© 2013 Annette Eickert

 

Alle Rechte vorbehalten

 

1. Auflage 2013

 

Covergestaltung: Annette Eickert

Coverbild: Annette Eickert / www.123.rf.com

 

Lektorat: Elke Krüßmann

 

 

 

Autorenwebsite: www.annette.eickert.info

Autorenblog: www.autorin-annetteeickert.de

 

 

 

Alle Personen und Namen innerhalb dieses Romans sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Annette Eickert

 

Kurzgeschichte

 

 

 

Der Kuss, der mein Leben veränderte

 

 

 

 

 

 

Ich wagte einen Blick auf die Uhr im Armaturenbrett. Drei Minuten vor sieben. Das bedeutete, die große Geburtstagsparty meiner besten Freundin Miriam würde ohne mich anfangen. Frustriert trat ich auf das Gaspedal. Doch die Landstraße war nass, glitschig und kurvig, sodass Schnellfahren nicht infrage kam. In der Stadt hatte es nicht nach Regen ausgesehen, jetzt schüttete es wie aus Kübeln. Das hatte mir noch gefehlt. Ein mulmiges Bauchgefühl sagte mir, dass der Tag genauso chaotisch enden würde, wie er angefangen hatte. Also Augen zu und durch.

Im Radio dudelte mein Lieblingslied, und ich konnte nicht widerstehen, in den schrägsten Tönen mitzuträllern.

„Fly me up on a silver wing. Past the black where the sirens siiinnnggg...“

Plötzlich rumpelte es unter mir. Es folgte ein ohrenquälendes Kratzen, und mein geliebter Fiat Punto neigte sich seitwärts. Ich stieg auf die Bremse. Nach mehreren Schlenkern über die Fahrbahn kam ich am Rand zum Stehen. Bevor ich ausstieg, ahnte ich bereits die Bescherung. Der linke Reifen war platt.

„Scheiße! Verdammt noch mal!“, fluchte ich Lady-unlike.

Um meinen Ärger zu steigern, prasselte mir der Regen ohne Rücksicht auf Verluste auf den Kopf. Ich benötigte keinen Spiegel, um zu wissen, dass meine Frisur sich auflöste, für dich ich extra zwei Stunden länger vor dem Spiegel verbracht hatte. Ganz zu schweigen von meinem Make-up. Rasch stieg ich wieder ins Auto und kramte mein Handy aus der Handtasche, die auf dem Beifahrersitz lag. Ein Blick aufs Display genügte, um festzustellen: Mitten in der Pampa gab es kein Netz. Schlimmer war nur die Tatsache, dass ich erst vor Kurzem den Ersatzreifen in meinen Keller geschleppt hatte, um der neuen Hundehalterung im Kofferraum Platz zu machen. Charly – mein Golden Retriever – war derzeit bei meiner Mutter untergebracht. Miriams Geburtstagsparty war schon lange geplant. Sie wohnte zwar nur 50 Kilometer von mir entfernt, aber es war ausgemacht, dass ich das Wochenende bei ihr verbringen sollte. Ohne Ersatzreifen gab es nur zwei Möglichkeiten: Entweder ich wartete im Auto, bis jemand vorbeikam, oder ich musste zur nächsten Notrufsäule laufen. Beide Optionen gefielen mir nicht. Dazu kam, dass die Landstraße nicht oft befahren wurde. Die meisten nahmen die Abkürzung über die Autobahn.

Hätte ich das doch auch gemacht.

Ich wollte dem Feierabendverkehr ausweichen und mich für die Landstraße entschieden. Nun saß ich hier fest, mitten im strömenden Regen und frustriert.

Nach einigen Überlegungen fiel meine Wahl auf die Notrufsäule. Ich schnappte mir die Handtasche, mein Handy und meinen dünnen Sommermantel, den ich mir über den Kopf zog, und stapfte auf zehn Zentimeter hohen Absätzen die Straße zurück. Vorher stellte ich das Warndreieck auf. Wenn mich nicht alles täuschte, war ich vor einigen Kilometern an einer Notrufsäule vorbeigefahren.

Ich litt, fluchte und fröstelte, als plötzlich jemand mit mir Mitleid zu haben schien. Wäre ich gläubig, hätte ich Gott gedankt. Autoscheinwerfer blitzten auf, und ich blieb in freudiger Erwartung stehen.

WUSCH. Eine Wagenladung Pfützenwasser traf mich von vorne, und ich konnte nur noch die roten Hecklichter verdammen.

Wie ein begossener Pudel stand ich da und sah dem Auto nach. Stinksauer zeigte ich dem Fahrer den Vogel, aber der war längst hinter der nächsten Kurve verschwunden. Vor mich hinfluchend lief ich weiter und verschwendete keinen Gedanken an mein tropfnasses Ich, ebenso wenig an mein teures, weinrotes Cocktailkleid. Es war dreckig und zu allem Überfluss war sogar ein Stück Saum aufgerissen. Nach einem weiteren Kilometer, der sich in den Schuhen wie eine Folter anfühlte, blitzten erneut Scheinwerfer auf. Dieses Mal würde ich mich nicht duschen lassen. Daher wählte ich die direkte und gefährlichste Art. Breitbeinig positionierte ich mich mitten auf der Straße und wartete.

Quietschend kam der LKW nur einen Meter vor mir zum Halten. Zum Glück hatten seine Bremsen nicht versagt, sonst wäre ich jetzt Mus, und irgendwer müsste mich von der Straße kratzen. Mein Herz schlug bis zum Hals und pumpte Adrenalin durch meine Adern.

„Lady, sind Sie lebensmüde?“

Die Fahrertür öffnete sich. Ein Mann stieg aus. Mit seiner Größe und den muskelbepackten Armen gab er eine stattliche Figur ab. Das änderte sich jedoch binnen eines Sekundenbruchteils. Seine dunklen Augen blitzten merkwürdig. Und wenn ich mich nicht täuschte, kräuselten sich seine Lippen zu einem hämischen Grinsen unter dem Vollbart. Die Verwandtschaft zwischen dem Mann und einem Bären kam mir in den Sinn. Meine Freude schlug augenblicklich in Angst um.

„Passen Sie gefälligst auf. Beinahe hätte ich Sie überfahren. Was stehen Sie auch mitten auf der Straße rum?“

Der LKW-Fahrer kam näher, und ich machte ein paar Schritte zurück. Das Auftreten des Mannes behagte mir gar nicht. Augenblicklich bereute ich meine Unerschrockenheit. Mein Herz schlug vor Angst schneller als der Takt eines Formel-Eins-Poliden. Vielleicht hatte ich auch einfach nur zu viele zweitklassige Horrorfilme gesehen. Dennoch konnte ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass mein eben noch neugeborener Mut völlig fehl am Platz gewesen war. Ein eiskalter Windhauch kroch in meine Glieder und ich begann zu schlottern.

„Lady, was ist los? Hat Ihnen noch niemand gesagt, dass Sie für diese Gegend unpassend gekleidet sind?“ Es folgte ein spöttisches Lachen.

Ich rang um Fassung. Bilder von vergewaltigten Frauen rasten an meinem inneren Auge vorbei. Ich brachte kein Wort über die Lippen. Als der Mann sich weitere Schritte näherte, trieb mich die Panik an. Mir entfuhr ein spitzer Schrei, ich machte auf dem Absatz kehrt und floh.

Ich warf den glitschnassen Mantel fort und versuchte, auf den Stöckelschuhen zu meinem Auto zurückzurennen. Das war einfacher gesagt als getan. Hinter mir rief der Mann noch etwas, aber ich war bereits zu weit entfernt, um ihn zu verstehen. Ehrlich gesagt wollte ich das auch nicht. Während ich wie von einer Tarantel gestochen davonstürmte, drehte ich mich um und verlor das Gleichgewicht. Schreiend fiel ich auf etwas Hartes, im nächsten Moment wurde mir schwarz vor den Augen.

Plötzlich war meine Angst verschwunden. Was auch immer geschehen war, ich konnte mich nicht erinnern. In meinem Kopf herrschte gähnende Leere. Doch langsam wuchs ein kleiner Gedanke. Zu diesem Gedanken gesellten sich ein Bild und ein Geruch. Beides war mir vertraut. Das Bild schenkte mir Geborgenheit. Vor mir tauchten glänzend blaue Augen auf. Sie spiegelten Besorgnis wider, aber auch einen Funken ungeheuerlicher Erleichterung. Um die Augen formte sich ein mir allzu bekanntes Gesicht. Schmale Wangen und ein Kinn mit dem typischen Drei-Tage-Bart. Volle Lippen verzogen sich zu einem Lächeln. Eine vorwitzige, blonde Haarsträhne fiel ihm in die Stirn und machte das Gesicht zu dem schönsten und faszinierendsten, welches ich kannte.

„Tassi, öffne die Augen. Bitte tu es für mich. Du bist jetzt in Sicherheit und auf dem Weg ins Krankenhaus. Du hattest verdammtes Glück im Unglück.“

Diese Stimme gehörte zu seinem Gesicht. Diese Stimme gehörte Simon. Simon, dem Mann den ich liebte.

Langsam öffnete ich die Augen und blinzelte. Es dauerte einen Moment, bis ich wieder einigermaßen klar sehen konnte. Dann schaute ich Simon direkt in die Augen. Er beugte sich direkt über mich.

„Endlich! Ich dachte schon, du wärst schlimmer verletzt, als du auf nichts reagiert hast.“

Verdutzt versuchte ich den Kopf zu drehen, um mich umzuschauen. Stattdessen begann mein Kopf höllisch zu hämmern, und ich stellte fest, dass ich in einer Halskrause feststeckte. Mein Körper fühlte sich schlapp an. Schließlich registrierte ich, dass ich mich in einem Krankenwagen befand.

Simon erkannte meine Verwirrtheit und erklärte mir, dass ich mit dem Auto von der Straße abgekommen, mich überschlagen und dann auf dem Dach liegend im Straßengraben gelandet war. Ein LKW-Fahrer hatte mich gefunden. Bis auf Prellungen und einer Gehirnerschütterung schien ich glimpflich davon gekommen zu sein.

Hieß das, ich hatte fantasiert, während ich bewusstlos gewesen war?

„Du darfst mir nie mehr so einen Schrecken einjagen, Tassi“, flüsterte er mir ins Ohr. „Ich dachte, du bist längst bei Miriam und feierst bis zum Abwinken. Jetzt bist du bei mir in guten Händen. Ich hatte schon den ganzen Tag ein komisches Gefühl. Als dann den Zentrale uns auf diesen Straßenabschnitt schickte, hatte ich Angst.“ Er machte eine kurze Pause und lächelte mich an. Seine Augen glänzten, als er die nächsten Worte aussprach. „Und, weißt du was … Tassi, ich liebe dich. Ich liebe dich über alles und möchte dich niemals verlieren. Du bist mein Ein und Alles.“

Diese drei Worte hatte ich immer von Simon hören wollen. Mein Herz wummerte aufgeregt in meiner Brust. Bisher war er stets der Meinung gewesen, es wären nur hohle Worte ohne Bedeutung. Es käme auf das Gefühl an. Man musste es leben und nicht einfach sagen. Doch jetzt nach zwei Jahren hatte er sie zum ersten Mal ausgesprochen. Es fühlte sich an wie ein Traum, nur das es kein Traum war. Meine Kopfschmerzen waren plötzlich vergessen.

Und ich liebe dich“, flüsterte ich.

Im nächsten Augenblick berührten sich unsere Lippen zu einem der zärtlichsten Küsse, die wir je miteinander geteilt hatten. Simon war über seinen Schatten gesprungen, hatte die drei berühmt-berüchtigten Worte zu mir gesagt und mir meine Angst genommen.

Unser Kuss im Krankenwagen war der Kuss, der mein Leben für immer veränderte. Nur zwei Wochen später machte Simon mir einen Heiratsantrag und ich nahm ihn überglücklich an.

 

 

 

E N D E

Der Kuss, der mein Leben veränderte
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