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Gilder wußte, als es ihm ausgerichtet wurde, warum sein Chef ihn zu sehen wünschte. Obwohl es ihm nicht an Mut fehlte, kostete es ihn doch einige Überwindung, der Aufforderung sofort nachzukommen.
»Gilder, was bedeutet dieser Kauf der Red Farm?« fragte Gine ohne Umschweife.
»Warum sollte ich sie nicht kaufen?«
»Ich habe ja auch nichts dagegen, nur berührt es mich seltsam, daß Sie nicht eine Silbe darüber verlauten ließen.«
»Es ist gar nicht seltsam. Ich befürchtete, daß Sie meinem Plan nicht sehr gewogen sein würden, denn Arbeitgeber pflegen es nicht gern zu sehen, wenn sich Angestellte in ihrer Nähe niederlassen. Monatelang habe ich in einem Häuschen bei Chelfordbury gehaust, und manchmal war ich versucht, bei Ihnen vorzusprechen, doch hielt mich mein Instinkt davon ab, Ihnen gesellschaftlich nahezutreten. Sie haben mich in all den Jahren nicht ein einziges Mal aufgefordert, das Wochenende bei Ihnen zu verbringen. Nun, und darum sah ich auch keine Veranlassung, Sie über den Kauf zu informieren.«
»Und das Geld? Ich wußte nicht, daß es Ihnen so gut geht!«
»Warum sollte ich Sie über die Höhe meines Bankkontos orientieren?«
»Von Ihrem Gehalt, das - ich gebe es offen zu - nicht fürstlich ist, konnten Sie jedenfalls das Geld nicht zurücklegen, um die Farm zu kaufen. Und bauen wollen Sie ja auch.«
Als Antwort zog Gilder ein Lederportefeuille aus der Tasche, auf dem in goldenen Buchstaben der Name des Buchmachers stand, bei dem sein Chef die größten Sätze anlegte.
»Trebman -?« Arthur Gine furchte die Stirn. »Was hat das mit Ihrem Kauf zu tun?«
»Ich bin Trebman«, sagte der Bürovorsteher.
Gine stierte ihn an. Trebman! Der Buchmacher, dem er Tausende und aber Tausende bezahlt hatte!
»Dann ist das Geld - mein Geld?« stieß er nach einer Weile hervor.
»Ihr Geld? Wenn Trebman Ihre Wetten nicht angenommen hätte, so wäre irgendein anderer Buchmacher dazu bereit gewesen. Vor fünf Jahren beklagten Sie sich einmal, daß sich kein Buchmacher bereit fände, große Wetten noch fünf Minuten vor dem Rennen telegrafisch entgegenzunehmen. Dies gab mir zu denken, ich sah, daß Sie zu diesen ...«
»Dummköpfen«, warf der Anwalt ein.
»Nein - Pechvögeln gehören, die ungeachtet aller Verluste das Wetten nicht lassen können. So trat Trebman ins Leben und benachrichtigte Sie durch Prospekte, daß er jede Summe auf telegrafische Order annehmen würde. Wissen Sie, wieviel Sie in den letzten fünf Jahren verloren haben?« Der andere schüttelte bleich vor Wut den Kopf. »An Trebman allein dreiundsechzigtausend Pfund.«
Die Farbe kam und wich in Arthur Gines Gesicht. Trotzdem wußte er, daß sein Zorn unberechtigt war. Bisher war Trebman für ihn ein Name auf einem Depeschenformular gewesen, eine Adresse irgendwo im Westend, an die er seine verlustreichen Telegramme schickte. Nie hatte er sich dafür interessiert, wer der Mann sein mochte.
»Sie sind doch nicht etwa auch Rathburn & Co?« fragte er.
Zu seinem grenzenlosen Erstaunen nickte Gilder.
»Nicht nur Rathburn & Co, sondern auch Burton & Smith. Das heißt also, daß ich identisch bin mit den drei Buchmacherfirmen, an die Sie innerhalb der letzten fünf Jahre zirka dreißigtausend Pfund jährlich verloren. Machen Sie kein so finsteres Gesicht, Gine! Ich habe mir nichts vorzuwerfen, die paar Male, als Sie gewannen, ist Ihnen Ihr Gewinn korrekt ausbezahlt worden. Ich nahm das Risiko auf mich - mein Glück gegen das Ihrige. Als ich begann, setzte ich mein ganzes Vermögen, in jahrelangen Mühen ersparte dreitausend Pfund, aufs Spiel. Hätten Sie Glück gehabt, wäre ich ruiniert gewesen.«
»Sie haben absolut recht. Nur - ich muß diese Neuigkeit erst ein wenig verdauen!«
Er forschte in dem verschlossenen Gesicht Gilders, versuchte krampfhaft, seine Einschätzung dieses Mannes, in dem er bis jetzt nur einen gehobenen Angestellten gesehen hatte, zu berichtigen. Plötzlich kam ihm das Groteske der Sachlage zum Bewußtsein, und er lachte laut auf.
»Was werden Sie nun mit Ihrem Geld anfangen, Sie Krösus?«
»Mich auf dem Lande niederlassen und heiraten.«
»Ausgezeichnet!« lobte Arthur mit einem ironischen Unterton. »Und wer ist die glückliche Dame?«
»Ich habe die Absicht, mich mit Miss Leslie Gine zu vermählen.«
Nichts regte sich im Gesicht des Anwalts, nur ein böser Funke traf Gilder, der ein wenig erschrak. War er zu weit gegangen?
»Das ist sehr interessant.« Gine lächelte geheimnisvoll. »Sehr - unternehmungslustig von Ihnen, Gilder! Leider habe ich andere Pläne.« Er kam hinter dem Schreibtisch hervor und pflanzte sich, die Hände in den Hosentaschen, vor dem Bürovorsteher auf. »Was würden Sie übrigens für das Privilegium, mein Schwager zu sein, zahlen?«
»Die Hälfte Ihrer Rennverluste aus den letzten fünf Jahren.«
»Das langt nicht!«
»Die Löschung der vier auf Lord Alford gezogenen, unterschriebenen Wechsel, bei denen seine Unterschrift ausnahmslos gefälscht ist ...« Und als Arthur Gine mit kreidebleichem Gesicht zurückfuhr: »Mit anderen Worten, Gine - fünfundsiebzigtausend Pfund oder fünf Jahre Zuchthaus!«