21

 

Eine blaßrosa Sonne ging soeben am Himmel auf, und Luke war gerade dabei, eine beschädigte Tonne Kühlflüssigkeit zu flicken, als die Rancor in großen Sätzen über die Ebene sprangen. Die Gruppe mühte sich seit knapp fünfzehn Minuten mit der Bergung der Ersatzteile ab, und Luke spürte, daß sie bald von hier verschwinden mußten. Gethzerions Sturmtruppen würden in spätestens einer halben Stunde eintreffen.

Chewbacca stieß ein Begrüßungsgeheul aus und 3PO schrie: »Oh, welch ein Glück, daß wir Sie gefunden haben!« Er drehte sich zu Chewie und R2 um: »Seht ihr, ich habe euch doch gesagt, daß ihnen nichts passiert ist. Seine Hoheit König Solo würde niemals zulassen, daß man ihn in die Luft jagt!« Sein Kopf fuhr wieder herum. »Aber was machen Sie hier draußen?«

»Wir sind abgesprungen, kurz bevor das Schiff abgeschossen wurde«, erklärte Luke. »Aber dabei ist einer der Behälter mit Kühlflüssigkeit geplatzt. Ich habe das Leck mit etwas Stahlband geflickt, aber der Klebstoff muß noch trocknen. Schön, daß ihr gekommen seid.«

»Ich habe Sie gefunden«, prahlte 3PO. »Dank meines überlegenen AA-Eins-Verbogehirns habe ich den imperialen Kode entschlüsseln können!« R2 quietschte indigniert, und 3PO fügte hinzu: »Natürlich auch mit R2s Hilfe. Wir waren auf dem Weg zur Stadt, um Sie zu warnen!«

Han knurrte und setzte sich auf die Tonne. »Uns zu warnen? Wovor, Herr Verbogehirn?«

»Gethzerion!« sagte 3PO. »Sie hat Ihnen eine Falle gestellt!«

»Ja, das haben wir schon bemerkt«, nickte Han, »als sie sie zuschnappen ließ.«

»Aber da ist noch mehr«, sagte 3PO. »Zeig ihnen die letzte Botschaft, R2.«

R2 trillerte, beugte sich auf dem Rancor nach vorn und aktivierte seinen Holoprojektor. Über dem schlammigen Uferboden erschienen zwei Bilder: Gethzerion und ein junger Offizier in der schiefergrauen Generalsuniform von Zsinjs Streitkräften.

»General Melvar«, sagte Gethzerion, »Sie können Zsinj melden, daß wir General Solo gefangengenommen haben und daß die Schwesternschaft im Gegenzug auf die Landung der versprochenen Fähre wartet.« Die alte Hexe stand schweigend da, mit vor dem Bauch gefalteten Händen. General Melvar betrachtete sie mit kalt glitzernden Augen und kratzte sein Kinn mit einem Platinfingernagel von der Form einer Kralle. Derartige Nagelimplantate waren teuer und schmerzhaft, und wer sie trug, fügte sich oft unabsichtliche Verletzungen zu. Wie General Melvars zernarbtes Gesicht bewies.

»Kriegsherr Zsinj hat sein Angebot noch einmal überdacht«, sagte Melvar und lächelte kalt. »Er möchte Ihnen sein Bedauern ausdrücken, weil er sich gezwungen sah, das Schiff abzuschießen, das von Ihrem Stützpunkt startete, aber jetzt, wo Solos Millennium Falke vernichtet ist, hat sich die Lage geändert. Es war doch Solos Schiff, das wir zerstört haben?«

Gethzerion nickte. Ihre Augen waren halb geschlossen, ausdruckslos.

»Wer war an Bord?« fragte Melvar mit drohend klingender Stimme.

»Sturmtruppen«, log Gethzerion. »Sie sahen, daß wir das Schiff reparierten, und versuchten, vor Abschluß der Reparaturen zu fliehen. Hätten Sie sie nicht getötet, hätte ich es getan.«

»Das dachte ich mir«, sagte Melvar triumphierend. »Obwohl ich zugeben muß, daß ich gehofft habe, Sie wären an Bord.« Er holte tief Luft. »Sie haben also General Solo und wollen ihn gegen eine Fähre eintauschen.«

Gethzerion nickte steif. Ihre dunkle Kapuze verbarg ihre Augen.

»Ihnen ist gewiß klar«, sagte Melvar, »daß der Abschuß von Solos Schiff Ihre Verhandlungsposition geschwächt hat. Deshalb möchte Ihnen Kriegsherr Zsinj ein Gegenangebot machen.«

»Das habe ich erwartet«, antwortete Gethzerion. Der General wandte den Blick ab und versuchte, seine Verärgerung darüber zu verbergen, daß sie Zsinjs Reaktion vorhergesehen hatte. Sie fuhr fort: »Schließlich ist es allgemein bekannt, selbst auf unserer abgelegenen Welt, daß Kriegsherr Zsinj nie sein Wort hält, wenn es ihm nicht absolut erforderlich erscheint. Ich wußte, daß er nicht beabsichtigt, die Nachtschwestern von Dathomir entkommen zu lassen. Also, sagen Sie mir, mit welchem Tand will er uns abspeisen?«

»Kriegsherr Zsinj ist bereit, General Solo in vier Tagen von Ihrer Schwesternschaft zu übernehmen. Er wird persönlich kommen, um den General abzuholen. Als Gegenleistung wird er davon absehen, Ihren Planeten zu vernichten.«

»Demnach bietet er uns nichts an?« fragte Gethzerion.

»Er bietet Ihnen Ihr Leben an«, grinste Melvar. »Sie sollten dankbar dafür sein.«

»Sie kennen die Nachtschwestern nicht«, zischte Gethzerion. »Wir hängen nicht am Leben. Wie Sie sehen, ist sein Angebot für uns wertlos.«

»Nichtsdestotrotz«, erklärte Melvar, »verlangen wir, daß Sie uns Han Solo ausliefern. Der Tod ist ein ewiger Zustand. Also nehmen Sie sich ein paar Momente Zeit für Ihre Entscheidung.«

»Und Sie können Zsinj sagen, daß wir Nachtschwestern ihm ein eigenes Angebot machen: Sagen Sie Zsinj, daß wir Nachtschwestern ihm dienen werden, wenn er uns von dieser Welt entkommen läßt.«

In Melvars Augen blitzte Interesse auf. »Welche Garantie hat er, daß Sie ihm tatsächlich dienen werden?«

»Wir werden ihm unsere Töchter und Enkelinnen ausliefern – alle Mädchen, die jünger als zehn Jahre sind. Er kann sie als Geiseln halten. Wenn wir ihn enttäuschen, kann er sie töten.«

»Vor einem Moment haben Sie zugegeben, daß Sie nicht am Leben hängen«, wandte Melvar ein. »Wenn dies stimmt, wäre es dann nicht denkbar, daß Sie Ihre Kinder opfern würden, um Ihre Freiheit zu erlangen?«

Gethzerions Stimme klang belegt, als sie leise antwortete: »Keine Mutter könnte so böse sein. Sagen Sie Zsinj, er soll sich unser Angebot überlegen, so wie wir uns sein Angebot überlegen werden.«

Die Hologramme erloschen, und Han stand auf, warf einen Blick in die Runde. »Nun«, sagte Han, »was hat Zsinj eurer Meinung nach vor? Will er die Nachtschwestern bombardieren oder was?«

»Er hat gedroht, den ganzen Planeten zu vernichten«, erwiderte Leia, »nicht nur die Nachtschwestern oder ihre Stadt.« Sie holte tief Luft. »Hat er vielleicht irgend etwas Großes in der Hinterhand?«

»Wie einen anderen Todesstern?« warf Luke ein. »Das glaube ich nicht.«

»Ich verstehe das nicht«, sagte Han. »Gethzerion führt Zsinj an der Nase herum – ich ihre Geisel, mein Schiff zerstört. Offensichtlich ist sie zu allem bereit, um von diesem Planeten zu entkommen.«

»Und Zsinj scheint zu fast allem bereit zu sein, um dich in seine Hände zu bekommen«, fügte Leia hinzu.

»Ja«, nickte Han. »Am beängstigendsten ist, daß Gethzerion und Zsinj sich so ähnlich sind, daß sie sich prächtig verstehen werden, sollten sie sich einmal näher kennenlernen.«

Leia sah Han stirnrunzelnd an. »Ich begreife es einfach nicht. Sicher, Zsinj will dich haben, Han. Aber persönlich hierherzukommen? Warum riskiert er sein Leben, warum erpreßt er die Nachtschwestern? Was hat er gegen dich?«

Han kratzte sich unbehaglich am Kinn. Chewie, hoch auf seinem Rancor sitzend, brüllte ermunternd. Irgendwie wußte Luke, daß ihm Hans Erklärung nicht gefallen würde.

»Nun, weißt du, nachdem ich seinen Supersternzerstörer vernichtet hatte… na ja, ich rief ihn über Holovid an und, äh, prahlte.«

»Prahlte?« wiederholte Leia. »Was meinst du damit?«

»Ich, uh, kann mich an die genauen Worte nicht erinnern, aber ich ließ ihn wissen, daß ich für die Vernichtung seines Schiffes verantwortlich war, und sagte etwas wie ›Küß meinen Wookiee!‹«

Chewbacca brach in grollendes Gelächter aus und nickte heftig.

»Mal sehen, ob ich das richtig verstanden habe«, warf Isolder ein. »Sie haben zum mächtigsten Kriegsherrn der Galaxis ›Küß meinen Wookiee!‹ gesagt?«

»Schon gut, schon gut!« rief Han und setzte sich auf einen der Generatoren. »Es tut mir leid! Kein Grund, darauf herumzureiten. Ich gebe zu, daß es ein Fehler war! Es… es passierte einfach in der Hitze des Gefechts.«

Isolder klopfte Han auf den Rücken. »Ah, mein Freund, Sie sind ja noch dümmer, als ich dachte – he, vielleicht sind Sie sogar noch dümmer, als wir alle dachten –, aber ich wünschte, ich wäre dabei gewesen!« Luke war ein wenig überrascht, daß Isolder Han seinen »Freund« nannte.

»Ja«, bestätigte Leia, »ich auch. Du hättest Eintrittskarten verkaufen können.«

Han blickte Isolder in die Augen. »Wirklich? Oh, Sie hätten Zsinjs Gesicht sehen sollen – seine feisten Wangen liefen rot an, der Sabber tropfte ihm aus dem Mund und seine Nasenhaare zitterten! Es war großartig! Wußtet ihr eigentlich, daß er ein echtes Genie ist? Er kann in fast sechzig Sprachen fließend fluchen! Ich habe in meinem Leben ja schon manche Obszönitäten gehört, aber dieser Mann ist einmalig.«

»Aber sicher«, sagte Isolder lächelnd. »Ihnen ist doch klar, daß er sich dafür Ihren Kopf auf einem Tablett servieren lassen wird? Und wenn man Zsinjs Ruf bedenkt, wird er ihn vielleicht sogar essen.«

»Tja, nun«, meinte Han, »so wird das Leben erst richtig interessant.«

»Wir können uns später mit Zsinj befassen«, sagte Luke. »Jetzt sollten wir besser diese Teile zum Falken schaffen. Wir dürfen uns nicht hier im Freien erwischen lassen. Wenn Gethzerion herausfindet, daß wir lebend aus dem Schiff entkommen sind, wird sie sich an unsere Fersen heften.« Luke musterte sorgenvoll die Tonne mit der Kühlflüssigkeit. Trotz der Flicken hatte sie die Hälfte ihres Inhalts verloren, und er wußte, daß sie für einen sicheren Sprung jeden Tropfen brauchen würden.

Leia klopfte Luke beruhigend auf die Schulter. »Wir werdend schon schaffen.«

Er nickte; schließlich hatten sie keine andere Wahl. Sie verstauten die Generatoren und die Tonnen mit der Kühlflüssigkeit in Säcke aus Whuffahaut, die von den Rancor geschultert wurden. Die Ungeheuer schienen die Last nicht einmal zu spüren, und zehn Minuten später hatten sie die schlammigen Niederungen hinter sich gebracht und das schützende Vorgebirge erreicht.

Nach einem Tag und einer Nacht ohne Schlaf war die ganze Gruppe erschöpft, aber die Rancor waren ausgeruht, so daß sie bis Sonnenuntergang weiterritten und dann ihr Lager aufschlugen. Luke jedoch konnte nicht schlafen und machte einen Spaziergang durch den Wald. Es war früher Abend. Er blieb auf einer Anhöhe stehen, blickte über die Ebene, und als er blinzelte, schien sich die Ebene zu verdüstern, zur Eiswüste zu erstarren, bar allen Lebens. Ewige Nacht, flüsterte eine Stimme in ihm. Die ewige Nacht kommt. Er fragte sich, ob die Vision vielleicht symbolisch war und seinen bevorstehenden Tod ankündigte.

Er griff mit seinen Sinnen hinaus und spürte das Kräuseln in der Macht. Bereits jetzt hatte die Armee der Nachtschwestern den halben Weg zum Clan des Singenden Berges zurückgelegt. Gethzerion verfügte über einen Gleiter, und die Strecke, für die ihre Armee drei Tage brauchte, würde sie in nur einer Stunde bewältigen. Sie und der Rest ihres Clans konnten diese drei Tage zur Strategieplanung nutzen.

In der Vergangenheit war es Luke oft gelungen, den Verlauf einer Schlacht im Geiste durchzuspielen und ihren Ausgang vorherzusehen. Die Macht half ihm dabei, gewährte ihm Einsichten, die ihm sonst verwehrt geblieben wären. Aber diesmal war es anders. Der kurze Kampf unter den Türmen hatte ihm wenig über die Fähigkeiten der Nachtschwestern verraten. Er wünschte sich, Yoda oder Ben würden auftauchen, um ihm zu helfen, aber das einzige Bild, das er vor seinem geistigen Auge sah, war Yodas Hologramm: Geschlagen von den Hexen.

Yoda war ein größerer Jedi-Meister gewesen als Luke vermutlich je werden würde, trotzdem hatten die Hexen ihm und seinen Gefährten widerstanden. Luke zweifelte an seinen Fähigkeiten. Die Macht – woher kam sie wirklich? Yoda hatte gesagt, daß das Leben sie erzeugte, daß sie Energie war. Aber konnte Luke sie mit gutem Gewissen benutzen? Wenn er anderen Lebewesen Energie entzog, sie aussaugte wie ein Blutegel, wie konnte er seine Taten dann rechtfertigen?

Und da war noch ein anderes Problem. Bei seinen Kämpfen gegen Darth Vader und den Imperator hatte Luke nicht all seine Kräfte eingesetzt. Vader hatte nur versucht, ihn auf seine Seite zu ziehen, und nicht, ihm das Leben zu nehmen. Aber Luke machte sich keine Illusionen – Gethzerion würde nicht so nachsichtig sein.

»Was geht hier vor, Ben?« flüsterte Luke und starrte in den dichten grünen Dschungel. Das verblassende Sonnenlicht glitzerte auf den Blättern. »Ist dies eine Art Prüfung? Willst du feststellen, ob ich fähig bin, auf eigenen Füßen zu stehen? Glaubst du, daß ich deine Hilfe nicht mehr brauche? Was geht hier vor?«

Aber Ben antwortete nicht. Der Abendwind rauschte in den Baumkronen und ließ die Schatten der Blätter über den Boden tanzen. Luke blickte hinauf zur untergehenden Sonne, während der Wald den Geruch verrottenden Laubwerks und überreifer Früchte verströmte. Der Abend war warm und friedlich, die Sonne warf ihr Licht über ihn. Eidechsen sprangen durch die Baumkronen, ohne etwas von den Nachtschwestern oder Zsinj zu ahnen. Luke erkannte, daß Dathomir trotz allem eine wunderschöne Welt war. Wenn die Karte in Augwynnes Kriegsraum stimmte, hatten die Menschen bisher nur ein Hundertstel der bewohnbaren Oberfläche des Planeten erforscht. Und für die meisten Kreaturen hier und auf Millionen anderer Planeten in der ganzen Galaxis waren Gethzerions Pläne so bedeutungslos wie eine Handvoll Sand in der Wüste.

 

Als Luke im Wald verschwand, setzte sich Isolder auf und hörte zu, wie Han mit seinem Droiden sprach. Leia war sofort eingeschlafen, aber Isolder fand keine Ruhe. Er bemerkte, daß Teneniel am Feuer saß, außerhalb des Lichtscheins, und die Sterne betrachtete. Er stand auf und setzte sich zu ihr.

»Manchmal in der Nacht, wenn ich draußen in der Wüste bin«, sagte Teneniel leise, »und keine Wolken und keine Bäume die Sicht versperren, liege ich wach da und betrachte die Sterne, und ich frage mich, wer dort oben wohl lebt und was es für Wesen sind.«

Isolder musterte die Lichtpunkte am Himmel. In seiner Zeit als Pirat hatte er in diesem Teil der Galaxis gearbeitet, und er war ein fähiger Astrogator. Wenige markante Sterne genügten ihm, um seine Position im Weltraum zu bestimmen. »Ich habe es auch oft getan«, sagte er. »Nur daß ich zwischen den Geschichtsstunden und dem Unterricht in Diplomatie und meinen Reisen viel gelernt habe. Such dir einen Stern aus«, forderte er mit einer Handbewegung nach oben, »und ich werde dir von ihm erzählen.«

»Der da«, sagte Teneniel und deutete auf den hellsten Punkt am Horizont.

»Das ist kein Stern«, erklärte Isolder. »Das ist nur ein Planet, der sonnennächste Trabant.«

»Ich weiß«, lächelte Teneniel, »aber ich mußte dich testen. In Ordnung, diese sechs Sterne da oben rechts, die einen Kreis bilden«, sagte sie. »Der hellste ist blau. Erzähl mir von ihm.«

Isolder betrachtete den Stern für einen Moment. »Das ist das Cedre-System, und es ist nur drei Lichtjahre von hier entfernt. Auf Planeten dieser Sonne gibt es kein Leben, denn sie ist zu jung, zu heiß. Such dir einen anderen Stern aus – einen gelben oder orangenen.«

»Was ist mit dem matten Stern weiter links? Dem da?«

Isolder überlegte einen Moment. »Es sind in Wirklichkeit zwei Sterne, eine Doppelsonne namens Fere oder Feree, und sie ist sehr weit weg. Vor zweihundert Jahren gab es dort eine hochentwickelte Zivilisation, die einige der besten Sternenschiffe in der Galaxis baute – kleine Luxusyachten. Ich habe einen Onkel, der klassische Sternenschiffe sammelt, und er hat ein restauriertes Fere-Schiff.«

»Bauen sie keine Sternenschiffe mehr?«

»Nein, durch einen Krieg wurden die Bewohner eines anderen Planeten von ihrer Welt vertrieben. Einige von ihnen flohen nach Fere, schleppten unabsichtlich eine Seuche ein und löschten die gesamte Bevölkerung des Planeten aus. Aber wenn du ein Teleskop hättest, das stark genug ist, könntest du die Bewohner von Fere so sehen, wie sie einst waren. Die Ferer waren sehr groß, hatten weiche, elfenbeinweiße Haut und sechs schmale Finger an jeder Hand.«

»Wie sollte ich sie sehen können, wo sie doch alle tot sind?« fragte Teneniel ungläubig.

»Weil du mit einem Teleskop nur das Licht sehen könntest, das vor Hunderten von Jahren von ihrer Welt reflektiert wurde. Da uns das Licht erst jetzt erreicht, könntest du in ihre Vergangenheit schauen.«

»Oh«, sagte Teneniel. »Hast du so ein Teleskop?«

»Nein.« Isolder lachte. »So gute können wir nicht bauen.«

»Was ist mit dem trüben Stern daneben?« fragte Teneniel.

»Das ist Orelon, und ich kenne diesen Stern sehr gut«, antwortete Isolder. »Er ist groß und sehr hell, und er ist der einzige Stern in meinem Heimathaufen Hapan, der von hier aus sichtbar ist. In diesem Haufen gibt es insgesamt dreiundsechzig eng beieinanderstehende Sterne, und meine Mutter herrscht über alle.«

Teneniel schwieg lange Zeit und dachte nach. »Deine Mutter herrscht über dreiundsechzig Sterne?« fragte sie mit bebender Stimme.

»Ja«, bekräftigte Isolder.

»Hat sie Soldaten? Krieger und Sternenschiffe?«

»Milliarden von Kriegern, Tausende von Sternenschiffen«, sagte Isolder. Sie atmete tief durch, und Isolder erkannte, daß seine Antwort ihr Angst gemacht hatte.

»Warum hast du mir das nie erzählt?« fragte sie. »Ich wußte nicht, daß ich den Sohn einer derart mächtigen Frau gefangengenommen habe.«

»Du wußtest, daß meine Mutter eine Königin ist, und daß die Frau, die ich erwähle, die nächste Königin sein wird.«

»Aber… ich dachte, sie wäre die Königin eines Clandorfes«, keuchte Teneniel. Sie legte sich ins Gras und bedeckte ihr Gesicht mit den Händen. Isolder entschied, ihr Zeit zu lassen, um das Gehörte zu verarbeiten. »Also«, sagte Teneniel nachdenklich nach mehreren Minuten, »wenn du Dathomir verläßt und ich diesen Stern ansehe, werde ich wissen, wo du bist?«

»Ja«, sagte Isolder.

»Und wenn du auf deiner Heimatwelt bist, wirst du dann nachts zum Himmel blicken und meine Sonne ansehen und an mich denken?« Ihre Stimme klang gepreßt, verzweifelt.

»Von Hapan aus können wir deine Sonne nicht sehen. Sie ist zu schwach. Hapan hat sieben Monde, und sie überstrahlen das Licht schwächerer Sterne«, erwiderte Isolder und wunderte sich über ihren Tonfall.

Er drehte sich zur Seite und betrachtete im Sternenlicht Teneniels Gesicht. Wie die meisten Hapaner konnte er im Dunkeln schlecht sehen; das Licht von sieben Monden und einer grellen Sonne machte gutes Nachtsichtvermögen überflüssig, und so hatte sein Volk im Lauf der Jahrtausende allmählich die Fähigkeit zum Sehen im Dunkeln verloren. Trotzdem konnte er ihre Silhouette ausmachen, die Umrisse ihres Gesichts, die Wölbung ihrer Brüste. »Ich verstehe dich nicht«, sagte Isolder. »Was bin ich eigentlich für dich? Du sagst, ich bin dein Sklave. Du sagst, daß deine Schwestern Männer entführen, um sie zu ihren Gatten zu machen, und wenn ich es richtig verstanden habe, verschafft dir mein Besitz einen bestimmten Status in deinem Clan.«

»Ich würde dich nie zwingen, etwas gegen deinen Willen zu tun«, erwiderte Teneniel. »Ich… ich könnte es nicht. Wie ich schon sagte, bei einer anderen Frau hättest du vielleicht nicht so viel Glück.« Isolder erinnerte sich an Teneniels rätselhaftes Lächeln bei ihrer ersten Begegnung, als sie ihn scheu umkreist und leise gesungen hatte, ohne den Blick von ihm zu wenden. Er hatte ihr Lächeln erwidert, hatte nur höflich sein wollen, aber als er nach dem Seil gegriffen hatte, das sie ihm hinhielt, war er einen Moment später gefesselt gewesen. Jetzt begriff er. Sie hatte ihm jede Möglichkeit gegeben zu fliehen, und er hatte sich von ihr fangen lassen.

Alles in allem war es kein besonders komplexes Werbungsritual, aber beide Beteiligte sollten die Regeln kennen.

»Ich verstehe«, seufzte Isolder. »Was wäre gewesen, wenn wir uns nicht gemocht, wenn die Ehe nicht funktioniert hätte? Was hättest du dann getan?«

»Dann hätte ich dich verkauft. Wenn dir eine andere Frau lieber gewesen wäre, hätte meine Ehre von mir verlangt, dich an sie zu verkaufen – zu einem angemessenen Preis, unter Berücksichtigung des Wohlstands der Käuferin und der Umstände. Hätte es in unserem Clan keine passende Frau für dich gegeben, hättest du dafür sorgen können, daß dich eine aus einem anderen Clan raubt – oder du hättest in die Berge fliehen können, um mir zu zeigen, daß du nicht zufrieden bist. Hätte ich geglaubt, daß wir doch noch zueinander finden könnten, hätte ich dich erneut gejagt. Es gibt viele Möglichkeiten.«

Isolder überlegte. Obwohl sie auf den ersten Blick barbarisch wirkten, waren die Hochzeitsbräuche der Hexen nicht komplizierter als die anderer Kulturen. Wie auf seiner Heimatwelt herrschten die Frauen, doch die Männer hier hatten Zufluchtsmöglichkeiten. Er versuchte sich vorzustellen, wie diese Welt vor Tausenden von Jahren ausgesehen hatte – kleine Horden Menschen, die ohne Waffen gegen die Rancor kämpften. In Anbetracht dieser Alternative war die Heirat mit einer Hexe, die einem Schutz gewährte, auch wenn sie einen zum Sklaven machte, ein großer Segen.

Und jetzt schenkte ihm Teneniel die Freiheit. Sie war bereit, ihn freizulassen, obwohl dies bedeutete, daß er den Planeten verließ, und verlangte dafür nur eine Gegenleistung: daß er sich an sie erinnerte und liebevoll an sie zurückdachte.

Wenn er die besitzergreifende Art seiner Tanten bedachte, die Habgier seiner Mutter, fragte er sich, wie viele Frauen auf seiner Heimatwelt so großzügig, so verständnisvoll sein mochten. Sie hatte eine innere Schönheit, wie er sie nur sehr selten gesehen hatte.

Isolder stützte sich auf seine Ellbogen, beugte sich über Teneniel und küßte sie sanft auf die Wange, und er wußte, daß dies ein Abschiedskuß war. Ihr Gesicht war feucht. Sie hatte geweint. »Wenn ich je nach Hapan zurückkehren sollte«, sagte er, »werde ich an dich denken. Ich weiß, wo du bist, und manchmal werde ich nach Dathomir Ausschau halten und mich fragen, ob du durch den Himmel zu mir herübersiehst.«

 

Eine Stunde später weckte Luke die anderen, und sie bestiegen die Rancor und ritten im Galopp los, trieben die Rancor gnadenlos durch die Wälder, über die Berge und durch tiefe Schluchten. Spät in der Nacht, nur vierzehn Kilometer vom Singenden Berg entfernt, legten sie tief in den Wäldern eine Rast ein. Die Rancor waren zu erschöpft, um weiterzureiten. Luke war von Unruhe erfüllt, wollte am liebsten zur Eile drängen, doch die Rancor waren zu müde und die ganze Gruppe war am Ende ihrer Kraft.

»Wir ruhen uns hier eine Weile aus«, sagte Luke, und seine Freunde rutschten wie ein Mann von ihren Reittieren, breiteten Decken auf dem Boden aus und legten sich hin. Beide Droiden hatten bereits auf Schlafmodus umgeschaltet.

Luke aß schweigend eine karge Mahlzeit, ohne ein Feuer zu machen. Die Rancor standen schnaufend und mit müden Augen in den Schatten. Sie erholten sich nicht gut von dem anstrengenden Ritt, und während die anderen schliefen, rieb Teneniel ihre Gesichter mit einem feuchten Lappen ab. Luke wunderte sich über ihr Verhalten, aber dann fiel ihm ein, daß die Rancor keine Schweißdrüsen hatten und nach dem Gewaltritt völlig überhitzt sein mußten. Er ging zu Teneniel.

»Paß auf«, sagte er, »du kannst ihnen mit der Macht helfen. Sie kann ihre Körper kühlen.« Er berührte den ersten Rancor und ließ die Macht durch die Kreatur fließen. Sie seufzte dankbar und berührte ihn mit einer großen schmutzigen Klaue, wie um ihn zu tätscheln.

Teneniel schüttelte frustriert den Kopf. »Ich begreife immer noch nicht, wie es funktioniert«, sagte sie. »Mit einem Zauberspruch kommt es mir viel leichter vor.«

»Wenn Worte dir beim Konzentrieren helfen«, entgegnete Luke, »warum nicht? Aber die Macht kann nicht durch Worte beherrscht, nicht in Worte gefaßt werden.«

»Das, was ich im Gefängnis getan habe… es tut mir leid«, sagte Teneniel. »Ich hätte sie fast umgebracht. Ich… plötzlich, als ich wütend war, erschien mir nichts von dem, was du gesagt hattest, einen Sinn zu ergeben. Ich wollte sie nur noch töten, dem Bösen ein Ende machen, aber deine Regeln hielten mich davon ab.«

»Sie wollten, daß du versuchst, sie zu töten. Sie wollten, daß du deinem Haß nachgibst.«

»Ich weiß«, sagte Teneniel. »Aber in diesem Moment konnte ich nicht glauben, daß die helle Seite der Macht stärker ist als die dunkle.«

»Ich habe nie behauptet, daß sie stärker ist«, antwortete Luke. »Wenn es dir um Macht geht, können beide Seiten gleichermaßen deinen Zwecken dienen. Aber schau dir die Nachtschwestern an – schau dir an, was die dunkle Seite zu bieten hat: Furcht statt Liebe, Aggression statt Frieden, Herrschaft statt Dienst und Gier statt Genügsamkeit.

Wenn es dir um leicht zu erlangende Macht geht, dann erfüllt die dunkle Seite der Macht deinen Wunsch – auf Kosten aller anderen Dinge, die du schätzt.«

Luke berührte nacheinander die Rancor und kühlte sie ab. Teneniel legte ihre Arme um Lukes Brust, drückte ihn von hinten an sich, rieb ihre Wange an seiner Schulter.

»Und was ist, wenn mir die Liebe wichtiger ist als alles andere?« fragte Teneniel. »Wird die helle Seite der Macht mich zu ihr führen?«

Ihre Frage war kaum mißzuverstehen, aber Luke war versucht, Begriffsstutzigkeit vorzutäuschen. Luke fand sie attraktiv, aber ihr zu sagen, daß er sie liebte… wäre eine Lüge. »Ich weiß es nicht«, sagte Luke ehrlich. »Ich glaube, sie kann es.«

»Bevor du kamst«, sagte Teneniel, »sah ich dich und Isolder in einer Vision. Ich war so lange einsam gewesen, allein in der Wildnis, und ich wünschte mir nur noch, einen Mann zu finden und zu meinem Clan zurückzukehren. Viele Tage lang mühte ich mich mit dem Seherspruch ab, und dann sah ich dich in meinen Träumen. Ich dachte, du wärest mein Schicksal.«

Luke ergriff ihre Hände und hielt sie fest. »Ich glaube nicht an das Schicksal. Ich denke, daß wir durch die Entscheidungen, die wir treffen, selbst unseren Lebensweg bestimmen. Sieh mal, es gibt da einiges, was ich dir sagen möchte, aber ich habe es nicht gesagt, um deine Gefühle nicht zu verletzen. Ich meine, wir kennen uns kaum. Wir sollten es langsamer angehen lassen.«

»Du meinst, ich sollte es langsamer angehen lassen«, flüsterte Teneniel. »Bei uns wählen wir unsere Männer schnell, oft binnen eines Augenblicks aus. Als ich dich sah, wußte ich sofort, daß ich dich will. Ich habe meine Meinung seitdem nicht geändert. Aber du verhältst dich, als müßte sich die Liebe ganz behutsam entwickeln.«

»Ich weiß nicht, ob sie sich behutsam entwickeln muß«, sagte Luke. »Manchmal wächst sie, sicher, aber normalerweise stirbt sie einen schnellen Tod.«

»Tatsächlich?« sagte Teneniel. »Wenn unsere Liebe einen schnellen Tod stirbt, was haben wir dann verloren?«

»Ich kann so etwas nicht«, gestand Luke. »Liebe ist mehr als bloße Neugier oder flüchtiges Vergnügen. Ich glaube nicht, daß sich zwei Menschen richtig kennenlernen können, wenn sie nicht einige Zeit miteinander verbracht haben, wenn sie nicht auf gemeinsame Erlebnisse zurückblicken können. Aber ich habe eine Pflicht zu erfüllen. Ich werde meine Jedi-Ausbildung abschließen. Und um offen zu sein, wenn ich diesen Planeten erst einmal verlassen habe, werden wir uns wahrscheinlich nie wiedersehen. Wir werden nicht viel Zeit miteinander verbringen können.«

Luke wollte noch mehr sagen, wollte ihr sagen, daß er hoffte, eines Tages ein Mädchen wie sie kennenzulernen, aber in den tiefen Schatten unter den Bäumen regte sich Han im Schlaf, hob eine Hand in die Luft und rief laut: »Nein! Nein!« Dann zog er seine Decke über den Kopf und rollte sich auf die andere Seite.

Luke fand es seltsam. Er hatte noch nie erlebt, daß Han im Schlaf gesprochen hatte. Dann spürte Luke es, eine Störung in der Macht, als hätte sich etwas Unsichtbares unter die Baumkronen geschlichen Er spürte seine Nähe und er fragte sich, ob vielleicht irgendein Tier in den Schatten lauerte. Er drehte sich um, und ein Druck legte sich um seinen Kopf, als hätte man ihm einen dunklen Helm aufgesetzt. Ein Frösteln durchlief ihn, und er zwang sich zur Ruhe, zur Zurückhaltung. Er erkannte, daß es sich um eine Art Prüfung handelte.

»Was ist los? Was ist passiert?« fragte Teneniel. Luke brachte sie mit einer Handbewegung zum Schweigen. Mehrere Minuten blieb er reglos stehen und wehrte sich mit der Macht gegen den Druck. Dann verschwand das Gefühl.

Teneniel keuchte, als wäre sie plötzlich von einem Schwall kalten Wassers getroffen worden. Sie griff sich mit den Händen an den Kopf, blickte dann hinauf zum Nachthimmel und lachte. »Gethzerion, du wirst nie etwas aus mir herausbekommen!«

Gethzerions schrille Stimme hallte in Lukes Ohren, erfüllte den Wald, kam von überall und nirgends. »Ich habe bereits erfahren, was ich wissen muß«, sagte Gethzerion. »Ich habe erfahren, daß Han Solo am Leben ist und daß er voller Hoffnung davon träumt, sein Schiff zu reparieren. Ich muß gestehen, ich bin froh, daß er seine kostbaren Generatoren gefunden hat. Glaubt mir, ich wünsche mir so sehr wie ihr, daß es ihm gelingt, dieses Schiff wieder flottzubekommen.«

Luke griff mit der Macht hinaus und suchte nach Gethzerions Bewußtsein. Vor seinem geistigen Auge blitzte kurz das Bild imperialer Läufer auf, die durch die Dunkelheit marschierten, und dann zog sich Gethzerion zurück, schirmte sich ab.

»Sattelt die Rancor«, befahl Luke. Er war plötzlich froh, daß er sich die Zeit genommen hatte, das Los der Tiere zu erleichtern, auch wenn es nur vorübergehend gewesen war. »Wir müssen sofort aufbrechen. Gethzerion läßt ihre Truppen die Nacht durchmarschieren, um deinen Clan im Morgengrauen anzugreifen.«