die vollen Adern regt,
  Sind wir der Körper, den dein Wille leicht bewegt.

  KAISER:
  Und also sei, zum Schluß, was wir bisher betätigt,
  Für alle Folgezeit durch Schrift und Zug bestätigt.
  Zwar habt ihr den Besitz als Herren völlig frei,
  Mit dem Beding jedoch, daß er unteilbar sei.
  Und wie ihr auch vermehrt, was ihr von uns empfangen,
  Es soll's der ältste Sohn in gleichem Maß erlangen.

  ERZKANZLER:
  Dem Pergament alsbald vertrau' ich wohlgemut,
  Zum Glück dem Reich und uns, das wichtigste Statut;
  Reinschrift und Sieglung soll die Kanzelei beschäftigen,
  Mit heiliger Signatur wirst du's, der Herr, bekräftigen.

  KAISER:
  Und so entlass' ich euch, damit den großen Tag
  Gesammelt jedermann sich überlegen mag.

  DER GEISTLICHE:
  Der Kanzler ging hinweg, der Bischof ist geblieben,
  Vom ernsten Warnegeist zu deinem Ohr getrieben!
  Sein väterliches Herz, von Sorge bangt's um dich.

  KAISER:
  Was hast du Bängliches zur frohen Stunde? sprich!

  ERZBISCHOF:
  Mit welchem bittern Schmerz find' ich, in dieser Stunde,
  Dein hochgeheiligt Haupt mit Satanas im Bunde!
  Zwar, wie es scheinen will, gesichert auf dem Thron,
  Doch leider! Gott dem Herrn, dem Vater Papst zum Hohn.
  Wenn dieser es erfährt, schnell wird er sträflich richten,
  Mit heiligem Strahl dein Reich, das sündige, zu vernichten.
  Denn noch vergaß er nicht, wie du, zur höchsten Zeit,
  An deinem Krönungstag, den Zauberer befreit.
  Von deinem Diadem, der Christenheit zum Schaden,
  Traf das verfluchte Haupt der erste Strahl der Gnaden.
  Doch schlag an deine Brust und gib vom frevlen Glück
  Ein mäßig Scherflein gleich dem Heiligtum zurück:
  Den breiten Hügelraum, da, wo dein Zelt gestanden,
  Wo böse Geister sich zu deinem Schutz verbanden,
  Dem Lügenfürsten du ein horchsam Ohr geliehn,
  Den stifte, fromm belehrt, zu heiligem Bemühn;
  Mit Berg und dichtem Wald, so weit sie sich erstrecken,
  Mit Höhen, die sich grün zu fetter Weide decken,
  Fischreichen, klaren Seen, dann Bächlein ohne Zahl,
  Wie sie sich, eilig schlängelnd, stürzen ab zu Tal;
  Das breite Tal dann selbst, mit Wiesen, Gauen, Gründen:
  Die Reue spricht sich aus, und du wirst Gnade finden.

  KAISER:
  Durch meinen schweren Fehl bin ich so tief erschreckt;
  Die Grenze sei von dir nach eignem Maß gesteckt.

  ERZBISCHOF:
  Erst! der entweihte Raum, wo man sich so versündigt,
  Sei alsobald zum Dienst des Höchsten angekündigt.
  Behende steigt im Geist Gemäuer stark empor,
  Der Morgensonne Blick erleuchtet schon das Chor,
  Zum Kreuz erweitert sich das wachsende Gebäude,
  Das Schiff erlängt, erhöht sich zu der Gläubigen Freude;
  Sie strömen brünstig schon durchs würdige Portal,
  Der erste Glockenruf erscholl durch Berg und Tal,
  Von hohen Türmen tönt's, wie sie zum Himmel streben,
  Der Büßer kommt heran zu neugeschaffnem Leben.
  Dem hohen Weihetag—er trete bald herein!—
  Wird deine Gegenwart die höchste Zierde sein.

  KAISER:
  Mag ein so großes Werk den frommen Sinn verkündigen,
  Zu preisen Gott den Herrn, so wie mich zu entsündigen.
  Genug! Ich fühle schon, wie sich mein Sinn erhöht.

  ERZBISCHOF:
  Als Kanzler fördr' ich nun Schluß und Formalität.

  KAISER:
  Ein förmlich Dokument, der Kirche das zu eignen,
  Du legst es vor, ich will's mit Freuden unterzeichnen.

  ERZBISCHOF:
  Dann widmest du zugleich dem Werke, wie's entsteht,
  Gesamte Landsgefälle: Zehnten, Zinsen, Beth',
  Für ewig. Viel bedarf's zu würdiger Unterhaltung,
  Und schwere Kosten macht die sorgliche Verwaltung.
  Zum schnellen Aufbau selbst auf solchem wüsten Platz
  Reichst du uns einiges Gold, aus deinem Beuteschatz.
  Daneben braucht man auch, ich kann es nicht verschweigen,
  Entferntes Holz und Kalk und Schiefer und dergleichen.
  Die Fuhren tut das Volk, vom Predigtstuhl belehrt,
  Die Kirche segnet den, der ihr zu Diensten fährt.

  KAISER:
  Die Sünd' ist groß und schwer, womit ich mich beladen;
  Das leidige Zaubervolk bringt mich in harten Schaden.

  ERZBISCHOF:
  Verzeih, o Herr! Es ward dem sehr verrufnen Mann
  Des Reiches Strand verliehn; doch diesen trifft der Bann,
  Verleihst du reuig nicht der hohen Kirchenstelle
  Auch dort den Zehnten, Zins und Gaben und Gefälle.

  KAISER:
  Das Land ist noch nicht da, im Meer liegt es breit.

  ERZBISCHOF:
  Wer 's Recht hat und Geduld, für den kommt auch die Zeit.
  Für uns mög' Euer Wort in seinen Kräften bleiben!

  KAISER:
  So könnt' ich wohl zunächst das ganze Reich verschreiben.

5. Akt—Offene Gegend

  WANDRER:
  Ja! sie sind's, die dunkeln Linden,
  Dort, in ihres Alters Kraft.
  Und ich soll sie wiederfinden,
  Nach so langer Wanderschaft!
  Ist es doch die alte Stelle,
  Jene Hütte, die mich barg,
  Als die sturmerregte Welle
  Mich an jene Dünen warf!
  Meine Wirte möcht' ich segnen,
  Hilfsbereit, ein wackres Paar,
  Das, um heut mir zu begegnen,
  Alt schon jener Tage war.
  Ach! das waren fromme Leute!
  Poch' ich? ruf' ich?—Seid gegrüßt,
  Wenn gastfreundlich auch noch heute
  Ihr des Wohltuns Glück genießt!

  BAUCIS:
  Lieber Kömmling! Leise! Leise!
  Ruhe! laß den Gatten ruhn!
  Langer Schlaf verleiht dem Greise
  Kurzen Wachens rasches Tun.

  WANDRER:
  Sage, Mutter: bist du's eben,
  Meinen Dank noch zu empfahn,
  Was du für des Jünglings Leben
  Mit dem Gatten einst getan?
  Bist du Baucis, die geschäftig
  Halberstorbnen Mund erquickt?
  Du Philemon, der so kräftig
  Meinen Schatz der Flut entrückt?
  Eure Flammen raschen Feuers,
  Eures Glöckchens Silberlaut,
  Jenes grausen Abenteuers
  Lösung war euch anvertraut.
  Und nun laßt hervor mich treten,
  Schaun das grenzenlose Meer;
  Laßt mich knieen, laßt mich beten,
  Mich bedrängt die Brust so sehr.

  PHILEMON:
  Eile nur, den Tisch zu decken,
  Wo's im Gärtchen munter blüht.
  Laß ihn rennen, ihn erschrecken,
  Denn er glaubt nicht, was er sieht.
  Das Euch grimmig mißgehandelt,
  Wog' auf Woge, schäumend wild,
  Seht als Garten Ihr behandelt,
  Seht ein paradiesisch Bild.
  älter, war ich nicht zuhanden,
  Hülfreich nicht wie sonst bereit;
  Und wie meine Kräfte schwanden,
  War auch schon die Woge weit.
  Kluger Herren kühne Knechte
  Gruben Gräben, dämmten ein,
  Schmälerten des Meeres Rechte,
  Herrn an seiner Statt zu sein.
  Schaue grünend Wies' an Wiese,
  Anger, Garten, Dorf und Wald.—
  Komm nun aber und genieße,
  Denn die Sonne scheidet bald.—
  Dort im Fernsten ziehen Segel,
  Suchen nächtlich sichern Port.
  Kennen doch ihr Nest die Vögel;
  Denn jetzt ist der Hafen dort.
  So erblickst du in der Weite
  Erst des Meeres blauen Saum,
  Rechts und links, in aller Breite,
  Dichtgedrängt bewohnten Raum.

  BAUCIS:
  Bleibst du stumm? und keinen Bissen
  Bringst du zum verlechzten Mund?

  PHILEMON:
  Möcht' er doch vom Wunder wissen;
  Sprichst so gerne, tu's ihm kund.

  BAUCIS:
  Wohl! ein Wunder ist's gewesen!
  Läßt mich heut noch nicht in Ruh;
  Denn es ging das ganze Wesen
  Nicht mit rechten Dingen zu.

  PHILEMON:
  Kann der Kaiser sich versünd'gen,
  Der das Ufer ihm verliehn?
  Tät's ein Herold nicht verkünd'gen
  Schmetternd im Vorüberziehn?
  Nicht entfernt von unsern Dünen
  Ward der erste Fuß gefaßt,
  Zelte, Hütten!—Doch im Grünen
  Richtet bald sich ein Palast.

  BAUCIS:
  Tags umsonst die Knechte lärmten,
  Hack' und Schaufel, Schlag um Schlag;
  Wo die Flämmchen nächtig schwärmten,
  Stand ein Damm den andern Tag.
  Menschenopfer mußten bluten,
  Nachts erscholl des Jammers Qual;
  Meerab flossen Feuergluten,
  Morgens war es ein Kanal.
  Gottlos ist er, ihn gelüstet
  Unsre Hütte, unser Hain;
  Wie er sich als Nachbar brüstet,
  Soll man untertänig sein.

  PHILEMON:
  Hat er uns doch angeboten
  Schönes Gut im neuen Land!

  BAUCIS:
  Traue nicht dem Wasserboden,
  Halt auf deiner Höhe stand!

  PHILEMON:
  Laßt uns zur Kapelle treten,
  Letzten Sonnenblick zu schaun!
  Laßt uns läuten, knieen, beten
  Und dem alten Gott vertraun!

Palast

  LYNKEUS DER TÜRMER:
  Die Sonne sinkt, die letzten Schiffe,
  Sie ziehen munter hafenein.
  Ein großer Kahn ist im Begriffe,
  Auf dem Kanale hier zu sein.
  Die bunten Wimpel wehen fröhlich,
  Die starren Masten stehn bereit;
  In dir preist sich der Bootsmann selig,
  Dich grüßt das Glück zur höchsten Zeit.

  FAUST:
  Verdammtes Läuten! Allzuschändlich
  Verwundet's, wie ein tückischer Schuß;
  Vor Augen ist mein Reich unendlich,
  Im Rücken neckt mich der Verdruß,
  Erinnert mich durch neidische Laute:
  Mein Hochbesitz, er ist nicht rein,
  Der Lindenraum, die braune Baute,
  Das morsche Kirchlein ist nicht mein.
  Und wünscht' ich, dort mich zu erholen,
  Vor fremdem Schatten schaudert mir,
  Ist Dorn den Augen, Dorn den Sohlen;
  O! wär' ich weit hinweg von hier!

  TÜRMER:
  Wie segelt froh der bunte Kahn
  Mit frischem Abendwind heran!
  Wie türmt sich sein behender Lauf
  In Kisten, Kasten, Säcken auf!

  CHORUS:
  Da landen wir,
  Da sind wir schon.
  Glückan dem Herren,
  Dem Patron!

  MEPHISTOPHELES:
  So haben wir uns wohl erprobt,
  Vergnügt, wenn der Patron es lobt.
  Nur mit zwei Schiffen ging es fort,
  Mit zwanzig sind wir nun im Port.
  Was große Dinge wir getan,
  Das sieht man unsrer Ladung an.
  Das freie Meer befreit den Geist,
  Wer weiß da, was Besinnen heißt!
  Da fördert nur ein rascher Griff,
  Man fängt den Fisch, man fängt ein Schiff,
  Und ist man erst der Herr zu drei,
  Dann hakelt man das vierte bei;
  Da geht es denn dem fünften schlecht,
  Man hat Gewalt, so hat man Recht.
  Man fragt ums Was, und nicht ums Wie.
  Ich müßte keine Schiffahrt kennen:
  Krieg, Handel und Piraterie,
  Dreieinig sind sie, nicht zu trennen.

  DIE DREI GEWALTIGEN GESELLEN:
  Nicht Dank und Gruß!
  Nicht Gruß und Dank!
  Als brächten wir
  Dem Herrn Gestank.
  Er macht ein
  Widerlich Gesicht;
  Das Königsgut
  Gefällt ihm nicht.

  MEPHISTOPHELES:
  Erwartet weiter
  Keinen Lohn!
  Nahmt ihr doch
  Euren Teil davon.

  DIE GESELLEN:
  Das ist nur für
  Die Langeweil';
  Wir alle fordern
  Gleichen Teil.

  MEPHISTOPHELES:
  Erst ordnet oben
  Saal an Saal
  Die Kostbarkeiten
  Allzumal!
  Und tritt er zu
  Der reichen Schau,
  Berechnet er alles
  Mehr genau,
  Er sich gewiß
  Nicht lumpen läßt
  Und gibt der Flotte
  Fest nach Fest.
  Die bunten Vögel kommen morgen,
  Für die werd' ich zum besten sorgen.

  MEPHISTOPHELES:
  Mit ernster Stirn, mit düstrem Blick
  Vernimmst du dein erhaben Glück.
  Die hohe Weisheit wird gekrönt,
  Das Ufer ist dem Meer versöhnt;
  Vom Ufer nimmt, zu rascher Bahn,
  Das Meer die Schiffe willig an;
  So sprich, daß hier, hier vom Palast
  Dein Arm die ganze Welt umfaßt.
  Von dieser Stelle ging es aus,
  Hier stand das erste Bretterhaus;
  Ein Gräbchen ward hinabgeritzt,
  Wo jetzt das Ruder emsig spritzt.
  Dein hoher Sinn, der Deinen Fleiß
  Erwarb des Meers, der Erde Preis.
  Von hier aus—+

  FAUST:
  Das verfluchte Hier!
  Das eben, leidig lastet's mir.
  Dir Vielgewandtem muß ich's sagen,
  Mir gibt's im Herzen Stich um Stich,
  Mir ist's unmöglich zu ertragen!
  Und wie ich's sage, schäm' ich mich.
  Die Alten droben sollten weichen,
  Die Linden wünscht' ich mir zum Sitz,
  Die wenig Bäume, nicht mein eigen,
  Verderben mir den Weltbesitz.
  Dort wollt' ich, weit umherzuschauen,
  Von Ast zu Ast Gerüste bauen,
  Dem Blick eröffnen weite Bahn,
  Zu sehn, was alles ich getan,
  Zu überschaun mit einem Blick
  Des Menschengeistes Meisterstück,
  Betätigend mit klugem Sinn
  Der Völker breiten Wohngewinn.
  So sind am härtsten wir gequält,
  Im Reichtum fühlend, was uns fehlt.
  Des Glöckchens Klang, der Linden Duft
  Umfängt mich wie in Kirch' und Gruft.
  Des allgewaltigen Willens Kür
  Bricht sich an diesem Sande hier.
  Wie schaff' ich mir es vom Gemüte!
  Das Glöcklein läutet, und ich wüte.

  MEPHISTOPHELES:
  Natürlich! daß ein Hauptverdruß
  Das Leben dir vergällen muß.
  Wer leugnet's! Jedem edlen Ohr
  Kommt das Geklingel widrig vor.
  Und das verfluchte Bim-Baum-Bimmel,
  Umnebelnd heitern Abendhimmel,
  Mischt sich in jegliches Begebnis,
  Vom ersten Bad bis zum Begräbnis,
  Als wäre zwischen Bim und Baum
  Das Leben ein verschollner Traum.

  FAUST:
  Das Widerstehn, der Eigensinn
  Verkümmern herrlichsten Gewinn,
  Daß man, zu tiefer, grimmiger Pein,
  Ermüden muß, gerecht zu sein.

  MEPHISTOPHELES:
  Was willst du dich denn hier genieren?
  Mußt du nicht längst kolonisieren?

  FAUST:
  So geht und schafft sie mir zur Seite!—
  Das schöne Gütchen kennst du ja,
  Das ich den Alten ausersah.

  MEPHISTOPHELES:
  Man trägt sie fort und setzt sie nieder,
  Eh' man sich umsieht, stehn sie wieder;
  Nach überstandener Gewalt
  Versöhnt ein schöner Aufenthalt.

  MEPHISTOPHELES:
  Kommt, wie der Herr gebieten läßt!
  Und morgen gibt's ein Flottenfest.

  DIE DREI:
  Der alte Herr empfing uns schlecht,
  Ein flottes Fest ist uns zu Recht.

  MEPHISTOPHELES:
  Auch hier geschieht, was längst geschah,
  Denn Naboths Weinberg war schon da. ((regum i,21))

Tiefe Nacht

  LYNKEUS DER TÜRMER:
  Zum Sehen geboren,
  Zum Schauen bestellt,
  Dem Turme geschworen,
  Gefällt mir die Welt.
  Ich blick' in die Ferne,
  Ich seh' in der Näh'
  Den Mond und die Sterne,
  Den Wald und das Reh.
  So seh' ich in allen
  Die ewige Zier,
  Und wie mir's gefallen,
  Gefall' ich auch mir.
  Ihr glücklichen Augen,
  Was je ihr gesehn,
  Es sei wie es wolle,
  Es war doch so schön!
  Nicht allein mich zu ergetzen,
  Bin ich hier so hoch gestellt;
  Welch ein greuliches Entsetzen
  Droht mir aus der finstern Welt!
  Funkenblicke seh' ich sprühen
  Durch der Linden Doppelnacht,
  Immer stärker wühlt ein Glühen,
  Von der Zugluft angefacht.
  Ach! die innre Hütte lodert,
  Die bemoost und feucht gestanden;
  Schnelle Hülfe wird gefordert,
  Keine Rettung ist vorhanden.
  Ach! die guten alten Leute,
  Sonst so sorglich um das Feuer,
  Werden sie dem Qualm zur Beute!
  Welch ein schrecklich Abenteuer!
  Flamme flammet, rot in Gluten
  Steht das schwarze Moosgestelle;
  Retteten sich nur die Guten
  Aus der wildentbrannten Hölle!
  Züngelnd lichte Blitze steigen
  Zwischen Blättern, zwischen Zweigen;
  äste dürr, die flackernd brennen,
  Glühen schnell und stürzen ein.
  Sollt ihr Augen dies erkennen!
  Muß ich so weitsichtig sein!
  Das Kapellchen bricht zusammen
  Von der äste Sturz und Last.
  Schlängelnd sind, mit spitzen Flammen,
  Schon die Gipfel angefaßt.
  Bis zur Wurzel glühn die hohlen
  Stämme, purpurrot im Glühn.—
  Was sich sonst dem Blick empfohlen,
  Mit Jahrhunderten ist hin.

  FAUST:
  Von oben welch ein singend Wimmern?
  Das Wort ist hier, der Ton zu spat.
  Mein Türmer jammert; mich, im Innern,
  Verdrießt die ungeduld'ge Tat.
  Doch sei der Lindenwuchs vernichtet
  Zu halbverkohlter Stämme Graun,
  Ein Luginsland ist bald errichtet,
  Um ins Unendliche zu schaun.
  Da seh' ich auch die neue Wohnung,
  Die jenes alte Paar umschließt,
  Das, im Gefühl großmütiger Schonung,
  Der späten Tage froh genießt.

  MEPHISTOPHELES UND DIE DREIE:
  Da kommen wir mit vollem Trab;
  Verzeiht! es ging nicht gütlich ab.
  Wir klopften an, wir pochten an,
  Und immer ward nicht aufgetan;
  Wir rüttelten, wir pochten fort,
  Da lag die morsche Türe dort;
  Wir riefen laut und drohten schwer,
  Allein wir fanden kein Gehör.
  Und wie's in solchem Fall geschicht,
  Sie hörten nicht, sie wollten nicht;
  Wir aber haben nicht gesäumt,
  Behende dir sie weggeräumt.
  Das Paar hat sich nicht viel gequält,
  Vor Schrecken fielen sie entseelt.
  Ein Fremder, der sich dort versteckt
  Und fechten wollte, ward gestreckt.
  In wilden Kampfes kurzer Zeit
  Von Kohlen, ringsumher gestreut,
  Entflammte Stroh. Nun lodert's frei,
  Als Scheiterhaufen dieser drei.

  FAUST:
  Ward ihr für meine Worte taub?
  Tausch wollt' ich, wollte keinen Raub.
  Dem unbesonnenen wilden Streich,
  Ihm fluch' ich; teilt es unter euch!

  CHORUS:
  Das alte Wort, das Wort erschallt:
  Gehorche willig der Gewalt!
  Und bist du kühn und hälst du Stich,
  So wage Haus und Hof und—dich.

  FAUST:
  Die Sterne bergen Blick und Schein,
  Das Feuer sinkt und lodert klein;
  Ein Schauerwindchen fächelt's an,
  Bringt Rauch und Dunst zu mir heran.
  Geboten schnell, zu schnell getan!—
  Was schwebet schattenhaft heran?

Mitternacht

  ERSTE:
  Ich heiße der Mangel. +

  ZWEITE:
  Ich heiße die Schuld.

  DRITTE:
  Ich heiße die Sorge. +

  VIERTE:
  Ich heiße die Not.

  ZU DREI:
  Die Tür ist verschlossen, wir können nicht ein;
  Drin wohnet ein Reicher, wir mögen nicht 'nein.

  MANGEL:
  Da werd' ich zum Schatten. +

  SCHULD:
  Da werd' ich zunicht.

  NOT:
  Man wendet von mir das verwöhnte Gesicht.

  SORGE:
  Ihr Schwestern, ihr könnt nicht und dürft nicht hinein.
  Die Sorge, sie schleicht sich durchs Schlüsselloch ein.

  MANGEL:
  Ihr, graue Geschwister, entfernt euch von hier.

  SCHULD:
  Ganz nah an der Seite verbind' ich mich dir.

  NOT:
  Ganz nah an der Ferse begleitet die Not.

  ZU DREI:
  Es ziehen die Wolken, es schwinden die Sterne!
  Dahinten, dahinten! von ferne, von ferne,
  Da kommt er, der Bruder, da kommt er, der———Tod.

  FAUST:
  Vier sah ich kommen, drei nur gehn;
  Den Sinn der Rede konnt' ich nicht verstehn.
  Es klang so nach, als hieß' es—Not,
  Ein düstres Reimwort folgte—Tod.
  Es tönte hohl, gespensterhaft gedämpft.
  Noch hab' ich mich ins Freie nicht gekämpft.
  Könnt' ich Magie von meinem Pfad entfernen,
  Die Zaubersprüche ganz und gar verlernen,
  Stünd' ich, Natur, vor dir ein Mann allein,
  Da wär's der Mühe wert, ein Mensch zu sein.
  Das war ich sonst, eh' ich's im Düstern suchte,
  Mit Frevelwort mich und die Welt verfluchte.
  Nun ist die Luft von solchem Spuk so voll,
  Daß niemand weiß, wie er ihn meiden soll.
  Wenn auch ein Tag uns klar vernünftig lacht,
  In Traumgespinst verwickelt uns die Nacht;
  Wir kehren froh von junger Flur zurück,
  Ein Vogel krächzt; was krächzt er? Mißgeschick.
  Von Aberglauben früh und spat umgarnt:
  Es eignet sich, es zeigt sich an, es warnt.
  Und so verschüchtert, stehen wir allein.
  Die Pforte knarrt, und niemand kommt herein.
  Ist jemand hier? +

  SORGE:
  Die Frage fordert Ja!

  FAUST:
  Und du, wer bist denn du? +

  SORGE:
  Bin einmal da.

  FAUST:
  Entferne dich! +

  SORGE:
  Ich bin am rechten Ort.

  FAUST:
  Nimm dich in acht und sprich kein Zauberwort.

  SORGE:
  Würde mich kein Ohr vernehmen,
  Müßt' es doch im Herzen dröhnen;
  In verwandelter Gestalt
  üb' ich grimmige Gewalt.
  Auf den Pfaden, auf der Welle,
  Ewig ängstlicher Geselle,
  Stets gefunden, nie gesucht,
  So geschmeichelt wie verflucht.—
  Hast du die Sorge nie gekannt?

  FAUST:
  Ich bin nur durch die Welt gerannt;
  Ein jed' Gelüst ergriff ich bei den Haaren,
  Was nicht genügte, ließ ich fahren,
  Was mir entwischte, ließ ich ziehn.
  Ich habe nur begehrt und nur vollbracht
  Und abermals gewünscht und so mit Macht
  Mein Leben durchgestürmt; erst groß und mächtig,
  Nun aber geht es weise, geht bedächtig.
  Der Erdenkreis ist mir genug bekannt,
  Nach drüben ist die Aussicht uns verrannt;
  Tor, wer dorthin die Augen blinzelnd richtet,
  Sich über Wolken seinesgleichen dichtet!
  Er stehe fest und sehe hier sich um;
  Dem Tüchtigen ist diese Welt nicht stumm.
  Was braucht er in die Ewigkeit zu schweifen!
  Was er erkennt, läßt sich ergreifen.
  Er wandle so den Erdentag entlang;
  Wenn Geister spuken, geh' er seinen Gang,
  Im Weiterschreiten find' er Qual und Glück,
  Er, unbefriedigt jeden Augenblick!

  SORGE:
  Wen ich einmal besitze,
  Dem ist alle Welt nichts nütze;
  Ewiges Düstre steigt herunter,
  Sonne geht nicht auf noch unter,
  Bei vollkommnen äußern Sinnen
  Wohnen Finsternisse drinnen,
  Und er weiß von allen Schätzen
  Sich nicht in Besitz zu setzen.
  Glück und Unglück wird zur Grille,
  Er verhungert in der Fülle;
  Sei es Wonne, sei es Plage,
  Schieb er's zu dem andern Tage,
  Ist der Zukunft nur gewärtig,
  Und so wird er niemals fertig.

  FAUST:
  Hör auf! so kommst du mir nicht bei!
  Ich mag nicht solchen Unsinn hören.
  Fahr hin! die schlechte Litanei,
  Sie könnte selbst den klügsten Mann betören.

  SORGE:
  Soll er gehen, soll er kommen?
  Der Entschluß ist ihm genommen;
  Auf gebahnten Weges Mitte
  Wankt er tastend halbe Schritte.
  Er verliert sich immer tiefer,
  Siehet alle Dinge schiefer,
  Sich und andre lästig drückend;
  Atemholend und erstickend;
  Nicht erstickt und ohne Leben,
  Nicht verzweiflend, nicht ergeben.
  So ein unaufhaltsam Rollen,
  Schmerzlich Lassen, widrig Sollen,
  Bald Befreien, bald Erdrücken,
  Halber Schlaf und schlecht Erquicken
  Heftet ihn an seine Stelle
  Und bereitet ihn zur Hölle.

  FAUST:
  Unselige Gespenster! so behandelt ihr
  Das menschliche Geschlecht zu tausend Malen;
  Gleichgültige Tage selbst verwandelt ihr
  In garstigen Wirrwarr netzumstrickter Qualen.
  Dämonen, weiß ich, wird man schwerlich los,
  Das geistig-strenge Band ist nicht zu trennen;
  Doch deine Macht, Sorge, schleichend groß,
  Ich werde sie nicht anerkennen.

  SORGE:
  Erfahre sie, wie ich geschwind
  Mich mit Verwünschung von dir wende!
  Die Menschen sind im ganzen Leben blind,
  Nun, Fauste, werde du's am Ende!

  FAUST:
  Die Nacht scheint tiefer tief hereinzudringen,
  Allein im Innern leuchtet helles Licht;
  Was ich gedacht, ich eil' es zu vollbringen;
  Des Herren Wort, es gibt allein Gewicht.
  Vom Lager auf, ihr Knechte! Mann für Mann!
  Laßt glücklich schauen, was ich kühn ersann.
  Ergreift das Werkzeug, Schaufel rührt und Spaten!
  Das Abgesteckte muß sogleich geraten.
  Auf strenges Ordnen, raschen Fleiß
  Erfolgt der allerschönste Preis;
  Daß sich das größte Werk vollende,
  Genügt ein Geist für tausend Hände.

Grosser Vorhof des Palasts

  MEPHISTOPHELES:
  Herbei, herbei! Herein, herein!
  Ihr schlotternden Lemuren,
  Aus Bändern, Sehnen und Gebein
  Geflickte Halbnaturen.

  LEMUREN:
  Wir treten dir sogleich zur Hand,
  Und wie wir halb vernommen,
  Es gilt wohl gar ein weites Land,
  Das sollen wir bekommen.
  Gespitzte Pfähle, die sind da,
  Die Kette lang zum Messen;
  Warum an uns den Ruf geschah,
  Das haben wir vergessen.

  MEPHISTOPHELES:
  Hier gilt kein künstlerisch Bemühn;
  Verfahret nur nach eignen Maßen!
  Der Längste lege längelang sich hin,
  Ihr andern lüftet ringsumher den Rasen;
  Wie man's für unsre Väter tat,
  Vertieft ein längliches Quadrat!
  Aus dem Palast ins enge Haus,
  So dumm läuft es am Ende doch hinaus.

  LEMUREN:
  Wie jung ich war und lebt' und liebt',
  Mich deucht, das war wohl süße;
  Wo's fröhlich klang und lustig ging,
  Da rührten sich meine Füße.
  Nun hat das tückische Alter mich
  Mit seiner Krücke getroffen;
  Ich stolpert' über Grabes Tür,
  Warum stand sie just offen!

  FAUST:
  Wie das Geklirr der Spaten mich ergetzt!
  Es ist die Menge, die mir frönet,
  Die Erde mit sich selbst versöhnet,
  Den Wellen ihre Grenze setzt,
  Das Meer mit strengem Band umzieht.

  MEPHISTOPHELES:
  Du bist doch nur für uns bemüht
  Mit deinen Dämmen, deinen Buhnen;
  Denn du bereitest schon Neptunen,
  Dem Wasserteufel, großen Schmaus.
  In jeder Art seid ihr verloren;—
  Die Elemente sind mit uns verschworen,
  Und auf Vernichtung läuft's hinaus.

  FAUST:
  Aufseher! +

  MEPHISTOPHELES:
  Hier! +

  FAUST:
  Wie es auch möglich sei,
  Arbeiter schaffe Meng' auf Menge,
  Ermuntere durch Genuß und Strenge,
  Bezahle, locke, presse bei!
  Mit jedem Tage will ich Nachricht haben,
  Wie sich verlängt der unternommene Graben.

  MEPHISTOPHELES:
  Man spricht, wie man mir Nachricht gab,
  Von keinem Graben, doch vom Grab.

  FAUST:
  Ein Sumpf zieht am Gebirge hin,
  Verpestet alles schon Errungene;
  Den faulen Pfuhl auch abzuziehn,
  Das Letzte wär' das Höchsterrungene.
  Eröffn' ich Räume vielen Millionen,
  Nicht sicher zwar, doch tätig-frei zu wohnen.
  Grün das Gefilde, fruchtbar; Mensch und Herde
  Sogleich behaglich auf der neusten Erde,
  Gleich angesiedelt an des Hügels Kraft,
  Den aufgewälzt kühn-emsige Völkerschaft.
  Im Innern hier ein paradiesisch Land,
  Da rase draußen Flut bis auf zum Rand,
  Und wie sie nascht, gewaltsam einzuschießen,
  Gemeindrang eilt, die Lücke zu verschließen.
  Ja! diesem Sinne bin ich ganz ergeben,
  Das ist der Weisheit letzter Schluß:
  Nur der verdient sich Freiheit wie das Leben,
  Der täglich sie erobern muß.
  Und so verbringt, umrungen von Gefahr,
  Hier Kindheit, Mann und Greis sein tüchtig Jahr.
  Solch ein Gewimmel möcht' ich sehn,
  Auf freiem Grund mit freiem Volke stehn.
  Zum Augenblicke dürft' ich sagen:
  Verweile doch, du bist so schön!
  Es kann die Spur von meinen Erdetagen
  Nicht in äonen untergehn.—
  Im Vorgefühl von solchem hohen Glück
  Genieß' ich jetzt den höchsten Augenblick.

  MEPHISTOPHELES:
  Ihn sättigt keine Lust, ihm gnügt kein Glück,
  So buhlt er fort nach wechselnden Gestalten;
  Den letzten, schlechten, leeren Augenblick,
  Der Arme wünscht ihn festzuhalten.
  Der mir so kräftig widerstand,
  Die Zeit wird Herr, der Greis hier liegt im Sand.
  Die Uhr steht still—+

  CHOR:
  Steht still! Sie schweigt wie Mitternacht.
  Der Zeiger fällt. +

  MEPHISTOPHELES:
  Er fällt, es ist vollbracht.

  CHOR:
  Es ist vorbei. +

  MEPHISTOPHELES:
  Vorbei! ein dummes Wort.
  Warum vorbei?
  Vorbei und reines Nicht, vollkommnes Einerlei!
  Was soll uns denn das ew'ge Schaffen!
  Geschaffenes zu nichts hinwegzuraffen!
  "Da ist's vorbei!" Was ist daran zu lesen?
  Es ist so gut, als wär' es nicht gewesen,
  Und treibt sich doch im Kreis, als wenn es wäre.
  Ich liebte mir dafür das Ewig-Leere.

Grablegung

  LEMUR—SOLO:
  Wer hat das Haus so schlecht gebaut,
  Mit Schaufeln und mit Spaten?

  LEMUREN—CHOR:
  Dir, dumpfer Gast im hänfnen Gewand,
  Ist's viel zu gut geraten.

  LEMUR—SOLO:
  Wer hat den Saal so schlecht versorgt?
  Wo blieben Tisch und Stühle?

  LEMUREN—CHOR:
  Es war auf kurze Zeit geborgt;
  Der Gläubiger sind so viele.

  MEPHISTOPHELES:
  Der Körper liegt, und will der Geist entfliehn,
  Ich zeig' ihm rasch den blutgeschriebnen Titel;—
  Doch leider hat man jetzt so viele Mittel,
  Dem Teufel Seelen zu entziehn.
  Auf altem Wege stößt man an,
  Auf neuem sind wir nicht empfohlen;
  Sonst hätt' ich es allein getan,
  Jetzt muß ich Helfershelfer holen.
  Uns geht's in allen Dingen schlecht!
  Herkömmliche Gewohnheit, altes Recht,
  Man kann auf gar nichts mehr vertrauen.
  Sonst mit dem letzten Atem fuhr sie aus,
  Ich paßt' ihr auf und, wie die schnellste Maus,
  Schnapps! hielt ich sie in fest verschloßnen Klauen.
  Nun zaudert sie und will den düstern Ort,
  Des schlechten Leichnams ekles Haus nicht lassen;
  Die Elemente, die sich hassen,
  Die treiben sie am Ende schmählich fort.
  Und wenn ich Tag' und Stunden mich zerplage,
  Wann? wie? und wo? das ist die leidige Frage;
  Der alte Tod verlor die rasche Kraft,
  Das Ob? sogar ist lange zweifelhaft;
  Oft sah ich lüstern auf die starren Glieder—
  Es war nur Schein, das rührte, das regte sich wieder.
  Nur frisch heran! verdoppelt euren Schritt,
  Ihr Herrn vom graden, Herrn vom krummen Horne,
  Von altem Teufelsschrot und—korne,
  Bringt ihr zugleich den Höllenrachen mit.
  Zwar hat die Hölle Rachen viele! viele!
  Nach Standsgebühr und Würden schlingt sie ein;
  Doch wird man auch bei diesem letzten Spiele
  Ins künftige nicht so bedenklich sein.
  Eckzähne klaffen; dem Gewölb des Schlundes
  Entquillt der Feuerstrom in Wut,
  Und in dem Siedequalm des Hintergrundes
  Seh' ich die Flammenstadt in ewiger Glut.
  Die rote Brandung schlägt hervor bis an die Zähne,
  Verdammte, Rettung hoffend, schwimmen an;
  Doch kolossal zerknirscht sie die Hyäne,
  Und sie erneuen ängstlich heiße Bahn.
  In Winkeln bleibt noch vieles zu entdecken,
  So viel Erschrecklichstes im engsten Raum!
  Ihr tut sehr wohl, die Sünder zu erschrecken;
  Sie halten's doch für Lug und Trug und Traum.
  Nun, wanstige Schuften mit den Feuerbacken!
  Ihr glüht so recht vom Höllenschwefel feist;
  Klotzartige, kurze, nie bewegte Nacken!
  Hier unten lauert, ob's wie Phosphor gleißt:
  Das ist das Seelchen, Psyche mit den Flügeln,
  Die rupft ihr aus, so ist's ein garstiger Wurm;
  Mit meinem Stempel will ich sie besiegeln,
  Dann fort mit ihr im Feuerwirbelsturm!
  Paßt auf die niedern Regionen,
  Ihr Schläuche, das ist eure Pflicht;
  Ob's ihr beliebte, da zu wohnen,
  So akkurat weiß man das nicht.
  Im Nabel ist sie gern zu Haus—
  Nehmt es in acht, sie wischt euch dort heraus.
  Ihr Firlefanze, flügelmännische Riesen,
  Greift in die Luft, versucht euch ohne Rast!
  Die Arme strack, die Klauen scharf gewiesen,
  Daß ihr die Flatternde, die Flüchtige faßt.
  Es ist ihr sicher schlecht im alten Haus,
  Und das Genie, es will gleich obenaus.

  HIMMLISCHE HEERSCHAR:
  Folget, Gesandte,
  Himmelsverwandte,
  Gemächlichen Flugs:
  Sündern vergeben,
  Staub zu beleben;
  Allen Naturen
  Freundliche Spuren
  Wirket im Schweben
  Des weilenden Zugs!

  MEPHISTOPHELES:
  Mißtöne hör' ich, garstiges Geklimper,
  Von oben kommt's mit unwillkommnem Tag;
  Es ist das bübisch-mädchenhafte Gestümper,
  Wie frömmelnder Geschmack sich's lieben mag.
  Ihr wißt, wie wir in tiefverruchten Stunden
  Vernichtung sannen menschlichem Geschlecht;
  Das Schändlichste, was wir erfunden,
  Ist ihrer Andacht eben recht.
  Sie kommen gleisnerisch, die Laffen!
  So haben sie uns manchen weggeschnappt,
  Bekriegen uns mit unsern eignen Waffen;
  Es sind auch Teufel, doch verkappt.
  Hier zu verlieren, wär' euch ew'ge Schande;
  Ans Grab heran und haltet fest am Rande!

  CHOR DER ENGEL:
  Rosen, ihr blendenden,
  Balsam versendenden!
  Flatternde, schwebende,
  Heimlich belebende,
  Zweigleinbeflügelte,
  Knospenentsiegelte,
  Eilet zu blühn.
  Frühling entsprieße,
  Purpur und Grün!
  Tragt Paradiese
  Dem Ruhenden hin.

  MEPHISTOPHELES:
  Was duckt und zuckt ihr? ist das Höllenbrauch?
  So haltet stand und laßt sie streuen.
  An seinen Platz ein jeder Gauch!
  Sie denken wohl, mit solchen Blümeleien
  Die heißen Teufel einzuschneien;
  Das schmilzt und schrumpft vor eurem Hauch.
  Nun pustet, Püstriche!—Genug, genug!
  Vor eurem Broden bleicht der ganze Flug.—
  Nicht so gewaltsam! schließet Maul und Nasen!
  Fürwahr, ihr habt zu stark geblasen.
  Daß ihr doch nie die rechten Maße kennt!
  Das schrumpft nicht nur, es bräunt sich, dorrt, es brennt!
  Schon schwebt's heran mit giftig klaren Flammen;
  Stemmt euch dagegen, drängt euch fest zusammen!—
  Die Kraft erlischt! dahin ist aller Mut!
  Die Teufel wittern fremde Schmeichelglut.

  CHOR DER ENGEL:
  Blüten, die seligen,
  Flammen, die fröhlichen,
  Liebe verbreiten sie,
  Wonne bereiten sie,
  Herz wie es mag.
  Worte, die wahren,
  äther im Klaren,
  Ewigen Scharen
  überall Tag!

  MEPHISTOPHELES:
  O Fluch! o Schande solchen Tröpfen!
  Satane stehen auf den Köpfen,
  Die Plumpen schlagen Rad auf Rad
  Und stürzen ärschlings in die Hölle.
  Gesegn' euch das verdiente heiße Bad!
  Ich aber bleib' auf meiner Stelle.—
  Irrlichter, fort! Du, leuchte noch so stark,
  Du bleibst, gehascht, ein ekler Gallert-Quark.
  Was flatterst du? Willst du dich packen!—
  Es klemmt wie Pech und Schwefel mir im Nacken.

  CHOR DER ENGEL:
  Was euch nicht angehört,
  Müsset ihr meiden,
  Was euch das Innre stört,
  Dürft ihr nicht leiden.
  Dringt es gewaltig ein,
  Müssen wir tüchtig sein.
  Liebe nur Liebende
  Führet herein!

  MEPHISTOPHELES:
  Mir brennt der Kopf, das Herz, die Leber brennt,
  Ein überteuflisch Element!
  Weit spitziger als Höllenfeuer!—
  Drum jammert ihr so ungeheuer,
  Unglückliche Verliebte! die, verschmäht,
  Verdrehten Halses nach der Liebsten späht.
  Auch mir! Was zieht den Kopf auf jene Seite?
  Bin ich mit ihr doch in geschwornem Streite!
  Der Anblick war mir sonst so feindlich scharf.
  Hat mich ein Fremdes durch und durch gedrungen?
  Ich mag sie gerne sehn, die allerliebsten Jungen;
  Was hält mich ab, daß ich nicht fluchen darf?—
  Und wenn ich mich betören lasse,
  Wer heißt denn künftighin der Tor?
  Die Wetterbuben, die ich hasse,
  Sie kommen mir doch gar zu lieblich vor!—
  Ihr schönen Kinder, laßt mich wissen:
  Seid ihr nicht auch von Luzifers Geschlecht?
  Ihr seid so hübsch, fürwahr ich möcht' euch küssen,
  Mir ist's, als kämt ihr eben recht.
  Es ist mir so behaglich, so natürlich,
  Als hätt' ich euch schon tausendmal gesehn;
  So heimlich-kätzchenhaft begierlich;
  Mit jedem Blick aufs neue schöner schön.
  O nähert euch, o gönnt mir einen Blick!

  ENGEL:
  Wir kommen schon, warum weichst du zurück?
  Wir nähern uns, und wenn du kannst, so bleib!

  MEPHISTOPHELES:
  Ihr scheltet uns verdammte Geister
  Und seid die wahren Hexenmeister;
  Denn ihr verführet Mann und Weib.—
  Welch ein verfluchtes Abenteuer!
  Ist dies das Liebeselement?
  Der ganze Körper steht in Feuer,
  Ich fühle kaum, daß es im Nacken brennt.—
  Ihr schwanket hin und her, so senkt euch nieder,
  Ein bißchen weltlicher bewegt die holden Glieder;
  Fürwahr, der Ernst steht euch recht schön;
  Doch möcht' ich euch nur einmal lächeln sehn!
  Das wäre mir ein ewiges Entzücken.
  Ich meine so, wie wenn Verliebte blicken:
  Ein kleiner Zug am Mund, so ist's getan.
  Dich, langer Bursche, dich mag ich am liebsten leiden,
  Die Pfaffenmiene will dich gar nicht kleiden,
  So sieh mich doch ein wenig lüstern an!
  Auch könntet ihr anständig-nackter gehen,
  Das lange Faltenhemd ist übersittlich—
  Sie wenden sich—von hinten anzusehen!—
  Die Racker sind doch gar zu appetitlich!

  CHOR DER ENGEL:
  Wendet zur Klarheit
  Euch, liebende Flammen!
  Die sich verdammen,
  Heile die Wahrheit;
  Daß sie vom Bösen
  Froh sich erlösen,
  Um in dem Allverein
  Selig zu sein.

  MEPHISTOPHELES:
  Wie wird mir!—Hiobsartig, Beul' an Beule
  Der ganze Kerl, dem's vor sich selber graut,
  Und triumphiert zugleich, wenn er sich ganz durchschaut,
  Wenn er auf sich und seinen Stamm vertraut;
  Gerettet sind die edlen Teufelsteile,
  Der Liebespuk, er wirft sich auf die Haut;
  Schon ausgebrannt sind die verruchten Flammen,
  Und wie es sich gehört, fluch' ich euch allzusammen!

  CHOR DER ENGEL:
  Heilige Gluten!
  Wen sie umschweben,
  Fühlt sich im Leben
  Selig mit Guten.
  Alle vereinigt
  Hebt euch und preist!
  Luft ist gereinigt,
  Atme der Geist!

  MEPHISTOPHELES:
  Doch wie?—wo sind sie hingezogen?
  Unmündiges Volk, du hast mich überrascht,
  Sind mit der Beute himmelwärts entflogen;
  Drum haben sie an dieser Gruft genascht!
  Mir ist ein großer, einziger Schatz entwendet:
  Die hohe Seele, die sich mir verpfändet,
  Die haben sie mir pfiffig weggepascht.
  Bei wem soll ich mich nun beklagen?
  Wer schafft mir mein erworbenes Recht?
  Du bist getäuscht in deinen alten Tagen,
  Du hast's verdient, es geht dir grimmig schlecht.
  Ich habe schimpflich mißgehandelt,
  Ein großer Aufwand, schmählich! ist vertan;
  Gemein Gelüst, absurde Liebschaft wandelt
  Den ausgepichten Teufel an.
  Und hat mit diesem kindisch-tollen Ding
  Der Klugerfahrne sich beschäftigt,
  So ist fürwahr die Torheit nicht gering,
  Die seiner sich am Schluß bemächtigt.

Bergschluchten

  CHOR UN ECHO:
  Waldung, sie schwankt heran,
  Felsen, sie lasten dran,
  Wurzeln, sie klammern an,
  Stamm dicht an Stamm hinan,
  Woge nach Woge spritzt,
  Höhle, die tiefste, schützt.
  Löwen, sie schleichen stumm-+
  freundlich/ um uns herum,
  Ehren geweihten Ort,
  Heiligen Liebeshort.

  PATER ECSTATICUS:
  Ewiger Wonnebrand,
  Glühendes Liebeband,
  Siedender Schmerz der Brust,
  Schäumende Gotteslust.
  Pfeile, durchdringet mich,
  Lanzen, bezwinget mich,
  Keulen, zerschmettert mich,
  Blitze, durchwettert mich!
  Daß ja das Nichtige
  Alles verflüchtige,
  Glänze der Dauerstern,
  Ewiger Liebe Kern.

  PATER PROFUNDUS:
  Wie Felsenabgrund mir zu Füßen
  Auf tiefem Abgrund lastend ruht,
  Wie tausend Bäche strahlend fließen
  Zum grausen Sturz des Schaums der Flut,
  Wie strack mit eignem kräftigen Triebe
  Der Stamm sich in die Lüfte trägt:
  So ist es die allmächtige Liebe,
  Die alles bildet, alles hegt.
  Ist um mich her ein wildes Brausen,
  Als wogte Wald und Felsengrund,
  Und doch stürzt, liebevoll im Sausen,
  Die Wasserfülle sich zum Schlund,
  Berufen, gleich das Tal zu wässern;
  Der Blitz, der flammend niederschlug,
  Die Atmosphäre zu verbessern,
  Die Gift und Dunst im Busen trug—
  Sind Liebesboten, sie verkünden,
  Was ewig schaffend uns umwallt.
  Mein Innres mög' es auch entzünden,
  Wo sich der Geist, verworren, kalt,
  Verquält in stumpfer Sinne Schranken,
  Scharfangeschloßnem Kettenschmerz.
  O Gott! beschwichtige die Gedanken,
  Erleuchte mein bedürftig Herz!

  PATER SERAPHICUS:
  Welch ein Morgenwölkchen schwebet
  Durch der Tannen schwankend Haar!
  Ahn' ich, was im Innern lebet?
  Es ist junge Geisterschar.

  CHOR SELIGER KNABEN:
  Sag uns, Vater, wo wir wallen,
  Sag uns, Guter, wer wir sind?
  Glücklich sind wir: allen, allen
  Ist das Dasein so gelind.

  PATER SERAPHICUS:
  Knaben! Mitternachts-Geborne,
  Halb erschlossen Geist und Sinn,
  Für die Eltern gleich Verlorne,
  Für die Engel zum Gewinn.
  Daß ein Liebender zugegen,
  Fühlt ihr wohl, so naht euch nur;
  Doch von schroffen Erdewegen,
  Glückliche! habt ihr keine Spur.
  Steigt herab in meiner Augen
  Welt- und erdgemäß Organ,
  Könnt sie als die euren brauchen,
  Schaut euch diese Gegend an!
  Das sind Bäume, das sind Felsen,
  Wasserstrom, der abestürzt
  Und mit ungeheurem Wälzen
  Sich den steilen Weg verkürzt.

  SELIGE KNABEN:
  Das ist mächtig anzuschauen,
  Doch zu düster ist der Ort,
  Schüttelt uns mit Schreck und Grauen.
  Edler, Guter, laß uns fort!

  PATER SERAPHICUS:
  Steigt hinan zu höherm Kreise,
  Wachset immer unvermerkt,
  Wie, nach ewig reiner Weise,
  Gottes Gegenwart verstärkt.
  Denn das ist der Geister Nahrung,
  Die im freisten äther waltet:
  Ewigen Liebens Offenbarung,
  Die zur Seligkeit entfaltet.

  CHOR SELIGER KNABEN:
  Hände verschlinget
  Freudig zum Ringverein,
  Regt euch und singet
  Heil'ge Gefühle drein!
  Göttlich belehret,
  Dürft ihr vertrauen;
  Den ihr verehret,
  Werdet ihr schauen.

  ENGEL:
  Gerettet ist das edle Glied
  Der Geisterwelt vom Bösen,
  Wer immer strebend sich bemüht,
  Den können wir erlösen.
  Und hat an ihm die Liebe gar
  Von oben teilgenommen,
  Begegnet ihm die selige Schar
  Mit herzlichem Willkommen.

  DIE JÜNGEREN ENGEL:
  Jene Rosen aus den Händen
  Liebend-heiliger Büßerinnen
  Halfen uns den Sieg gewinnen,
  Uns das hohe Werk vollenden,
  Diesen Seelenschatz erbeuten.
  Böse wichen, als wir streuten,
  Teufel flohen, als wir trafen.
  Statt gewohnter Höllenstrafen
  Fühlten Liebesqual die Geister;
  Selbst der alte Satansmeister
  War von spitzer Pein durchdrungen.
  Jauchzet auf! es ist gelungen.

  DIE VOLLENDETEREN ENGEL:
  Uns bleibt ein Erdenrest
  Zu tragen peinlich,
  Und wär' er von Asbest,
  Er ist nicht reinlich.
  Wenn starke Geisteskraft
  Die Elemente
  An sich herangerafft,
  Kein Engel trennte
  Geeinte Zwienatur
  Der innigen beiden,
  Die ewige Liebe nur
  Vermag's zu scheiden.

  DIE JÜNGEREN ENGEL:
  Nebelnd um Felsenhöh'
  Spür' ich soeben,
  Regend sich in der Näh',
  Ein Geisterleben.
  Die Wölkchen werden klar,
  Ich seh' bewegte Schar
  Seliger Knaben,
  Los von der Erde Druck,
  Im Kreis gesellt,
  Die sich erlaben
  Am neuen Lenz und Schmuck
  Der obern Welt.
  Sei er zum Anbeginn,
  Steigendem Vollgewinn
  Diesen gesellt!

  DIE SELIGEN KNABEN:
  Freudig empfangen wir
  Diesen im Puppenstand;
  Also erlangen wir
  Englisches Unterpfand.
  Löset die Flocken los,
  Die ihn umgeben!
  Schon ist er schön und groß
  Von heiligem Leben.

  DOCTOR MARIANUS:
  Hier ist die Aussicht frei,
  Der Geist erhoben.
  Dort ziehen Fraun vorbei,
  Schwebend nach oben.
  Die Herrliche mitteninn
  Im Sternenkranze,
  Die Himmelskönigin,
  Ich seh's am Glanze.
  Höchste Herrscherin der Welt!
  Lasse mich im blauen,
  Ausgespannten Himmelszelt
  Dein Geheimnis schauen.
  Billige, was des Mannes Brust
  Ernst und zart beweget
  Und mit heiliger Liebeslust
  Dir entgegenträget.
  Unbezwinglich unser Mut,
  Wenn du hehr gebietest;
  Plötzlich mildert sich die Glut,
  Wie du uns befriedest.
  Jungfrau, rein im schönsten Sinn,
  Mutter, Ehren würdig,
  Uns erwählte Königin,
  Göttern ebenbürtig.
  Um sie verschlingen
  Sich leichte Wölkchen,
  Sind Büßerinnen,
  Ein zartes Völkchen,
  Um ihre Kniee
  Den äther schlürfend,
  Gnade bedürfend.
  Dir, der Unberührbaren,
  Ist es nicht benommen,
  Daß die leicht Verführbaren
  Traulich zu dir kommen.
  In die Schwachheit hingerafft,
  Sind sie schwer zu retten;
  Wer zerreißt aus eigner Kraft
  Der Gelüste Ketten?
  Wie entgleitet schnell der Fuß
  Schiefem, glattem Boden?
  Wen betört nicht Blick und Gruß,
  Schmeichelhafter Odem?

  CHOR DER BÜSSERINNEN:
  Du schwebst zu Höhen
  Der ewigen Reiche,
  Vernimm das Flehen,
  Du Ohnegleiche,
  Du Gnadenreiche!

  MAGNA PECCATRIX:
  Bei der Liebe, die den Füßen
  Deines gottverklärten Sohnes
  Tränen ließ zum Balsam fließen,
  Trotz des Pharisäerhohnes;
  Beim Gefäße, das so reichlich
  Tropfte Wohlgeruch hernieder,
  Bei den Locken, die so weichlich
  Trockneten die heil'gen Glieder—

  MULIER SAMARITANA:
  Bei dem Bronn, zu dem schon weiland
  Abram ließ die Herde führen,
  Bei dem Eimer, der dem Heiland
  Kühl die Lippe durft' berühren;
  Bei der reinen, reichen Quelle,
  Die nun dorther sich ergießet,
  überflüssig, ewig helle
  Rings durch alle Welten fließet—

  MARIA AEGYPTIACA:
  Bei dem hochgeweihten Orte,
  Wo den Herrn man niederließ,
  Bei dem Arm, der von der Pforte
  Warnend mich zurücke stieß;
  Bei der vierzigjährigen Buße,
  Der ich treu in Wüsten blieb,
  Bei dem seligen Scheidegruße,
  Den im Sand ich niederschrieb—

  ZU DREI:
  Die du großen Sünderinnen
  Deine Nähe nicht verweigerst
  Und ein büßendes Gewinnen
  In die Ewigkeiten steigerst,
  Gönn auch dieser guten Seele,
  Die sich einmal nur vergessen,
  Die nicht ahnte, daß sie fehlte,
  Dein Verzeihen angemessen!

  UNA POENITENTIUM, SONST GRETCHEN GENANNT:
  Neige, neige,
  Du Ohnegleiche,
  Du Strahlenreiche,
  Dein Antlitz gnädig meinem Glück!
  Der früh Geliebte,
  Nicht mehr Getrübte,
  Er kommt zurück.

  SELIGE KNABEN:
  Er überwächst uns schon
  An mächtigen Gliedern,
  Wird treuer Pflege Lohn
  Reichlich erwidern.
  Wir wurden früh entfernt
  Von Lebechören;
  Doch dieser hat gelernt,
  Er wird uns lehren.

  DIE EINE BÜSSERIN, SONST GRETCHEN GENANNT:
  Vom edlen Geisterchor umgeben,
  Wird sich der Neue kaum gewahr,
  Er ahnet kaum das frische Leben,
  So gleicht er schon der heiligen Schar.
  Sieh, wie er jedem Erdenbande
  Der alten Hülle sich entrafft
  Und aus ätherischem Gewande
  Hervortritt erste Jugendkraft.
  Vergönne mir, ihn zu belehren,
  Noch blendet ihn der neue Tag.

  MATER GLORIOSA:
  Komm! hebe dich zu höhern Sphären!
  Wenn er dich ahnet, folgt er nach.

  DOCTOR MARIANUS:
  Blicket auf zum Retterblick,
  Alle reuig Zarten,
  Euch zu seligem Geschick
  Dankend umzuarten.
  Werde jeder beßre Sinn
  Dir zum Dienst erbötig;
  Jungfrau, Mutter, Königin,
  Göttin, bleibe gnädig!

  CHORUS MYSTICUS:
  Alles Vergängliche
  Ist nur ein Gleichnis;
  Das Unzulängliche,
  Hier wird's Ereignis;
  Das Unbeschreibliche,
  Hier ist's getan;
  Das Ewig-Weibliche
  Zieht uns hinan.