Eine langjährige Freundschaft zerbricht
Die beiden Mädchen kannten sich schon aus der
Kindergartenzeit und waren seit dem unzertrennlich. Das blieb auch
so, als sie eingeschult wurden, viele Jahre später die ersten
Discos besuchten und zaghafte Flirt versuche mit dem anderen
Geschlecht stattfanden. Es machte ihnen auch nichts aus, das sie
aus total verschiedenen Welten kamen, Anna aus einem wohlhabenden
Elternhaus stammte und Nina aus einer verarmten Familie kam, die
größtenteils von den Geldern des Sozialamtes lebte. Trotz allem
verstanden sie sich prima, waren für einander da, nur das zählte
und war wichtig für sie. Sie wussten nicht und wollten es auch gar
nicht wissen, wie ihre Eltern über ihre Freundschaft dachten. Annas
Mutter sagte oft zu ihrem Mann: ,, Hoffentlich zieht Nina sie nicht
in dieses Milieu hinein.“ Er wusste schon, was sie damit meinte,
doch er hatte nichts gegen diese Freundschaft der beiden. In seinen
Augen waren sie doch noch Kinder, die sich mochten und gut
verstanden. Er hatte keine Angst um Anna. Sie würde schon ihren Weg
gehen, erst ihr Abi machen und dann studieren .Anna war zielstrebig
und wusste, was sie wollte. Ihre Freizeit verbrachte sie meistens
bei und mit ihren Ponys, die bei seiner Mutter, Annas Oma, auf dem
Land standen und die sie heiß und innig liebte.
Ninas Mutter wiederum meinte zu dieser Freundschaft nur: ,, Solange
sie sich keine Flausen von Anna in den Kopf setzen lässt, habe ich
gegen ihre Freundschaft nichts. Nina soll ihre Schule zu Ende
bringen und sehen, dass sie etwas Vernünftiges lernt. ``Sie kannte
ihre Tochter gut, denn Nina hatte nicht nur Flausen im Kopf, auch
andere Gedanken schwirrten in ihrem hübschen Köpfchen umher. Nina
wollte, dass es ihr einmal besser ging, als ihren Eltern. Dafür
wollte sie alles tun, alles!
Zuerst glimmte nur ein kleines Fünkchen Neid in Ninas Herzen, wurde
langsam größer und flammender, auf all die Sachen, die Anna sich
leisten konnte. Auf die Ponys, die Anna hatte, nicht nur eins, nein
gleich zwei mussten es sein, auf die teuren Reitklamotten und.----
Die Liste der schönen Dinge war lang, die sie auch so gerne hätte,
aber nie bekommen würde. Wenn sie etwas bekam, waren es Sachen aus
dem Billig –Discount oder wenn Anna ihr etwas schenkte. Das musste
man Anna lassen, geizig war sie nicht und wenn sie, Nina, Anna mit
treuherzigem Augenaufschlag ansah, bekam sie fast alles von Anna.
Anna lachte immer nur, wenn sie diesen Blick sah: ,, Na, was will
meine beste Freundin denn schon wieder? `` Und wie Alice im
Wunderland kam Nina sich vor, wenn ihre Wünsche sich meistens nach
ein paar Tagen erfüllten. Sie kam sich manchmal richtig gemein und
hinterhältig vor, weil sie Anna so ausnutzte. Auch wenn sie Anna
immer noch irgendwie gern hatte, konnte sie ihren brennenden Neid
kaum noch unterdrücken.
Die Jahre vergingen und als beide siebzehn Jahre alt waren, gingen
sie auch wie andere junge Mädchen, in die Disco, um nach ihren
Lieblingshits zu tanzen und zu träumen. An diesem Samstagabend
lernten sie einen Jungen kennen, der ihnen beiden auf den ersten
Blick gefiel. Sie hatten sich verliebt. Mal tanzte Tjark mit Anna,
mal mit Nina, er mochte sie alle beide und konnte sich noch nicht
für eine von ihnen entscheiden. Anna mit ihrem langen blonden Haar,
den himmelblauen Augen und ihrer tollen Figur, fand er einfach
zauberhaft. Nina, in ihrer zigeunerhaften Art mit pechschwarzem
kurzem Fransenhaarschnitt, dazu ihre feurigen dunklen Augen, sah
einfach hinreißend aus. Anna und Nina merkten, dass sie ihm
gefielen und deshalb versuchten sie mit allen Mitteln, ihn für sich
allein zu bekommen. Eigentlich stand er mehr auf blonde Frauen und
deshalb entschied er sich insgeheim schon für Anna, die ihn mit
ihrer kühleren Art mehr reizte als Nina, die ihn immer wieder ganz
für sich beanspruchen wollte. Eifersüchtig beobachtete Nina jeden
Schritt von ihm und war sofort zur Stelle, wenn ein anderes Mädchen
in seine Nähe kam. Auch wenn es Anna war, drängelte sie sich sofort
dazwischen. Anna merkte nicht, dass Nina sie um jeden Preis bei
Tjark ausstechen wollte, denn wenn sie allein waren, spielte sie
weiter Annas beste Freundin.
An diesem Wochenende wollten Anna und Nina, wie so oft, die Ponys
pflegen und einen Ausritt machen. Im Stall leistete ihr Mucky, den
Anna auch schon seit ihrer Kinderzeit kannte und der ein
Nachbarjunge ihrer Oma war, Gesellschaft. Mucky, s richtiger Name
war eigentlich Martin, aber jeder, der ihn kannte, nannte ihn
Mucky. Das lag wohl auch daran, dass er unwahrscheinliche Kräfte
besaß. Obwohl Mucky etwas zurückgeblieben war, war er doch ein
lieber Kerl, half Anna bei den Stallarbeiten und manchmal ritten
sie auch zusammen aus. Mit Tieren konnte er wunderbar umgehen. Nun
saß er da und beobachtete Anna, wie sie mit kräftigen Strichen ihr
Pony putzte: ,, heute keine Lust, Mucky? Oder willst Du schon
misten?“ Fragend sah sie ihn über die Schulter an.
, Nina kommt?“, nuschelte er zusammenhanglos. , Ja, sie wollte
kommen, aber Du kennst ja Nina, unpünktlich wie immer.“ Anna
wusste, dass er nicht besonders gut auf Nina zu sprechen war, denn
immer wieder zog sie ihn auf und nahm ihn nicht ernst. Mucky merkte
es schon, doch er konnte sich nicht wehren. Aber Anna stand ihm in
solchen Momenten immer bei und das dankte er ihr mit abgöttischer
Liebe.
Kurze Zeit später kam Nina mit ihrem Rad auf den Hof gebraust,
klingelte und ließ ihre Bremsen quietschen. Schon stand sie
schwitzend und mit zerzaustem Haar in der Scheune: ,, Puh, ist mir
heiß. Hast Du was zu trinken, Anna? ``, Erst einmal Hallo, Nina und
ja, da steht Wasser oder Cola, was Du möchtest. Ich dachte schon,
Du kommst nicht mehr. ``, Hallo, Anna und Mucky, `` sie nahm einen
großen Schluck aus der Wasserflasche, ,, jetzt geht es mir schon
besser. Wenn ich sage, ich komme, dann komm ich auch, wenn auch mit
Verspätung. `` Mucky verschwand, ohne Nina einen Blick zu schenken,
im angrenzenden Stall. Dass Nina ein Treffen mit Tjark verschwieg,
empfand sie selbst nicht schlimm. Sie wollte ihn für sich allein.
Um das zu erreichen, war ihr jedes Mittel recht. Auch ihre
Freundschaft zu Anna würde sie nicht daran hindern, Tjark für sich
zu erobern.
, Hier, `` Anna warf ihr eine Bürste zu, ,, putze weiter, ich hole
schon Andy aus dem Stall. `` Als sie endlich vom Hof ritten, sah
ihnen Mucki aus der angelehnten Stalltür verstohlen hinterher. Ach,
wie er die Ausritte mit Anna vermisste, die Stunden am Lagerfeuer,
wo sie Stockbrot aßen und Anna dazu spannende Geschichten erzählte.
Diese Zeit war vorbei, nun war nur noch Nina ihre beste Freundin.
Seufzend wandte er sich wieder seiner Arbeit zu und träumte von
vergangenen Zeiten.
Anna und Nina ritten unterdessen in Richtung Wiehengebirge. Sie
kannten dort wunderbare Wege und lauschige Plätze. Auch die kleine
Quelle, die hoch oben im Wald aus der Erde sprudelte, suchten sie
immer wieder gerne auf. Dort konnten die Ponys grasen und das
frische Wasser trinken. Sie lagen dann im Gras, hingen ihren
Gedanken nach oder erzählten sich etwas. Auch heute war es wieder
so und doch irgendwie anders. Nina war nicht so gesprächig wie
sonst, denn ihre Gedanken gingen immer wieder zu Tjark zurück. Sie
träumte von einer Zukunft mit ihm und darin hatte Anna keinen
Platz. Sie musste ihn haben und wusste auch schon, wie sie ihn
bekommen könnte. Doch Anna in ihrer Arglosigkeit merkte
nichts.
Auf dem Rückweg fragte Anna Nina, ob sie am kommenden Wochenende
wieder Zeit hätte auszureiten und vielleicht helfen, die Ställe zu
streichen. , Nee, am Wochenende geht nicht. Meine Mutter wird doch
vierzig und da muss ich zu Hause sein. `` Sie gab ihrem Pony die
Sporen und Anna hatte Mühe, im Galopp mitzuhalten. Mucki wartete
schon am Stall auf sie und zusammen versorgten sie die Tiere,
sagten Annas Oma Tschüss und radelten ihrem Zuhause in der Stadt
zu.
Die Nacht war dunkel und noch warm von der Hitze des Tages. Die
vermummte dunkle Gestalt schwitzte von der schnellen Fahrt mit dem
Rad. Leise stellte sie es versteckt an der Hecke ab und schlich,
darauf bedacht, kein Geräusch zu verursachen, zu den Ställen. Sie
wusste, dass die kleine Nebentür zur Scheune unverschlossen war.
Vorsichtig zog sie die Tür auf, sah sich noch einmal lauschend nach
allen Seiten um und huschte durch den kleinen Spalt in die Scheune.
Die Gestalt kannte sich hier genau aus und deshalb fand sie den Weg
bis zur Sattelkammer auch im Dunkeln. Annas Sattel hing wie immer
an seinem Platz. Noch einmal horchte sie in die Dunkelheit, doch es
war nichts weiter zu hören, als ab und zu das rascheln der Ponys im
Stroh und ihr zufriedenes leises Schnauben. Mit ein paar Griffen
zog sie den Sattelgurt zu sich, ein Messer blitzte auf und mit
schnellen Schnitten war eine tiefe Kerbe im Gurt entstanden, die
sogleich sorgfältig mit der Lasche verdeckt wurde. Zitternd vor
Aufregung steckte sie das Messer wieder ein und schlich so leise
wie möglich aus der Sattelkammer und zu dem Fahrrad an der Hecke.
Sie hoffte nur, dass Mucky, der Trottel, den Einschnitt nicht schon
vorher entdeckte.
Mucky war an diesem Wochenende wieder pünktlich im Stall. Ohne Nina
bereiteten ihn der Umgang mit den Ponys und die dazugehörigen
Stallarbeiten mehr Freude, als wenn Nina ihn mit ihren gut
gemeinten Ratschlägen, wie sie sagte und auf die er verzichten
konnte, nervte. Er holte Annas Pony heraus und fing an, es
liebevoll zu putzen. Als Anna kam, war er fast fertig. , Oh, danke,
Mucky, das ist lieb von Dir. Dafür bekommst Du nachher auch ein
besonders großes Stück Kuchen.“ Mucky strahlte Anna an, denn Kuchen
aß er für sein Leben gern. Anna sattelte heute ihr Pony allein,
stieg frohgemut auf und trabte vom Hof. , Bis nachher, Mucky, in
einer Stunde bin ich zurück, `` rief sie ihm noch zu, bevor sie in
dem Feldweg, der durch die Wiesen Richtung Wiehengebirge führte,
verschwand. Anna wollte wieder zu ihrem Lieblingsplatz oben an der
Quelle reiten, dort ein wenig im Schatten ausruhen, träumen und
ihren Gedanken nachhängen. Und Gedanken machte sie sich wirklich
über Nina. Was war nur in letzter Zeit mit Nina los? Sie wusste es
nicht. Zu spät sah sie die Rehe, die aus dem Wald heraus stoben,
ihr Pony dadurch erschreckt zur Seite sprang und sie sich nicht
mehr im Sattel halten konnte. Instinktiv konnte sie ihre Füße noch
aus den Steigbügeln ziehen, doch dann schlug ihr Kopf auf einen
großen Stein, der am Wegesrand lag auf und sie fiel in eine tiefe
Bewusstlosigkeit. Blut floss aus der Platzwunde am Kopf und die
Erde färbte sich rund um langsam rot. Das Pony galoppierte wild
wiehernd davon, um dann endlich in sicherer Entfernung zitternd
stehen zu bleiben. Langsam beruhigte es sich wieder und fing an zu
grasen.
Am Hof wurde Mucky immer unruhiger. Wo blieb Anna nur? Sie hätte
doch schon längst zurück sein müssen. Er hielt noch eine Weile
Ausschau nach Anna, doch da sie einfach nicht wiederkam, beschloss
er, sie zu suchen. Er kannte ja die Wege, die Anna meistens ritt,
hoffte, dass er sie dort irgendwo entdeckte und dass es ihr gut
ging. Mit großen Schritten, wie es seine Art war zu laufen, rannte
er los. Auf gutes Glück wandte er sich an der Weggabelung nach
rechts, wo es durch den Wald und später zu der Quelle ging. Hier
hoffte er auf Anna zu treffen. Unter den Bäumen war es schattig und
deshalb wäre er fast über Anna, die dort verkrümmt auf der Erde
lag, gestolpert. In der Nähe graste ihr Pony und schnaubte nur
leise, als es ihn sah. Der Sattel hing lose an der Seite herunter
und Mucky wunderte sich nur kurz darüber. Seine ganze Sorge galt
jetzt Anna. Zitternd beugte er sich über Anna, schüttelte sie
vorsichtig und stammelte immer wieder ihren Namen. Da erst sah er
das Blut, das immer noch aus der Wunde am Kopf floss. , Anna, Anna,
aufwachen, Mucky ist da und hilft Dir.“ Doch Anna wachte nicht auf.
Jetzt weinte Mucky und die Tränen rannen ihm unaufhörlich aus den
Augen. Er setzte sich auf die Erde, nahm Annas Kopf auf seinen
Schoß, summte leise eine Melodie und wiegte dazu Anna vorsichtig
hin und her.
So fand Annas Oma, die sich inzwischen auch Sorgen gemacht hatte,
etwas später die beiden. , Mucky, was ist passiert? Was ist mit
Anna los?“ Aber von Mucky konnte sie keine Antwort erwarten, er saß
immer noch mit Anna im Schoß da und schaukelte mit ihr hin und her,
hin und her. Sie kniete sich auf die Erde, untersuchte Anna und sah
das viele Blut, das Anna verloren hatte. , Oh, mein Gott, ich muss
den Arzt rufen .Hoffentlich ist es nicht schon zu spät.“ Mucky
wollte Anna einfach nicht loslassen, er weinte und hielt Anna
krampfhaft fest. Sein T-Shirt war inzwischen total mit Blut
verschmiert. Annas Oma wählte mit zitternden Fingern auf ihrem
Handy die Notrufnummer des Arztes, erzählte kurz, wo der
Unglücksort zu finden sei und bat um schnelles kommen. Nach einiger
Zeit, die ihr aber unendlich lang vorkam, sah und hörte sie den
Krankenwagen in einer Staubwolke den Weg zum Wald hin, abbiegen.
Und endlich war Hilfe da. Der Arzt untersuchte Anna, beruhigte die
Oma und Mucky und stellte fest, dass Anna eine tiefe Platzwunde am
Kopf hätte, die aber nicht lebensbedrohend sei. Da Anna aber durch
ihren Blutverlust sehr geschwächt wäre, müsse sie deshalb erst
einmal zur Beobachtung ins Krankenhaus. Erleichtert atmete die Oma
auf: ,, bin ich froh, das nichts Schlimmeres passiert ist. Mucky,
hast Du gehört, Anna ist bald wieder ganz gesund. Nun hör auf zu
weinen. Alles wird gut. ``Nachdem der Arzt Annas Wunde versorgt
hatte, wurde sie in den Krankenwagen geschoben und gemeinsam mit
der Oma fuhren sie dem nächsten Krankenhaus zu. Unterwegs wachte
Anna aus ihrer Bewusstlosigkeit auf und wusste erst gar nicht, was
ihr überhaupt passiert war. Oma tätschelte ihre Hand und sagte
zärtlich: ,, Das wird schon wieder, mein Schatz, bald geht es Dir
wieder gut. ``
Inzwischen fing Mucky das Pony ein und brachte
es auf den Hof in dem Stall und den Sattel in die Sattelkammer.
Wenn seine Gedanken nicht nur um Anna gekreist wären, hätte er
sicher die Einschnittstelle am Sattelgurt gesehen. So aber übersah
er sie. Gewissenhaft versorgte er noch die Ponys und machte sich
dann traurig auf den Heimweg.
Als Anna gut versorgt in ihrem Krankenhausbett lag, zwar etwas
blass und mitgenommen, benachrichtigte sie ihre Eltern und auch
Nina von ihrem Unfall. Jetzt wusste sie auch wieder genau, wie
alles passiert war. Die Eltern erschraken furchtbar, waren aber
gleichzeitig froh, dass ihrem einzigen Kind nichts Schlimmeres
passiert war. Auch sie sprachen Anna Mut zu und besuchten sie kurze
Zeit später im Krankenhaus. Nina war starr vor Schreck, nicht, weil
sie für Annas Unfall verantwortlich war, sondern weil sie Angst vor
Entdeckung hatte. Daran hatte sie nicht gedacht, dass alles Böse
irgendwann einmal heraus kommen könnte. Jetzt dachte sie nur noch
daran, das der Sattelgurt verschwinden musste und zwar möglichst
schnell. Ihr schlechtes Gewissen ließ nicht zu, das sie Anna im
Krankenhaus besuchte. Sie rief nur kurz an und erkundigte sich nach
Annas Befinden. Anna konnte nicht verstehen, dass ihre beste
Freundin sie im Stich ließ. Dafür besuchte Mucky sie und war nur
noch glücklich, dass es seiner liebsten Freundin wieder besser
ging. Nach ein paar Tagen konnte Anna das Krankenhaus verlassen,
aber mit dem Versprechen, einige Zeit nicht zu reiten, damit die
Kopfwunde wieder gut zu heilen könnte. Es fiel ihr sehr schwer,
sich an dieses Versprechen zu halten.
In ihrer Angst vor Entdeckung beschloss Nina, den Sattelgurt noch
in dieser Nacht verschwinden zu lassen. Wenn Anna erst wieder
reiten dürfte, würde sie doch den angeschnittenen Gurt entdecken
und vielleicht sofort die Polizei einschalten oder sonst etwas tun.
Das durfte nicht passieren. Also zog sie sich ihre dunklen Sachen
wieder an und fuhr, als die Nacht herein brach, mit dem Rad zum Hof
von Annas Oma. Der Hof lag dunkel vor ihr, alles schlief und war
ruhig. Leise versteckte sie das Rad wieder in der Hecke, nahm den
Beutel mit dem gleichen Sattelgurt wie Annas und schlich zu der
kleinen Tür in der Scheune. Wieder kam sie ungehindert hindurch und
fand traumwandlerisch den Weg im Dunkeln bis zur Sattelkammer.
Jetzt nur noch schnell die Gurte austauschen und keiner würde je
von ihrer Schandtat erfahren. Dafür, dass keiner davon erfahren
würde, ließ sie auch Tjark sausen, nahm sie sich vor und wollte wie
früher nur noch die beste Freundin von Anna sein. Nur noch ein paar
Schritte, dann war sie in der Sattelkammer, löste den Gurt vom
Sattel und ließ ihn in dem Beutel verschwinden. Als sie den neuen
Gurt gerade am Sattel befestigen wollte, ging plötzlich das Licht
an und Nina schrie entsetzt auf, denn da stand Mucky drohend vor
ihr. Mucky, hast Du mich erschreckt, `` flüsterte sie tonlos,
wollte ihn zur Seite schieben und an ihn vorbei. Doch Mucky hielt
sie fest: Du böse Hexe, Du Schuld an Annas Loch im Kopf. `` Mit
einer Hand hielt er die wild um sich schlagende und schreiende Nina
fest, mit der anderen Hand zog er den zerschnittenen Gurt aus dem
Beutel. , Na, was ist das? Du Anna einen neuen schenken, ja, weil
Du den hier kaputt macht hast? Pfui , Du keine beste Freundin mehr
von Anna .“ Nina versuchte immer noch aus Mickys Umklammerung
heraus zu kommen, aber alle Anstrengung von ihr war zwecklos. Mucky
hielt sie unerbittlich fest und ließ sich auch nicht von ihren
jetzt bittenden Worten, erweichen.
Von dem Lärm im Stall, war Annas Oma erwacht. Da sie allein im Haus
war, ihr Mann war leider im Krankenhaus, schnappte sie sich mutig
das alte Gewehr ihres Mannes und lief leise über den Hof in die
Scheune hinein. , Was ist denn hier los, `` rief sie, als sie Mucky
sah, der immer noch die sich wild wehrende Nina umklammert hielt. ,
Mucky lass sofort die arme Nina los. Was fällt Dir ein , sie so
fest zuhalten .`` ,, Ja , ja , er hat mich überfallen und hier rein
geschleppt ,`` heulte Nina nun auf und es fiel ihr gar nicht schwer
, so zu heulen ,wenn sie daran dachte , das Mucky sie fast
überführt hätte . Aber nur , wenn Annas Oma ihm glaubte und nicht
ihr . Und darum musste sie schauspielern, um jeden Preis das arme
Opfer spielen. Mucky schüttelte den Kopf und war erschüttert über
Ninas Verlogenheit. , Stimmt nicht, Oma Hilde, Nina lügt, `` er
versuchte der Oma alles so gut wie möglich zu erklären. Nina
unterbrach ihn natürlich immer wieder wortreich: ,, Der spinnt
doch, Frau Müller, Sie kennen mich doch, so etwas würde ich nie
tun. Anna ist doch meine Freundin .`` Endlich kam auch Mucky zu
Wort , auch wenn Nina ihn immer wieder unterbrechen wollte : ,,Nina
hat Gurt kaputt macht und hat neuen bracht .`` Damit zog er den
Gurt , der schon von der Rangelei halb aus dem Beutel gerutscht war
, ganz heraus : ,, hier der kaputte Gurt .`` Oma Hilde sah
erschüttert auf den demolierten Gurt und konnte nicht glauben , was
sie da sah : ,, Nina , das hast Du gemacht ? Schämst Du Dich nicht?
Anna hätte tot sein können. Und Du willst Annas beste Freundin
sein? Fahr nach Hause und lass Dich hier nie wieder sehen. Morgen
benachrichtige ich die Polizei. `` Sie sah hinter Nina her, die nun
nach ihren Worten, ohne den beschädigten Gurt sichtlich beschämt
aus der Scheune schlich. Was würde Anna dazu sagen, ging der Oma
durch den Kopf.
Sie wandte sich Mucky zu: ,, Mucky, das hast Du toll gemacht. Ich
danke Dir. Geh jetzt auch nach Hause und morgen kommst Du wieder.
`` Mucky fühlte sich bei Omas Lob unwahrscheinlich gut und er
dachte bei sich: ,, Vielleicht kann ich ja mal Polizist werden,
oder? `` Stolz verließ er die Scheune und freute sich schon auf
morgen.
Oma Hilde mochte gar nicht an Morgen denken, denn sie wusste noch
nicht, wie sie Anna Ninas Gemeinheit beibringen sollte. Sie glaubte
nicht, das Anna die Polizei benachrichtigen würde, dafür war sie zu
lange mit Nina befreundet. Aber warum hatte Nina so etwas getan?
Mit diesen Gedanken ging sie zurück in ihr Schlafzimmer, stellte
das Gewehr wieder zurück an seinen Platz und versuchte, so schnell
wie möglich diese scheußlichen Gedanken zu verdrängen und endlich
einzuschlafen.
Da Anna wieder zu Hause war , zwar nicht mehr das Bett hüten aber
sich immer noch schonen musste , besuchte Oma Hilde ihre Enkelin am
Nachmittag des nächsten Tages . Bei einer Tasse Tee brachte sie
Anna schonend bei, was in der letzten Nacht passiert war. Anna
konnte nicht glauben, was sie von Nina, ihrer besten Freundin, da
hörte. Das war doch nicht Nina, mit der sie schon seit Ewigkeiten
befreundet war. Sie weinte bittere Tränen um ihre verlorene
Freundschaft und ihre Oma konnte sie kaum trösten. , Was willst Du
denn jetzt machen? Willst Du sie anzeigen? Irgendetwas muss doch
passieren oder nicht? `` Doch Anna wollte alles nur so schnell wie
möglich vergessen, nichts mehr von Nina und den Unfall hören. Sie
hatte keine Freundin mehr. Auch Annas Eltern stimmten ihr zu, dass
sie Nina so schnell wie möglich vergessen solle, denn Zeit heilt
bekanntlich alle Wunden. So traurig Anna über Ninas Gemeinheit war,
hoffte sie, das die Zeit wirklich alle Wunden heilte. Wenn Nina
versuchte, sich mit ihr telefonisch in Verbindung zu setzen, nahm
Anna den Anruf nicht an. Ninas Briefe gingen ungeöffnet an den
Absender zurück. Es war so, als ob Nina in ihrem Leben nie eine
Rolle gespielt hätte und das war sicher die größte Strafe für
Nina.