FLEISCH MIT MENSCHENHAND

Von allen Tieren, die ich auf meinen Expeditionen fing, zogen mich immer die Affen am meisten an. Sie sind köstlich kindlich, haben eine rasche Auffassungsgabe, einen herrlich unkomplizierten Charakter und eine unbekümmerte, heitere Haltung ihrem Dasein gegenüber. Dazu kommt ein geradezu rührendes Vertrauen zu den Menschen, wenn sie uns erst einmal als Pflegeeltern anerkannt haben.

Für die Einwohner Kameruns sind die Affen eines der wichtigsten Nahrungsmittel. Da Abschuß und Jagdzeit nicht gesetzlich geregelt sind, werden viele Affenmütter mit ihren Jungen abgeschlachtet. Die Mutter fällt getroffen vom Baum, während sich die Kleinen noch fest an sie klammern. In den meisten Fällen sind die Jungen unverletzt. Gewöhnlich werden Mutter und Junges getötet und gegessen; manchmal aber nimmt der Jäger das Junge mit in sein Dorf, um es zu schlachten, wenn es herangewachsen ist. Kommt jedoch ein Tierfänger in die Nähe, landen alle Waisenkinder bei ihm, da er fast immer über den üblichen Preis hinaus zahlt. So ist es nicht verwunderlich, daß man nach einigen Monaten Aufenthalt in Kamerun Affenpflegekinder aller Arten und jeden Alters hat.

Am Ende unserer Zeit in Bafut besaßen wir siebzehn Affen, zu denen ich in diesem Fall Menschenaffen und die primitiveren Mitglieder des Stammes, wie Pottos und Buschbabies, nicht rechne. Unsere Affen bereiteten uns immer wieder Vergnügen. Am schönsten gefärbt waren ohne Zweifel die Patas, schlanke Tiere, etwa so groß wie ein Terrier, mit glänzendem ingwerrotem Fell, rußschwarzen Gesichtern und einem weißen Chemisette. Die Patas leben meistens im Grasland, seltener im Wald, laufen wie Hunde in großen Familienrudeln herum und inspizieren emsig Wurzeln von Gräsern und verfaulte Baumstämme nach Insekten und Vogelnestern; auf der Suche nach Würmern, Skorpionen, Spinnen und anderen Leckerbissen drehen sie Steine um. Von Zeit zu Zeit richten sie sich auf, um über das Gras zu spähen, oder, wenn das Gras zu hoch ist, springen sie steil in die Luft, als würden sie von Federn hochgeschnellt. Entdecken sie etwas, was nach Gefahr riecht, stoßen sie laute Schreie aus, »proup... proup... proup« und rennen durch das Gras in rhythmischem Galopp davon, wie kleine, rote Rennpferde.

Unsere vier Patas wohnten zusammen in einem großen Käfig. Wenn sie nicht damit beschäftigt waren, sich mit dem Ausdruck angespannter Konzentration auf ihren traurigen Gesichtern gegenseitig das Fell sorgfältig zu durchsuchen, erfreuten sie sich an eigenartigen »orientalischen« Tänzen. Patas sind die einzigen Affen, von denen ich weiß, daß sie wirklich tanzen. Die meisten Affen wirbeln während ihrer ausgelassenen Spiele herum oder springen in die Höhe; die Patas jedoch kennen regelrechte Tanzfolgen und haben dabei ein ziemlich umfangreiches Repertoire. Sie beginnen damit, daß sie wie ein Gummiball auf allen vieren in die Höhe hopsen; dabei werden sie immer schneller und springen immer höher, fast bis 60 Zentimeter hoch; dann halten sie an und zeigen eine neue »Schrittfolge«. Hinterfüße und Hinterteil bleiben ruhig, der Oberkörper schwingt wie ein Pendel zur Seite, und dabei dreht sich auch der Kopf von links nach rechts. Haben sie diese »Schritte« zwanzig- bis dreißigmal wiederholt, kommt eine neue Figur. Dabei stehen sie steif und aufrecht auf den Hinterbeinen, strecken die Arme über die Köpfe, die Gesichter zur Decke ihres Käfigs gerichtet. In dieser Haltung schwanken sie so lange im Kreise herum, bis ihnen schwindlig wird und sie auf den Rücken purzeln. Das Ganze begleiten sie mit einem kleinen Lied, etwa so: »Waaaaow... waaaaow... proup… waaaaow... proup«, das wesentlich anziehender und eingängiger ist als ein Durchschnittsschlager, gesungen von einem durchschnittlichen Schnulzensänger. Die Patas waren versessen auf lebendige Nahrung aller Art. Sie meinten, ihr Tag sei unvollkommen, wenn sie nicht wenigstens eine Handvoll Grashüpfer, ein paar Vogeleier, ein Bündel saftiger, haariger Spinnen bekamen. Besondere Leckerbissen waren für sie die Larven der Palmkäfer. Die in Kamerun sehr verbreiteten Palmkäfer, ovale Insekten von etwa 5 Zentimeter Länge, legen ihre Eier in modernde Baumstümpfe, mit Vorliebe in das weiche, faserige Innere der Palmen. In diesem feuchten, weichen Nahrungsbett entwickeln sich die Eier, und die Larven wachsen bald zu einem bläulich-weißen, 8 Zentimeter langen und daumendicken madenartigen Wesen heran. Die fetten, zusammengekrümmten Larven waren für die Patas eine Götterspeise, und ohrenbetäubendes Begeisterungsgeheul scholl mir entgegen, wenn ich mich mit einer Schüssel voll dieser Leckerei ihrem Käfig näherte. Eigenartig war, daß sie vor den Larven Angst hatten, so gern sie sie fraßen. Ich schüttete die Larven gewöhnlich auf den Boden. Die Patas hockten um den Haufen herum, schrien immer noch vor Vergnügen und berührten die Leckerbissen mit zögernden, zitternden Fingern. Sobald sich jedoch eine Larve bewegte, zogen sie die Hand hastig zurück und wischten sich schnell die Finger an ihrem Fell ab. Schließlich ergriff einer eine fette Larve, stopfte sie sich mit abweisendem Gesicht und geschlossenen Augen in den Mund und biß fest zu. Diese erbarmungslose Enthauptung beantwortete die Larve mit einem rasenden Todeskampf. Der Patas ließ sie eilig fallen und wischte sich die Hände ab; während er noch immer mit fest geschlossenen Augen und abwesendem Gesicht dasaß, kaute er auf dem abgebissenen Stückchen herum. Ich mußte dabei jedesmal an Leute denken, die zum erstenmal Austern essen. In der Absicht, den Patas etwas Gutes zu tun, verursachte ich, ohne es zu wollen, eines Tages einen wilden Aufruhr. Die Dorfkinder versorgten uns mit frischer Nahrung für unsere Tiere. Gleich nach Tagesanbruch erschienen sie mit Kalebassen voller Schnecken, Vogeleiern, Käferlarven, Grashüpfern, Spinnen, kleinen nackten Ratten und anderen seltenen Leckerbissen, an denen sich unsere Schützlinge gütlich taten. Eines Morgens brachte ein Junge außer den üblichen Schnecken und Palmkäferlarven zwei Larven des Goliathkäfers. Goliathkäfer sind die größten in der ganzen Welt. Ausgewachsen messen sie etwa 15 Zentimeter und haben eine Breite von 11 Zentimetern. Ich brauche kaum zu sagen, was für Ungeheuer die Larven sind. Auch sie sind ungefähr 15 Zentimeter lang und so dick wie mein Handgelenk. Sie haben die gleiche ungesunde Farbe wie Palmkäverlarven, sind aber wesentlich fetter. Ihre Haut ist faltig, zerknittert und runzlig; die flachen, nußbraunen Köpfe haben die Größe eines Zweimarkstückes, und die Kiefer können mächtig zwicken. Ich freute mich sehr über diese aufgedunsenen Riesen, denn ich nahm an, das Entzücken der Patas-Affen, die so wild auf Palmkäferlarven waren, würde beim Anblick dieser gigantischen Kleinigkeit grenzenlos sein.

Sobald sie ihre Zinnschüssel von Ferne erblickten, tanzten sie wie toll herum und schrien »proup... proup«. Ich machte die Käfigtür auf und gleich setzten sie sich im Kreise hin; auf den kleinen schwarzen Gesichtern stand der übliche vergrämte Ausdruck, und die Hände waren flehend erhoben. Ich schob das Gefäß durch die Tür und hielt es etwas schräg, so daß die beiden Goliathlarven mit einem Plumps auf den Boden fielen. Dort blieben sie unbeweglich liegen. Wenn ich sage, die Patas waren überrascht, so trifft das nur die halbe Wahrheit; sie quietschten leise vor Erstaunen, rutschten auf dem Hinterteil rückwärts und betrachteten die sperrballongroßen Larven mit entsetztem Mißtrauen. Angespannt beobachteten sie die Larven eine Minute lang. Als sie sich nicht bewegten, wurden sie mutiger und rutschten wieder heran, um das seltsame Wesen genauer in Augenschein zu nehmen. Als sie den Leckerbissen von allen Seiten untersucht hatten, streckte ein besonders Mutiger den Arm aus und stupste sie mit dem Zeigefinger. Die Larve, die bis dahin in einer Art Trance auf dem Rücken gelegen hatte, erwachte, krümmte sich krampfartig und rollte sich majestätisch auf den Bauch. Die Wirkung dieser Bewegung auf die Patas war ungeheuer. Mit entsetzten Angstschreien flohen sie wie ein Mann in die äußerste Ecke ihres Käfigs, wo sie sich zu einem schmachvollen, feigen Haufen zusammendrängten. Es erinnerte mich fast an das Mauerballspiel in Eton; jeder meiner Patas bemühte sich, in den entferntesten Winkel zu gelangen, möglichst hinter alle anderen Genossen. Die Larve schleppte, nachdem sie einen Augenblick überlegt hatte, ihren aufgeschwollenen Körper mühsam über den Boden auf die Affen zu. Diese brachen in eine derartige Massenhysterie aus, daß ich eingreifen und die Larven entfernen mußte. Ich gab sie Ticky, der schwarzfüßigen Mungodame; die fürchtete sich vor nichts und erledigte die Ungetüme mit häufigem Zuschnappen und zweimaligem Schlucken. Die Patas waren für den Rest des Tages einfach erledigt. Wenn sie mich später mit dem Freßnapf kommen sahen, zogen sie sich eilig in die äußerste Käfigecke zurück und wagten sich erst dann hervor, wenn sie sicher waren, daß der Napf nichts Schlimmeres oder Schrecklicheres enthielt als Palmkäferlarven.

Einer unserer Lieblinge war ein heranwachsendes Pavianweibchen mit Namen Georgina. Georgina war eine ausgesprochene Persönlichkeit und hatte einen etwas bösartigen Sinn für Humor. Ein Eingeborener hatte sie aufgezogen und als »Schoß-Wachhund« gehalten. Wir erwarben sie für die unglaubliche Summe von zehn Schillingen. Georgina war vollkommen zahm. Wir banden ihr einen Gürtel um die Taille und machten sie mit einem langen Strick tagsüber an einem Baum unterhalb des Gästehauses fest. Während der ersten Tage banden wir sie ziemlich dicht neben dem Tor an, das in den Besitz des Fons führte, und durch das ein täglicher Strom von Jägern, von alten Damen, die Eier verkauften, und von Kindern mit Schlangen hereinkam. Wir nahmen an, das ständige Kommen und Gehen würde Georgina beschäftigen und unterhalten. Das tat es auch, doch nicht so, wie wir es uns gedacht hatten. Sehr schnell fand Georgina heraus, daß sie bis ans Ende ihrer Leine gehen und sich hinter der Hibiskushecke verstecken konnte. Sobald ein ahnungsloser Afrikaner den Hof betrat, sprang sie aus dem Hinterhalt, faßte den armen Mann um die Beine und stieß dabei ein Geschrei aus, das selbst die stärksten Nerven erzittern ließ.

Der erste erfolgreiche Angriff richtete sich gegen einen alten Jäger, der uns, angetan mit den besten Gewändern, eine Kalebasse voller Ratten brachte. Langsam und würdevoll näherte er sich dem Tor wie ein Wohltäter, der uns seltene Tiere zum Verkauf anbieten wollte. Mit seiner aristokratischen Haltung war es jedoch vorbei, als er durch das Tor schritt. Sobald Georgina seine Beine in ihrem eisernen Griff hielt und fürchterlich schrie, ließ der Jäger die Kalebasse fallen. Das Gefäß zerbrach und die Ratten entkamen. Mit ängstlichem Geschrei sprang er hoch in die Luft: und floh nicht eben sehr würdevoll den Pfad hinunter. Es kostete mich drei Päckchen Zigaretten und ziemlich viel Geschick, seine empörten Gefühle zu besänftigen. Mit einem Gesicht, als könne sie kein Wässerchen trüben, saß Georgina da. Als ich mit ihr schimpfte, hob sie nur die Augenbrauen und entblößte die blassen rosa Lider in unschuldigem Erstaunen.

Ihr nächstes Opfer war ein hübsches, sechzehnjähriges Mädchen, das eine Kalebasse voller Schnecken trug. Das Mädchen reagierte jedoch fast ebenso schnell wie Georgina. In dem Augenblick, als Georgina springen wollte, sah das Mädchen sie herankommen und sprang mit einem Angstschrei davon. Georgina erwischte dadurch nicht die Beine, sondern nur den herabhängenden Zipfel des Sarong; sie zog und hatte ihn plötzlich in den haarigen Händen. Die unglückliche Jungfrau stand da, so nackt wie am Tage ihrer Geburt. Georgina jubelte vor Entzücken, legte sich den Sarong wie einen Schal über den Kopf und schnatterte glücklich in sich hinein. Das arme Mädchen floh entsetzt in den Hibiskus und versuchte, ihre Blöße mit den Händen zu bedecken. Bob, der mit mir Zeuge dieses Zwischenfalles war, brauchte nicht zweimal gebeten zu werden hinunterzugehen, Georgina den Sarong zu entreißen und ihn der Jungfrau zurückzugeben.

Bisher war Georgina bei diesen Scharmützeln Sieger geblieben. Am nächsten Morgen jedoch überspannte sie den Bogen. Eine nette, alte Dame, nicht weniger als 180 Pfund schwer, watschelte keuchend den Pfad zum Tor hinauf. Auf dem Kopf balancierte sie vorsichtig einen Marmeladeneimer mit Erdnußöl, das sie Philipp, unserem Koch, bringen wollte. Philipp, der die alte Dame erspäht hatte, stürzte aus der Küche, um sie zu warnen. Doch er kam zu spät. Lautlos wie ein Leopard sprang Georgina hinter der Hecke hervor, umklammerte die fetten Beine der alten Dame und stieß dabei ihr schreckliches Geheul aus. Die arme Alte war zu dick, um wie die anderen davonzuspringen. Wie angewurzelt blieb sie stehen; Georgina hatte ihre Fesseln liebevoll umfaßt. Die alte Dame schrie beinahe so laut wie Georgina. Während dieser zweistimmigen Kakophonie schwankte der Marmeladeneimer gefährlich auf dem Kopf der Alten. Da stapfte Philipp den Pfad herunter und schrie heisere Befehle, welche die alte Dame weder hören noch befolgen konnte. Als er sie erreichte, tat er etwas sehr Dummes; anstatt seine Aufmerksamkeit dem Eimer auf dem Kopf der Frau zuzuwenden, konzentrierte er sich auf ihre Beine. Er ergriff Georgina und versuchte sie fortzureißen, Georgina hingegen war nicht gewillt, ein so dralles, sympathisches Opfer ohne Widerspruch aufzugeben. Mit wütendem Geschrei hielt sie sich wie eine Klette fest. Philipp, der den Pavian um die Taille gefaßt hatte, zog mit Leibeskräften. Der Körper der Alten schwankte wie ein riesiger Baum kurz vor dem Fall. Der Marmeladeneimer gab den ungleichen Kampf auf und fiel, dem Gesetz der Schwerkraft folgend, krachend auf den Boden Als er aufschlug, sprang eine Welle von Öl hoch und überschüttete die drei Beteiligten mit einem goldenen, klebrigen Wasserfall. Georgina, erschrocken über diese neue, schurkische und vielleicht gefährliche Form der Kriegsführung, stieß ein erschrockenes Grunzen aus, ließ die Beine der alten Dame fahren und zog sich ans Ende ihrer Leine zurück. Sie setzte sich und versuchte, ihr Fell vom klebrigen öl zu säubern. Philipp sah aus, als schmölze er, von der Taille abwärts, langsam dahin. Der Sarong der Alten war völlig durchweicht.

»Wah!« schrie Philipp, »du dumme Frau, warum du werfen dieses Öl herunter?«

»Dämlicher Kerl! Dies Fleisch kommen mich beißen, Was ich machen?«

Unsere Alte war nicht weniger ungehalten.

»Dieser Affe nicht beißen, verdammte Närrin. Sein zahmer Affe«, brüllte Philipp, »du sehen, meine Kleider verdorben von Öl. Du sein schuld.«

»Nicht meine Schuld! Nicht meine Schuld!« keifte die Alte. Ihre eindrucksvolle Leibesfülle bebte wie ein Vulkan; »deine Schuld, Buschmann. Und all mein Kleid verdorben. All mein Öl ’runtergefallen.«

»Verfluchte, dämliche Frau!« trompetete Philipp, »du Buschfrau. Du werfen dies Öl ’runter... alle meine Kleider sein kaputt.«

Wütend stampfte er mit seinem enormen Fuß auf, trat dabei mitten in die Ölpfütze und bespritzte den schon triefenden Sarong der alten Dame noch mehr. Ihr Geschrei erinnerte an eine heulende Granate. Sie zitterte vor Wut und fand endlich die Sprache wieder. Nur ein Wort schleuderte sie heraus. »Ibo!« zischte sie böse. Jetzt war es für mich höchste Zeit einzugreifen.

Philipp taumelte vor dieser Beschimpfung zurück; denn die Ibos sind ein Stamm Nigerias, den die Bewohner Kameruns nur mit Verachtung und Ekel betrachten. Es gilt als tödliche Beleidigung in Kamerun, jemanden einen Ibo zu nennen. Ehe Philipp sich fassen und an der alten Dame rächen konnte, trat ich dazwischen und gab mir Mühe, nicht zu lachen. Ich beruhigte die gute Frau, zahlte ihr eine angemessene Entschädigung für den Sarong und das öl und besänftigte dann den immer noch kochenden Philipp, indem ich ihm ein Paar Shorts, Socken und ein Hemd von mir versprach. Dann band ich die klebrige Georgina los und brachte sie an eine Stelle, wo sie keine kostspieligen Angriffe auf die örtliche Bevölkerung unternehmen konnte.

Doch waren wir mit Georgina noch nicht am Ende. Unglücklicherweise band ich sie unter der Erdgeschoßveranda an, nahe dem Raum, den wir als Bad benutzten. In einer großen, runden Plastikwanne wuschen wir jeden Abend Schweiß und Schmutz; der Tagesarbeit ab. Leider war diese Wanne ein wenig zu klein. Um sich im warmen Wasser ausstrecken zu können, ließ man Füße und Beine aus der auf einer Holzkiste stehenden Wanne hängen. In der glatten Wanne kostete es erhebliche Anstrengungen, sich aufzurichten, um Seife und Handtuch oder sonst etwas zu erreichen. Doch in Ermangelung eines Besseren mußten wir damit zufrieden sein.

Sophie genoß ihr Bad am meisten und blieb viel länger darin als wir anderen. Sie pflegte behaglich im warmen Wasser zu liegen, zu rauchen und bei einer Sturmlaterne zu lesen. An diesem Abend fielen Sophies Waschungen kürzer aus. Die Badezeremonien begannen jeweils damit, daß einer unserer Bedienten kam und in der ihm eigenen verschwörerischen Art verkündete »Bad fertig, Madame«. Sophie nahm Buch und Zigaretten und machte sich auf den Weg. Sie fand das Bad schon von Georgina mit Beschlag belegt. Unsere Heldin hatte gemerkt, daß sie von der Stelle, an der ich sie angebunden hatte, diesen interessanten Raum erreichen konnte. Sie saß neben der Wanne und tunkte das Handtuch ins Wasser. Dabei gab sie kurze kehlige Laute der Zufriedenheit von sich. Sophie verscheuchte Georgina, ließ sich ein neues Handtuch bringen, schloß die Tür und streckte sich im warmen Wasser aus. Wie sich bald herausstellte, war die Tür nicht richtig geschlossen. Georgina hatte noch nie in ihrem Leben jemandem beim Baden zugesehen und wollte diese einmalige Gelegenheit nicht ungenutzt vorübergehen lassen. Sie warf sich gegen die Tür und schlug sie weit auf. Jetzt saß Sophie in der Falle. In der Wanne eingeklemmt, konnte sie nicht herauslangen und die Tür schließen. Bei offener Tür dazuliegen, war wiederum unmöglich. Mit großer Anstrengung beugte sie sich aus der Wanne und griff nach den Kleidern, die zum Glück danebenlagen. Georgina hielt das für den Anfang eines vielversprechenden Spieles. Sie sprang vor, zog Sophies Ausstattung an ihre haarige Brust und rannte davon. Jetzt blieb Sophie nur noch das Handtuch. Sie kämpfte sich aus der Wanne, wickelte sich in diese unzureichende Hülle, vergewisserte sich, daß niemand in der Nähe war und ging hinaus, um ihre Kleider zurückzugewinnen. Georgina, die sah, daß Sophie mitspielte, jauchzte entzückt. Als Sophie auf sie zusprang, rannte sie in den Baderaum zurück und steckte Sophies Kleider eilig in die Wanne. Sophies Entsetzensschrei nahm sie als Aufmunterung, ergriff die Schachtel Zigaretten und warf sie ebenfalls ins Wasser, vermutlich um herauszufinden, ob sie schwimmen können. Die Schachtel ging unter, und fast vierzig Zigaretten stiegen verdorben an die Oberfläche. In dem Bemühen, alles zu tun, um Sophie zu belustigen, kippte sie die Wanne um. Von dem Lärm angezogen, erschien ich gerade in dem Augenblick auf der Bildfläche, als Georgina behende in die Wanne sprang und ungefähr wie beim Traubenkeltern in dem Mischmasch aus durchweichten Zigaretten und Kleidern herumtrat. Es kostete uns viel Mühe, den animierten Pavian fortzuschaffen, für Sophie neues Badewasser einzufüllen und frische Kleider und Zigaretten zu besorgen. Am Ende war das Abendbrot kalt. So verdankten wir Georgina einen wirklich vergnügten Abend.

Die größte Freude und Unterhaltung bereiteten uns jedoch die Menschenaffen. Den ersten brachte man uns eines Morgens. Hingegossen lag er in den Armen des Jägers mit einem so überheblich vornehmen Ausdruck auf dem kleinen runzligen Gesicht, daß man meinen konnte, der Jäger sei der Diener, der ihn herumzutragen habe wie einen orientalischen Potentaten. Ruhig saß er auf der Treppe des Gästehauses und beobachtete mit intelligenten, spöttischen braunen Augen, wie der Jäger mit mir über den Preis für ihn feilschte. Er schien andeuten zu wollen, daß der schmutzige Handel für einen Schimpansen seiner Herkunft äußerst geschmacklos sei. Als das Geschäft abgeschlossen war, und der schnöde Gewinn den Besitzer gewechselt hatte, nahm unser Affenaristokrat herablassend meine Hand und ging mit mir ins Wohnzimmer. Mit dem Ausdruck schlecht verhohlenen Abscheus sah er sich um, wie ein Herzog sich in der Küche seines kranken Lehnsmannes umsieht, vor dem er sich demokratisch zeigen will, so unangenehm es auch sein mag. Auf dem Tisch sitzend, erwies er uns die Gnade, unsere bescheidene Gabe, eine Banane, anzunehmen; er gab sich den Anschein, als sei er der Ehren müde, die man ihm sein Leben lang erwiesen hatte. Auf der Stelle beschlossen wir, diesem blaublütigen Affen einen Namen zu geben, der seiner würdig sei, und nannten ihn Cholmondeley St. John, ausgesprochen natürlich Chumley Sinjun. Später, als wir vertrauter mit ihm waren, erlaubte er uns, ihn einfach Chum zu nennen oder manchmal auch, wenn wir auf ihn wütend waren, »du verfluchter Affe«. Diese Bezeichnung erschien uns jedoch wie Majestätsbeleidigung. Wir bauten einen Käfig für Chumley — mit dem er gar nicht einverstanden war — und ließen ihn nur zu bestimmten Zeiten herumlaufen, wenn wir auf ihn aufpassen konnten. Morgens früh zum Beispiel wurde er herausgelassen. Dann durfte er einen unserer Bedienten, der uns den Morgentee brachte, in unser Schlafzimmer begleiten. Er galoppierte quer durch den Raum, sprang in mein Bett, gab mir einen feuchten, flüchtigen Kuß zur Begrüßung und beobachtete dann mit Grunzen und abgehackten »Ah-Ah«-Kufen, wie das Tablett gebracht wurde, um sicher zu sein, daß seine Tasse — eine Tasse aus Zinn wegen der besseren Haltbarkeit — nicht vergessen wurde. Zurückgelehnt sah er zu, wie ich Milch, Tee und Zucker (fünf Teelöffel) in seinen Becher tat. Wenn alles fertig war, zerrte er mir mit aufgeregten Händen die Tasse fort, grub sein Gesicht hinein und begann so geräuschvoll zu trinken, daß es sich anhörte, als ob eine große Badewanne auslaufe. Ohne abzusetzen oder Luft zu holen, leerte er den Becher, hob ihn dabei hoch, bis die Unterseite nach oben zeigte. Dann ließ er den köstlichen, halbgeschmolzenen Zucker in sein offenes Maul laufen. Wenn er sicher war, daß nichts mehr kam, seufzte er tief, rülpste nachdenklich und gab mir den Becher zurück in der vagen Hoffnung, ich würde ihn nachfüllen. Hatte er begriffen, daß ihm der Wunsch nicht erfüllt würde, sah er mir zu, wie ich meinen Tee trank, und versuchte, mich zu unterhalten. Verschiedene Spiele erfand er zu meinem Vergnügen. Alle waren anstrengend für eine so frühe Morgenstunde. Zuerst schlich er ans Fußende, hockte sich dort hin und warf mir verstohlene Blicke zu, um sich zu vergewissern, ob ich ihn beachtete. Dann griff er mit seiner kalten Hand unter die Bettdecke nach meinen Zehen. Ich mußte darauf mit geheucheltem Wutschrei auffahren, während er aus dem Bett und in die andere Zimmerecke sprang; dabei beobachtete er mich über die Schulter mit einen schadenfrohen Ausdruck in seinen braunen Augen. Wenn ich zu diesem Spiel keine Lust mehr hatte, gab ich vor zu schlafen. Vorsichtig schlich Chumley am Bett entlang und spähte für einige Sekunden in mein Gesicht, dann schoß sein langer Arm vor und fuhr mir ins volle Haar; bevor ich ihn festhalten konnte, raste er zurück. Gelang es mir jedoch, ihn zu fangen, legte ich meine Hände um seinen Rücken und kitzelte ihn am Hals, wobei er sich wand und krümmte, albern wie ein Kind kicherte, den Mund weit öffnete und beim Zurückziehen der Lippen seinen riesigen rosa Gaumen und die weißen Zähne zeigte.

Unsere nächste Errungenschaft war eine große, fünfjährige Schimpansin mit Namen Minnie. Eines Tages tauchte ein holländischer Farmer hei uns auf und sagte, er wolle uns Minnie verkaufen, da er bald für längere Zeit in Urlaub gehe und das Tier nicht der unzuverlässigen Obhut seiner Diener anvertrauen möchte. Wir brauchten uns Minnie nur zu holen, wenn wir sie haben wollten. Die Farm des Holländers lag etwa 80 Kilometer weit, in dem Ort Santa. Wir verabredeten, im Jeep des Fon nach Santa zu fahren, uns die Schimpansin anzusehen und sie zu kaufen, wenn sie gesund war. Mit einem großen Verschlag brachen wir eines Morgens von Bafut auf und dachten, wir würden am frühen Nachmittag zurück sein. Um nach Bemenda zu kommen, mußte man das Tal von Bafut verlassen, die große Bemenda-Höhe hinauffahren — ein fast kahles, 100 Meter hohes Kliff — und dann in die Bergkette hinein, die dahinter lag. Die Landschaft lag weiß im schweren Morgennebel. Er wartete, daß ihn die aufgehende Sonne in großen, hängenden Säulen zum Himmel emporzöge und lag wie ein Milchsee friedlich in den Tälern, aus denen nur die Spitzen der Hügel und Anhöhen herausragten wie seltsame Inseln aus einem bleichen Meer. Als wir höherstiegen, fuhren wir langsamer, da der leichte Morgenwind die Nebelschwaden in zarten Böen vor sich herschob, wobei sie hochgewirbelt wurden und sich über den Weg ergossen. Wenn man um eine Ecke fuhr, war man plötzlich mitten in einer Nebelbank und konnte kaum ein paar Meter weit sehen. Als wir durch den Nebel krochen, tauchte plötzlich vor uns etwas auf, das wie ein Paar Elefantenzähne aussah. Wir stoppten mit einem Ruck. Durch den Nebel schimmerte eine Herde langhörniger Fulani-Rinder, die uns dicht umringten und interessiert durch die Scheiben spähten. Die übergroßen Tiere von dunkel-schokoladenbrauner Farbe hatten große, feuchtglänzende Augen und ein ansehnliches weißes Gehörn, das bei einigen eine Spannweite von anderthalb Metern hatte. Sie standen dicht gedrängt um uns herum. In weißen Wolken entströmte ihr warmer Atem den Nüstern, der süßliche Geruch der Tiere hing schwer in der Luft; die Glocke der Leitkuh klingelte fröhlich bei jeder Bewegung. Wir saßen da und bestaunten uns gegenseitig für einige Minuten. Plötzlich hörten wir ein scharfes Pfeifen und einen rauhen Ruf. Der Hirte tauchte aus dem Nebel auf. Er war ein typischer Fulani, groß und schlank, mit edlen, scharf profilierten Gesichtszügen und einer geraden Nase, wie man sie auf griechischen Wandgemälden findet. »Guten Tag, mein Freund!« rief ich.

»Morgen, Masa«, antwortete er grinsend und klatschte auf die feuchte Flanke einer mächtigen Kuh.

»Sind dies deine Kühe?«

»Ja, Sah, sein meine.«

»Wohin bringst du sie?«

»Nach Bemenda, Sah, auf den Markt.«

»Treibe sie weg, damit wir weiterfahren können.«

»Ja, Sah, ja, Sah, ich sie wegbringen.« Er lachte und mit lauten Zurufen trieb er die Kühe vorwärts, hinein in den Nebel. Dabei tanzte er von einer Seite zur anderen und schlug auf ihre Flanken mit einem Bambusstock einen heiteren Trommelwirbel. Die riesigen Tiere verschwanden im Nebel mit tiefem, zufriedenem Muhen und dem fröhlichen Gebimmel der Leitkuh.

»Danke, mein Freund. Guten Weg!« rief ich ihm nach.

Als wir in Santa ankamen, stand die Sonne am Himmel, und die Berge hatten ihre Farbe in Gold-Grün gewechselt. Nur die Abhänge waren noch mit einigen, besonders hartnäckigen Nebelstreifen behängen. Im Hause des Holländers erfuhren wir, er sei unerwartet abgerufen worden. Minnie war jedoch da, und ihretwegen waren wir ja schließlich gekommen. Wie wir sahen, lebte sie in einem großen, runden Gehege, das der Holländer für sie angelegt hatte. Das Ganze war von einer ziemlich hohen Mauer umgeben und einfach, aber wirkungsvoll ausgestattet. Da standen vier abgestorbene Baumriesen, die in Zement gepflanzt waren und ein kleines Holzhaus mit Schwingtür. In dieses Gehege gelangte man mit Hilfe einer Zugbrücke, die über den trockenen Burggraben führte, der Minnies Behausung umgab.

Minnie war ein stattliches, etwa einen Meter großes Schimpansenweibchen. Sie saß in einem der Bäume und betrachtete uns mit liebenswürdigem, etwas nichtssagendem Ausdruck. Wir beobachteten uns etwa zehn Minuten lang schweigend, und ich versuchte, ihren Charakter abzuschätzen. Der Holländer hatte mir zwar zugesichert, Minnie sei vollkommen zahm, doch hatte ich genügend Erfahrung, um zu wissen, daß selbst der zahmste Schimpanse bösartig werden kann und mit ihm nicht gut Kirschen essen ist, wenn er einen Menschen nicht mag. Minnie war zwar nicht sehr groß, hatte aber einen imponierenden Umfang.

Schließlich ließ ich die Zugbrücke herab und ging in das Gehege. Bewaffnet hatte ich mich mit einem Bündel Bananen, mit denen ich meinen Rückzug decken wollte, falls ich Minnies Charakter falsch eingeschätzt haben sollte. Ich setzte mich mit den Bananen im Schoß auf den Boden und wartete, daß Minnie den ersten Schritt mache. Noch saß sie in ihrem Baum, beobachtete mich interessiert und schlug mit den großen Händen gedankenvoll auf ihren runden Bauch. Als sie sich endlich dafür entschieden hatte, daß ich wohl harmlos sei, kletterte sie herunter und lief mit langen Schritten auf mich zu. Ungefähr einen Meter vor mir hockte sie sich nieder und hielt mir die Hand hin. Feierlich schüttelte ich sie.

Dann war die Reihe an mir; ich reichte Minnie eine Banane; sie nahm sie und fraß sie mit zufriedenem Grunzen.

In einer halben Stunde hatte sie alle Bananen verputzt, und wir waren fast Freunde geworfen, das heißt, wir spielten Kinderspiele, jagten uns um das Gehege herum, in die Hütte hinein und wieder heraus, und kletterten zusammen auf einen Baum. Jetzt hielt ich den Augenblick für gekommen, den Verschlag ins Gehege zu bringen. Wir trugen ihn heran, stellten ihn, den Deckel in Reichweite, auf den Rasen und ließen Minnie Zeit, seine Harmlosigkeit zu erkennen. Die Schwierigkeit bestand darin, Minnie in den Verschlag zu bringen, ohne sie zu verängstigen und ohne dabei von ihr gebissen zu werden. Da sie nie in ihrem Leben in einer Kiste oder in einem Käfig eingesperrt war, fürchtete ich das Schlimmste, vor allem ohne die Hilfe ihres Herrn, der uns mit seiner Autorität unterstützt hätte. Dreieinhalb Stunden versuchte ich, Minnie zu beweisen, daß der Verschlag ungefährlich sei. Ich setzte mich hinein, legte mich hinein, sprang auf ihn hinauf und kroch sogar mit ihm auf dem Rücken herum, wie eine seltsam geformte Schildkröte. Minnie war begeistert über meine Bemühungen, sie zu unterhalten. Doch behandelte sie den Verschlag nach wie vor mit Mißtrauen. Besonders wichtig war, daß ich nur einmal den Versuch machen konnte, sie zu fangen; mißlang es beim ersten Mal, und merkte sie, was ich vorhatte, würden keine Verführungskünste es fertigbringen, sie wieder in die Nähe der Kiste zu bringen. Langsam, aber sicher mußte sie zum Verschlag gelockt werden, damit ich ihn über sie stülpen konnte. Nach weiteren Dreiviertelstunden konzentrierter und ermüdender Anstrengungen hatte ich sie so weit, daß sie vor dem aufgerichteten Verschlag saß und Bananen von drinnen annahm. Dann kam der große Augenblick.

Als Köder legte ich ein besonders üppiges Bananenbündel in den Verschlag, setzte mich dahinter und aß selbst eine Banane, während ich die Landschaft unbefangen betrachtete, als dächte ich nicht im geringsten daran, Schimpansen zu fangen. Minnie schob sich näher und warf mir verstohlene Blicke zu. Dann setzte sie sich dicht vor den Käfig und fixierte die Bananen mit gierigen Augen. Als ihr ein rascher Blick auf mich zeigte, daß ich mit meiner Banane beschäftigt war, beugte sie sich vor. Kopf und Schultern verschwanden im Verschlag. Ich schleuderte mein Gewicht gegen die Rückseite der Kiste, so daß sie über sie fiel, sprang dann hinauf und setzte mich, damit Minnie den Verschlag nicht hochstieß. Bob eilte mir zur Hilfe und unterstützte mich mit seinem Gewicht. Dann schoben wir unendlich vorsichtig den Deckel unter die Kiste, drehten sie um und nagelten ihn an. Minnie betrachtete mich unterdessen böse durch ein Astloch und rief klagend »Ooo... Oooo... Oooo...«, als sei sie bis ins Innerste von meiner Bosheit angeekelt. Ich wischte mir den Schweiß von der Stirn, zündete mir die heiß ersehnte Zigarette an und sah auf die Uhr. Viereinhalb Stunden hatten wir gebraucht, um Minnie in die Kiste zu bekommen, wahrscheinlich hätte es nicht viel länger gedauert, sie wild im Urwald zu fangen. Müde luden wir sie auf den Jeep und nahmen Kurs auf Bafut.

In Bafut hatten wir für Minnie einen großen Käfig aus Dexion bereitgestellt. Natürlich konnte er sich nicht mit ihrem Gehege messen, war aber so groß, daß sie sich für den Anfang nicht eingesperrt zu fühlen brauchte. Später, auf der Heimfahrt, mußte sie sich mit einem wesentlich kleineren Käfig abfinden. Doch nach der Freiheit, in der sie gelebt hatte, wollte ich sie allmählich an die Gefangenschaft gewöhnen. Als wir sie in den neuen Käfig überführt hatten, untersuchte sie ihn mit zustimmendem Grunzen; sie schlug an die Stäbe und schaukelte auf den Sitzstangen, um auszuprobieren, wie stark sie waren. Dann gaben wir ihr eine große Portion gemischter Früchte und eine Plastikschüssel mit Milch.

Der Fon war an unserer Neuerwerbung sehr interessiert, denn er hatte nie zuvor einen großen lebenden Schimpansen gesehen. Am Abend bat ich ihn also zu einem Whisky herüber, damit er Minnie kennenlerne. Kurz nach Einbruch der Dunkelheit kam er. Heute trug er ein grün-rotes Gewand und ließ sich von fünf Räten und zwei Lieblingsfrauen begleiten. Nach der Begrüßung und dem ersten Glas nahm ich die Lampe und führte den Fon mit seinem Gefolge die Veranda hinunter zu Minnies Käfig, der leer zu sein schien. Als ich die Lampe hochhob, sahen wir, daß Minnie schlafen gegangen war. Aus trockenen Bananenblättern hatte sie sich eine bequeme Lagerstätte gemacht. Darauf lag sie auf der Seite, den Kopf auf der Hand, mit einem alten Sack, den wir ihr gegeben hatten, sorgfältig bis unter die Achseln zugedeckt.

»Wah! Sie schläft wie ein Mensch«, sagte der Fon erstaunt. »Ja, ja, sie schlafen wie Menschen«, fielen die Räte ein.

Minnie, gestört durch das Licht und die Stimmen, öffnete ein Auge, um zu sehen, was los sei. Der Anblick des Fon und seiner Gesellschaft erregte ihre Neugier, sie warf den Sack behutsam zurück und watschelte ans Gitter.

»Wah«, sagte der Fon, »sie sieht aus wie ein Mensch.«

Minnie betrachtete den Fon von oben bis unten und meinte dann, man könne ihn zu einem Spiel verführen. Darum schlug sie mit ihren großen Fländen laut den Takt an die Stäbe. Der Fon und sein Gefolge wichen zurück.

»Habt keine Angst, sie macht nur Spaß«, sagte ich.

Vorsichtig näherte sich der Fon wieder dem Käfig, und auf seinem Gesicht spielten Erstaunen und Vergnügen. Ebenso vorsichtig beugte er sich vor und hämmerte mit der Handfläche an die Stäbe. Die begeisterte Minnie antwortete ihm mit einer Kanonade von Schlägen, die ihn zurückspringen, dann aber vor Begeisterung lachen ließen.

»Sieh, ihre Hand, ihre Hand! Sie hat Hand wie Mensch«, staunte er.

Der Fon bückte sich und hämmerte wieder an das Gitter, Minnie antwortete.

»Sie macht Musika mit mir!« Der Fon schüttelte sich vor Lachen.

Ermutigt von dem Erfolg, lief Minnie mehrere Male im Käfig herum, vollführte einige Rückwärtssaltos auf ihren Sitzstangen und hockte sich dann vorne hin. Sie ergriff ihren Freßnapf und setzte ihn auf den Kopf, auf dem er wie ein Stahlhelm thronte. Der Fon und seine Begleitung lachten so laut, daß sämtliche Dorfhunde zu bellen anfingen.

»Der Hut, der Hut!« Der Fon krümmte sich vor Vergnügen. Da ich merkte, daß es unmöglich war, ihn von Minnie fortzubringen, ließ ich Tische, Stühle und Getränke herausschaffen und auf die Veranda in die Nähe des Käfigs stellen. Der Fon trank seinen Whisky und prustete dann wieder vor Lachen, während Minnie wie ein alter Zirkusclown Kunststücke zeigte. Als sie müde geworden war, setzte sie sich an die Stäbe neben den Fon und sah ihm interessiert beim Trinken zu. Den Plastikhelm hatte sie immer noch auf dem Kopf. Der Fon lachte sie an und beugte sich zu ihr hinunter, bis sein Gesicht kaum zehn Zentimeter von Minnies entfernt war, hob sein Glas und sagte: »Chirri-ho!«

Zu meinem Erstaunen antwortete Minnie, indem sie ihre langen beweglichen Lippen vorschob, die Zunge zusammenrollte und ihn anblies, so laut und feucht, wie es nur einem Affen möglich ist.

Der Fon lachte über diesen Scherz so laut und so lange, bis wir am Ende alle hysterisch vor Vergnügen waren. Schließlich nahm er sich zusammen, wischte sich die Augen, beugte sich vor und zahlte Minnie in gleicher Münze heim. Doch blieb er ein Amateur im Vergleich zu Minnie, die noch lauter und feuchter blies. .

»Bsuuuu...«, es donnerte wie Maschinengewehrfeuer über die Veranda. Für die nächsten fünf Minuten unterhielten der Fon und Minnie ein schnelles Kreuzfeuer, bis der Fon aufgeben mußte und Minnie der totale Sieger blieb — sie hatte mehr Ausdauer, war schneller, feuchter und viel klangvoller als er.

Schließlich verließ uns der Fon. Wir sahen, wie er über den großen Hof ging und das Feuer nun auf seine Räte eröffnete, »bsuuuu...«, sie bogen sich vor Lachen. Minnie, mit dem Ausdruck einer Dame der Gesellschaft nach einer anstrengenden Dinerparty, gähnte laut und ging dann, um sich auf ihr Bananenbett zu legen. Sie deckte sich sorgfältig mit dem Sack zu, legte die Hand unter die Wange und schlief ein.