Kapitel 20
Donna wollte sich unbedingt erst duschen und schminken bevor sie das Haus verließ, aber Tom wehrte ab. Das könne sie machen, wenn sie wieder zurückkämen. Sie ließ sich überreden, und zog sich im Bad schnell eine Jeans und ein enges schwarzes Shirt mit einem Bildnis der Heiligen Madonna darauf an. Er griff zu der Jeans von gestern und zu einem weißen Sweatshirt mit einem roten Ahornblatt darauf.
Zum Glück hatten beide Laufschuhe angezogen, da der Waldboden vom Regen der Nacht noch sehr glitschig und auch zu weilen tief war. Der feuchte Boden ließ eine besondere Vielzahl an Pflanzen wachsen. Tom ging mit Donna zum Nichols Brook. Sie sahen die zarten Schönheiten, die Jack-in-the-Pulpit und die Lady’s Slipper. Der Jack-in-der-Kanzel erhielt seinen Namen, weil die Blume aussah, als stünde ein kleiner Prediger in einer überdachten Kirchenkanzel. Die Lady’s-Slipper-Orchidee sah tatsächlich aus wie der zarte, von Bändern umgebene Schuh einer zierlichen Dame. Donna, die Stadtfrau, war angetan von so ungewöhnlicher Pflanzenpracht.
Der Fluss sprach an diesem Morgen eine besondere Sprache. Ihm war die Leichtigkeit anzusehen. Das Wasser sprudelte unaufhörlich in eine Richtung. Nichts konnte es aufhalten. Trotz der Kraft war es so klar und ohne Lüge. Donna hatte in einem ihrer Briefe das Wasser beschrieben. Sie schätzte es genauso wie er, ansonsten wäre die andächtige Stille der beiden nicht zu erklären gewesen, als sie den Fluss erreichten. Sie schwiegen lange und nahmen die Farbenpracht des Indian Summer, besonders das leuchtende Rot des Ahorn in sich auf. Der Fluss untermalte das Naturschauspiel in unvergleichlicher Art und Form.
Donna ging ans Ufer und ließ eine Hand durchs Wasser gleiten. Sie musste an den Aufenthalt im Havasu Creek denken. Diese einmalig geschaffenen Bildnisse der Natur sind eines der größten Geschenke an den Menschen.
»Es ist kalt ... aber schön.«
Er ging zu ihr hin. »Hier werden wir bleiben. Das ist die Stelle, die ich dir zeigen wollte.«
Hinter ihnen war tiefer Wald. Auf der anderen Uferseite waren auch nur wenige lichte Stellen auszumachen. Sie waren inmitten der ehrlichen Natur. Die Stelle, an der Tom seine Picknickdecke ausbreitete, war die einzig mit Gras bewachsene, an der keine Bäume standen. Ein einsames Idyll.
»So muss es doch im Paradies sein, oder?«, fragte Donna.
»Ich glaube, wir sind nahe dran, am Paradies.«
Tom setzte sich auf die Decke, ringsherum war Gras von dessen Halmen die Regentropfen nach unten rannen. Sie setzte sich. Er atmete, am Flussufer stehend, noch eine Minute die saubere und reinigende Luft ein.
»Komm Schatz, setz dich zu mir«, sagte sie. »Du öffnest den Picknickkorb.«
Er dachte sich verhört zu haben, doch sie hatte tatsächlich Schatz zu ihm gesagt. In seinen wachen und freudig dreinblickenden Gesichtszügen stand pures Glück geschrieben. So glücklich wie in den schönsten Momenten, die er mit der Debbi erleben durfte, als er sich in sie verliebt hatte.
Er setzte sich neben sie auf die Decke und öffnete einen der beiden Deckel des Weidenkorbs.
»Was haben wir denn da? Einige knallrote Tomaten. Einige Scheiben vorzüglichen Käse. Vier Scheiben Brot. Zwei Bananen. Eine Flasche Wasser und ... und eine Kokosschokolade.« Tom hatte an Donnas Faible gedacht.
»Ach, Tom, du bist so lieb. Du hast extra für mich eine Kokosschokolade mitgebracht. Lass dir einen Kuss geben.«
Der Kuss war zur facettenreichen Natur passend. Er enthielt viele Elemente, die einen Kuss erst zum Kuss werden ließen.
»Ich esse aber nur zwei oder drei Stücke, da ich so früh am Morgen davon Magenschmerzen bekomme.«
»Wichtig ist, dass du dich freust.«
»Natürlich. Wie habe ich das nur alles verdient.«
»Wie sagtest du es gestern so schön, weil du du bist.«
Während des Frühstücks und dem Blick auf den plätschernden Nichols Brook erzählte Donna die Geschichte um ihre Essstörung zu Ende und welche Spätfolgen sie jetzt, nach so vielen Jahren, noch tragen musste.
Tom dachte an den Moment zurück, kurz bevor sie das Haus verließen um hierher zu gehen. Donna musste sich an einem antiquarischen Schrank in der Küche – den er in Washington, D.C., kurz vor seiner Abreise, gekauft hatte – festhalten. Ihr Körper war schwach; jeden Tag wurde er ein Stücken schwächer, wegen der Opfer, die sie erbrachte. Tom zuckte die Gewalt eines Stromschlags durch den Körper, als er sie so leiden sah. Beinahe wären ihm Tränen entkommen. Er wollte zu ihr rennen und sie halten, sie in seinen Armen betten. Aber er entschied sich dagegen. Sie hätte seine Hilfe nur mit Missgunst quittiert. Sie wollte keine Hilfe annehmen.
Sie hatte oft Angst, dass durch ihre immer häufiger auftretenden Schwächeanfälle ihr Job im Copley Plaza Hotel gefährdet wäre. Einige voll beladene Tabletts gingen bereits zu Bruch, als sie gestolpert war. Doch ihre Kollegen unterstützten sie und logen, für Donna. Damit machten sie alles nur noch schlimmer. Auch Toms Hilfe würde sie ausschlagen.
Ein Spiel begann.
Sie blinzelten sich in den Sonnenstrahlen an und wieder nicht. Wie kleine Kinder, die eine Dummheit ausheckten.
Donna aß zwei Tomaten und einige Scheiben Käse mit einer Scheibe Brot und natürlich die Stücke der Kokosschokolade. Wie sie die Tomaten und das Käsebrot aß war nicht von dieser Welt. Nun kam die Banane an die Reihe. Tom gingen die Augen über. Donna lutschte an der abgeschälten Banane wie an ... Sogar beim Essen sprühte Donna nur so vor lasziver Erotik. Er verbannte diese Gedanken.
»Schmeckt es?«
»Alles war vorzüglich, Tom. Du bist ein großer Schatz, dass du das alles so schön arrangiert hast.« Sie sagte das mit den Blicken eines hilflosen, neugeborenen Kätzchens.
Er räumte die Überreste des Frühstücks in den Weidenkorb zurück und sah sich Donnas Rückseite an. Sie war aufgestanden und zum Flussufer gegangen. Sie sah mit geschlossenen Augen gen Himmel. Wie ich, dachte er. Meine Pose, wenn ich den Duft von Vermont einatme. Sie schien sich wirklich frei und glücklich zu fühlen. Das erste Mal sah er sie in solch einer offenen Pose. Sie war Sie. Jetzt.
Er stellte sich neben sie. In seinen Augen spiegelten sich die schwankenden Wellen des Flusses. Sie sah ihn von unten herauf an, da er ja dreißig Zentimeter größer war als sie.
»Auch wenn ich mich wiederhole, Tom, Deine Augen spiegeln deine Seele. Sie zeigen mir immer, wenn du mich ansiehst, dass du der liebste und ehrlichste Mensch bist, den ich jemals kennen lernen durfte.«
Seine Lippen machten sich auf zu einem Lächeln. »Und du, Donna, du bist nicht nur ein außergewöhnlich schönes und extravagantes Wesen. Nein, du bist auch noch unverschämt intelligent. Du vereinst so vieles, das es eigentlich nicht gibt. Ich kann nur immer wieder sagen, du bist mein wahr gewordener Traum!«
»Wow!«, sagte sie das erste Mal nach einem Kompliment, dass sie von ihm erhielt.
»Wenn ich dir das sage, komme ich mir mittlerweile irgendwie dumm vor, da dir das sicher schon viele gesagt haben, und man sieht, was passiert ist. Ansonst wärst du nicht mit mir hier an diesem Fleckchen Eden, und jetzt, komm ich mit der gleichen Platte, aber es kommt tief aus meinem Herzen. Soll ich dich anlügen, und sagen, du bist hässlich, einfach nur unattraktiv, dumm, nicht auszustehen. Nein, weil es gelogen wäre.«
Sie fühlte sich sichtbar geschmeichelt. »Hör auf damit, du machst mich noch total verlegen. Das stimmt in dieser Form nicht alles, Tom. Wir kennen uns zu kurz, dass du mir so viele schöne Sachen sagen darfst.«
Beide sprachen darüber, wo sie denn gerne Urlaub machen würden und wie viele Akte der Liebe an einem einzigen Tag verträglich seien. Bei diesem Thema hatten sie recht unterschiedliche Meinungen.
»Was denkst, du?«, fragte sie.
»Na ja, zweimal ist schon eine enormes Pensum.«
»Ach komm, dreimal. Morgens, mittags, abends.«
»Da würde ich dann nach einer Woche einen langen Urlaub benötigen, um wieder aufstehen zu können.«
Er freute sich, dass sie wieder ungezwungen über die schönste Nebensache der Welt sprechen konnte. Es schien, dass die Ereignisse der Nacht nie passiert waren.
Sie setzte ein Julia-Roberts-Lächeln auf und sagte in Pretty-Woman-Manier: »Du wirst aufstehen können, Tom. Du wirst aufstehen können.«
Beide schlenderten am Fluss entlang. Er wäre beinahe in den Fluss gefallen nach ihrer Antwort.
Was ist sie nur für eine Frau? Will sie mich bei lebendigem Leib mit ihren Sätzen verbrennen?
»Wo gehen wir jetzt hin?«, fragte sie. Die Umgebung war aber so zauberhaft, dass sie mit ihm überall hingehen würde.
»Ich habe einem alten Freund versprochen, wenn du mich tatsächlich besuchen kommst, dass ich dich ihm vorstelle. Siehst du den Hügel da?« Tom deutete auf Cooper Cheetwoods Haus. Es war nur für den zu erkennen, der wusste, dass es da war. »Dort wohnt Coop, ein netter Kauz.«
»Okay«, sagte sie mit einer hellen Stimme, »lass uns hingehen.«
Sie sprachen auf dem Weg dorthin über unzählige Themen. Über das Waschen, die Gradzahlen und die anschließende Sauberkeit der Wäsche; über ihre Berufe und Berufswünsche. Er zeigte sich schockiert, als sie ihm erzählte, dass sie sich mit ihrer Mutter seit einem halben Jahr wieder trifft – zweimal bis jetzt – und sie viel miteinander sprechen. Sie hatte sich bei ihr entschuldigt, für die Qualen, die sie ihr zugefügt hatte. Jeden Tag entschuldigte sie sich aufs Neue. Donna hatte nachgegeben. Ihre Mutter lebte nun in einer kleinen Zweizimmerwohnung in Washington, D.C.
Tom freute sich, als sie das Thema Film aufgriffen. Endlich konnte er ihr sein Filmwissen aufzeigen, das er sich in Washington, D.C. angeeignet hatte. Er ging gerne ins Kino. Doch nun staunte er nur noch. Wenn er Dialoge aus Filmen sagen wollte, die beide begeisterten, egal, ob das nun Tom Cruise in Interview mit einem Vampir war; Jack Lemmon und Tony Curtis in Manche mögen’s heiß oder auch einer von Donnas Lieblingsstreifen, der Neuverfilmung von Dracula mit Keanu Reeves. Sie kannte praktisch alle Drehbücher auswendig. Keine Passage war ihr unbekannt.
Er atmete hastig und konnte nicht glauben, was er sah und hörte. Aber jetzt, dachte er sich. Mit seinem Film, Pulp Fiction, würde sie ihm nichts entgegensetzen können. Er stellte gerade recht gekonnt den Dialog zwischen John Travolta und Samuel L. Jackson nach, als diese über das Essen in Frankreich sprachen. Er verhaspelte sich kurz und sie ergänzte sofort den Satz. Er lief rot an. Das – darf – nicht – wahr – sein!
»Donna, du solltest zum Film gehen. Bei deinem unglaublichen Gedächtnis, besonders für Dialoge, wärst du auch dort richtig aufgehoben.«
Donna lächelte nur, gab aber keine Antwort. Tom ahnte, was sie gesagt hätte. Julia.
Das Haus von Cooper war in Sichtweite.
»Ich glaube, das Schicksal hat zwei suchende Seelen zueinander geführt«, sagte er, ohne sie dabei anzusehen.
»Ja!«
»Hallo Coop. Wie versprochen besuche ich dich heute mit einem Gast von mir. Ein ganz besonderer Gast. Donna.«
Cooper Cheetwood saß – wie immer – auf seiner Veranda und sah auf den Mackville Pond hinab. Die Sonne zeichnete gerade wieder ihr täglich wechselndes Muster auf die Oberfläche des Sees.
»Ich grüße dich, mein schönes Kind. Solch exotische Schönheiten sieht man hier in unserer Gegend sehr selten.« Coop untersuchte mit den Blicken eines weisen Mannes Donnas Erscheinung.
»Danke, Sir. Sie sind sehr lieb.«
»Setzt euch doch.«
Donna und Tom setzten sich auf eine alte Holzbank, auf der Cooper einige alte Bücher abgelegt hatte. Diadoras Tagebücher.
»Wie gefällt dir denn der Tom so?«, fragte Cooper unschuldig.
Donna antworte nicht sofort. Sie drehte den Kopf zu Tom und sah ihn an, als ob er ihr fremd war.
»Er ist ein herzensguter Mensch mit mehr Gefühl als es seine Briefe bereits ausgedrückt haben.«
Tom war erstaunt. Welch schöne Worte. War es das Bekenntnis zu ihm, auf das er hoffte?
Er fuhr Donna über ihre straffen Schenkel. Sie nahm seine Hand und hielt sie ganz fest.
Donna erzählte einen kleinen Auszug aus ihren gemeinsamen und erlebnisreichen Stunden.
Tom fühlte sich mit jedem Satz mehr geschmeichelt.
Cooper sah seine Gäste an. Sie waren zu beneiden, dachte er zuerst. »Dann habe ich vor mir wohl ein zukünftiges Liebespaar, das die Aufgaben, die ihm das Leben stellt, ab sofort gemeinsam meistern wird.«
»Das wird sich noch herausstellen«, sagte Donna, »aber es sieht gut aus.«
Eines von Diadoras Tagebüchern fiel zu Boden.
»Entschuldigen Sie, das wollte ich nicht«, sagte sie.
»Bitte reiche es mir, Donna.«
Donna gab Cooper das Buch, dessen Seiten schon vergilbt waren.
»Was ist das für ein besonderes Buch, Sir?«, fragte sie neugierig.
»Ein Teil von mir. Ein kleiner Teil, der mir noch geblieben ist.«
»Wie meinen Sie das?«
»Es sind die Niederschriften meiner verstorbenen Frau«, sagte Cooper, die Augen auf den Mackville Pond gerichtet.
»Oh, das wusste ich nicht. Verzeihen Sie meine unberechtigte Neugier.«
»Das macht doch nichts, Donna. Ich bin doch froh, dass ihr mich besuchen kommt. Da macht es nichts aus, wenn ein Buch zu Boden fällt und ihr Fragen darüber stellt.«
Tom stand von der Bank auf und stellte sich hinter seinen Cooper. Er umarmte ihn – wie einen Vater. Cooper konnte eine Träne nicht länger verbergen. Tom war für ihn mittlerweile wie ein lange verlorener – zweiter – Sohn. Warum war er ihm nur so spät begegnet?
Cooper schlug Seite zweiundzwanzig von Diadoras Tagebuch auf. Es war das Buch mit ihren Liebesgeschichten. Diadora schrieb diese nochmals gesondert in ein Buch nieder. Cooper war ein so gefühlvoller Liebhaber, schrieb sie auf jeder zweiten Seite. Er weinte, immer wieder, wenn er dies las. Warum musste sie nur gehen?
»Soll ich euch eine Geschichte erzählen? Eine Geschichte voll Liebe und Romantik.«
»Ja, bitte!«, freute sich Donna.
Tom schloss sich mit einem Kopfnicken an. Er setzte sich wieder neben Donna.
»Es war ein halbes Jahr vergangen. In dieser Zeit haben wir uns kennen und lieben gelernt. Ich war am Tage mit den Arbeiten auf der Farm meines Vaters beschäftigt. Für den Abend hatte sich Diadora angekündigt. Es war immer etwas Besonderes, wenn sie mich besuchte. Ich machte mich im Haus schick. Mit einem Anzug, den ich mir extra wegen ihr gekauft hatte, wollte ich sie beeindrucken. Meine Eltern waren diesen Abend im Dorf bei einer Familie eingeladen gewesen. Wir hatten die Farm für uns allein. Ich setzte mich an unseren wackeligen Küchentisch und wartete. Sie kam nicht. Ich war sehr enttäuscht, kann ich euch sagen. Doch sie würde ihre Gründe haben. Da war ich mir sicher.«
Cooper setzte kurz ab.
»Als ich meinen Anzug gerade wieder in den Schrank hängen wollte, kam sie. Schöner als je zuvor. Sie hatte ein langes vorne geknöpftes Kleid mit kleinen grünen Karos an. An den Ärmeln waren kleine, weiße Schleifen. Ich sehe sie noch heute vor mir. Sie war so schön. Ihr Haar war, wie fast immer, hochgesteckt. Eine Locke fiel ihr ins Gesicht. Ach, war sie schön. Sie sagte, ich solle ihr folgen, aber ich wollte mit ihr im Haus essen. Nein, sagte sie, folge mir. Ich tat es. Sie ging mit mir in unsere große Scheune. Was soll denn das, dachte ich mir? Als sie die Scheunentore öffnete begriff ich, warum sie zu spät gekommen war.«
Donna und Tom sahen Cooper auf die Lippen. Sie sogen ihm, sprichwörtlich, jedes Wort aus dem Mund.
»Was war denn in der Scheune so Unglaubliches?«, fragte Donna.
»Sie hatte die Scheune so schön geschmückt, wie es nach diesem Abend nie wieder der Fall sein sollte. Sie hatte Strohballen zu einem Herzen geformt. In der Mitte lagen vier Ballen nahe beieinander mit einer roten Decke darauf. Auf jedem Ballen des Herzens hatte sie eine Kerze auf einen eisernen Kerzenständer gestellt, und die Flammen bewegten sich im Wind, der durch die Scheune zog. Sie schien so aufgeregt zu sein wie ich. Auf der Decke hatte sie eine Schale mit Kirschen gestellt. Knallrote Kirschen. Es war so schön. Sie nahm mich an die Hand, rutschte einen Ballen leicht zur Seite und führte mich ins Herz.«
Coopers Augen glänzten bei der Erzählung.
»Die Scheune war nachts immer dunkel, doch jetzt brannte ein Herz im Bauch des großen Holzbaus. Und mein Herz brannte auch, vor Liebe zu Diadora. Wir legten uns auf die rote Decke. Das Stroh knisterte. Es war eine besondere Definition des Wortes Romantik. Diadora ließ ihre Gefühle sprechen, und das kam dabei heraus. Wir aßen alle Kirschen auf. Sie schob mir eine in den Mund, dann ich ihr. Wir redeten über unser letztes gemeinsames halbes Jahr der unsterblichen Liebe. Diadora öffnete plötzlich den oberen Knopf ihres Kleides. Mir wurde ganz heiß. Wir hatten noch nicht miteinander geschlafen. Doch nach einem halben Jahr, musste es einmal passieren, dachte ich in diesem Augenblick. Ich hatte Angst davor, dass ich alles falsch machen würde. Sie vielleicht sogar verletzen würde. Aber es sollte so kommen, wie es nicht schöner sein konnte. Sie öffnete alle Knöpfe ihres Kleides. Mein Sakko hatte ich abgelegt. Danach zog sie mir mein Hemd und meine Hose aus. Die Decke war sehr weich. Sie legte sich auf mich und wir küssten uns. Es mussten Stunden gewesen sein, in denen wir uns inmitten des beleuchteten Strohballenherzen küssten. Wir liebten uns. Es war heiß und warm und ... in eurer modernen Sprache, höllisch gut!«
Donna und Tom blinkten Herzen in den Augen.
»Was für eine schöne Geschichte, Sir. Liebe ist, auf diese Art, ein noch viel schöneres Erlebnis.« Donna sah unbewusst auf ihre Uhr. »Oh, Tom, wir müssen gleich los.«
»Habt ihr es eilig?«, fragte Cooper.
»Das nicht, aber ich habe meiner Tochter versprochen, dass ich bis um acht Uhr zuhause bin. Ich sollte also zeitig losfahren.«
»Das ist zu verstehen.«
»Aber ein paar Minuten haben wir selbstverständlich noch Zeit«, sagte Donna.
»Tom«, sagte Cooper, »sammelst du für mich bitte ein bisschen Holz. Die Scheite hinter dem Haus sind zu Ende. Ich muss mir erst neues schlagen lassen.«
Tom sah ihn belustigt an. Wer würde das wohl schlagen?
»Okay, von dir schlagen lassen«, ergänzte Cooper.
Tom ging von der Veranda und verschwand für einige Minuten im Wald hinter dem Haus. Donna blieb bei Cooper sitzen. Sie sahen beide den sanften Wellen des Mackville entgegen.
Cooper drehte seinen Schaukelstuhl etwas, so dass er Donna in die Augen sehen konnte. »Darf ich dich was fragen bevor Tom wieder kommt?«
»Ja, natürlich, Sir!«
»Liebst du ihn? Liebst du Tom?«
Donna war überrascht von der Deutlichkeit, mit der Cooper die kurze, aber sehr entscheidende Frage stellte. Sie überlegte und ihre Augen spiegelten nicht ihre Seele. Cooper erkannte es sofort, dass die Antwort, die sie geben würde, gelogen war.
»Ja, von ganzem Herzen«, sagte sie. Plötzlich erkannte Cooper, dass ihre Augen wieder die Wahrheit sprachen. »Nur brauche ich Zeit, vielleicht zu viel Zeit ...«
»Reicht dir das, Coop?«, fragte Tom.
Donna und Cooper waren vertieft in ihr Gespräch, als Tom wieder um die Ecke des Hauses bog. Cooper sah überrascht auf.
»Ja, das wird die nächsten zwei Tage reichen. Ich hoffe, du kommst morgen und schlägst mir einen Monatsvorrat.«
Tom seufzte, aber er meinte es nicht so. »Ja, das hab‘ ich dir doch versprochen.« Er brachte das Holz ins Haus. Als er zurückkam, stand Donna. Sie war bereit zu gehen.
»Grüße deine Tochter, von einem alten Mann. Wenn sie so schön ist wie du, dann hat sie ein bezauberndes Leben vor sich.« Cooper sah sich in der hoch stehenden Sonne Donnas Rastalocken an. Wahrlich ungewöhnliche Haare.
Donna gab dem alten Mann einen Kuss auf seine gezeichnete Wange. Dann verließ sie die Veranda.
Tom schüttelte Cooper die Hand. »Ich besuche dich morgen, um Holz zu hacken«, sagte er.
Cooper flüsterte ihm zwei Worte zu. »Ihre Augen …«