Eine langjährige Freundschaft zerbricht

Die beiden Mädchen kannten sich schon aus der Kindergartenzeit und waren seit dem unzertrennlich. Das blieb auch so, als sie eingeschult wurden, viele Jahre später die ersten Discos besuchten und zaghafte Flirt versuche mit dem anderen Geschlecht stattfanden. Es machte ihnen auch nichts aus, das sie aus total verschiedenen Welten kamen, Anna aus einem wohlhabenden Elternhaus stammte und Nina aus einer verarmten Familie kam, die größtenteils von den Geldern des Sozialamtes lebte. Trotz allem verstanden sie sich prima, waren für einander da, nur das zählte und war wichtig für sie. Sie wussten nicht und wollten es auch gar nicht wissen, wie ihre Eltern über ihre Freundschaft dachten. Annas Mutter sagte oft zu ihrem Mann: ,, Hoffentlich zieht Nina sie nicht in dieses Milieu hinein.“ Er wusste schon, was sie damit meinte, doch er hatte nichts gegen diese Freundschaft der beiden. In seinen Augen waren sie doch noch Kinder, die sich mochten und gut verstanden. Er hatte keine Angst um Anna. Sie würde schon ihren Weg gehen, erst ihr Abi machen und dann studieren .Anna war zielstrebig und wusste, was sie wollte. Ihre Freizeit verbrachte sie meistens bei und mit ihren Ponys, die bei seiner Mutter, Annas Oma, auf dem Land standen und die sie heiß und innig liebte.
Ninas Mutter wiederum meinte zu dieser Freundschaft nur: ,, Solange sie sich keine Flausen von Anna in den Kopf setzen lässt, habe ich gegen ihre Freundschaft nichts. Nina soll ihre Schule zu Ende bringen und sehen, dass sie etwas Vernünftiges lernt. ``Sie kannte ihre Tochter gut, denn Nina hatte nicht nur Flausen im Kopf, auch andere Gedanken schwirrten in ihrem hübschen Köpfchen umher. Nina wollte, dass es ihr einmal besser ging, als ihren Eltern. Dafür wollte sie alles tun, alles!
Zuerst glimmte nur ein kleines Fünkchen Neid in Ninas Herzen, wurde langsam größer und flammender, auf all die Sachen, die Anna sich leisten konnte. Auf die Ponys, die Anna hatte, nicht nur eins, nein gleich zwei mussten es sein, auf die teuren Reitklamotten und.---- Die Liste der schönen Dinge war lang, die sie auch so gerne hätte, aber nie bekommen würde. Wenn sie etwas bekam, waren es Sachen aus dem Billig –Discount oder wenn Anna ihr etwas schenkte. Das musste man Anna lassen, geizig war sie nicht und wenn sie, Nina, Anna mit treuherzigem Augenaufschlag ansah, bekam sie fast alles von Anna. Anna lachte immer nur, wenn sie diesen Blick sah: ,, Na, was will meine beste Freundin denn schon wieder? `` Und wie Alice im Wunderland kam Nina sich vor, wenn ihre Wünsche sich meistens nach ein paar Tagen erfüllten. Sie kam sich manchmal richtig gemein und hinterhältig vor, weil sie Anna so ausnutzte. Auch wenn sie Anna immer noch irgendwie gern hatte, konnte sie ihren brennenden Neid kaum noch unterdrücken.
Die Jahre vergingen und als beide siebzehn Jahre alt waren, gingen sie auch wie andere junge Mädchen, in die Disco, um nach ihren Lieblingshits zu tanzen und zu träumen. An diesem Samstagabend lernten sie einen Jungen kennen, der ihnen beiden auf den ersten Blick gefiel. Sie hatten sich verliebt. Mal tanzte Tjark mit Anna, mal mit Nina, er mochte sie alle beide und konnte sich noch nicht für eine von ihnen entscheiden. Anna mit ihrem langen blonden Haar, den himmelblauen Augen und ihrer tollen Figur, fand er einfach zauberhaft. Nina, in ihrer zigeunerhaften Art mit pechschwarzem kurzem Fransenhaarschnitt, dazu ihre feurigen dunklen Augen, sah einfach hinreißend aus. Anna und Nina merkten, dass sie ihm gefielen und deshalb versuchten sie mit allen Mitteln, ihn für sich allein zu bekommen. Eigentlich stand er mehr auf blonde Frauen und deshalb entschied er sich insgeheim schon für Anna, die ihn mit ihrer kühleren Art mehr reizte als Nina, die ihn immer wieder ganz für sich beanspruchen wollte. Eifersüchtig beobachtete Nina jeden Schritt von ihm und war sofort zur Stelle, wenn ein anderes Mädchen in seine Nähe kam. Auch wenn es Anna war, drängelte sie sich sofort dazwischen. Anna merkte nicht, dass Nina sie um jeden Preis bei Tjark ausstechen wollte, denn wenn sie allein waren, spielte sie weiter Annas beste Freundin.
An diesem Wochenende wollten Anna und Nina, wie so oft, die Ponys pflegen und einen Ausritt machen. Im Stall leistete ihr Mucky, den Anna auch schon seit ihrer Kinderzeit kannte und der ein Nachbarjunge ihrer Oma war, Gesellschaft. Mucky, s richtiger Name war eigentlich Martin, aber jeder, der ihn kannte, nannte ihn Mucky. Das lag wohl auch daran, dass er unwahrscheinliche Kräfte besaß. Obwohl Mucky etwas zurückgeblieben war, war er doch ein lieber Kerl, half Anna bei den Stallarbeiten und manchmal ritten sie auch zusammen aus. Mit Tieren konnte er wunderbar umgehen. Nun saß er da und beobachtete Anna, wie sie mit kräftigen Strichen ihr Pony putzte: ,, heute keine Lust, Mucky? Oder willst Du schon misten?“ Fragend sah sie ihn über die Schulter an.
, Nina kommt?“, nuschelte er zusammenhanglos. , Ja, sie wollte kommen, aber Du kennst ja Nina, unpünktlich wie immer.“ Anna wusste, dass er nicht besonders gut auf Nina zu sprechen war, denn immer wieder zog sie ihn auf und nahm ihn nicht ernst. Mucky merkte es schon, doch er konnte sich nicht wehren. Aber Anna stand ihm in solchen Momenten immer bei und das dankte er ihr mit abgöttischer Liebe.
Kurze Zeit später kam Nina mit ihrem Rad auf den Hof gebraust, klingelte und ließ ihre Bremsen quietschen. Schon stand sie schwitzend und mit zerzaustem Haar in der Scheune: ,, Puh, ist mir heiß. Hast Du was zu trinken, Anna? ``, Erst einmal Hallo, Nina und ja, da steht Wasser oder Cola, was Du möchtest. Ich dachte schon, Du kommst nicht mehr. ``, Hallo, Anna und Mucky, `` sie nahm einen großen Schluck aus der Wasserflasche, ,, jetzt geht es mir schon besser. Wenn ich sage, ich komme, dann komm ich auch, wenn auch mit Verspätung. `` Mucky verschwand, ohne Nina einen Blick zu schenken, im angrenzenden Stall. Dass Nina ein Treffen mit Tjark verschwieg, empfand sie selbst nicht schlimm. Sie wollte ihn für sich allein. Um das zu erreichen, war ihr jedes Mittel recht. Auch ihre Freundschaft zu Anna würde sie nicht daran hindern, Tjark für sich zu erobern.
, Hier, `` Anna warf ihr eine Bürste zu, ,, putze weiter, ich hole schon Andy aus dem Stall. `` Als sie endlich vom Hof ritten, sah ihnen Mucki aus der angelehnten Stalltür verstohlen hinterher. Ach, wie er die Ausritte mit Anna vermisste, die Stunden am Lagerfeuer, wo sie Stockbrot aßen und Anna dazu spannende Geschichten erzählte. Diese Zeit war vorbei, nun war nur noch Nina ihre beste Freundin. Seufzend wandte er sich wieder seiner Arbeit zu und träumte von vergangenen Zeiten.
Anna und Nina ritten unterdessen in Richtung Wiehengebirge. Sie kannten dort wunderbare Wege und lauschige Plätze. Auch die kleine Quelle, die hoch oben im Wald aus der Erde sprudelte, suchten sie immer wieder gerne auf. Dort konnten die Ponys grasen und das frische Wasser trinken. Sie lagen dann im Gras, hingen ihren Gedanken nach oder erzählten sich etwas. Auch heute war es wieder so und doch irgendwie anders. Nina war nicht so gesprächig wie sonst, denn ihre Gedanken gingen immer wieder zu Tjark zurück. Sie träumte von einer Zukunft mit ihm und darin hatte Anna keinen Platz. Sie musste ihn haben und wusste auch schon, wie sie ihn bekommen könnte. Doch Anna in ihrer Arglosigkeit merkte nichts.
Auf dem Rückweg fragte Anna Nina, ob sie am kommenden Wochenende wieder Zeit hätte auszureiten und vielleicht helfen, die Ställe zu streichen. , Nee, am Wochenende geht nicht. Meine Mutter wird doch vierzig und da muss ich zu Hause sein. `` Sie gab ihrem Pony die Sporen und Anna hatte Mühe, im Galopp mitzuhalten. Mucki wartete schon am Stall auf sie und zusammen versorgten sie die Tiere, sagten Annas Oma Tschüss und radelten ihrem Zuhause in der Stadt zu.
Die Nacht war dunkel und noch warm von der Hitze des Tages. Die vermummte dunkle Gestalt schwitzte von der schnellen Fahrt mit dem Rad. Leise stellte sie es versteckt an der Hecke ab und schlich, darauf bedacht, kein Geräusch zu verursachen, zu den Ställen. Sie wusste, dass die kleine Nebentür zur Scheune unverschlossen war. Vorsichtig zog sie die Tür auf, sah sich noch einmal lauschend nach allen Seiten um und huschte durch den kleinen Spalt in die Scheune. Die Gestalt kannte sich hier genau aus und deshalb fand sie den Weg bis zur Sattelkammer auch im Dunkeln. Annas Sattel hing wie immer an seinem Platz. Noch einmal horchte sie in die Dunkelheit, doch es war nichts weiter zu hören, als ab und zu das rascheln der Ponys im Stroh und ihr zufriedenes leises Schnauben. Mit ein paar Griffen zog sie den Sattelgurt zu sich, ein Messer blitzte auf und mit schnellen Schnitten war eine tiefe Kerbe im Gurt entstanden, die sogleich sorgfältig mit der Lasche verdeckt wurde. Zitternd vor Aufregung steckte sie das Messer wieder ein und schlich so leise wie möglich aus der Sattelkammer und zu dem Fahrrad an der Hecke. Sie hoffte nur, dass Mucky, der Trottel, den Einschnitt nicht schon vorher entdeckte.
Mucky war an diesem Wochenende wieder pünktlich im Stall. Ohne Nina bereiteten ihn der Umgang mit den Ponys und die dazugehörigen Stallarbeiten mehr Freude, als wenn Nina ihn mit ihren gut gemeinten Ratschlägen, wie sie sagte und auf die er verzichten konnte, nervte. Er holte Annas Pony heraus und fing an, es liebevoll zu putzen. Als Anna kam, war er fast fertig. , Oh, danke, Mucky, das ist lieb von Dir. Dafür bekommst Du nachher auch ein besonders großes Stück Kuchen.“ Mucky strahlte Anna an, denn Kuchen aß er für sein Leben gern. Anna sattelte heute ihr Pony allein, stieg frohgemut auf und trabte vom Hof. , Bis nachher, Mucky, in einer Stunde bin ich zurück, `` rief sie ihm noch zu, bevor sie in dem Feldweg, der durch die Wiesen Richtung Wiehengebirge führte, verschwand. Anna wollte wieder zu ihrem Lieblingsplatz oben an der Quelle reiten, dort ein wenig im Schatten ausruhen, träumen und ihren Gedanken nachhängen. Und Gedanken machte sie sich wirklich über Nina. Was war nur in letzter Zeit mit Nina los? Sie wusste es nicht. Zu spät sah sie die Rehe, die aus dem Wald heraus stoben, ihr Pony dadurch erschreckt zur Seite sprang und sie sich nicht mehr im Sattel halten konnte. Instinktiv konnte sie ihre Füße noch aus den Steigbügeln ziehen, doch dann schlug ihr Kopf auf einen großen Stein, der am Wegesrand lag auf und sie fiel in eine tiefe Bewusstlosigkeit. Blut floss aus der Platzwunde am Kopf und die Erde färbte sich rund um langsam rot. Das Pony galoppierte wild wiehernd davon, um dann endlich in sicherer Entfernung zitternd stehen zu bleiben. Langsam beruhigte es sich wieder und fing an zu grasen.
Am Hof wurde Mucky immer unruhiger. Wo blieb Anna nur? Sie hätte doch schon längst zurück sein müssen. Er hielt noch eine Weile Ausschau nach Anna, doch da sie einfach nicht wiederkam, beschloss er, sie zu suchen. Er kannte ja die Wege, die Anna meistens ritt, hoffte, dass er sie dort irgendwo entdeckte und dass es ihr gut ging. Mit großen Schritten, wie es seine Art war zu laufen, rannte er los. Auf gutes Glück wandte er sich an der Weggabelung nach rechts, wo es durch den Wald und später zu der Quelle ging. Hier hoffte er auf Anna zu treffen. Unter den Bäumen war es schattig und deshalb wäre er fast über Anna, die dort verkrümmt auf der Erde lag, gestolpert. In der Nähe graste ihr Pony und schnaubte nur leise, als es ihn sah. Der Sattel hing lose an der Seite herunter und Mucky wunderte sich nur kurz darüber. Seine ganze Sorge galt jetzt Anna. Zitternd beugte er sich über Anna, schüttelte sie vorsichtig und stammelte immer wieder ihren Namen. Da erst sah er das Blut, das immer noch aus der Wunde am Kopf floss. , Anna, Anna, aufwachen, Mucky ist da und hilft Dir.“ Doch Anna wachte nicht auf. Jetzt weinte Mucky und die Tränen rannen ihm unaufhörlich aus den Augen. Er setzte sich auf die Erde, nahm Annas Kopf auf seinen Schoß, summte leise eine Melodie und wiegte dazu Anna vorsichtig hin und her.
So fand Annas Oma, die sich inzwischen auch Sorgen gemacht hatte, etwas später die beiden. , Mucky, was ist passiert? Was ist mit Anna los?“ Aber von Mucky konnte sie keine Antwort erwarten, er saß immer noch mit Anna im Schoß da und schaukelte mit ihr hin und her, hin und her. Sie kniete sich auf die Erde, untersuchte Anna und sah das viele Blut, das Anna verloren hatte. , Oh, mein Gott, ich muss den Arzt rufen .Hoffentlich ist es nicht schon zu spät.“ Mucky wollte Anna einfach nicht loslassen, er weinte und hielt Anna krampfhaft fest. Sein T-Shirt war inzwischen total mit Blut verschmiert. Annas Oma wählte mit zitternden Fingern auf ihrem Handy die Notrufnummer des Arztes, erzählte kurz, wo der Unglücksort zu finden sei und bat um schnelles kommen. Nach einiger Zeit, die ihr aber unendlich lang vorkam, sah und hörte sie den Krankenwagen in einer Staubwolke den Weg zum Wald hin, abbiegen. Und endlich war Hilfe da. Der Arzt untersuchte Anna, beruhigte die Oma und Mucky und stellte fest, dass Anna eine tiefe Platzwunde am Kopf hätte, die aber nicht lebensbedrohend sei. Da Anna aber durch ihren Blutverlust sehr geschwächt wäre, müsse sie deshalb erst einmal zur Beobachtung ins Krankenhaus. Erleichtert atmete die Oma auf: ,, bin ich froh, das nichts Schlimmeres passiert ist. Mucky, hast Du gehört, Anna ist bald wieder ganz gesund. Nun hör auf zu weinen. Alles wird gut. ``Nachdem der Arzt Annas Wunde versorgt hatte, wurde sie in den Krankenwagen geschoben und gemeinsam mit der Oma fuhren sie dem nächsten Krankenhaus zu. Unterwegs wachte Anna aus ihrer Bewusstlosigkeit auf und wusste erst gar nicht, was ihr überhaupt passiert war. Oma tätschelte ihre Hand und sagte zärtlich: ,, Das wird schon wieder, mein Schatz, bald geht es Dir wieder gut. ``

Inzwischen fing Mucky das Pony ein und brachte es auf den Hof in dem Stall und den Sattel in die Sattelkammer. Wenn seine Gedanken nicht nur um Anna gekreist wären, hätte er sicher die Einschnittstelle am Sattelgurt gesehen. So aber übersah er sie. Gewissenhaft versorgte er noch die Ponys und machte sich dann traurig auf den Heimweg.
Als Anna gut versorgt in ihrem Krankenhausbett lag, zwar etwas blass und mitgenommen, benachrichtigte sie ihre Eltern und auch Nina von ihrem Unfall. Jetzt wusste sie auch wieder genau, wie alles passiert war. Die Eltern erschraken furchtbar, waren aber gleichzeitig froh, dass ihrem einzigen Kind nichts Schlimmeres passiert war. Auch sie sprachen Anna Mut zu und besuchten sie kurze Zeit später im Krankenhaus. Nina war starr vor Schreck, nicht, weil sie für Annas Unfall verantwortlich war, sondern weil sie Angst vor Entdeckung hatte. Daran hatte sie nicht gedacht, dass alles Böse irgendwann einmal heraus kommen könnte. Jetzt dachte sie nur noch daran, das der Sattelgurt verschwinden musste und zwar möglichst schnell. Ihr schlechtes Gewissen ließ nicht zu, das sie Anna im Krankenhaus besuchte. Sie rief nur kurz an und erkundigte sich nach Annas Befinden. Anna konnte nicht verstehen, dass ihre beste Freundin sie im Stich ließ. Dafür besuchte Mucky sie und war nur noch glücklich, dass es seiner liebsten Freundin wieder besser ging. Nach ein paar Tagen konnte Anna das Krankenhaus verlassen, aber mit dem Versprechen, einige Zeit nicht zu reiten, damit die Kopfwunde wieder gut zu heilen könnte. Es fiel ihr sehr schwer, sich an dieses Versprechen zu halten.
In ihrer Angst vor Entdeckung beschloss Nina, den Sattelgurt noch in dieser Nacht verschwinden zu lassen. Wenn Anna erst wieder reiten dürfte, würde sie doch den angeschnittenen Gurt entdecken und vielleicht sofort die Polizei einschalten oder sonst etwas tun. Das durfte nicht passieren. Also zog sie sich ihre dunklen Sachen wieder an und fuhr, als die Nacht herein brach, mit dem Rad zum Hof von Annas Oma. Der Hof lag dunkel vor ihr, alles schlief und war ruhig. Leise versteckte sie das Rad wieder in der Hecke, nahm den Beutel mit dem gleichen Sattelgurt wie Annas und schlich zu der kleinen Tür in der Scheune. Wieder kam sie ungehindert hindurch und fand traumwandlerisch den Weg im Dunkeln bis zur Sattelkammer. Jetzt nur noch schnell die Gurte austauschen und keiner würde je von ihrer Schandtat erfahren. Dafür, dass keiner davon erfahren würde, ließ sie auch Tjark sausen, nahm sie sich vor und wollte wie früher nur noch die beste Freundin von Anna sein. Nur noch ein paar Schritte, dann war sie in der Sattelkammer, löste den Gurt vom Sattel und ließ ihn in dem Beutel verschwinden. Als sie den neuen Gurt gerade am Sattel befestigen wollte, ging plötzlich das Licht an und Nina schrie entsetzt auf, denn da stand Mucky drohend vor ihr. Mucky, hast Du mich erschreckt, `` flüsterte sie tonlos, wollte ihn zur Seite schieben und an ihn vorbei. Doch Mucky hielt sie fest: Du böse Hexe, Du Schuld an Annas Loch im Kopf. `` Mit einer Hand hielt er die wild um sich schlagende und schreiende Nina fest, mit der anderen Hand zog er den zerschnittenen Gurt aus dem Beutel. , Na, was ist das? Du Anna einen neuen schenken, ja, weil Du den hier kaputt macht hast? Pfui , Du keine beste Freundin mehr von Anna .“ Nina versuchte immer noch aus Mickys Umklammerung heraus zu kommen, aber alle Anstrengung von ihr war zwecklos. Mucky hielt sie unerbittlich fest und ließ sich auch nicht von ihren jetzt bittenden Worten, erweichen.
Von dem Lärm im Stall, war Annas Oma erwacht. Da sie allein im Haus war, ihr Mann war leider im Krankenhaus, schnappte sie sich mutig das alte Gewehr ihres Mannes und lief leise über den Hof in die Scheune hinein. , Was ist denn hier los, `` rief sie, als sie Mucky sah, der immer noch die sich wild wehrende Nina umklammert hielt. , Mucky lass sofort die arme Nina los. Was fällt Dir ein , sie so fest zuhalten .`` ,, Ja , ja , er hat mich überfallen und hier rein geschleppt ,`` heulte Nina nun auf und es fiel ihr gar nicht schwer , so zu heulen ,wenn sie daran dachte , das Mucky sie fast überführt hätte . Aber nur , wenn Annas Oma ihm glaubte und nicht ihr . Und darum musste sie schauspielern, um jeden Preis das arme Opfer spielen. Mucky schüttelte den Kopf und war erschüttert über Ninas Verlogenheit. , Stimmt nicht, Oma Hilde, Nina lügt, `` er versuchte der Oma alles so gut wie möglich zu erklären. Nina unterbrach ihn natürlich immer wieder wortreich: ,, Der spinnt doch, Frau Müller, Sie kennen mich doch, so etwas würde ich nie tun. Anna ist doch meine Freundin .`` Endlich kam auch Mucky zu Wort , auch wenn Nina ihn immer wieder unterbrechen wollte : ,,Nina hat Gurt kaputt macht und hat neuen bracht .`` Damit zog er den Gurt , der schon von der Rangelei halb aus dem Beutel gerutscht war , ganz heraus : ,, hier der kaputte Gurt .`` Oma Hilde sah erschüttert auf den demolierten Gurt und konnte nicht glauben , was sie da sah : ,, Nina , das hast Du gemacht ? Schämst Du Dich nicht? Anna hätte tot sein können. Und Du willst Annas beste Freundin sein? Fahr nach Hause und lass Dich hier nie wieder sehen. Morgen benachrichtige ich die Polizei. `` Sie sah hinter Nina her, die nun nach ihren Worten, ohne den beschädigten Gurt sichtlich beschämt aus der Scheune schlich. Was würde Anna dazu sagen, ging der Oma durch den Kopf.
Sie wandte sich Mucky zu: ,, Mucky, das hast Du toll gemacht. Ich danke Dir. Geh jetzt auch nach Hause und morgen kommst Du wieder. `` Mucky fühlte sich bei Omas Lob unwahrscheinlich gut und er dachte bei sich: ,, Vielleicht kann ich ja mal Polizist werden, oder? `` Stolz verließ er die Scheune und freute sich schon auf morgen.
Oma Hilde mochte gar nicht an Morgen denken, denn sie wusste noch nicht, wie sie Anna Ninas Gemeinheit beibringen sollte. Sie glaubte nicht, das Anna die Polizei benachrichtigen würde, dafür war sie zu lange mit Nina befreundet. Aber warum hatte Nina so etwas getan? Mit diesen Gedanken ging sie zurück in ihr Schlafzimmer, stellte das Gewehr wieder zurück an seinen Platz und versuchte, so schnell wie möglich diese scheußlichen Gedanken zu verdrängen und endlich einzuschlafen.
Da Anna wieder zu Hause war , zwar nicht mehr das Bett hüten aber sich immer noch schonen musste , besuchte Oma Hilde ihre Enkelin am Nachmittag des nächsten Tages . Bei einer Tasse Tee brachte sie Anna schonend bei, was in der letzten Nacht passiert war. Anna konnte nicht glauben, was sie von Nina, ihrer besten Freundin, da hörte. Das war doch nicht Nina, mit der sie schon seit Ewigkeiten befreundet war. Sie weinte bittere Tränen um ihre verlorene Freundschaft und ihre Oma konnte sie kaum trösten. , Was willst Du denn jetzt machen? Willst Du sie anzeigen? Irgendetwas muss doch passieren oder nicht? `` Doch Anna wollte alles nur so schnell wie möglich vergessen, nichts mehr von Nina und den Unfall hören. Sie hatte keine Freundin mehr. Auch Annas Eltern stimmten ihr zu, dass sie Nina so schnell wie möglich vergessen solle, denn Zeit heilt bekanntlich alle Wunden. So traurig Anna über Ninas Gemeinheit war, hoffte sie, das die Zeit wirklich alle Wunden heilte. Wenn Nina versuchte, sich mit ihr telefonisch in Verbindung zu setzen, nahm Anna den Anruf nicht an. Ninas Briefe gingen ungeöffnet an den Absender zurück. Es war so, als ob Nina in ihrem Leben nie eine Rolle gespielt hätte und das war sicher die größte Strafe für Nina.