IX.

Willst du wissen, wann ich für immer von dort wegging, Michael?

Es war ein heller Tag, die Himmelsdecke weit gewölbt. Mein Vater war geschäftlich in Wau. Wir waren erst seit einer Woche zurück in Marial Bai. Wieder legte ich gerade Holz aufs Feuer, als meine Mutter den Kopf hob. Sie kochte Wasser, und wieder hatte ich Feuerholz geholt. Ich sah, dass sie über meine Schulter blickte.

Sag mir, Michael, wo ist deine Mutter? Hast du sie je starr vor Entsetzen gesehen? Kein Kind sollte das sehen. Es ist das Ende der Kindheit, wenn du siehst, wie das Gesicht deiner Mutter erschlafft, die Augen tot. Dass sie allein schon durch den Anblick der nahenden Gefahr besiegt ist. Dass sie nicht glaubt, dich retten zu können.

– Oh Herr, sagte sie. Ihre Schultern sackten herab. Sie verschüttete heißes Wasser über meine Hand. Ich schrie kurz auf, doch dann hörte ich das Grollen.

– Was ist das?, fragte ich.

– Komm!, flüsterte sie. Ihr Blick huschte über den Hof. – Wo sind deine Schwestern?

Ich hatte nicht gesehen, was meine Mutter gesehen hatte. Aber jetzt war da dieses Geräusch. Ein Vibrieren unter den Füßen. Ich schaute mich nach meinen Schwestern um, aber ich wusste, dass sie am Fluss waren. Meine Brüder weideten das Vieh. Wo immer sie waren, entweder sie waren vor dem Grollen in Sicherheit, oder sie waren schon davon überrollt worden.

– Komm!, sagte sie wieder und zog mich mit. Wir rannten. Ich hielt ihre Hand, fiel aber dennoch zurück. Sie verlangsamte ihre Schritte und zog mich am Arm hoch. Sie schüttelte mich durch, warf mich schließlich über ihre Schulter und rannte weiter. Ich hielt die Luft an und hoffte, sie würde stehen bleiben. Und erst jetzt, als ich über ihre Schulter hing, sah ich, was sie gesehen hatte.

Es sah aus wie der Schatten, den eine lang gezogene Wolke wirft. Das Grollen kam von Pferden. Jetzt sah ich sie, Männer auf Pferden, die Finsternis über das Land brachten. Wir wurden langsamer, und meine Mutter sagte wieder etwas.

– Wo versteckst du dich?, hauchte sie.

– Kommt mit in den Wald, sagte eine Frauenstimme.

Ich wurde auf den Boden gestellt.

– Versteckt euch im Gras, sagte die Frau. – Von da können wir nach Palang laufen.

Wir kauerten im Gras neben der Frau, die uralt war und nach Fleisch roch. Ich erkannte, dass wir auf dem Weg zum Fluss waren, ganz in der Nähe lag der Hof meiner Tante. Wir waren gut versteckt, im Schatten und mitten in einem dichten Gestrüpp. Von unserem Versteck aus sahen wir zu, wie der Sturm über das Dorf hereinbrach. Alles war Staub. Auf manchen Pferden saßen zwei Männer. Sie ritten Kamele, zogen Karren hinter sich her. Ich hörte Gewehrfeuer hinter uns. Pferde preschten rechts und links von uns durchs Gras. Sie kamen von allen Seiten, strömten in der Mitte des Ortes zusammen. So stürmten die Murahilin ein Dorf, Michael. Sie umzingelten es und zerquetschten dann alles, was darin war.

– Letztes Mal waren es bloß zwanzig, sagte die Frau.

Jetzt waren es mindestens zweihundert, dreihundert oder noch mehr.

– Das ist das Ende, sagte meine Mutter. – Sie wollen uns alle töten. Achak, es tut mir so leid. Aber wir werden den Tag nicht überleben.

– Nein, nein, schimpfte die Frau. – Die wollen das Vieh. Das Vieh und Nahrungsmittel. Dann verschwinden sie wieder. Wir bleiben einfach hier.

In dem Moment begann die Schießerei. Die Gewehre sahen so aus wie die der Regierungssoldaten, wuchtig und schwarz. Der Himmel wurde von Gewehrfeuer zerrissen.

Das Popp-popp-popp kam aus jeder Ecke des Dorfes.

– Oh Gott. Oh Gott.

Jetzt weinte die Frau.

– Psst!, sagte meine Mutter, tastete nach der Hand der Frau und fand sie schließlich. Dann versuchte sie die Frau leise zu beruhigen. – Schschsch.

Ein Pferd mit zwei Männern darauf galoppierte an uns vorbei. Der zweite Mann ritt rückwärts und schwenkte sein Gewehr von rechts nach links.

– Allah Akhbar!, schrie er.

Ein Dutzend Stimmen antworteten ihm.

– Allah Akhbar!

Ein Mann entzündete eine Fackel und warf sie auf das Dach des Hospitals. Ein anderer Mann, der ein großes schwarzes Pferd ritt, machte irgendeine kleine, rundliche Waffe fertig und warf sie in die Episkopalkirche. Eine Explosion zersplitterte die Wände und zerstörte das Dach.

Als ich daran dachte, Ausschau nach Amath zu halten, sah ich, wie die Reiter ihre Hütte einkreisten. Vier Pferde trugen sechs Männer. Sie bewachten die Hütte von allen Seiten und warfen dann eine Fackel. Das Dach glimmte kurz auf und wurde dann schwarz. Schließlich brach das Feuer aus, sprang zuerst hoch, um gleich darauf nach unten zu kriechen. Brauner Rauch quoll hervor. Eine Gestalt tauchte auf, ein junger Mann, die Hände kapitulierend erhoben. Um den Hof herum knallten Gewehre, und die Brust des Mannes zerbarst in Rot. Er fiel, und keiner verließ mehr die Hütte. Die Schreie begannen kurz danach.

– Achak.

Meine Mutter war hinter mir. Ihr Mund war ganz nah an meinem Ohr.

– Achak. Sieh mich an.

Ich schaute ihr in die Augen. Es war so schwer, Michael. Sie hatte keine Hoffnung. Sie glaubte, wir würden an diesem Tag sterben. In ihren Augen war kein Licht.

– Ich kann dich nicht schnell genug tragen. Verstehst du?

Ich nickte.

– Also musst du selbst laufen. Ja? Ich weiß, dass du schnell bist.

Ich nickte. Ich glaubte, dass wir überleben könnten. Dass ich es könnte.

– Aber wenn du mit deiner Mutter zusammen läufst, sehen sie dich. Verstehst du? Deine Mutter ist sehr groß, und die Reiter werden sie sehen, ja?

– Ja.

– Wir werden zum Hof deiner Tante laufen, aber es kann sein, dass ich dich allein weiterschicke. Vielleicht ist es besser für dich, wenn du allein läufst.

Ich stimmte ihr zu, und wir liefen weiter Richtung Fluss, auf den Hof meiner Tante zu, weit weg vom Ortszentrum und weit weg vom Viehcamp und überhaupt weit weg von allem, was die Reiter vielleicht haben wollten. Ich lief hinter meiner Mutter, sah, wie ihre nackten Füße auf den Boden klatschten. Ich hatte meine Mutter noch nie so laufen sehen, und ich bekam Angst. Sie war eine langsame Läuferin, und sie war zu groß, wenn sie lief. In ihrem gelben Kleid und so langsam, wie sie lief, würde sie gesehen werden, und ich wollte sie möglichst schnell verstecken.

Das laute Trommeln von Hufen, und plötzlich war ein einzelner Mann vor uns, der sein Gewehr erhoben hatte, sein Pferd zügelte und zu uns herabblickte.

– Stehen bleiben, Dinka!, bellte er auf Arabisch.

Meine Mutter blieb wie erstarrt stehen. Ich versteckte mich hinter ihren Beinen. Das Gewehr des Mannes war noch immer erhoben, zeigte in die Luft. Ich beschloss wegzurennen, falls er das Gewehr senkte. Der Reiter schrie etwas in die Richtung, aus der er gekommen war, und zeigte auf mich und meine Mutter. Ein anderer Reiter kam angaloppiert, wurde langsamer und machte Anstalten abzusteigen. Und dann rettete uns etwas. Er blieb mit dem Fuß hängen, und während er versuchte, ihn zu befreien, löste sich ein Schuss aus seinem Gewehr und traf sein Pferd ins Vorderbein. Das Tier schrie auf, fuhr herum und tat einen Satz nach vorne. Der Mann wurde umgerissen wie eine Puppe, weil er noch immer in dem Gewirr aus Zügeln und Gewehrgurt verheddert war. Der erste Reiter sprang ab, um ihm zu helfen, und in dem Augenblick, als er uns den Rücken zuwandte, waren meine Mutter und ich verschwunden.

Kurz darauf erreichten wir den Hof meiner Tante Marayin. Hier war alles ruhig. Der Lärm des Angriffs klang fern, gedämpft. Marayin war nirgends zu sehen.

Wir liefen die Leiter zu ihrer Getreidehütte hoch, setzten uns in den Körnerberg, gruben uns gegenseitig ein, deckten uns damit zu, sanken immer tiefer hinein. Der Blick meiner Mutter schoss hin und her.

– Ich weiß nicht, ob das klug ist, Achak.

Ein Schrei durchbohrte die Stille. Es war unverkennbar Marayins Stimme.

– Oh Gott. Oh Gott, flüsterte meine Mutter.

Sie vergrub den Kopf in den Händen. Kurz darauf hatte sie sich wieder im Griff.

– Okay. Bleib hier. Ich muss nachsehen, was mit ihr passiert. Ich gehe nicht weit weg. Okay? Wenn ich nichts sehen kann, komme ich sofort zurück. Du bleibst hier. Du bist ganz ganz leise, okay?

Ich nickte.

– Versprichst du mir, dass du kaum atmen wirst?

Ich nickte, hielt schon die Luft an.

– Braver Junge, sagte sie. Sie umfasste mein Gesicht mit einer Hand, dann schlüpfte sie rückwärts zur Tür hinaus. Ich hörte ihre Füße auf der Leiter, und als sie hinabstieg, spürte ich die Hütte leicht beben. Dann Ruhe. Ein Schuss fiel, ziemlich nah. Ein weiterer Schrei von Marayin. Dann Stille. Während ich wartete, grub ich mich tiefer ins Korn, bis ich bis zu den Schultern bedeckt war. Ich lauschte angespannt.

Füße scharrten über den Hof. Jemand war ganz nah. Aber so leise, so vorsichtig. Hoffnung keimte in mir auf: Es war meine Mutter. Leise schob ich mich aus dem Kornberg und kroch zum Eingang, um bereit zu sein, wenn sie die Arme nach mir ausstreckte. Ich spähte durch den Eingang nach draußen. Ich sah keine Bewegung, hörte aber noch immer die Schritte. Dann ein Geruch. So ähnlich wie der Geruch in der Kaserne, kompliziert und süßlich. Ich schlich wieder zurück ins Korn, und Michael, ich begreife nicht, dass ich so leise sein konnte. Dass ich keinen verräterischen Laut von mir gab. Dass dieser Mann mich nicht hörte. Es war Gott, der beschloss, dass die Bewegungen von Achak Deng in diesem Augenblick kein Geräusch machen sollten.

Als der Mann fort war, Michael, lief ich zur Kirche. Man hatte mir beigebracht, dass die Kirche immer sicher sei. Die Kirchenmauern waren stabil, und deshalb flüchtete ich mich dorthin. Sobald ich drin war, suchte ich mir ein sicheres Versteck, zumindest vorläufig. Ich verkroch mich im kühlen Schatten, unter einem zerbrochenen Tisch, wo ich stundenlang wartete. Durch ein mausegroßes Loch konnte ich das Dorf sehen, und ich habe hinausgeschaut, wenn ich es ertragen konnte.

Im Dorf begannen die Überfallenen zu lernen. Wer fortlief, wurde erschossen. Die Frauen und Kinder, die stehen blieben, wurden auf den Fußballplatz getrieben. Ein erwachsener Mann machte den Fehler, sich dieser Herde anzuschließen, und wurde erschossen. Wieder lernten die Überfallenen etwas: Erwachsene Männer sollten weglaufen oder kämpfen und getötet werden. Die Reiter hatten keine Verwendung für erwachsene Männer. Sie wollten die Frauen, die Jungen, die Mädchen, und die versammelten sie auf dem Fußballplatz, eingepfercht zwischen zwei Dutzend Reitern. Ansonsten schien das Tun der Reiter eine gewisse Ordnung zu haben. Einige hatten anscheinend die Aufgabe, alle Behausungen niederzubrennen, während andere wahllos durchs Dorf ritten, schossen, auf Arabisch herumbellten und jedem Impuls, jeder Eingebung nachgaben.

Der erwachsene Mann, der versucht hatte, sich der Gruppe von Frauen und Kindern auf dem Fußballplatz anzuschließen, war jetzt tot. Er wurde an den Füßen festgebunden und von zwei Pferden mitgeschleift. Viele von den Baggara fanden das lustig, und jetzt konnte ich mir vorstellen, was mit Joseph geschehen war.

Ein Mann mit einer anderen Art Gewehr, schlanker, dünner, mit längerem Lauf, sprang von seinem Pferd und fiel auf ein Knie. Er nahm ein fernes Ziel ins Visier und schoss. Er war zufrieden mit dem Ergebnis, zielte auf etwas anderes und schoss erneut. Diesmal brauchte er vier Schuss, ehe er lächelte.

Ein Reiter, der größer war als die anderen und ein weißes Gewand trug, hatte ein Schwert, das so lang war wie ich groß. Ich sah zu, als er eine Frau niederritt, die zum Wald laufen wollte, und dann sein Schwert in die Höhe hob. Ich blickte weg. Ich presste den Kopf auf den Boden und zählte bis zehn, und als ich wieder aufschaute, sah ich nur noch ihr blassblaues Kleid ausgebreitet auf der Erde.

Auf dem Fußballplatz hatte sich eine Horde Reiter versammelt. Zehn Männer waren abgestiegen und fesselten eine Gruppe von Mädchen. In dem Moment, als ich daran dachte, nach Amath Ausschau zu halten, erblickte ich sie. Sie stand mit ruhigem Gesicht da, die Hände auf dem Rücken gefesselt, die Beine locker zusammengebunden. Sechs Meter von ihr entfernt schleuderte eine junge Frau den Milizionären einen arabischen Fluch entgegen, den ich kannte. Sie trug ein leuchtend buntes Kleid, rot-weiß gemustert. Noch nie hatte ich gehört, dass eine Frau zu einem Mann sagt, er habe sexuelle Beziehungen mit einer Ziege gehabt, aber genau das sagte die Frau laut und deutlich zu den Plünderern. Daraufhin zog einer dieser Männer fast beiläufig sein Schwert und durchbohrte die Frau damit. Sie fiel, und die weißen Stellen ihres Kleides wurden rot.

Die übrigen Mädchen wurden eines nach dem anderen von jeweils zwei Männern hochgehoben und auf die Pferde gebunden. Sie warfen jedes Mädchen auf einen Sattel und banden sie mit einem Strick fest, wie man einen Teppich oder ein Bündel Feuerholz verschnüren würde. Ich sah, wie sie die Zwillinge nahmen, die ich kannte, Ahok und Awach Ugieth, und sie auf verschiedene Pferde banden. Die Mädchen weinten und griffen nacheinander, und als die Pferde sich bewegten, kamen Ahok und Awach sich für einen Moment so nahe, dass sie sich an den Händen halten konnten, und das taten sie dann.

Nach einer Stunde wurde es ruhiger. Diejenigen Dinka, die kämpfen konnten und wollten, hatten gekämpft und waren jetzt tot. Die Übrigen fesselte man nun, um sie in den Norden zu verschleppen. Der Überfall war fast abgeschlossen und war für die Murahilin gewiss ein Erfolg. Nicht einer aus ihren Reihen war verwundet worden. Ich hielt nach Moses und William K Ausschau, sah aber keinen von ihnen. Ich konnte Moses’ Hütte sehen, und am Eingang lag etwas, das aussah wie ein Mensch.

Aber dann fiel aus einem Baum ein Schuss, und ein Reiter, der dunklere Haut hatte als die meisten Murahilin, kippte auf seinem Pferd nach vorn und glitt dann langsam aus dem Sattel, um schließlich hart mit dem Kopf auf der Erde aufzuschlagen, weil er mit einem Fuß im Steigbügel hängen geblieben war. Sogleich umzingelten zehn Reiter den Baum. Ein rascher, wutschäumender Wortwechsel auf Arabisch. Sie hoben die Gewehre und feuerten in wenigen Sekunden bestimmt zwei Dutzend Schüsse ab, bis ein Mann aus dem Baum stürzte und schwer auf der Schulter landete, tot. Er trug die orangefarbene Uniform der Miliz von Manyok Bol. Ich sah genauer hin. Es war Manyok Bol. Er war an diesem Tag der einzige Rebell, Michael. Später erfuhr ich, dass man ihn in sechs Teile zerhackte und in den Brunnen meines Vaters warf.

– Steh auf!

Ich hörte eine Stimme, die ich kannte. Ich wandte mich um und sah einen Jungen bei einem Körper stehen, der vor der Hütte seines Onkels lag – es war eine Frau, die da auf dem Boden lag, und sie hatte die Arme angelegt, die Fäuste geballt.

– Steh auf!

Es war Moses. Er stand über die Frau gebeugt, die seine Mutter war. Seine Mutter war in der Hütte angezündet worden. Sie war entkommen, aber sie bewegte sich nicht, und Moses war zornig. Er stieß sie mit dem Fuß an. Er war nicht bei Sinnen. Ich konnte aus der Entfernung sehen, dass sie tot war.

– Hoch mit dir!, schrie er.

Ich wollte zu Moses laufen, ihn bei mir in der Kirche verstecken, aber ich hatte zu viel Angst, mein Versteck zu verlassen. Es waren jetzt zu viele Reiter da, und wenn ich mich hinauswagte, würden wir ganz sicher beide geschnappt. Er jedoch stand einfach nur da, forderte es förmlich heraus, entdeckt zu werden, und ich wusste, dass er sich der Gefahren ringsherum nicht mehr bewusst war. Ich musste zu ihm laufen, und ich beschloss, es zu tun und die Konsequenzen auf mich zu nehmen. Wir würden zusammen weglaufen. Doch im selben Moment sah ich, wie er sich umwandte, und ich sah, was er sah: einen Reiter, der geradewegs auf ihn zukam. Ein Mann saß hoch auf dem Rücken eines wilden schwarzen Tieres, und er ritt auf Moses zu, der im Schatten des Pferdes fast aussah wie ein Säugling. Moses rannte weg und bog in Windeseile um die Überreste seines Zuhauses, der Reiter wendete, hatte jetzt ein Schwert hoch über den Kopf erhoben. Moses rannte, bis er an einem Zaun zu stehen kam, ohne Ausweg. Der Reiter griff an, und ich wandte mich ab. Ich setzte mich und wollte mich in die Erde unter der Kirche graben. Moses war nicht mehr.

Als die Dunkelheit hereinbrach, verließen viele Reiter den Ort. Einige transportierten ihre menschliche Beute, andere das, was sie aus den Häusern und vom Markt geplündert hatten. Aber noch immer waren Hunderte im Dorf, aßen und ruhten sich aus, während die verkohlten Reste der Hütten und Häuser schwelten. Von meinem Volk war niemand zu sehen. Alle waren entweder geflohen oder tot.

Als die Nacht kam, plante ich meine Flucht. Es musste dunkel genug sein, um im Schutz der Nacht nicht gesehen zu werden, und laut genug, damit jedes Geräusch, das ich vielleicht machen würde, überdeckt wurde. Als die Tiere den Wald übernahmen, wusste ich, dass ich nicht gehört werden würde. Das Gemeindezentrum von Marial Bai lag nur fünfzig Meter entfernt, und bis dahin musste ich es schaffen. Als ich dort war, warf ich mich im Schatten des jetzt schräg hängenden Dachs auf den Boden. Ich wartete mit angehaltenem Atem, bis ich sicher war, dass mich keiner gesehen oder gehört hatte. Dann war ich fort, verschwunden im Wald.

Das war das letzte Mal, dass ich mein Heimatdorf sah, Michael. Ich sprang in den Wald und rannte eine Stunde lang, bis ich schließlich einen hohlen Baumstamm fand und hineinkroch, rückwärts, mit den Beinen zuerst. So blieb ich einige Stunden liegen, lauschte, hörte, wie die Nacht von den Tieren erobert wurde, die fernen Feuer, das gelegentliche Rattern von Maschinengewehren. Ich hatte keinen Plan. Ich konnte weiterlaufen, aber ich hatte keine Ahnung, wo ich war oder wohin ich sollte. Ohne meinen Vater war ich nie weiter gekommen als bis zum Fluss, und jetzt war ich allein und abseits aller Wege, die ich kannte. Ich wäre vielleicht weitergelaufen, aber ich konnte mich nicht einmal für eine Richtung entscheiden, aus Angst, der Pfad, den ich mir aussuchte, würde mich direkt zu den Murahilin führen. Aber jetzt fürchtete ich mich nicht nur vor ihnen. Der Wald gehörte jetzt nicht mehr dem Menschen; er gehörte jetzt den Löwen, den Hyänen.

Ein lautes Knistern im Gras scheuchte mich aus meinem Baumstamm, und ich rannte weiter. Aber ich war zu laut. Während ich durchs Gras rannte, kam es mir vor, als forderte ich die Welt förmlich auf, mich zur Kenntnis zu nehmen, mich zu verschlingen. Ich versuchte, meine Füße leichter zu machen, konnte aber nicht sehen, wohin ich trat. Alles war schwarz, in jener Nacht schien kein Mond, und ich lief mit vor mir ausgestreckten Armen weiter.

Michael, du weißt nicht, was Dunkelheit ist, solange du nicht die Dunkelheit des Südsudan erlebt hast. Es gibt keine Städte in der Ferne, es gibt keine Straßenlampen, es gibt keine Straßen. Ohne Mondlicht hältst du dich selbst zum Narren. Du siehst Formen vor dir, die gar nicht da sind. Du willst glauben, dass du etwas siehst, aber du siehst nichts.

Nachdem ich stundenlang durch den Busch gestürzt war, sah ich in der Ferne orangenes Licht, ein Feuer. Ich kroch und schlängelte darauf zu. Ich war jetzt völlig erledigt. Ich blutete am ganzen Körper und hatte beschlossen, dass ich mich gefangen nehmen lassen würde, falls es ein Feuer der Baggara war. Ich würde gefesselt und in den Norden verschleppt worden, und es kümmerte mich nicht mehr. Das Dickicht unter mir wurde licht, und schon bald befand ich mich auf einem Pfad. Ich erhob mich zur vollen Gestalt eines Menschen und lief auf die orangefarbenen Flammen zu. Meine Kehle rasselte, und meine Rippen taten weh, und meine Füße schrien vor Schmerz von Dornen und dem harten Boden unter meinen Knochen. Ich lief leise, dankbar für das Schweigen der festen Erde unter den Füßen, und das Feuer kam näher. Ich hatte seit dem Morgen nichts mehr getrunken, aber ich wusste, dass ich um Wasser bitten konnte, wenn ich erst das Feuer erreicht hatte. Ich wurde langsamer, bis ich nur noch ging, aber mein Atem war so laut, dass ich die Geräusche von Peitschen und Lederriemen und Männern nicht hörte. Ich war so nah, dass ich den modrigen Geruch ihrer Kamele riechen konnte. Diese Männer waren nah beim Feuer, aber getrennt von denjenigen, die das Feuer in Gang hielten.

Ich duckte mich und hörte ihre Stimmen, ihre auf Arabisch gesprochenen Worte. Ich fiel auf die Knie und schob mich vorsichtig den Pfad entlang, wollte das Feuer finden, ehe die Stimmen mich fanden. Doch bald wusste ich, dass die Stimmen den Hütern des Feuers gehörten. Die Stimmen waren so nah am Feuer, dass das Feuer ein Murahilin-Feuer sein musste.

– Ist da wer?, fragte eine Stimme. Sie war so nah, dass ich zusammenzuckte.

Direkt über mir bewegte sich etwas, und jetzt konnte ich sie sehen, zwei Männer auf Kamelen. Die Tiere waren riesig, verdunkelten die Sterne. Die Männer trugen Weiß, und auf dem Rücken eines Mannes sah ich die scharfen Umrisse eines Gewehrs. Ich hielt die Luft an, machte aus mir eine Schlange und kroch rückwärts weg vom Pfad.

– Ist das ein Dinka-Junge?, sagte eine Stimme.

Ich lauschte, und die Männer lauschten.

– Ein Dinka-Junge oder ein Hase?, fragte dieselbe Stimme.

Ich schlich weiter weg, Zentimeter um Zentimeter, und meine Füße ertasteten den Weg hinter mir, bis sie gegen einen Stapel Stöcke stießen, die geräuschvoll in Bewegung kamen.

– Warte!, zischte einer.

Ich verharrte, und die Männer lauschten. Ich blieb auf dem Bauch liegen, mucksmäuschenstill, atmete in die Erde. Auch die Männer konnten ganz still sein. Sie warteten und lauschten, und ihre Kamele warteten und lauschten. Tage-und nächtelang herrschte vollkommene Stille.

– Dinka-Junge!

Der Mann sprach jetzt Dinka.

– Dinka-Junge, komm raus und trink einen Schluck Wasser.

Ich hielt den Atem an.

– Oder ist es ein Dinka-Mädchen?, sagte der andere.

– Komm raus und trink was, sagte der Erste.

Ich blieb noch einige Tage und Nächte dort, so kam es mir vor, ohne mich zu bewegen. Ich lag da, beobachtete die Silhouetten der Männer und ihrer Kamele. Eines der Kamele erleichterte sich auf dem Pfad, woraufhin die Männer wieder etwas sagten, diesmal auf Arabisch. Kurz darauf setzten sie sich in Bewegung. Sie bewegten sich langsam den Pfad hinunter, und ich rührte mich nicht. Nach ein paar Schritten blieben die Männer stehen. Sie hatten gedacht, ich würde mich bewegen, wenn sie sich bewegten, aber ich blieb weiter auf dem Bauch liegen, hielt die Luft an und presste das Gesicht in die Erde.

Endlich ritten sie davon.

Aber die Nacht wollte nicht enden.

Mir war klar, dass ich den Pfad verlassen musste, der jetzt ein Baggara-Pfad war. Ich lief weg vom Pfad, und danach purzelten die Stunden der Nacht übereinander, formlos und chaotisch. Meine Augen sahen, was sie sahen, und meine Ohren hörten meinen Atem und die Geräusche, die lauter alsmeinAtemwaren. Währendich rannte, überkamen mich in rascher Folge Gedanken, und in den Augenblicken dazwischen füllte ich meinen Kopf mit Gebeten. Behüte mich, Gott. Behüte mich, Gott meiner Ahnen. Sei still. Was ist das für ein Licht? Das Licht eines Dorfes? Nein. Bleib jetzt stehen. Da ist kein Licht. Zum Teufel mit deinen Augen! Zum Teufel mit deinem Atem! Still. Still. Gott, der du mein Volk bewahrst, ich flehe dich an, vertreibe die Murahilin. Still. Hinsetzen. Leise atmen. Leise atmen. Behüte mich, Gott, behüte meine Familie auf der Flucht. Du brauchst Wasser. Warte auf den Morgentau. Schlürfe Wasser von Blättern. Du musst schlafen. Oh Gott des Himmels, behüte mich heute Nacht. Halte mich verborgen, halte mich still. Weiterlaufen. Nein. Nein. Doch, lauf. Du musst zu Menschen laufen. Du musst laufen, Menschen finden, dann ausruhen. Jetzt laufen. Oh Gott des Regens, lass mich Wasser finden. Lass mich nicht verdursten. Still. Still. Oh Gott der Seele, warum tust du das? Ich habe doch nichts Böses getan. Ich bin bloß ein Junge. Bloß ein Junge. Würdest du das einem Lamm antun? Das ist ungerecht. Über Baumstamm springen. Ah! Schmerz. Was war das? Halt. Nein, nein. Immerzu laufen. Weiterlaufen. Ist das der Mond? Was ist das für ein Licht? Meine Ahnen! Nguet, Ariath Makuei, Jokluel, hört mich. Arou Aguet, höre mich. Jokmathiang, höre mich. Hört mich und erbarmt euch dieses Jungen. Hört Achak Deng und erlöst ihn. Ist das der Mond? Wo ist das Licht?

Mein eigener Atem war zu laut, jedes Luftholen ein gewaltiger Wind, ein stürzender Baum. Ich war mir meiner Atemzüge bewusst, wusste, wie laut sie waren, wenn ich rannte und wenn ich im Gras saß und wartete und um mich spähte. Ich hielt die Luft an, um das Geräusch zu unterdrücken, doch wenn ich den Mund wieder öffnete, war mein Atmen nur noch lauter. Es füllte meine Ohren und die Luft um mich herum, und ich war sicher, dass dies mein Ende bedeutete. Als mein Atem ruhiger wurde, und ich andere Laute hören konnte, vernahm ich bald eine Stimme, eine Dinka-Stimme, die ein Dinka-Lied sang.

Ich folgte dem Gesang.

Es war ein alter Mann, der da mit dünner, heiserer Stimme sang. Ich wurde nicht langsamer, als ich ihn erreichte, tauchte wie ein Tier aus dem Wald auf und rannte ihn fast über den Haufen.

Er kreischte auf. Ich kreischte auf. Er sah, dass ich ein kleiner Junge war, und hielt sich das Herz.

– Oh, hast du mich erschreckt!

Der Mann keuchte jetzt. Ich bat um Verzeihung.

– Das Rascheln im Gras klang wie eine Hyäne, Kind!

– Es tut mir sehr leid, Vater, sagte ich.

– Ich bin ein alter Mann. Ich verkrafte so etwas nicht.

– Es tut mir leid, wiederholte ich. – Sehr leid.

– Wenn ein Tier durch den Busch käme, müsste es mich bloß anhauchen, und schon wäre ich auf dem Weg in die nächste Welt. Ach, mein Junge!

Ich erzählte ihm, wo ich gewesen war und was ich gesehen hatte. Der Mann sagte, er würde mich mit zu sich nach Hause nehmen, wo ich bis Tagesanbruch in Sicherheit wäre, und dann würden wir überlegen, was als Nächstes geschehen sollte.

Wir gingen los, und während wir gingen, wartete ich darauf, dass mir Essen und Wasser angeboten wurden. Ich brauchte beides, hatte seit dem Morgen nichts gegessen und getrunken, hatte aber gelernt, niemals um etwas zu betteln. Jetzt wartete ich, dachte, dass der alte Mann mir eine Mahlzeit anbieten würde, weil ich ein kleiner Junge und mitten in der Nacht allein unterwegs war. Aber der Mann sang bloß leise und ging langsam den Weg entlang. Schließlich sprach er.

– Es ist lange her, dass die Löwenmenschen hierhergekommen sind. Da war ich noch sehr jung. Waren sie zu Pferd?

Ich nickte.

– Ja. Das sind Araber, die auf eine Stufe mit den Tieren herabgesunken sind. Sie sind wie der Löwe mit seinem Appetit auf rohes Fleisch. Das sind keine Menschen. Diese Löwenwesen lieben Krieg und Blut. Sie versklaven Menschen, und das ist gegen das Gesetz Gottes. Sie sind in Tiere verwandelt worden.

Der Mann ging eine Zeit lang schweigend weiter.

– Ich glaube, Gott sendet uns durch diese Löwenmenschen eine Botschaft. Das ist klar. Wir werden von Gott bestraft. Jetzt müssen wir herausfinden, warum Gott zornig ist. Das ist das Rätsel.

Ich wusste nicht, wohin mich der alte Mann führte, doch nach einer Weile sah ich in der Ferne ein kleines Feuer. Wir erreichten das Feuer und wurden von den Menschen dort freundlich begrüßt. Sie kannten den Alten und fragten mich, woher ich kam und was ich gesehen hatte. Ich erzählte es ihnen, und sie sagten, dass auch sie geflohen waren. Sie gaben mir Wasser, und ich betrachtete ihre Dinka-Gesichter, rot im Feuerschein, und ich dachte, dass diese Nacht das Ende der Welt war und dass es keinen Morgen mehr geben würde. Die roten Gesichter im Feuerschein waren Geister, und ich war tot, alle waren tot, die Nacht war ewig. Ich war zu müde, um es zu verstehen oder verstehen zu wollen. Ich schlief ein, inmitten ihrer Wärme und ihres Gemurmels.

Als ich im lila Licht des Morgengrauens erwachte, waren da vier Männer, alle bis auf einen schon älter, und zwei Frauen, von denen eine ein Baby stillte. Das Feuer war erloschen, und ich fühlte mich allein.

– Du bist wach, sagte einer der alten Männer. – Gut. Wir müssen bald weiter. Ich bin Jok.

Jok bestand nur aus Knochen und einem verschlissenen blauen Gewand. Er saß da, die Knie hoch neben den Ohren, die Hände schlaff auf den Knien. Eine der Frauen fragte mich, woher ich käme. Sie sprach in das Gesicht des nuckelnden Kindes. Ich antwortete, dass ich aus Marial Bai sei.

– Marial Bai! Du bist weit weg von zu Hause. Wer ist dein Vater?

Ich sagte ihr, dass mein Vater Deng Nyibek Arou sei.

Das weckte Joks Interesse.

– Das ist dein Vater, der Kaufmann?, fragte er.

Ich sagte ja.

– Und welcher Sohn bist du?, wollte er wissen.

Ich nannte meinen vollen Namen, Achak Nyibek Arou Deng. Der dritte Sohn der ersten Frau meines Vaters.

– Es tut mir leid, Achak Denk, sagte er. – Jemand aus deiner Familie ist tot. Ein Mann.

Jok und die beiden Frauen sagten alle, sie hätten etwas über die Familie des Kaufmanns mit dem Namen Deng Nyibek Arou gehört.

– Entweder dein Vater oder dein Onkel, sagte ein jüngerer Mann mit Brille. – Einer von ihnen ist tot.

– Ich denke, es war dein Vater, sagte die stillende Frau, die noch immer nicht von ihrem Baby aufsah. – Es war der reiche Mann.

– Nein, sagte der junge Mann, – ich bin fast sicher, es war der Bruder.

– Du wirst es noch früh genug erfahren, sagte die Mutter. – Wenn du nach Hause kommst. Ach, weine nicht. Es tut mir leid.

Sie streckte den Arm über die Asche des Feuers von letzter Nacht aus, um mich zu berühren, aber sie war zu weit weg. Ich beschloss, dass ich ihr nicht glauben würde, dass sie nichts über meinen Vater wusste. Ich wischte mir mit dem Handrücken die Nase und fragte, ob sie den Weg zurück nach Marial Bai kannten.

– Das ist ein halber Tag zu Fuß in diese Richtung, sagte Jok. – Aber du kannst da nicht hin. Die Reiter sind noch da. Sie sind überall. Bleib bei uns, oder geh mit Dut Majok. Der will näher ran, um rauszufinden, was los ist.

Ich erfuhr, dass der junge Mann mit Brille Dut Majok hieß. Ich erkannte in ihm den Lehrer von Marial Bai, den Lehrer der älteren Jungen, den Ehemann der Frau, mit der ich am Fluss gesprochen hatte. Er war selbst fast noch ein Junge.

Als der Tag anbrach, beschloss ich, mit Dut Majok zu gehen. Wir brachen auf, nachdem wir ein paar Nüsse und Okras gegessen hatten. Dut war nicht älter als zwanzig oder so, kleiner als der Durchschnitt und ein bisschen rundlich in der Bauchgegend. Sein Gesicht war klein, der Kopf saß dicht bei den Schultern. Er riss Blätter von den Bäumen, an denen wir vorbeikamen, zerrupfte sie in kleine Stücke und ließ sie ins Gras fallen. Ihn umgab ein Hauch von Gelehrtheit, und das lag nicht nur an seiner Brille. Er wirkte stärker an allem interessiert – an mir, meiner Familie, den Fußspuren, die wir gelegentlich entdeckten –, als ich das je bei irgendwem erlebt hatte.

– Warst du schon im Viehcamp?, fragte er.

– Nein.

– Wahrscheinlich noch zu jung. Wo warst du, als sie kamen?

– Zu Hause. Bei uns zu Hause.

– Dein Vater war ein kluger Mann. Ich habe ihn gemocht. Lustig, gescheit. Es tut mir sehr leid für dich. Hast du was von deiner Mutter gehört?

Ich schüttelte den Kopf.

– Tja. Das Dorf wurde diesmal vollständig niedergebrannt. Viele Frauen sind in ihren Hütten verbrannt. So machen die Murahilin das jetzt. Das ist neu. Die Höfe in eurer Nachbarschaft, wo die wohlhabenderen Leute wohnten, die großen Höfe – die brennen die Reiter am liebsten nieder. Wahrscheinlich ist eurer schon beim letzten Mal angezündet worden, nicht wahr? Ist sie weggelaufen?

– Ja, sagte ich.

– Vielleicht geht’s ihr ja gut. Bestimmt. Ist sie schnell?

Ich sagte nichts.

– Na ja, komm einfach mit, mein Sohn. Mal sehen, was wir rausfinden.

Die Sonne ging auf, während wir gingen, und stand schon hoch und klein am Himmel, als Dut auf einen Baum kletterte und mich hochzog. Von dort konnten wir in der Ferne die Lichtung von Marial Bai sehen. Drum herum war alles Staub.

– Okay. Sie sind noch da, sagte er. – Das da sind ihre Pferde und das Vieh, das sie gestohlen haben. Wo du Staub siehst, Achak, da sind die Murahilin. Wir werden eine ganze Weile nicht zurück in den Ort können. Morgen sehen wir wieder nach. Komm mit.

Ich kletterte hinter Dut den Baum hinunter und folgte ihm zurück in Richtung des Feuers, an dem wir geschlafen hatten. Wir waren etwa eine Stunde unterwegs, als Dut stehen blieb, sich fragend umschaute und dann unvermittelt eine völlig andere Richtung einschlug. Den ganzen Nachmittag über blieb er immer wieder stehen und schien im Kopf und mit beiden Händen irgendwelche Berechnungen anzustellen. Jedes Mal, wenn er mit seinen Berechnungen fertig war, wirkte er entschlossen und marschierte los, folgte voller Zuversicht dem neuen Kurs, während ich hinterdrein trottete. Dann, nachdem wir eine Weile im schwächer werdenden Licht unterwegs waren, begann das Ganze von vorn. Er blieb stehen, blickte zur Sonne, schaute sich um, machte seine Berechnungen mit den Händen und entschied sich für einen neuen Weg.

Die Sonne war schon untergegangen, als wir das Lager erreichten.

– Wo wart ihr zwei denn?, fragte die stillende Mutter.

– Ihr seid frühmorgens aufgebrochen!, lachte Jok.

Dut ging nicht darauf ein. – Die Baggara sind noch da, sagte er. – Morgen sehen wir wieder nach.

– Ihr habt euch verlaufen, sagte die Frau. – Du bist ein gebildeter Mann, aber du hast keinen Orientierungssinn!

Er tat das erbost ab. – Wo ist das Essen, Maria? Wie lange müssen wir warten? Gebt uns etwas zu essen und Wasser. Wir waren schließlich den ganzen Tag unterwegs.

In dieser Nacht schlief ich zusammen mit den Männern und Frauen unter einem Schutzdach, das sie gebaut hatten. In den frühen Morgenstunden hörte ich Laute wie die, die ich aus dem Haus meiner Stiefmutter gehört hatte, wenn mein Vater seine Nächte dort verbrachte. Ich hielt die Augen geschlossen und meinen Körper nah am Feuer. Kurz darauf, so kam es mir zumindest vor, wurde ich geweckt, der Himmel war schwach erhellt. Ich öffnete die Augen und blickte direkt in das Gesicht eines der alten Männer in der Gruppe, der zuvor nicht gesprochen hatte.

– Wir müssen jetzt aufstehen, Junge. Wie heißt du noch mal? Du bist der Sohn des verstorbenen Deng Nyibek Arou, Friede seiner Seele.

Die Stimme dieses Mannes war federleicht und zittrig.

– Achak, sagte ich.

– Verzeihung, Achak. Ich hätte es mir merken sollen.

Wir haben jetzt einen Plan. Du kommst mit uns. Wir tun uns mit einer anderen Gruppe zusammen, die letzte Nacht ganz in der Nähe geschlafen hat. Komm mit.

– Wo ist Dut?

– Er ist weggegangen. Das macht er schon mal. Komm mit.

Der zittrige Mann führte mich zu einer Lichtung, auf der sich eine Gruppe von etwa hundert Leuten versammelt hatte, Frauen und Kinder und alte Männer, inmitten einer bunten Mischung von Vieh – Ziegen, Hühner, über vierzig Kühe.

– Wir gehen nach Khartoum, sagte er.

Ich war sehr jung, Michael, aber selbst ich wusste, dass diese Idee der helle Wahnsinn war.

– Kommt Dut mit?, fragte ich.

– Dut ist fort. Dut würde die Idee nicht gefallen, aber Dut findet nicht mal aus seiner eigenen Hütte raus. Bei uns bist du sicherer.

– In Khartoum?

Ich dachte an den Mann ohne Hand.

– Da werden wir in Sicherheit sein, sagte die stillende Frau. – Komm mit uns. Du kannst mein Sohn sein.

Ich wollte nicht ihr Sohn sein.

– Aber warum denn nach Khartoum?, fragte ich. – Zu den Arabern? Wieso?

– Es sind schon viele Menschen nach Khartoum gegangen, sagte der alte Mann mit seiner federleichten Stimme. – Der Weg ist allen bekannt. Dort werden wir vor den Murahilin in Sicherheit sein. In den Lagern kriegen wir zu essen. Dort gibt es sichere Zufluchtsorte für Menschen wie uns, Menschen, die nicht kämpfen wollen. Wir werden dort bleiben, bis das alles hier vorbei ist.

Mir blieb keine andere Wahl als mit ihnen zu gehen. Ich hielt nicht viel von ihrem Plan, aber meine Beine schmerzten nach dem vielen Laufen zwei Nächte zuvor, und ich war froh, unter so vielen Menschen und nicht allein zu sein. Der dumpfe Geruch der Tiere tat mir wohl, und während wir gingen, hatte ich immer eine Hand auf einer ihrer Hinterbacken. Wir wanderten bis mittags, flüsterten, wenn nötig, versuchten, die Gegend ungesehen mit dem Vieh zu verlassen. Jok, der Anführer unserer Gruppe, war der Meinung, wenn wir erst über den Fluss und etwas weiter nördlich wären, hätten wir sicheres Gebiet erreicht. Es war eine sehr seltsame Strategie.

Bald begegnete uns ein Mann in der orangenen Uniform von Manyok Bols Miliz. Er betrachtete uns fassungslos.

– Wer seid ihr Leute? Wo wollt ihr hin?

– Nach Khartoum, sagte der alte Mann.

Daraufhin trat der Mann in Orange vor uns und verstellte uns den Weg.

– Seid ihr wahnsinnig? Wie wollt ihr denn mit vierzig Kühen bis Khartoum kommen? Wer hat sich das ausgedacht? Ihr werdet alle getötet. Nicht weit von hier sind Murahilin. Denen lauft ihr direkt in die Arme.

Der alte Mann schüttelte bedächtig den Kopf.

– Du bist derjenige, der Angst haben muss, sagte er. – Du hast ein Gewehr. Wir sind unbewaffnet. Uns werden sie nichts tun. Wir haben nichts mit dir zu schaffen.

– Gott steh euch bei, sagte der Mann in Orange.

– Ich glaube, das wird er, sagte der alte Mann.

Leise vor sich hin murmelnd entfernte der Mann in Orange sich und ging in die Richtung, aus der wir gekommen waren. Unsere Gruppe bewegte sich einen Moment lang weiter den Pfad entlang, bis von hinten laut die Stimme des Soldaten ertönte.

– In hundert Metern werdet ihr sie sehen. Hundert Meter entfernt von der Stelle, wo ihr jetzt steht, werdet ihr sterben.

Sofort blieb die Gruppe mit dem Vieh stehen, und die Alten begannen zu debattieren. Einige waren der Auffassung, dass wir unbehelligt bleiben würden, wenn wir friedlich vorbeizogen, dass es in Marial Bai nur deshalb Probleme gegeben habe, weil der Ort Kontakte zur SPLA hatte. Wenn unsere Gruppe sich von den Rebellen distanzierte und erklärte, dass wir nach Khartoum wollten, würde man uns passieren lassen. Andere hielten das für sinnlos, da die Murahilin weder der Regierung zur Treue verpflichtet waren noch einen Groll gegen die SPLA hegten – sie waren nur auf Vieh und Kinder aus. Die ganze Gruppe stand eine Weile auf dem Pfad herum, während die Alten debattierten und das Vieh graste, bis der Disput schließlich durch das Donnern von Hufen und einen näher kommenden Staubschleier beendet wurde.

Sekunden später fielen die Murahilin über uns her.

Die Gruppe zerstob in alle Richtungen. Ich folgte dem Mann, der am schnellsten aussah, als er ins Gras hechtete, unter ein dichtes Gebüsch robbte und sich hinter dicken Ästen und Zweigen verbarg. Der Mann neben mir war älter als mein Vater, sehr dünn, und auf seinen Armen standen die Adern deutlich hervor. Er trug einen großen weichen Hut, der seine Augen beschirmte.

– Armee, sagte der Hutmann und deutete mit dem Kinn auf die berittenen Männer. Es waren sieben Reiter, vier in traditioneller Baggara-Kleidung, drei in der Uniform der sudanesischen Armee. – Das verstehe ich nicht, sagte er.

Ein Großteil unserer Gruppe war mit dem Vieh auf dem Pfad geblieben und wurde jetzt von zwei uniformierten Soldaten bewacht. Die Gruppe stand schweigend da. Einen langen Augenblick lang sah es so aus, als würde gar nichts passieren. Vielleicht auch nur, weil alle Beteiligten darauf warteten, dass etwas passierte. Und dann passierte es. Einer der alten Männer rannte plötzlich in den Wald, schwerfällig und viel zu langsam. Zwei Soldaten sprangen von ihren Pferden und liefen lachend hinter ihm her. Schüsse fielen, und die Männer kehrten ohne den alten Mann zurück.

Einer der Regierungssoldaten drehte sich um und schien mich und den Hutmann direkt anzusehen. Wieder war mein Atem zu laut, meine Augen zu groß. Wir zogen beide den Kopf ein.

– Die sehen uns. Nichts wie weg, flüsterte ich.

Ohne Vorwarnung stand der Hutmann auf und hob kapitulierend die Arme.

– Komm her, abeed!, sagte der Soldat, der das arabische Wort für Sklave benutzte. Der Hutmann ging auf sie zu. Ich sah den Rücken des Mannes und die zwischen den Pferden zusammengetriebenen Kinder, Frauen und Tiere. Ich dachte an Amath und daran, wie sie dagestanden und ihr Schicksal hingenommen hatte, und auf einmal wurde ich wütend. Ich hätte mich in diesem Moment nicht bewegen sollen, aber meine Wut übermannte mich. Verdammt sollt ihr sein, dachte ich und rannte los. Ich drehte mich um und rannte, während sie hinter mir herschrien. – Abeed! Abeed! Verdammt sollt ihr sein, dachte ich im Laufen. Ich verdamme euch mit der Kraft Gottes und meiner Familie. Ich rechnete damit, jeden Moment erschossen zu werden, aber ich rannte. Verdammt seid ihr Männer. Verdammt seid ihr alle. Ich würde sterben, während ich sie verdammte, und Gott würde es verstehen, und diese Männer würden in alle Ewigkeit meinen Fluch hören.

Sie schossen zweimal auf mich, aber ich entkam und rannte weiter durch das Dickicht. Sie verfolgten mich nicht. Ich rannte durch das verblassende rosa Licht des Nachmittags und in den Abend hinein. Ich rannte durch den Busch, suchte nach meinen Leuten oder einem viel begangenen Weg, fand aber nichts, und als die Dunkelheit kam, verlor ich die Hoffnung, auf eine Straße oder einen Trampelpfad zu stoßen.

Aber dann traf ich doch noch auf einen Pfad. Als ich den Pfad fand, setzte ich mich hinter einen Baum in der Nähe, ruhte mich aus, beobachtete ihn, lauschte auf Stimmen und wartete ab, um mich zu vergewissern, dass er auch wirklich sicher war. Nach einer Weile hörte ich das schwere Atmen eines Mannes. Schon an seinem Atem konnte ich erkennen, dass es ein dicker Mann war, ein leidender Mann. Von meinem Baum aus sah ich ihn, ein dicker Dinka-Mann, der so ging, als hätte er ein klares Ziel vor Augen. Sein Rücken war gerade, und er schien jung zu sein. Er trug weiße Shorts und sonst nichts. Ich dachte, dieser Mann sei meine Rettung.

– Onkel!, sagte ich und lief zu ihm. – Entschuldige bitte!

Er wandte sich mir zu, aber sein Gesicht war ihm vom Schädel gerissen worden. Seine Haut war geschmolzen. Sie war nass und rosa, seine Augen quollen hervor. Er hatte die Lider verloren, die sie bedecken sollten.

Er schob sein Gesicht dicht an meines, das rohe Fleisch überall von roten Adern durchzogen.

– Was? Was ist? Starr mein Gesicht nicht so an.

Ich drehte mich um und wollte weglaufen, doch der Mann packte mich am Arm.

– Komm mit mir, Junge. Nimm das.

Er gab mir seinen Sack, der so viel wog wie ich. Ich versuchte, ihn zu halten, aber er fiel zu Boden. Der Mann schlug mich mit dem Handrücken aufs Ohr.

– Trag, ihn, Junge!

– Ich kann nicht. Ich will nicht, sagte ich.

Ich erklärte ihm, ich wolle nur zurück nach Marial Bai.

– Wozu? Damit sie dich umbringen? Was glaubst du, wo ich das herhabe? Was glaubst du, wo ich mein Gesicht verloren habe, du dummer Junge?

Jetzt erkannte ich den Mann. Es war Kolong Gar, der Soldat, der vor dem ersten Angriff desertiert war. Wir hatten von Amaths Baum aus gesehen, wie er darunter herlief und die Taschenlampen ihn verfolgten.

– Ich habe dich gesehen, sagte ich.

– Du hast gar nichts gesehen.

– Ich habe gesehen, wie du weggelaufen bist. Wir waren im Baum.

Das interessierte ihn nicht.

– Ich will, dass du mir ins Gesicht schaust, Junge. Das ist mir wichtig. Siehst du dieses Gesicht? Das war einmal das Gesicht eines Mannes, der zu vertrauensselig war. Siehst du, was mit einem Mann passiert, der zu vertrauensselig ist? Sag mir, was mit ihm passiert!

– Man nimmt ihm das Gesicht.

– Gut! Ja! Man hat mir das Gesicht genommen. Das ist gut ausgedrückt. Genau das habe ich verdient. Ich habe gesagt, ich sei ein Freund der Araber, und die Araber haben mich daran erinnert, dass wir keine Freunde sind und es nie sein werden. Ich habe in der Armee zusammen mit Arabern gedient, aber als die Rebellen sich erhoben, kannten mich die Araber nicht mehr. Sie wollten mich zurück in den Norden bringen, um mich zu töten. Das weiß ich. Und als ich die Armee verließ, haben sie mich verfolgt und aufgespürt und mein Gesicht ins Feuer gehalten. Dieses Gesicht soll allen Dinka eine Lehre sein, die meinen, wir könnten mit diesen Menschen zusammenleben.

Ich ließ den Sack fallen und rannte wieder los. Ich wusste, dass es unhöflich war, vor dem Mann ohne Gesicht wegzulaufen, aber ich dachte, Verdammt soll er sein. Nie zuvor hatte ich laut oder leise geflucht, aber jetzt tat ich es, wieder und wieder. Ich rannte, während er hinter mir herschrie, und rannte, während er mich verfluchte, und während ich rannte, verfluchte ich ihn und alles, was mir einfiel. Verdammt soll er sein, der Mann ohne Gesicht, und die Murahilin sollen verdammt sein und die Regierung soll verdammt sein und das Land soll verdammt sein und die Dinka mit ihren nutzlosen Speeren. Ich rannte über das Gras und durch ein Wäldchen und dann durch ein trockenes Flussbett, und im nächsten Wäldchen sah ich eine große Akazie, wie die, die ich mit William K und Moses geteilt hatte, und zwischen ihren Wurzeln entdeckte ich ein Loch, und in dieses Loch kroch ich und blieb darin liegen und lauschte auf meinen Atem. Ich war jetzt Experte darin, Löcher zum Schlafen zu finden. Der Dreck soll verdammt sein und die Würmer sollen verdammt sein und die Käfer sollen verdammt sein und die Moskitos sollen verdammt sein. Ich hatte mich nicht umgesehen, während ich rannte, und war mir nicht sicher, ob mich irgendwer verfolgte. Ich spähte aus der Dunkelheit des Lochs und sah nichts und hörte nichts, und bald senkten sich die schwarzen Flügel der Nacht herab, und ich war in der Finsternis, in dem Baum, nur mit meinen Augen und meinem Atem. In der Nacht erfüllten die Laute der Tiere die Luft, und ich stopfte mir kleine Steine in die Ohren, um die Laute auszublenden. Du Wald sollst verdammt sein und ihr Tiere sollt verdammt sein, jedes einzelne von euch.

Am Morgen erwachte ich und schüttelte die Steinchen aus meinem Kopf und stand auf und ging und rannte, und wenn ich ein Geräusch hörte oder eine Gestalt in der Ferne sah, kroch ich. Eine Woche oder länger rannte ich und kroch ich und ging ich. Ich begegnete Menschen meines Stammes und fragte sie, wo es nach Marial Bai ging. Manchmal wussten sie es, und oft wussten sie nichts. Ihr richtungslosen, hilflosen Menschen, verdammt sollt ihr sein. Manche Menschen, denen ich begegnete, waren aus der Gegend, andere kamen aus dem Norden, manche aus dem Süden. Alle waren in Bewegung. Wenn ich auf ein Dorf oder eine Siedlung stieß, hielt ich dort an und bat um Wasser, und sie sagten: »Hier bist du sicher, Junge, jetzt bist du sicher«, und dann schlief ich dort und wusste, dass ich nicht sicher war. Die Pferde und Gewehre und Hubschrauber kamen immer wieder. Ich fand keinen Ausweg aus diesem Ring, diesem Kreis, in dessen Mitte wir zerquetscht wurden, und keiner wusste, wann das Ende kommen würde. Ich blieb kurz bei einer alten Frau, der ältesten Frau, die ich je gesehen hatte, und sie saß da und kochte zusammen mit ihrer Enkelin, so alt wie ich, und die alte Frau sagte, das sei das Ende, das Ende sei nah, und ich solle einfach still sitzen, mit ihnen zusammen, und abwarten. Das sei das Ende der Dinka, sagte sie mit heiserer und schilfrohrdünner Stimme, aber wenn das der Wille der Götter und der Erde sei, dann sei es eben so. Ich nickte zu dem, was die Großmutter sagte, und schlief in ihren Armen, aber am Morgen verließ ich sie und rannte weiter. Ich rannte an Dörfern vorbei, die gewesen waren und jetzt nicht mehr waren, rannte an Bussen vorbei, die gebrannt hatten, während Hände und Gesichter an die Scheiben gepresst wurden. Ihr alle sollt verdammt sein. Die Lebenden verdammt, die Toten verdammt.

Im ersten Licht der Morgendämmerung rannte ich an einem Flugplatz vorbei, auf dem ich ein kleines weißes Flugzeug sah und eine Familie und einen Mann, der als ihr Repräsentant auftrat. Er trug ein seltsames Kleidungsstück, einen Anzug, wie ich später lernen sollte, und er hielt eine kleine schwarze Aktentasche in der Hand. Wenige Schritte hinter ihm war die Familie – ein Mann, eine Frau und ein fünfjähriges Mädchen, alle gut gekleidet, die Frau und das Kind saßen auf einem großen Koffer. Der Mann im Anzug, der Repräsentant, sprach aufgeregt auf den Piloten des Flugzeugs ein, der, wie ich sehen konnte, ein sehr kleiner Mann war, mit einer sehr viel helleren Haut als unsere.

– Das sind wichtige Leute!, sagte der Repräsentant.

Den Piloten beeindruckte das nicht.

– Dieser Mann ist Parlamentsmitglied!, sagte der Repräsentant.

Der Pilot kletterte ins Cockpit.

– Sie müssen sie mitnehmen!, schrie der Repräsentant.

Aber der Pilot nahm sie nicht mit. Er flog los, die Sonne im Rücken, und die Familie und ihr Repräsentant blieben auf dem Flugplatz zurück. Niemand war wichtig genug, um vor dem Krieg wegzufliegen, nicht in dieser Zeit.

Ich rannte weiter.

Weit Gegangen: Roman
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