Darauf ging es an ein Gepicke und Gehacke und Gebohre, mit Meißeln, Schlegeln, Keilen und Bohrern; aber alles im Takte, daß es eine artige Musik war. In wenigen Minuten hatten sie ein tiefes Bad mit mehreren Stufen abwärts rein und glatt in den Boden des Gewölbes gehauen. Als sie fertig waren, rafften sie ihr Arbeitsgeräte zusammen und verschwanden mit dem Alten in der Wand des Felsens.

Nach einer kleinen Weile trat Frau Edelstein mit ihren sieben Fräulein ein, wie ich sie gesehen hatte in jenem Gewölbe hinter dem Stuhle des Grubenhansel stehen. Sie sah sehr betrübt aus und sprach –

Frau Edelstein:

Mägdlein, lasset mir zum Bade
Nun die frische Quelle los,
Daß ich mich des Staubs entlade
In der neuen Heimat Schoß;

Eine kämmet mir die Haare,
Eine salbt und eine schminkt,
Bis der Schmerz so vieler Jahre
In dem guten Bad ertrinkt.

Eine soll den Spiegel halten,
Eine trocknet mir den Leib,
Jede muß ihr Amt verwalten,
Singt dazu zum Zeitvertreib.

Kobold:

Aber was soll ich denn machen?
Ha! ha! ha!

Frau Edelstein:

Was du immer tuest: lachen.

Kobold:

Ha! ha! ha! ich lache ja.

Nun öffnete Fräulein Quecksilber die Röhre, und es stürzte ein heller Strom von Quecksilber in die Kufe bis zum Rand, wozu sie sang –

Quecksilber:

Rüstig, lustig stürze nieder,
Ohne Ruhe, ohne Rast,
Um der Herrin helle Glieder
Schmiege dich, du blanke Last,
Kecke Quelle, kalt und helle,
Feuerflüchtig undurchsichtig,
Schwer und schnelle, feste Welle,
Nun ists richtig, ‘s Bad ist tüchtig.

Kobold:

Potz Merkurius, wie lustig,
Ja das wußt ich,
Und ich lache
Zu der Sache
Ha! ha! ha!

Frau Edelstein wälzte sich in dem Bad hin und her, und als sie glaubte, daß es genug sei, kam Fräulein Asbest und trocknete sie ab mit folgenden Worten –

Asbest:

Mit dem Tüchlein klar gesponnen,
Fein gewebt in Starenberg,
Weiß gebleicht an Phosphor-Sonnen
Von dem klugen Meister Zwerg,
Ich dich reibe, daß dir bleibe
Auch kein Schmitzchen oder Ritzchen
Dir am Leibe, ich vertreibe
Jedes Spitzchen, jedes Kritzchen.

Kobold:

Ei Potz Blitzchen!
Wer gern tanzt, dem ist gut geigen,
Und was weiß, ist leicht zu bleichen,
Leicht zu trocknen, was nicht naß ist,
Leicht zu lachen, was ein Spaß ist.
Ha! ha! ha!

Als Frau Edelstein abgetrocknet war, stellte sie sich auf einer goldenen Stuhl, und Fräulein Naphtha salbte sie über und über wozu sie sang –

Naphtha:

In den heimlichsten der Grüfte
Kocht die Salb ein Feuergeist,
Und ich salb dir Fuß und Hüfte,
Daß dich heiße Glut durchreißt.

Wie es feuert, rasch gescheuert!
Mich entzückst du, Blitze schickst du,
Sei beteuert, glanzerneuert,
Funkelnd blickst du, dich erquickst du.

Kobold:

Mich erquickst du,
Denn zu deinen Heucheleien
Und zu deinen Schmeicheleien,
Die den Demant nicht polieren,
Ihn mit Eitelkeit folieren,
Muß ich lachen ha! ha! ha!

Frau Edelstein schimmerte nun sehr schön, sie setzte sich auf den goldnen Schemel, und Fräulein Spießglanz kämmte ihr die Locken mit ihren spitzen glänzenden Fingern, wozu sie sang –

Spießglanz:

Deine Locken ich durchstreife
Mit der Link und Rechten hier,
Glänzend wie Kometenschweife
Drehe ich die Flechten dir.

Sieh, ich schlinge helle Ringe,
Goldne Flöckchen, lichte Löckchen,
Und nun springe, lustig klinge
Wie ein Glöckchen, schönes Döckchen!

Kobold:

Ei du Geckchen!
Ei du zierlich Spinneröckchen;
Schlittenpferd und Kinderrassel
Machen nimmer solch Geprassel
Als du mit der Schellenkappe,
Daß dich nur kein Narr ertappe,
Ich muß lachen ha! ha! ha!

Wenngleich Fräulein Kobold ein wenig anzügliche giftige Bemerkungen machte, so hatte sie doch nicht ganz unrecht mit ihrem Lachen; denn Spießglanz hatte die Goldhaare der Frau Edelstein in tausend Schneckenhäuser, Korkzieher, Hobelspäne, Schlangen, Haken und Spirallinien gedreht, und wenn sie sich bewegte, gab ihr Haupt ein wunderbares Geräusch von sich. Nun aber trat Fräulein Zinnober herbei und schminkte die Frau Edelstein.

Zinnober:

Wie die Pupurrosen prangen
Neben weißer Lilien Schnee,
Schminke ich dir deine Wangen,
Die gebleicht von tiefem Weh.

Wie die spröden, scheuen, blöden,
Keuschen Frauen niederschauen
Mit Erröten, wenns vonnöten,
Kannst du schauen voll Vertrauen.

Kobold:

Selbst die schlauen,
Scham und Zucht entwöhnten Frauen,
Die es zahlen, kannst du malen,
Daß sie mit der Unschuld prahlen,
Leicht ists einen rot zu machen!
Ich muß lachen ha! ha! ha!

Nun wollte Frau Edelstein aber auch sehen, wie sie aussehe, und Fräulein Marienglas hielt ihr den Spiegel vor, daß sie sich von oben bis unten betrachten könne.

Fräulein Marienglas sang dazu:

Spiegle dich, du liebe Holde!
Wie der Schwan zum blanken See
Niederschaut im Abendgolde,
Ob er nicht sein Sternbild seh.

Schöne Frauen im Beschauen
Sich erquicken mit Entzücken,
Wie die Pfauen auf den Auen
Sich erblicken, schöner schmücken.

Kobold:

O ihr Pfauen!
Glanzgerüstet, goldgebrüstet,
Wollt auf eure Füße schauen,
Pfui der rauhen schwarzen Klauen!
Garstge Stimme, o wie schlimme!
Ich lob mir die Nachtigall:
Schlechtes Röcklein, süßer Schall,
Guter Name, Ehrendame,
Ich muß lachen
Über all dies Schönermachen,
Ha! ha! ha!

»Du hast wohl recht, Koboldchen,« sagte Frau Edelstein, »all dieser Putz ist leerer Tand; aber ich mußte doch wieder einmal dran denken, mich wieder zu erneuern, und es ist mehr aus tiefer Traurigkeit als aus Freude, daß ich mich so schmücke; denn wisset, vor mehreren hundert Jahren habe ich in ähnlichem Schmuck hier gesessen, und ich beziehe dieses Haus zur Erinnerung. Kommt, setzt euch, daß ich euch erzähle, was mir hier geschehen ist.« Nun setzten sich die Jungfrauen rings um das spiegelnde Bad auf die Stufen, und Frau Edelstein erzählte wie folgt:

»Als ich noch ein kleines Mägdelein war, lag ich nachts im Starenberg in einer kristallenen Wiege, die abgesondert von der Wohnung der Frau Erde, meiner Mutter, in einem einsamen Gewölbe stand. Einstens um Mitternacht, als ich über einem Märchen meiner Wärterinnen entschlafen war, tat es einen gewaltigen Krach, als wenn das Gewölbe einstürzte, zugleich wehte mich kalte Luft an, und da ich hievon erwachte, sah ich die Wand des Felsens niedergestürzt und hatte den wunderbaren Anblick des gestirnten Himmels. Meine Wärterinnen waren entflohen, und erschreckt von dem nie gesehenen Glanze der Sterne, wollt ich eben anfangen zu weinen, als ein schöner blonder Knabe an meine Wiege trat, mich liebkoste und wieder einwiegen wollte. Sein Anblick machte mir unbeschreibliche Freude; denn ich hatte bisher kein anderes Kind gesehen, und wie schrie und weinte ich, als meine Wärterinnen nun zurückkehrten und mich mit der Wiege nach der Stube meiner Mutter trugen; aber bald war ich getröstet, als ich sah, daß der Knabe auch in die Stube trat. Er sagte meiner Mutter auf ihre Frage, daß er Johannes, des Fürsten von Starenberg Söhnlein, sei, und sie gewann ihn lieb, schenkte ihm Edelsteine und lud ihn ein, uns alle Nacht zu besuchen, wenn seine Mutter abwesend sei und sein Vater schlafe. Dies geschah alle Monate einige Nächte lang, und er stellte sich immer richtig ein; denn die Mutter hatte ihm eine Springwurzel geschenkt, mit der er alle Felsen öffnen konnte.

So wuchsen wir wie Geschwister miteinander heran. Johannes war wie ein Kind in unserm Berg, er sah alle Arbeiten der Berggeister mit an und hatte eine besondere Liebe zu dem Geschäft. Vor allem aber hatte er eine große Freude an den Possen eines Affen, den meine Mutter hatte und der gewöhnlich mit ihr Schach spielte. Er hieß Trismegistus und war ein tiefsinniger, wunderlicher Gesell. Er machte alles nach, was er die Berggeister machen sah, und war dann sehr verdrüßlich, wenn wir ihn alle auslachten, daß er immer verkehrtes Zeug herauskriegte. Dieser Affe war anfangs sehr neidisch auf den kleinen Johannes, weil er sah, daß ich lieber mit diesem spielte als mit ihm; nachher aber ging er meinem jüngeren Freunde überall nach und schmeichelte ihm und diente ihm mit allerlei Handreichungen, wenn der kleine Johannes spielend mit den Berggeistern arbeitete.

So lebte ich in kindlicher Lust wohl sechzehn Jahre mit Johannes, als er plötzlich eines Abends ausblieb; ich konnte mir die Ursache nicht denken und war in größter Angst; ich zog durch alle Gegenden unter der Oberfläche des Berges hin und rief ihm mit den zärtlichsten Namen; er kam nicht.

Die folgende Nacht ging es mir ebenso, in der dritten endlich gelang es mir, die Gegend des Berges zu finden, über der sein Schlafgemach war. Er hörte mein Weinen und Klagen; die Decke öffnete sich, und er eilte in meine Arme; indem wir nach der Kammer meiner Mutter liefen, so erzählte er mir, daß sein Vater die vielen Edelsteine, die er von uns erhalten, gefunden und ihn sehr gedrängt habe, zu sagen, wie er zu solchen Schätzen gelangt sei, und daß er ihn, da er es seinem Versprechen gemäß verschwiegen, nachts, auf den Rat seiner Mutter, in sein Bett genommen und mit einem seidenen Faden an seinen Arm gebunden habe, den er aber auf mein Angstgeschrei zerrissen und so zu mir gelangt sei.

Kaum waren wir in die Kammer meiner Mutter gelangt, so trat sein Vater auch hinter uns ein und wollte ihn eben tüchtig auszanken; aber meine Mutter fiel ihm in die Rede, der Affe Trismegistus machte ihm tausend Kratzfüße, und er fand sich durch den Glanz der Edelsteine und besonders durch das Schachbrett meiner Mutter, worauf alle Figuren lebendig waren, so zerstreut und hingerissen, daß er dem kleinen Johannes nicht nur verzieh, sondern sich auch bei uns sehr wohlgefiel. Er unterhielt sich die ganze Nacht mit meiner Mutter und Trismegistus und verließ uns erst am Morgen; die folgende Nacht kam er wieder und so öfters.

Einstens, da meine Mutter krank war, unterhielt er sich mit dem Affen allein, der setzte ihm allerlei böse Grillen in den Kopf über die Gewohnheit der Frau Mondenschein, ihn monatlich einige Zeit zu verlassen, und gab ihm ein wunderliches Glas, wodurch er sie belauschen könne. Er ging mit dem Glase unruhig, früher als gewöhnlich, von uns. Nun erwartete ich in der folgenden Nacht ihn und Johannes nicht, der Mond schien wieder, und da kamen sie nie. Aber siehe da! da kamen sie beide, und der Vater war in großer Unruhe; er setzte sich zu meiner Mutter an den Tisch und klagte ihr sein Unglück, daß ihn seine Gattin seiner verbotenen Neugierde wegen verlassen und verflucht habe.

Der Besuch war meiner Mutter nicht ganz gelegen, denn sie war eben mit ihren geheimsten Arbeiten beschäftigt; sie ließ einen goldenen Tisch wachsen; nun bat sie zwar den unglücklichen Herrn, sich nicht darauf zu legen, aber in seinem großen Kummer vergaß er es, und sein Bart streifte auf den Tisch und wuchs ihm hinein, so daß er nicht mehr aufstehen konnte.

Meine Mutter verwies ihm nun ernstlich seine Neugierde und sagte ihm, daß es außer ihrer Macht stehe, ihm zu helfen; sie legte ihm ein Buch vor, in dem las er und heftig dabei weinte; endlich brach er in folgende Worte aus: ‘Frau Erde! ich fühle wohl, Ihr könnt mir nicht helfen; ich muß hier sitzen, bis der Fluch der Frau Aglaster und der Großmutter meiner Frau erfüllt ist. Nun aber rufet mir meinen Sohn Johannes, daß ich ihm die Regierung meines Volkes übergebe.’ Johannes ward gerufen, er hörte das Unglück seines Vaters, er übernahm die Regierung; meine Mutter nahm ihm die Springwurzel; sie sagte ihm, nie mehr solle er uns sehen, denn sie sehe wohl, daß aus der Gemeinschaft der Geister mit den Menschen nur Treulosigkeit und Unglück erfolge. Meine und seine Bitten halfen nichts, ich mußte ihn lassen; eine Menge unbarmherziger Kobolde faßten ihn und führten ihn mit Gewalt an die Oberfläche der Erde.

Meine Trauer, meine Wehklagen halfen nichts, meine Mutter war unerbittlich und nahm sich vor, diesen Aufenthalt ganz zu verlassen. Ehe wir aber abreisten, wollte sie den vorwitzigen Affen Trismegistus noch bestrafen; man suchte ihn überall und konnte ihn lange nicht finden. Endlich, da meine Mutter in der geheimsten Kammer aufräumen wollte, wo sie das Gold machte und den Stein der Weisen liegen hatte, fand sie den Schelm ganz von oben bis unten vergoldet. Er war ihr über die Tiegel geraten und hatte sich so mit der Tinktur angestrichen. Erzürnt über ihn, sprach sie: ‘Warte, du sollst deines falschen Schimmers niemals genießen, du unglückstiftender Verräter!’ und somit zog sie ihm einen grauen Rock an, schnallte ihm einen gelben Riemen um und setzte ihm einen grünen Hut auf, zog ihm rote Stiefel an und sagte: ‘So sollst du nun den gefangenen Mondenhirten bedienen, den du durch deine Schwätzerei ins Unglück gebracht, bis er einstens auf der Erde im schönen Grabe ruht; keiner soll dir den Gürtel lösen können, als der, der alle diese Schicksale löst, und ewig sollst du grübeln, forschen und nachäffen, und nie das Gold sehen, das dir doch näher ist als das Hemd!’ Somit schleppte sie ihn zu dem festgewachsenen Mondenschäfer, legte ihn an eine Kette, setzte das Schachbrett zwischen beide, schloß den Berg zu und zog mit mir und allen den Ihrigen hierher in diesen Berg.

Johannes, der nun die Starenberger regierte, hatte mich so völlig vergessen als ich ihn. Das erste, was er tat, war, daß er sein ganzes Volk nach und nach zu Bergleuten verwandelte; er hatte vieles bei uns gelernt, und nun zog er Schachten und Gruben, wohl an die neun Jahre lang, in dem Berge hin und her. Aber alles war fruchtlos, da wir nicht mehr da wohnten.

Endlich wollten seine Leute nicht mehr arbeiten, denn der Berg war schon so untergraben, daß sie fürchteten, er möge einstürzen. Zornig verließen sie ihn mit der Versicherung, nicht mehr zu arbeiten, an einem Abend, und er blieb mit seinem Grubenlicht, Fäustel und Schlegel allein in dem Stollen.

Ängstlich durchirrte er alle die vielen Gänge, die er seit zehn Jahren hatte hauen lassen, und legte sich eben traurig an eine Felsenwand nieder, um zu schlafen.

Kaum war er entschlummert, als er ein Kettengerassel hörte; er wachte auf und lauschte. Sieh! da klang es hinter ihm an der Wand; mutig fing er an zu arbeiten, und je tiefer er drang, je lauter rasselte es; laut schrie er den Bergmannsruf aus: Glück auf! Glück auf! und: Glück auf! antwortete es ihm; noch wenige Minuten gearbeitet, und er stand in dem Gewölbe bei seinem Vater. Aber der sah ihn mit großen Augen an und lachte nicht und sagte kein Wort, wie ein Lebendigbegrabener.

Johannes gab sich alle Mühe, ihn mit seinen Liebkosungen zu ermuntern; aber er blieb stille und erstarrt und sah immer auf das Schachbrett, als sinne er über einen Zug.

Vor ihm saß Trismegistus und hatte die größte Freude über die Erscheinung des Johannes. ‘Geschwind’, sagte er, ‘mach mir meine Kette los und lasse mich aus diesem langweiligen Loch heraus; der alte Herr spielt so langsam, er tut alle Jahre einen Zug, helfen kannst du ihm nicht; wenn ich übers Jahr wiederkomme und ihm einen andern Zug tue, ist es gerade hinreichend Gesellschaft für ihn; schnell führe mich hinweg, ich will dir auch bald auskundschaften, wo Fräulein Edelstein, deine Liebste, ist.’ Johannes ließ sich von ihm verführen, er machte die Kette des Affen los, küßte seinen Vater, der es aber gar nicht zu bemerken schien, und verließ mit Trismegistus, der immer noch das graue Habit anhatte, die Gruft.

Als sie in der Stube des Johannes angekommen waren, sagte dieser: ‘Nun, Trismegistus! halte Wort und sage mir, wie ich zu meiner Liebsten, der Fräulein Edelstein komme.’ – ‘Ja’, sagte Trismegistus; ‘aber du mußt mir vorher noch versprechen, mich hier auf deinem Schloß sicher und verborgen zu halten und mich zu ernähren, und daß du mir niemals zumutest, einen Schritt tiefer als die Oberfläche der Erde zu gehen, damit mir die Mutter deiner Liebsten nichts anhaben kann; denn hier oben kann sie mir nichts tun. Lasse mir daher einen Turm bauen, auf dem oben ein Gewölbe und ein guter Rauchfang ist, da will ich für mich und dich die Planeten observieren und allerlei chemische Laborationen vornehmen und mir die Zeit damit vertreiben. Wenn ich es nur so weit bringe, den grauen Rock loszuwerden, so solltest du sehen, daß ich leuchte wie Gold; die Frau Erde ist nicht umsonst so zornig auf mich, ich habe ihr die besten Stückchen abgelernt.’ Schnell ließ Johannes, der wegen seinem vielen Graben von seinem Volke der Grubenhansel genannt wurde, auf einem abgelegenen hohen Wartturm des Schlosses einen Rauchfang bauen und ihm alles einrichten, wie er es wollte, und als Trismegistus schon oben wohnte, drang er nun in ihn, ihm die Mittel zu lehren, wie er zu mir gelangen könnte. Worauf ihm der Affe sagte: ‘Bester Grubenhansel! heute will ich es dir sagen, früher hätte es dich nichts genützt, denn heute nacht um zwölf Uhr muß die Wünschelrute geschnitten werden! Gehe hinab an den See, dort wirst du eine Weide finden, von welcher du dir eine kleine Rute schneidest; diese Rute in der Hand gehe so lange nach Norden, bis die Rute niederschlägt, dann wirst du nicht lange ohne dein Liebchen sein.’ Johannes tat nach seinen Worten: er schnitt die Rute, er hielt sie vor sich und reiste bis hieher. Da schlug die Rute nieder, der Fels öffnete sich, und er sah mich hier auf dieser Stelle sitzen und weinen, wie ich jetzt hier sitze. Er rief meinen Namen aus, ich sah ihn und wir umarmten uns mit unendlicher Freude. Nun war es gerade um Weihnachten, wo meine Mutter die Wache bei dem Stein der Weisen hielt, weil um diese Zeit alle goldgierigen Menschen nach diesem Schatze trachten. Wir waren also sicher, nicht überrascht zu werden. Aber der Morgen brach an, und wir hatten in der Dunkelheit der Grube ihn nicht bemerkt; meine Mutter trat herein und fand uns beisammen.

Anfangs war sie heftig erzürnt; aber unser Bitten versöhnte sie, und sie gab mir endlich den Grubenhansel zum Gemahl mit der Bedingung, daß ich immer den siebenten Tag der Woche zu ihr kommen sollte, und daß er mir dann niemals folgen sollte, noch mich fragen, was ich zu verrichten hätte. Er versprach es, und ich folgte ihm in den Starenberg zurück, wo ich ihn immer am Sonnabend verließ und zu meiner Mutter ging, sonntags aber wieder kam.

So lebten wir einige Jahre, und ich gebar ihm einen Sohn, den wir Veit nannten. Trismegistus ließ sich nicht vor mir sehen und saß immer auf seinem Turm und destillierte. Mein Gemahl verriet ihn auch nicht, und wenn ich ihn fragte, was denn das für ein immerwährender Rauch sei, der oben aus dem Turme herausstieg, sagte er mir: ‘Dieser Turm ists, von welchem mein Vater nach meiner Mutter, Frau Mondenschein, geschaut hat, und weil ich in meiner heimlichen Liebe zu dir die erste Ursache des Verbrechens war, so lasse ich jetzt einen ewigen Rauch, auf dem Turme aufsteigen, ein Opfer, um meine Frau Mutter zu versöhnen; ich räuchere da mit lauter Edelsteinen, dieselben, die du mir früher geschenkt.’

Aber Johannes betrog mich, denn in den Nächten, da ich abwesend war, ging er immer selbst auf den Turm hinauf, mit dem Affen zu laborieren; sie suchten den Stein der Weisen, welcher ewiges Leben gibt und alles in Gold verwandelt. Der Affe hatte meiner Mutter allerlei Kunstgriffe abgelernt, die er nun ohne Verstand und Zusammenhang auf alle mögliche Weise hintereinander folgen ließ, nur nie auf die rechte. Seine Hauptbemühung war immer, den grauen Rock und die Stiefel herunter zu kriegen; aber er konnte es nie zustande bringen; er versuchte es wohl hundertmal, sein Habit zu vergolden; kaum aber hatte er sich mit dem Metall überzogen, als alles wieder wie vorher grau und trübe wurde.

Schon war alles Gold des Schlosses zum Schornstein hinausgeflogen, und so viel ich dessen auch brachte, nie reichte es hin, und doch erfuhr ich nie, wo es hinkam. Mein Sohn Veit, der seinen Vater immer um Gold fragen hörte, schleppte nun alles an, was blinkte; aber immer lachte der Vater ihn aus; doch ließ sich der Knabe nicht irremachen und hatte eine große Leidenschaft zu wissen, was der Vater mit all dem Golde anfange. ‘Vater’, sprach er, ‘was ist denn Gold?’ – ‘Es ist ein köstliches Metall’, sagte der Grubenhansel; in demselben Augenblick fuhr der kleine Veit, der sehr naschhaft war, mit einigen Goldkörnern die auf dem Tisch lagen, in den Mund. Grubenhansel, in der Angst, er möge daran ersticken, öffnete ihm den Mund mit Gewalt und erblickte zu seiner größten Verwunderung einen goldnen blinkenden Zahn in seines Söhnleins Mund.

Es war gerade zur Zeit meiner Abwesenheit. Grubenhansel entdeckte seinen wunderbaren Fund dem Affen Trismegistus, und dieser geriet darüber in die ausgelassenste Freude. ‘Geschwind bringet Euern Veit herauf’, sagte er, ‘er hat, was ich ewig suche, was uns allen hilft: animalisches Gold.’

Veit war eben einem schönen Pfau nachgeklettert, der ihn mit seinem goldschimmernden Hals reizte, und da die Sonne unterging, war dieser Vogel nach seiner Gewohnheit auf ein Dach geflogen, um ihr nachzuschreien. Eine kühle Luft erhob sich und spielte in den Federn des Vogels; schimmernde Tauben durchschnitten die Luft, und goldne Fische sprangen aus dem See, dem kühlen Abendwinde entgegen; ganz ungemein glückselig fühlte sich der kleine Veit neben seinem Pfau auf dem Dache; aber so oft er die Hand ausstreckte, dem Vogel eine Feder zu entreißen, flog dieser auf einen höhern Punkt, und Veit folgte immer weiter, bis endlich der Vogel in den Wald flog und seinen gierigen Blicken entschwand. Veit saß nun so hoch oben, daß er schwer herunterkonnte; aber es war ihm ganz wohl, und er hatte die größte Lust, oben zu bleiben, als er die Stimme seines Vaters im Hofe nach ihm rufen hörte. Er besann sich nicht lange, rutschte auf den Dächern nieder, lief wie eine Katze in den Dachrinnen, schwang sich von Giebel zu Giebel und sprang endlich heil und gesund vor den Füßen seines erschrockenen Vaters zu Boden.

Dieser nahm ihn verwundert über seine Geschicklichkeit mit sich auf den Turm, wohin ihm der Knabe gern folgte, weil er die Höhen liebte. Kaum hatte ihn der Affe erblickt, als er ihm auch den Mund mit einem silbernen Löffel aufmachte und ihm, noch ehe der Vater eine Einrede dagegen machen konnte, den goldnen Zahn unter heftigem Geschrei ausriß. ‘Nun ist uns geholfen’, sagte der Affe, ‘mit diesem Zahn führe ich dich, Grubenhansel! in die Kammer, wo deine Frau jetzt den Stein der Weisen bereitet; wir überraschen sie, sie muß uns alles herausgeben, und wir sind die Herren der Erde und leben ewig.’

Grubenhansel ließ sich betören, er schlich mit dem zitternden weinenden Veit und Trismegistus herab. Den Knaben brachte er zu Bette und versprach ihm so viele Pfauen und Tauben, als er nur wollte, wenn er schwiege, und der Knabe gab sich zur Ruhe.

Als meinem Söhnlein der Zahn ausgerissen wurde, empfand ich denselben heftigen Schmerz in meiner Kinnlade und hörte sein Geschrei bis in die Tiefe der Erde. ‘Ach!’ sagte ich, ‘meinem Kinde geschieht weh’ – und ängstlich erwartete ich den Anbruch des Tages, um nach Hause zu kehren, als plötzlich der Grubenhansel und Trismegistus vor mir standen und letzterer hastig nach dem Stein der Weisen griff, der vor mir zwischen drei Lilien lag, einer blauen, einer roten und einer weißen. Aber ich stellte meinen Fuß auf den Stein, der sogleich in die Erde versank, und der gierige Affe riß nur die weiße und rote Lilie ab und entfloh wie ein Pfeil aus der Grube, weil er den Schritt meiner Mutter hörte.

Schon hatte ich meinen Gatten mit den bittersten Vorwürfen überhäuft, daß er seinen Schwur gebrochen, als meine Mutter, die Frau Erde, eintrat und mit ungemeinem Zorn den Johannes bei mir fand. ‘Deine Herrlichkeit ist aus’, sagte sie, ‘du hast mit dem goldnen Zahn deinem Glücke die Wurzel ausgerissen; gehe und lebe, bis der Vater stirbt, den auch der Affe verführt hat.’ Nach diesen Worten rührte sie ihn mit der Hand an die Stirne, und er vergaß alles, was ihm geschehen war, und schlief ein. Nun ließen wir ihn durch die Berggeister in einen der Stollen, die er gegraben hatte, zutage legen; wo er nachmals in einer Höhle bis vorgestern als ein Quacksalber und Laborant gelebt hat. Seinen Vater, der im Berge am Tische angewachsen, besuchte er dann und wann und spielte Schach mit ihm, wußte aber gar nicht anders, als er sei immer in der Grube gesessen und habe laboriert. Als er heute gestorben, habe ich ihn zu Grabe gebracht, ihr wart alle mit dabei, Gott gebe der armen Seele Ruhe!

Der Affe Trismegistus begab sich schnell nach seinem Turm zurück und stellte sich, als wenn er von gar nichts wüßte; er begann nun mit Hilfe der roten und weißen Lilie zu laborieren, kriegte aber nie etwas heraus. Noch mehrere Jahre lebte er auf der Burg, wurde aber endlich von meinem Sohne Veit, der ihn, seit er ihm den Zahn ausgerissen, tödlich haßte, vertrieben. Nun irrt er ewig in der Welt herum und sieht, wo er einen Narren findet, der mit ihm Gold macht, das heißt, zum Schornstein hinaustreibt. Seine Anstalten und Rezepte haben sich unendlich vermehrt. Zum Unglück kann er nicht sagen, was er will; er weiß es wohl, aber er nimmt immer ein Wort für das andere, und so kömmt nie etwas zustande, und seinen grauen Rock kriegt er nie herunter, denn er läuft ihm immer wieder nach.«

»Hätte ich ihn hier im Bade,« sagte Fräulein Quecksilber, »ich wollte ihn zwagen.« – »Wie wollte ich ihn auslachen!« sagte Koboldchen.

Kaum aber hatten sie dies gesagt, als ich ein Gerassel in dem Busche hörte, ich sah den goldnen Affen in größter Angst daherlaufen, und Rock, Hut und Stiefel hintendrein. Jetzt holte ihn der Hut ein und sprang ihm auf den Kopf, jetzt hängte sich ihm der Mantel über die Schulter. Er lief in Todesangst immer in engeren Kreisen um mich und die Grube; jetzt waren ihm die roten Stiefel auf den Fersen, er warf die beiden Lilien in der Angst weg, um auf einen Baum zu klettern, der gerade über der Grube wuchs, in die ich schaute. Nun fuhren ihm die Stiefel an die Beine, der Gürtel sprang um ihn und schloß ihn mit dem Baume zusammen. Er lamentierte ganz erbärmlich, ich sollte ihn ablösen. Ich schnallte ihm den Riemen auf, und er plumpte in das Quecksilberbad hinab; da fielen die Jungfrauen über ihn her, rieben und walkten ihn wie die Hutmacher den Hutfilz, bis er wieder ein ordinärer Affe war, und ich sah, wie sie ihn an einer Kette fortführten und die Grube verließen.

Nun entschlummerte ich, und als ich erwachte, stand die Sonne schon am Himmel; ich nahm die Weidenrute und die beiden Lilien, die neben mir lagen, um meine Gesellen zu suchen, welche ich in kleiner Entfernung von mir schon zu Pferde fand. Schnell warf ich mich auf mein Roß und setzte meine Reise ruhig fort.

Wie Radlauf die Verjüngung der Frau Phönix Federschein ansieht und diese ihre Geschichte mit dem Kautzenveitel erzählt.

Schon kletterte die Sonne an den Baumstämmen hervor, ein kühler Wind spielte in dem Laub, die Vögel sangen ihr Morgenlied, und ich dachte an die arme geliebte Ameley. Als wir aber an den Mainstrom kamen, der den Wald durchschnitt, und keine Brücke vorhanden war, ließ ich meine Begleiter mit den Rossen den Fluß hinaufreiten, um eine Fährte zu suchen, ich selbst aber erreichte das andere Ufer schwimmend.

Von dem Strom durchnäßt, erstieg ich einen Fels, um mich der Sonne auszusetzen, und ward so der Zuschauer eines wunderbaren Schauspiels.

Auf der andern Seite des Felsens lag in einem Bergkessel ein Hügel, in dessen Mitte die höchste und mächtigste Eiche, die ich je gesehen, ihr Laubgewölk ausbreitete. Im Kreise um sie, am Fuße des Hügels, wie Diener um eine Königin, standen eine Ulme, eine Linde, ein Nußbaum, eine Birke, eine Eiche, eine Erle und eine Weide. Zu den Füßen der Eiche entsprang eine Quelle, die, von Felsen unterbrochen, in zwei Arme geteilt, von dem Hügel herabstürzte; der eine Arm bildete auf der rechten Seite des Bergkessels einen klaren Spiegelsee, der andere Arm durchschlängelte zur Linken den Rasengrund, der mehr einem Garten von wohlriechenden Gewürzkräutern, Blumen und Rosenbüschen als einem wilden Waldtale glich.

Ich saß auf einer hohen Felswand hinter Wachholdersträuchen und übersah den heimlichen schönen Waldgrund, ohne von dort aus bemerkt werden zu können. Jetzt aber erhob sich ein Lüftlein und regte die Gipfel des Hains auf, und eine Menge Vögel aller Art flogen hin und her, und trugen allerlei Kräuter und Reiser in Klauen und Schnäbeln auf den Gipfel der Eiche und schienen beschäftigt, ein großes Nest von den mannigfaltigsten wohlriechenden Hölzern und Kräutern zu erbauen. Der Mond lief noch nackt am Himmel herum, und der junge Tag, der aufstehen sollte, schämte sich vor ihm und errötete; nun aber zog der Mond ein weißes Hemd an und trat mit den Sternen hinter den himmelblauen Vorhang. Da machte sich die Sonne auf und hob ihr strahlendes Haupt über den Bergen empor, und wie sie den Rand der Wälder vergoldete, begann in der Linde die Nachtigall zu singen, und eine Weile drauf trat Frau Phönix Federschein, meine dritte Ahnfrau, unter der Eiche hervor und sang –

Frau Phönix Federschein:

Der Mai will sich so günstig
Inbrünstig beweisen,
Ich hörs an aller Vöglein Gesang.
Der Sommer kommt, vor nicht gar lang
Hört ich Frau Nachtigall singen.
Sie sang recht wie ein Saitenspiel:
Der Mai bald will
Den lichten Sommer bringen und zwingen
Die Jungfräulein, zu singen und springen.

Jedoch so sind die Kleider
Mir leider zerrissen,
Ich schäme mich vor andrer Mägdlein Schar,
Mit meinen Füßen geh ich bar,
Als wenn ich baden wollte;
Der Reif und auch der kalte Schnee
Tat mir wohl weh,
Ich will als Badgesellen bestellen
Die Jungfrauen an den hellen Waldquellen.

Komm! komm! lieb, lieb Agneta,
Margaretha, Sophia,
Elisabetha, Ameleya traut,
Sibylla, Lila, Frau Gertraut,
Kommt bald, ihr Mägdlein schöne,
Kommt, mich zu baden säuberlich,
Und schmücket mich;
O kommet! die Jungfrauen im Tauen
Mich baden und beschauen, ja schauen.

Kaum hatte sie dies Lied nach der Melodie der Nachtigall gesungen, als ihre sieben Fräulein aus den umstehenden Bäumen zu ihr auf den blumigten Rasengrund traten: Pfauenaug aus der Ulme, Nachtigall aus der Linde, Reiherbusch aus der Kastanie, Turtel aus dem Nußbaum, Flaum aus der Birke, Schwanenlied aus der Erle, und Schwalbenwitzchen aus der Weide. Sie hatten alle ihre Röcklein aufgeschürzt und trippelten um Frau Phönix, die in dem Quell stand, herum und wuschen ihr die Füße und schmückten sie. Als sie aber fertig waren, sagte Frau Phönix:

Ich bin Frau Phönix Federschein,
Begraben hab ich den Liebsten mein;
Mein Hals war goldgelb, licht und klar,
Mein Leib und Flügel purpurn war –
Der goldnen Kron auf meinem Haupt
Hat Trauer Licht und Glanz geraubt,
Nun sammeln mir die Vögelein
Weihrauch und Myrrhen und Spezerein,
Von edlem Holz wohlriechende Ästlein;
Sie bauen mir daraus ein Nestlein,
Darüber schwing ich mein Gefieder
Am Sonnenlichte auf und nieder,
Bis daß das Rauchwerk sich entzündet,
Die Flamme sich zur Höhe windet:
Dann laß ich mich herab zur Glut,
Verbrenne willig, wohlgemut.
Aus meiner Asche wird erstehn
Ein Würmlein, leuchtend anzusehn,
Woraus ich wieder rein und pur
Mich neu erschwinge zur Natur.
Nun saget mir, ihr Fräulein all!
Was euer Amt ist in diesem Fall.

Fräulein Pfauenaug sang nun, indem sie der Frau Phönix ihr Gewand ordnete:

Mit dem Tausend-Augen-Kranze
Ich auf deine Reize schau;
Mit der Federn Purpur-Glanze
Schmück ich dich, du holde Frau!

Ich erweck dir nach der Sonne
In dem Herzen die Begierde,
Denn so heller Farben Wonne
Leiht ihr Schein erst rechte Zierde.

Fräulein Nachtigall sprach zu ihr:

Ich, Frau Phönix! lehr dich singen:
Wenn dir will das Herz zerspringen,
Lehret dich Frau Nachtigall,
Gott zu grüßen tausendmal:

Auf der Eiche in der Spitzen,
Wenn die Flammen dich umblitzen,
Lehret dich Frau Nachtigall,
Gott zu loben tausendmal.

Fräulein Schwanensang, welche ein Lorbeerkrönchen trug, sagte ihr hierauf:

Sängerin ist sie, ich bin Dichter,
Dichte nur ein einzig Lied,
Mich begeistern Himmelslichter,
Wenn der Mond ins Wasser sieht.

Und ich will dies Lied dir sagen,
Das ich sterbend pfleg zu singen,
Wenn die Flammen um dich schlagen,
Dich im Feuer zu verjüngen.

Fräulein Fläumchen aber brachte eine Menge leichte Federkissen herbei und sprach:

Allen Vöglein ihre Wiege
Füttre ich recht weich und zart.
Daß die junge Brut nicht liege
In den Reisern rauh und hart.

Als Bettmeisterin die Kissen
Trag ich dir zum Feuerneste,
Leid wär mirs, wenn dir die Äste
Nur ein Federlein zerrissen.

Fräulein Schwalbenwitz nahte nun in ihrem grauen Sibyllenmantel und sagte:

Wenn die andern schlafend nicken
Les ich auf des Tages Stirn
Das Geschick, mit leisen Blicken
Winket mir das Nachtgestirn.

Traumausdeuter, weiser Meister,
Sing ich dir die künftgen Zeiten,
Wenn die wilden Feuergeister
In dem Neste um dich streiten.

Fräulein Turtel trat nun freundlich herzu und sagte zu ihrer Gebieterin:

Einst sang ich dir unverdrossen,
Wie der Pelikan sein Blut
Kinderliebend hat vergossen,
Zu erquicken seine Brut.

Nun reich ich, du Holde, Treue!
Dir den dunklen Witwenschleier,
Daß die Flamme dich erneue
In der glühen Totenfeier.

Fräulein Reiherbusch nahte zuletzt und sang:

Ich will dir die Flamme fachen
Mit der Flügel regem Schlag,
Daß sie freudig um dich lachen
Lichter als der junge Tag.

Wenn du schöner und belebter
Triumphierst in Jugendwonne,
Schwing ich dann den Federzepter
Vor dir hin durch Luft und Sonne.

Frau Phönix dankte ihnen allen und sagte: »Bis mein Scheiterhaufen bereitet ist, will ich euch noch erzählen, wer der Vogelsteller Veit war, den wir heute begraben haben, oder vielmehr, wie ich den jungen Fürsten Veit von Starenberg kennen lernte, sein Weib ward, und wie er mich betrogen hat.

Herr Johannes, der zweite Fürst von Starenberg, der ein leidenschaftlicher Bergmann war, blieb einst ungewöhnlich lange aus. In den ersten Tagen glaubte sein Volk, daß er in irgend einer Grube reiche Ausbeute müsse gefunden haben; denn sie wußten wohl, daß er in solchem Falle oft mehrere Tage ausblieb. Als aber endlich eine ganze Woche herumging und er noch nicht wiederkehrte, besorgte man, es möge ihn irgend ein Unglück in dem Bergwerke getroffen haben, und suchte ihn vergebens aller Orten.

Schon war Schloß und Land mit Trauer über seinen Tod erfüllt, als unter die Klagenden, die sich im Hofe versammelt hatten, ein seltsam gekleideter häßlicher Mann trat. Er trug einen grünen Hut, einen grauen gelbgegürteten Rock und rote Stiefel, und kam einen Turm herabgestiegen, auf den der Fürst immer allein zu gehen pflegte. Seine Erscheinung machte jedermann aufmerksam, weil ihn nie jemand gesehen hatte, und weil er aus dem geheimnisvollen Turme kam. Er sagte hierauf: ‘Ihr Männer von Starenberg! Euer Herr und Fürst, mein großer Gönner und Freund, ist nicht mehr; ich war sein Astronom, heute nacht hab ich die Sterne beschaut und daraus gesehen, daß er nie wiederkehren wird. Nun aber ist euer künftiger Herrscher, der Erbprinz Veit, noch unmündig; wer aber kann besser sein Vormund sein als ich, der der vertrauteste Freund seines Vaters war. Wollt ihr nun mir dieses Amt anvertrauen, so will ich eure Bergwerke bauen, besser noch als vorher, ich will eure Livereien mit Gold und Silber bedecken, Lust und Herrlichkeit soll überall verbreitet sein; denn ich kenne alle Würzlein und Kräuter, alle Steine und Metalle, die Elemente sind mir untertan, und die Planeten habe ich alle an einem Fädchen.’

Während er so sprach und dabei die seltsamsten Grimassen machte, nahte sich der kleine Veit, an der Hand eines alten Vogelstellers, mit dem er sich viel abzugeben pflegte; er hatte einen schönen Distelfink auf der Hand und war guter Dinge. Die Starenberger empfingen ihren kleinen Fürsten mit aller Liebe eines treuen Volkes, und als sie ihm sagten, daß sein Vater gestorben sei, ließ er den Finken fliegen und begann heftig zu weinen, mehr aber aus Schrecken über den Trismegistus, den er, seit er ihm einen goldenen Zahn ausgebrochen hatte, tödlich haßte, als über den Tod seines Vaters; denn er war noch zu jung, um zu wissen, daß der Tod schrecklicher sei als der Zahnbrecher.

Von neuem erhob der graue Mann wieder seine Stimme und pries seine Kenntnisse und seine Gelehrsamkeit, und als er wieder sagte: ‘Ich kenne alle Wurzeln und Kräuter’, unterbrach ihn der alte Vogelsteller: ‘Woran kennt Ihr sie denn?’ Stolz erwiderte der Affe Trismegistus: ‘Zeigt es mir nicht das Gesicht, so zeigt es mir der Geruch; zeigt es mir nicht der Geruch, so zeigt es mir der Geschmack.’ Nun bückte sich der Vogelsteller zur Erde und sprach, indem er dem Affen etwas reichte, was er aufgehoben hatte: ‘Was ist denn dies für eine Wurzel, Herr Doktor?’ – ‘Erstens muß es mir das Gesicht zeigen’, erwiderte der Affe, indem er das Dargereichte von allen Seiten betrachtete. ‘Das Gesicht zeigt es mir nicht; so muß es mir der Geruch zeigen’ – nun roch er daran und fuhr fort: Der Geruch zeigt es mir auch nicht, so muß es mir der Geschmack endlich zeigen’ und nun biß er hinein und reichte mit Stolz das Dargereichte dem Vogelsteller zurück, indem er hoffärtig sagte: ‘Nehmt hin, mein Mann! Ihr seid betrogen, denn dies ist keine Wurzel, es ist getrockneter Affenmist.’ – Kaum aber hatte er diese Worte gesagt, als man ihn allgemein auslachte, weil er den Kot so hoffärtig versucht hatte, und da der Vogelsteller sagte: ‘Hat man mich mit dem Affenkot betrogen, so laßt euch, ihr Männer von Starenberg! nicht von dem Affen selbst betrügen’, und als der kleine Veit noch dazu schrie: ‘Ja, der Spitzbub hat mir meinen goldenen Zahn ausgebrochen’, und ihm darauf einen Stein an den Kopf warf, gab er damit die Losung zu einem allgemeinen Steinhagel, mit welchem man den betrügerischen Affen Trismegistus zum Schloß hinaus verfolgte.

Als die Starenberger sich nach dieser Verrichtung wieder um den kleinen Veit gesammelt hatten, sagte dieser sehr verständig: ‘Ich will mir meinen Vormund selbst aussuchen, und das soll niemand sein als mein lieber Vogelsteller hier, den ich am liebsten unter allen Leuten habe.’

Einstimmig ward der Vogelsteller nun als Vormund Veits und Landesverweser anerkannt und verwaltete dies Amt auch mehrere Jahre zu allgemeiner Zufriedenheit.

Der kleine Veit hatte bei ihm die glücklichsten Tage; er beschäftigte sich mit nichts als dem Vogelfang und mit Erziehung mancherlei Vögel. Bald aber war ihm dies nicht genug, er wünschte selbst zu fliegen. Anfangs machte er allerlei kindische Versuche, indem er sich seine Kleider mit Federn benähte und sich mancherlei Flügel an die Arme band; bald aber stiegen seine Versuche immer höher, und seine Einrichtungen wurden künstlicher. Endlich in seinem sechszehnten Jahre hatte er mit vieler Mühe ein paar Flügel zustande gebracht, von denen er sich ungemein viel versprach, und er war fest entschlossen, sie in der folgenden Nacht zu probieren; denn bei Tag wagte er es nicht, da ihn sein Vormund schon mehrmals wegen seinen lebensgefährlichen Versuchen gestraft hatte. Aber an selbem Morgen geschah ihm etwas, was seinen Versuch auf mehrere Tage verschob.

Ihr wißt, meine lieben Gespielen! daß wir, ich und ihr, durch den Willen des Geschicks alle vier Wochen die Gestalt von verschiedenen Vögeln während vier Tagen annehmen müssen und dann allen Schicksalen dieser Tiere unterworfen sind. Ihr wißt auch, daß wir dann keine größeren Feinde haben als die großen Raubvögel und besonders die Eule, die uns zur Nachtzeit nachstellt. Nun war ich zwar von meiner Mutter, Frau Luft, hinreichend gewarnt, mich in acht zu nehmen, aber die Jugend ist unvorsichtig.

Es war in einer mondhellen Nacht, und da Frau Eule das Licht scheut, dachte ich nicht, daß es so gefährlich sei, ein wenig spazieren zu fliegen; denn wenn ich gleich ein Vogel war, so war ich doch niemals als ein solcher geflogen, sondern mußte in diesem Zustand immer einsitzen.

Meine Frau Mutter, die Luft, regte sich nicht und schlummerte ruhig; ich hatte eine unendliche Begierde, einmal den Himmel zu durchschweifen, besonders weil ein großer Komet am Himmel leuchtete, und meine Mutter mir auf meine Frage, was das sei, gesagt hatte, es sei mein Bruder im Himmel.

Leise schlich ich mich aus meiner Kammer hier in die Eiche, breitete die Flügel aus und schwebte selig durch die Luft; ich kann euch mein Entzücken nicht beschreiben, wie ich so das schlummernde Antlitz der Erde mondbeleuchtet unter mir sah, wie mich die mondlächelnden Flüsse und Seen wie glänzende Augen anschauten, aller Duft der Wälder und Gärten mir ans Herz stieg, und wie die Nacht ihre blaue Sternendecke wie einen wunderbaren Traum über mich gespannt hatte. Jetzt schwebte ich über den glänzenden Türmen des Starenberger Schlosses und wollte mich eben, durch Ungewohntheit des Fluges ermüdet, auf dem höchsten dieser Türme niederlassen, als mich die Frau Eule, die auf ihm wohnt, bemerkte, mich mit ihren großen feurigen Augen ansah und mit dem Schnabel knappte. Da ergriff mich eine unbeschreibliche Todesangst, und wie ein Pfeil stürzte ich in einen naheliegenden Wald nieder; aber hier überraschte mich eine neue Gefahr. Ich stürzte in die Netze eines Vogelstellers, die mit Schellengerassel über mir zusammenschlugen.

Nicht lange sträubte und wehrte ich mich, als schon Veit von Starenberg, ein schöner blonder Jüngling, sich nahte und mich mit ungemeiner Freude aus dem Netze hervornahm. Er war ganz entzückt über meine Schönheit; nie hatte er so etwas gesehen; er liebkoste mich, gab mir Zuckerbrot und eilte noch in der Nacht mit mir nach dem Schlosse in sein Gemach. Sogleich ließ er seinen Vormund rufen und zeigte mich ihm; und auch dieser war ungemein erstaunt bei meinem Anblick, er konnte mich nicht nennen, er hatte nie geglaubt, daß ein Vogel von solcher Schönheit existiere.

Als der Alte nach seiner Kammer zurückgegangen war, legte mich Veit auf sein Kopfkissen, liebkoste mich und entschlummerte. Als der Tag anbrach, begann er seine Liebe und Freude mir von neuem zu bezeugen; er breitete meine Flügel aus, fütterte mich aus seinem Munde, und seine Freundlichkeit rührte mich so, daß ich ihn liebgewann und ganz zahm und vertraulich gegen ihn ward.

Drei Tage war ich so bei ihm, und schon nahte der vierte Tag, an dem ich wieder meine Gestalt annehmen sollte. Unbeschreiblich wuchs meine Angst, mich dann nicht zu Hause zu befinden; aber abends am vierten Tage wehklagte meine Mutter, die Frau Luft, durch alle Säle des Schlosses und ich zeigte mit den Flügeln schlagend eine ungemeine Begierde zu fliegen.

Dies erweckte dem jungen Fürsten auch seine alte Sehnsucht wieder; er sagte zu mir: ‘Ja fliegen! fliegen! mein schöner Vogel, Fliegen ist eine Seligkeit! Gestern habe ich geträumt, ich flog an deiner Seite durch die Luft; und sobald ich es kann, wollen wir selig miteinander fliegen.’

Hierauf nahm er seine künstlichen Flügel und begab sich auf die Terrasse des Schlosses, befestigte sich die Maschine an den Schultern und stürzte jubelnd in die himmlische Freiheit. Ich blieb in der Stube versperrt und sah ihm durch die Fenster nach. Kaum aber bemerkte ihn Frau Luft, als sie gewaltig zu stürmen begann. Die Fenster des Schlosses zitterten, die Rauchfänge fielen herunter, Hagel und Schloßen schlugen die Fenster ein, es donnerte und blitzte, und da die Sternenherde des Mondes scheu wurde, warf er mit Steinen nach ihnen, deren einer das Fenster meines Gemaches zerschlug und mir so die Freiheit gab.

Die Luft, meine Mutter, empfing mich zürnend und trieb mich nach Hause zurück in schnellem Flug; aber ich war mehr um das Schicksal des armen Veit in dieser Nacht besorgt als um den Zorn meiner Mutter. Ich erzählte ihr viel von dem jungen Veit, und wie zärtlich er gewesen, und daß ich ihn liebe. Als ich aber meine Angst aussprach, wie es ihm auf seinem Fluge möge ergangen sein, hörten wir ein Wehgeschrei und Geflatter in der Luft. Wir schauten auf, und es war Veit, auf dem Punkt, niederzustürzen; ängstlich flog ich ihm entgegen, er rief: ‘Hilf, hilf, mein Vogel!’ aber meine Mutter riß mich zurück, und der gute Veit fiel hier in diesen Teich.

Es war gerade um die zwölfte Stunde der Nacht, wo ich wieder menschliche Gestalt annahm. Ich eilte nach dem Teich und reichte ihm die Hand. Als er zu Lande gestiegen, war seine erste Frage, ob ich nicht den wunderschönen Vogel gesehen, dem er soeben begegnet sei, und in dessen Lobeserhebung er kein Ende fand.

Meine Mutter, die Frau Luft, trocknete ihn, und wir lösten ihm seine zerrissenen Flügel aus. Er blieb einige Tage bei uns; meine Liebe war ungemein, und auch er liebte mich sehr; meine Mutter willigte in unsere Verbindung, und ich zog mit ihm als seine Braut nach Starenberg zur Hochzeit, bei welcher er schwören mußte, mich immer in der vierten Woche des Monats an einem einsamen Platz im Walde zu verlassen und, ohne mir nachzuforschen, mich nach vier Tagen wieder zu erwarten. Zugleich mußte er versprechen, dem Vogelfang und dem Fliegen gänzlich zu entsagen; welches er leichter schwur, als er es nachmals hielt.

Meine Mutter wollte die Hochzeit sehr feierlich haben; sie begleitete mich daher mit ihrem ganzen Hofstaat in Menschengestalt, und bei diesem Feste verrichteten folgende die Ämter:

Der Adelar, der führte mich zum Traualtar;
Der Dompfaff traute uns als Schloßpfaff;
Der Emmerling gab mir und ihm den Fingerring;
Der Rabe gab mir die Hochzeitgabe;
Der Vogelstrauß führt’ wieder mich zur Kirch hinaus;
Der Goldfasan, der führte mich zum Tanzplan;
Der Auerhahn gab da alle Tänze an;
Der Reiher und der Geier, die spielten da die Leier;
Die Wachtel, die schlug den Takt drei Achtel;
Der Fliegenstecher kredenzte da den Hochzeitbecher;
Die Meise, die brachte manche Speis.;
Der Stiegelitz führt’ nach dem Tanze mich zum Sitz;
Die Goldammer, die führte uns in die Brautkammer;
Der Habicht ging vor uns mit dem Nachtlicht;
Die Amsel gab mir das Nachtwamsel;
Die Taube, die reichte mir die Haube;
Der Grünspecht gab meinem Veit den Stiefelknecht;
Der Wiedehopf brachte uns den Nachttopf;
Die Schnepfe brach vor der Tür die Töpfe;
Und nach ihr sang Frau Nachtigall die ganze Nacht mit süßem Schall.

Mein lieber Veit aber war nicht recht fröhlich, und immer stak ihm noch der schöne Vogel im Kopf, den er gehabt hatte.

Ich durfte nicht sagen, daß ich es selbst war, und suchte seine Sehnsucht durch meine Liebe zu zerstreuen.

Am folgenden Morgen setzte er seinen Vormund, den alten Vogelfänger, ab, weil er ihm, wie er sagte, nicht acht auf den schönen Vogel gegeben hatte, und setzte hohe Preise aus, wer ihm den Vogel wiederbrächte. Nach drei Wochen verließ ich ihn mit meinem ganzen Hofstaat; wir gingen an einen einsamen Ort im Wald, er verließ uns, und wir kehrten in Vögel verwandelt hierher zurück. Nach vier Tagen kam ich allein wieder zu ihm, und wir lebten glücklich.

Nach einem Jahr brachte ich ihm einen Sohn, namens Jakob, den wir sehr liebten und wohl erzogen. Nur hatte er eine Eigenschaft, die uns sehr oft beunruhigte, nämlich eine große Freude am Feuer. Vielleicht, daß meine Eigenschaft, mich im Feuer zu erneuen, ihm diesen Trieb in seine Natur gebracht. Als Kind von wenigen Monaten schon lachte er immer beim Anblick des Lichtes und griff mit seinen Händchen nach der Flamme. Später steckte er jeden Span an, den er erwischen konnte, und mit dem Ofenheizer des Schlosses lief er von einem Kamin zum andern. Als Knabe war er nicht aus der Schmiede zu bringen, und auf einsamen Spaziergängen im Wald machte er sich immer ein Feuer an und sprang darüber und jauchzte beim Anblick der Flamme, so daß er, weil er oft berußt war, von uns den Spottnamen Kohlenjockel erhielt.

So lebten wir lange glücklich, aber alles hat sein Ende, und so endete auch unser Glück. Die Eule und der Kuckuck waren meine Feinde, um so mehr, da sie nicht waren zur Hochzeit geladen worden. Der Kuckuck aber besonders; denn dieser freche Stutzer hatte sich immer vergeblich um meine Liebe beworben.

Als ich nun einst in Vogelgestalt hier im Baume saß, lud meine Mutter, mich zu zerstreuen, eine große Gesellschaft von Vögeln zusammen und erklärte ihnen, daß nun fünfundzwanzig Jahre seit meiner Hochzeit verflossen seien, und daß sie sich nächstens einstellen sollten, dies Fest meiner Vermählung auf dem Starenberg abermal zu feiern.

Da drängte sich der Kuckuck plötzlich in die Gesellschaft, sprach allerlei Ungezogenheiten und erklärte, daß er auch dabei sein wolle, aber er ward einstimmig abgewiesen, und ich verbat mir seine Annäherung für immer; worauf er drohend und erzürnt die Gesellschaft verließ. Er begab sich nun zu der bösen alten Frau, der Frau Eule, und machte mit ihr den Plan, mein Glück zu vernichten, welches ihnen auch gelang.

Den ganzen Tag flog der Kuckuck um meinen Gemahl herum; er mochte gehn und stehn, wo er wollte, so schrie er ihm zu Kuckuck! Kuckuck! und ebenso saß er des Nachts vor seinem Fenster und schrie: Kuckuck! Kuckuck! Veit wußte gar nicht, was dies bedeuten sollte, und wurde, da dies den zweiten Tag ebenso fortwährte, endlich ganz unruhig darüber.

Am folgenden Abend ließ sich Frau Eule bei ihm anmelden, als eine alte Anverwandte seiner Frau, von der sie ihm Nachrichten zu bringen habe. Begierig ließ sie Veit zu sich herein; sie hatte eine tiefe Perücke aufgesetzt und hatte eine Pelzjacke an und bat ihn, das Licht auszulöschen, weil sie kranke Augen habe und den Schein nicht vertragen könne. Veit tat nach ihrem Willen. Nun sagte die Lügnerin folgendes: ‘Lieber Herr Veit! Ihr dauert mich; seht, ich bin die Amme Eurer Frau, sie hat mich aber mit Undank verstoßen und ich muß mich nun kümmerlich mit Spinnen und Wahrsagen ernähren; und so komme ich, um Euch meine Kunst anzubieten und Euch zu fragen, ob Ihr denn gar nichts auf dem Herzen habt, was Ihr gern wissen wolltet.’ – ‘Ach!’ sagte Veit, ‘wissen möcht ich, was der Kuckuck will, der seit mehreren Tagen mir unaufhörlich zuruft.’ Darauf erwiderte ihm Frau Eule: ‘Mein lieber Veit! das ist ein böser Ruf; er sagt Euch, daß Eure Gattin Euch nicht liebt und in der Zeit ihrer Abwesenheit gar nicht an Euch gedenkt.’ Veit wurde darüber sehr bestürzt und fragte die Frau Eule, wer denn der sei, über den er vergessen werde. Da sagte Frau Eule: ‘Es ist jemand, den Ihr in Eurem Busen getragen, aus Euren Händen ernährt habt; es ist der, der Euch seit Eurer Hochzeit verlassen hat, es ist der schöne bunte Vogel, nach dem Ihr Euch so sehr sehnt; dieser ist ein Zauberer, den Ihr in dieser Gestalt gefangen. Ach! hättet Ihr ihn doch damals erwürgt und ausgestopft, es wäre Euer Glück gewesen.’

‘Wie kann ich ihn denn wieder habhaft werden, den Bösewicht?’ fragte Veit, worauf ihm die böse Frau Eule folgenden Anschlag gab: ‘Ihr wißt, daß Eure Gemahlin in der dritten Woche, wenn sie morgen zu Euch kömmt, ihre silberne Hochzeit mit Euch feiern will, und daß sie deswegen ihren ganzen Hofstaat mitbringen wird; ihr müßt daher, ehe sie Euch wieder verläßt, auf dem Platz im Walde, wo sie von Euch geht, alle mit Netzen und Schlingen umgeben; ich weiß, daß ihr Freund sie dort immer im Gebüsche erwartet; ich will da lauern und ihn schon in die Schlinge hineintreiben, und dann mögt ihr tun was recht ist.’ So sagte die böse Frau Eule und verließ meinen Gatten.

Am folgenden Tag kam ich wieder zu ihm mit allen meinen Hochzeitsgästen; Veit war ungewöhnlich heiter; die Feier der silbernen Hochzeit wurde veranstaltet; alles war voll Freude und Vergnügen. Wir tanzten die letzte Nacht noch im Freien, als ich plötzlich den Ruf des fatalen Kuckucks wieder hörte. Erbittert bat ich meinen Gatten, er möchte mir den widerlichen Vogel fangen und braten: ‘Nein’, sagte Veit, ‘ich habe dir bei meiner Hochzeit geschworen, keinen Vogel mehr zu fangen, und nun will ich bei diesem meinen Schwur auch nicht verletzen, denn er ist ein Wahrsager.’ Hierauf ward Veit ganz blaß und wieder rot vor Zorn, doch verstellte er sich wieder bald und ward ausnehmend vergnügt.

Als nun die Stunde herannahte, daß ich ihn verlassen sollte, sagte er mir spöttisch: ‘Lebe wohl, wir werden bald hören, was der Kuckuck wollte.’ Ich weinte über sein wunderliches Wesen und verließ ihn. Kaum aber hatte ich im Gebüsch meine Vogelgestalt wieder angenommen und wollte nach Hause eilen, als ich mich in Netzen, die über mir und meiner Gesellschaft zusammenschlugen, gefangen sah, wozu der Kuckuck gewaltig lachte.

Veit stürzte herein in das Dickicht, nahm mich aus den Netzen und sagte: ‘Ha! verräterischer Vogel, nun sollst du mir nicht wieder entgehen; du bist es, der meine Gattin zum Unrecht verführt, du mußt sterben’ – und somit eilte er durch den Wald zum Schlosse zurück, indem er mich unter dem Arm hatte und mich kniff und rupfte, daß ich laut jammerte. Frau Eule aber zerriß indessen mit ihren Krallen alle meine kleinen Hochzeitsgäste, außer dem Adler, der sie fest packte und aus den Netzen, die der Vogel Strauß zerbrach, fortschleppte.

Mein Sohn Jockel hatte seiner Gewohnheit nach bei dem Tanz die Beleuchtung und alles Feuerwerk besorgt, und da er eben einen Scheiterhaufen von allerlei wohlriechendem Holz, und um einen angenehmen Rauch zu machen, angesteckt hatte, fand ihn sein Vater, der mich unter dem Arm trug. Er warf mich im Zorn in die Flamme, immer in dem Gedanken, ich sei sein Feind. Meine Mutter, die Frau Luft, tobte auf mein Angstgeschrei durch den Wald, das Feuer schlug hell auf, und ich verbrannte. Wie erstaunte mein Gemahl, als ich mich aus der Asche schöner als vorher erhob und zu ihm sagte: ‘Treuloser Veit! du hast deinen Schwur gebrochen, du hast dein eigenes Weib, dein Glück ermordet, ich verlasse dich auf ewig.’

Nun kam meine Mutter, der Adler brachte auch die Eule herangeschleppt. Meine Mutter befahl ihm, der Eule das Fell abzuziehen; er tat es, und nun hängte sie es meinem Gatten um und blies ihm dabei so heftig den Rauch ins Gesicht, daß er das Gedächtnis verlor, worauf sie ihm zuschrie: ‘Nun gehe zum Kuckuck! Kautzenveitel sollst du heißen und ein Vogelsteller sein in Ewigkeit, bis dein Vater und Urgroßvater mit dir zur Erde gebracht sind.’

Veit lief nun bewußtlos in den tiefen Wald zum Kuckuck, ward ein Vogelsteller und wußte nichts anders, als daß er von jeher einer gewesen sei. Sein Vater Grubenhansel, der in der Nähe wohnte, nahm ihn in strenge Zucht, und hat er da wohl hundert Jahre gesessen, bis wir ihn heute begraben haben, wobei ihr alle zugegen wart.«

So beschloß Frau Phönix ihre Geschichte, und nachdem sie eine kleine Weile geschwiegen hatte, sagte sie: »Wohlan! so der Scheiterhaufen fertig ist und die Sonne stark genug, ihn zu entzünden, will ich mich hinaufbegeben.« Nun eilte Fräulein Flaum als Bettmeisterin zu dem Nest in der Krone der Eiche, mit dem die Vögel schon fertig waren, legte die Kräuterkissen hinein und ordnete es bequem. Fräulein Pfauenaug aber sah in die Sonne und kündigte an, daß sie kräftig genug sei, den Scheiterhaufen zu entzünden; worauf Frau Turtel der Frau Phönix das Antlitz verschleierte. Fräulein Paradies flog voran, ihr folgte Dichterin Schwanenlied und die Sängerin Nachtigall und die Frau Sibylle Schwalbenwitz, dann folgte Frau Phönix Federschein und hinter ihr Frau Turtel, Fräulein Flaum und Pfauenaug. Erst umkreiste der Zug das Nest, dann ließ sich Frau Phönix drin nieder, die Jungfrauen aber setzten sich rings jede auf ihre Baumspitze.

Fräulein Paradies fing an gegen das Nest zu wehen, das bald vom Glanz der Sonne entbrannte; dann ließ sie sich auch auf ihren Baum nieder; und strömte eine wohlriechende Luft durch die Gipfel der Bäume. Frau Phönix schwang sich nochmals empor, die Flamme des Nestes schlug hoch auf, sie stürzte sich hinein, und es ertönte folgender Gesang –

Frau Phönix:

In der Flamme wildem Streite
Atme ich nur milde Ruh,
Daß die Flamme züchtig mich entkleide,
Decken mich die linden, lieben, blauen Lüfte zu.

Chor der Sieben Fräulein:

Lasse, o Sonne!
Das Opfer gelingen;
Flammen der Wonne!
Durch schimmernde Schwingen
Zucket ihr trunken,
Hebet in Funken
Lachende Farben,
Die in dem seligen Tode erstarben,
Der sie durchglühte
Jetzt wie die Blüte,
Um sie zu zeitigen,
Schnell zu dem freudigen
Göttlich mitleidigen Lichte empor.

Frau Phönix:

Mich durchglühen süße Flammen,
Mich durchkühlet milde Luft,
Mir im Herzen dringen sie zusammen,
Wie versöhnte Feinde sich umarmen in der Gruft.

Chor der Sieben Fräulein:

Lasse, o Luft, dir
Das Opfer gefallen;
Sieh, wie voll Duft hier
Die Wolken aufwallen;
Weiherauch trinkst du,
Rauschend aufschwingst du
Flammenpaniere,
Daß hoch die Jugend im Tod triumphiere.

Frau Phönix:

O wie selig sind die Wunden,
Die das Wiedersehn erschließt;
Das Verlorne alles ist gefunden.
Und das liebe, ewge Leben mir das Herz durchfließt.

Schwanenlied:

Wenn die Augen brechen,
Wenn die Lippen nicht mehr sprechen.
Wenn das pochende Herz sich stillet
Und der warme Blutstrom nicht mehr quillet:
O dann sinkt der Traum zum Spiegel nieder,
Und ich hör der Engel Lieder wieder,
Die das Leben mir vorübertrugen,
Die so selig mit den Flügeln schlugen
Ans Geläut der keuschen Maies-Glocken,
Daß sie all die Vöglein in den Tempel locken,
Die so süße wildentbrannte Psalmen sangen:
Daß die Liebe und die Luft so brünstig rangen,
Bis das Leben war gefangen und empfangen;
Bis die Blumen blühten,
Bis die Früchte glühten,
Und gereift zum Schoß der Erde fielen,
Rund und bunt zum Spielen;
Bis die goldnen Blätter an der Erde rauschten,
Und die Wintersterne sinnend lauschten,
Wo der stürmende Sämann hin sie säet,
Daß ein neuer Frühling schon erstehet.
Stille wirds, es glänzt der Schnee am Hügel,
Und ich kühl im Silberreif den schwülen Flügel,
Möcht ihn hin nach neuem Frühling zücken,
Da erstarret mich ein kalt Entzücken –
Es erfriert mein Herz, ein See voll Wonne,
Auf ihm gleitet still der Mond und auch die Sonne.
Unter den sinnenden Denkern, den klugen Sternen,
Schau ich mein Sternbild an im Himmelsfernen;
Alle Leiden sind Freuden, alle Schmerzen scherzen.
Und das ganze Leben singt aus meinem Herzen:
Süßer Tod, süßer Tod
Zwischen dem Morgen- und Abendrot.

Schwalbenwitz:

Wahrlich, wahrlich, ich sage euch,
Himmel und Erde sind sich gleich.
Spricht der Himmel: Werde!
Da grünt und blüht die Erde.
Spricht die Erde: Sterbe!
Da wird der Himmel ein lachender Erbe.
Sterne sah ich blinken und sinken,
Den Mond in der Sonne ertrinken,
Die Sonne stieg in die Meere,
Ohne daß sich ein Fünklein verlöre.
Feuer und Wasser hassen sich
Erde und Wasser umfassen sich
Luft und Feuer entzünden sich,
Erde und Feuer ersticken sich,
Erde und Luft umkühlen sich,
Luft und Wasser umspielen sich,
Aber alles ist Liebe, Liebe, Liebe,
Und wenn sich alles empörte, verzehrte, verschlänge,
Daß gar nichts bliebe, bliebe doch Liebe
Die Hülle, die Fülle, die Menge.

Nachtigall:

Sehnsucht, Schwermut, Wehmut,
O wie schwüle Gefühle fühle
Ich im kleinen Herzen,
Daß ich stolz in Demut,
Recht im Glutgewühle
Mir den Mut erkühle
Und in bittern Schmerzen
Süß kann scherzen,
O du Liebeswiderspruch!
Stummes Echo, segensvoller Fluch,
Feuer, das erquicket, Luft, die ersticket
Wasser, das dürstend flehet,
Erde, die wie Luft und Feuer wehet.
O wie ist der Streit so geschwinde und gelinde,
Daß die Lust die Liebe finde, beide überwinde
Mit dem blinden Kinde Amor, der die Binde
Seiner Augen niederreißt im Siege,
Um zu schauen, wie die Lieb der Lust erliege,
Daß das Leben sich zu beiden schmiege,
Und er sieht, der Kampf ist nur die Wiege,
Daß die weinende Sehnsucht schwiege,
Und das neue Leben schaukelnd, gaukelnd
Zu den Sternen fliege.

Während die Dichterin Schwanenlied, die Sibylle Schwalbenwitz und die Sängerin Nachtigall so sangen, hatte sich der Leib der Frau Phönix in den Flammen verzehrt; nur ein kleines schimmerndes Würmlein lag, wie ein Rubin glänzend, in der dunkeln Asche, und in dem Augenblick, als Frau Nachtigall verstummte, verwandelte es sich von neuem in die Frau Phönix, die jubelnd, glänzender und schöner zum Glanz der Sonne emporstieg.

Alle die sieben Jungfrauen umkreisten sie mit Gesang, und dann eilten sie freudig über den Berg hin und entschwanden meinen Augen.

Da ich aber bemerkte, daß der Weihrauch von dem verbrannten Neste an den Zweigen der Eiche herabgetröpfelt war, stieg ich zu dem Tale herab und sammelte dessen eine Menge, um doch auch ein Andenken von meiner Urgroßmutter, Frau Phönix Federschein, zu haben.

Kaum hatte ich dessen eine hinreichende Menge gesammelt, als mich das Wiehern der Rosse, das durch die Felsen schallte, überzeugte, meine Gefährten müßten in der Nähe sein; ich folgte dem Bächlein, das unter der Eiche entsprang, und fand bei dessen Ausfluß in den Main meine Gefährten versammelt; ich bestieg mein Roß, und wir zogen durch das Gebirge weiter.

Wie Radlauf die Frau Feuerschein von ihrer Verbindung mit dem Kohlenjockel erzählen hört und nach Hause kömmt.

Es war, als habe sich an dem Feuer, worin sich Frau Phönix geopfert hatte, die Sonne selbst erhitzt; ihre Strahlen fielen ungemein heiß auf uns hernieder, die Luft war dick und schwül, Gewitter zogen sich rings zusammen; wir waren in einem wilden Waldgebirge, und ich ließ meine Gefährten in einer kühlen Felsenhöhle ihre Rosse einstellen und sich erholen. Mich selbst trieb die Sehnsucht, den Berg höher hinanzusteigen, ob ich vielleicht nicht die Gebirge meiner Heimat erblicken könne, die das Bett meines geliebten Rheins begleiten; denn das Land gewann mir ein heimisches Aussehen. Epheu und Reben kletterten an den Felsen hinan, und ich glaubte nicht ferne vom Altare des Bacchus zu sein.

Mühsam erstieg ich den Gipfel des eichenbewachsenen Berges, und als ich mich seiner Spitze nähernd aus den Stämmen hervortrat, sah ich einen Rauch aus einer Hütte aufsteigen. Aussicht aber hatte ich keine, weil der Wald rings hoch war.

Ich nahte mich der Stelle des Rauches und erblickte eine Öffnung gleich einem Kessel und hörte in der Tiefe ein Murren und Sausen; der Himmel aber verfinsterte sich, die Gewitter zogen eilig finstere Wagenburg um mich her, und indem sie tiefer sanken, als ich stand, und ihren Donner um mich rollen ließen, schien es mir, als sei ich allein auf einer Feste, die belagert würde.

Da nun der Rauch des Gipfels stärker wurde, auch dann und wann Flammen emporzuckten und glühende Steine emporflogen, so ward ich beunruhigt und wollte meinen Weg wieder hinab nehmen. Ich war zu diesem Ende kaum hundert Schritte durch den Eichenwald zurückgegangen, als ich auf eine Höhle traf, deren Eingang ganz aus Schlacken und verglasten Steinen bestand, die künstlich aufeinander verschmolzen schienen. Ich würde vorübergegangen sein, hätte ich nicht mehrere Stimmen darin flüstern hören.

Neugier und die Gewohnheit, seltsame Dinge zu sehen, lockten mich einige Schritte tiefer in die Höhle; bald fand ich ihre Wände von zuckenden Flammen angeschimmert, ich schlich leise vorwärts und erblickte Frau Phosphor Feuerschein, meine Großmutter, und ihre sieben Glutfräulein in einem runden Saale sitzen, der die Gestalt eines Backofens hatte. Sie saßen rings herum, eine jede hatte eine andere Arbeit vor. Frau Phosphor Feuerschein aber unterbrach plötzlich die Stille mit folgenden Worten –

Frau Phosphor Feuerschein:

Lange war mit stummem Grimme
Hier im Haus mein Schmerz verschlossen,
Aber da die Zeit verflossen,
Hört, Gespielen! meine Stimme.

Schon erschallt ein dumpfes Lachen
In des alten Berges Bauch,
Und es speien hagre Drachen
Aus dem Gipfel Glut und Rauch.

In der Tiefe Eingeweiden
Wütet schon mein eigner Schmerz,
Meine Leiden all zerschneiden
Jetzt des Berges kaltes Herz.

Schwefel, Kalk und Kohle schwitzet
Eingeengt in banger Wut,
In den Adern sich erhitzet
Der Metalle starres Blut.

Die verschiednen Geister drängen
Sich in banger Angst nach Luft,
Bald wird die Gewalt zersprengen
Dieses Trauerkerkers Gruft.

Wo der edle Wald jetzt kühlet,
Tobt dann Feuers Raserei,
Das schon summend aufwärts wühlet,
Und macht meine Seele frei.

Hört, wie rings die Felsenknochen
Krachen in dem alten Berg,
Hört, wie heult erhitzt im Kochen
Laut der faule Heinz, der Zwerg.

Und es werden glühe Felsen
Fliegen aus des Berges Schlund,
Die sich donnernd niederwälzen
In den sanften Wiesengrund.

Wo jetzt still die Hirsche grasen,
An der kühlen Epheuwand,
Werden Lavaquellen rasen
Nieder in das rhein’sche Land.

Wenn die Zornflut wird erkalten,
Klagen noch der fernen Zeit
Ihre schroffen Schreckgestalten
Meines Schmerzes Grimmigkeit.

Doch ich will hinab jetzt sinken
In der Nymphen Quellenhaus –
Und den Schwefelbecher trinken
Die versöhnten Quellen aus.

Ich versöhne meine Tränen,
Meine Glut und meine Wut,
All mein Stöhnen, all mein Sehnen
Mischend ihrem kühlen Blut.

Wenn ich mich mit ihr geselle
In des Berges tiefstem Schlund,
Sprudeln wir als Schwefelquelle
Heilend auf im Wiesengrund.

Krankes Weh soll dann genesen
In dem Feuer- und Wasserbund,
Die so lang getrennt gewesen,
Tuen so den Frieden kund.

Und dann eil ich zu dem Rheine,
Wo der Biber hat gebaut,
Daß ich liebend mich vereine
Wieder mit des Sohnes Braut.

Über diese Worte waren die Glutfräulein höchlich erfreut, und jede erzählte mit fröhlichem Ungestüm, was sie alles bei dem verheerenden Feuer tun wolle; zuerst tanzte und gaukelte Fräulein Flämmchen hin und her und ward bald lang, bald breit, wie eine mutwillige Zunge; sie sang –

Flämmchen:

Vor dir will den Weg ich bahnen,
Denn ich werde von den Hecken
Auf die Bäume deine Fahnen
Glühend in den Wind aufstecken.

Wie ein feurig Eichhorn klettern
Will ich durch die grünen Haseln,
Laß die Nüsse niederschmettern,
Daß sie glüh’nd am Fels zerprasseln.

Zu den Fichten will ich klimmen,
In den Eichen will ich stürmen,
Daß sie schrei’nd die Äste krümmen
Gleich verbrennenden Gewürmen.

Auf die hohen Zedertürme
Stecke ich den roten Hahn,
Und er schreit die wilden Stürme
Als Gehülfen bald heran.

Nun unterbrach Fräulein Fünklein das Lied des Fräulein Flämmchen, und indem sie aus ihrem Winkelchen hervorsprang und in tausenderlei schön verschlungenen Linien an der Erde hinlief, sang sie also –

Fünklein:

Auf dem Schlachtfeld lauf ich Fünklein,
Um die Toten zu begraben
Und mit meinem Feuertrünklein
Die Ermatteten zu laben.

Wenn du, Flämmchen! ausgelecket,
Satt im durstgen Ungestüme,
Wird dein Mut oft neu gewecket,
Wo ich emsig suchend glimme.

In dem dürren Laube irrend
Samml’ ich der Zerstreuten Chor, –
Am Wachholderbusch aufschwirrend
Zuckst du, Flämmlein! neu empor.

Auch bin ich der rasche Flieger,
Auf des Windes leichtem Flügel
Trag ich, Flamme! dich als Sieger
Über Tal und über Hügel.

Nun unterbrach aber Fräulein Hitze das Fünklein ungestüm und machte sich so breit und dick, daß allen ringsum die Schweißtropfen auf die Stirne traten, indem sie sang –

Hitze:

Flämmlein! Fünklein! zu geschäftig
Preiset ihr hier eure Werke,
Sagt, was ist in euch denn kräftig
Als allein nur meine Stärke?

Ich kann ohne euch bestehen,
Ohne euch bleib ich doch heiß;
Aber ohne mich euch sehen
Laßt ihr nicht, ihr Naseweis.

Ich bin eures Schwertes Schneide,
Und wenn ihr so triumphieret,
Euch mit meinen Federn zieret,
Ist es nur, weil ich es leide.

Hierauf trat auch Fräulein Lichterloh auf und warf den beiden ersten ihre Eitelkeit mit folgenden Worten vor –

Lichterloh:

Ich bin es, die euch gestaltet,
Ei! ihr macht euch gar zu kraus,
Wenn ihr freudig euch entfaltet,
Sprecht ihr nur mein Wesen aus.

Häßlich wäre euer Treiben,
Nur ein Werk der Dunkelheit,
Nur ein schmutziges Zerreiben,
Gäb ich euch nicht Heiterkeit.

Was ist edel an dem Feuer,
Als daß es die Nacht zerbricht?
Dieses alte Ungeheuer
Unterliegt allein dem Licht.

Fräulein Rauch begann nun ihre Rede und ringelte und schlingelte sich durch das Gewölbe mit folgenden Worten –

Rauch:

Ich gleiche einer Riesenschlange,
Ringe über eurem Funkeln
Mich empor in schwarzem Drange,
Daß die Sterne sich verdunkeln.

Ist der Streit erst recht begonnen,
Wölb ich überm Glutgetümmel,
Wo ihr kämpft gleich wilden Sonnen,
Euch den eignen Wolkenhimmel.

Wie sich meine Fahnen schwenken,
Muß sich eure Wut auch drehen;
Flamme, willst du recht einlenken,
Nur auf mich, auf mich gesehen!

Als diese fertig waren, traten ganz bescheiden die zwei übrigen Fräulein, Kohlenschwärzchen und Äscherling, auf, die eine in Schwarz trauernd, die andere im grauen Bußröcklein. Sie sangen wie folgt

Kohlenschwärzchen:

Um euch trag ich noch die Trauer,
Kehren einst die scheuen Hirsche,
Fliehen sie in bangem Schauer,
Wenn ich unter ihnen knirsche.

Wenn der Wald hier ist verschwunden,
Dien ich zu willkommnem Troste
Armen, die mich aufgefunden,
In des Winters hartem Froste.

Einsam bleibe ich zurücke,
Ringsum öd und ausgestorben,
Gleich ich doch der Ehrenkrücke,
Die im Kriege wird erworben.

Äscherling:

Asche warst du, und zur Asche
Sollst du einstens wieder werden,
Wenn ich naschend dich erhasche,
Sprach der Herr zum Sohn der Erden.

Wenn im eitlen Triumphieren
Eure Schimmer all verglühten,
Werde ich allein regieren,
Einsam hier die Walstatt hüten.

Traure, Kohle, ich will büßen,
Und der Erde nacktem Haupt,
Dem ihr allen Schmuck geraubt,
Will ich seinen Schmerz versüßen.

Denn mit meinen scharfen Laugen
Will ich hier den Grund ausscheuern,
Daß zur süßen Lust die Augen
Sich die Wiesen schön erneuern.

Also rufe ich zurücke,
Was die blinde Wut verheerte,
Über meine graue Brücke
Treibt der Frühlingshirt die Herde.

Nun aber sagte Frau Feuerschein: »Gebet euch zur Ruhe, keine hat Ursache, sich zu brüsten, keine kann ohne die andere nicht bestehen, und mich verherrlichet ihr alle. Zum Lohn eures Diensteifers aber will ich meine traurige Geschichte erzählen, die einen so grimmigen Zorn in mir erregt hat, daß ich zu einem ewigen Angedenken dieses alte Felsenschloß zerstören und mich den Quellen, die in seinen Kellern hausen, vereinen will. Setzet euch ruhig um mich her, jede nehme ihre Arbeit vor.« Jetzt setzten sich die Fräulein still und aufmerksam um Frau Feuerschein herum und verfertigten Irrwische, Feuerkugeln, feurige Drachen und allerlei solche leuchtende Sachen, sie aber erzählte wie folgt:

»Jakob von Starenberg hatte eine besondere Leidenschaft von Jugend auf, mit dem Feuer zu spielen, was er vielleicht von der Gewohnheit seiner Mutter, sich in den Flammen zu erneuern, mochte geerbt haben. Als sein Vater von dem Starenberg vertrieben war, war Jakob bereits in einem Alter von fünfundzwanzig Jahren und hatte den Beinamen des Kohlenjockels. Seinen Regierungsantritt feierte er mit unendlichen Illuminationen, die so herrlich von den Bergen in den See schimmerten, daß die Fische an der Oberfläche tanzten.

Solange er regierte, mußten rings auf den Bergen ewige Feuer unterhalten werden; er brannte sich zur Augenlust ganze Wälder an, und oft machte er sich ein Vergnügen daraus, abends in die Spinnstuben der Mägdlein zu gehen und mit einer Fackel ihnen den Rocken zu verbrennen. Als er einstens in der Nacht mit einer Fackel durch einen Wald lief und ihn mutwillig entzündete, ward die Hitze so groß, daß er fliehen mußte und nicht zurückkehren konnte. Seine Fackel erlosch ihm, und er sah bald einige Irrwische vor sich, denen er, als ihm ganz neuen Erscheinungen, begierig nachfolgte.

Unbekümmert, was seine Untertanen über seine Abwesenheit denken möchten, ruhte er bei Tag in der Wildnis und setzte seine Verfolgung der Irrwische bei Nacht fort, bis er endlich hieher in diese Burg gelangte, die mir von meiner Mutter damals angewiesen wurde, als mich ein kühner Sterblicher, Prometheus genannt, ihr raubte und mich zum Erdenfeuer machte. Hier saß ich einsam und trauerte über das Schicksal meines geliebten Entführers, den die Götter als einen Jungfrauenräuber an einen Felsen geschmiedet, als Jakob zu mir ermüdet und ächzend eintrat.

Er war ein schöner Jüngling, und ich knüpfte mein Schicksal an das seine. Er bat mich, ihm als seine Gattin nach Starenberg zu folgen; ich wollte dies aber nicht, um meine Freiheit nicht gänzlich aufzugeben, und machte den Bund mit ihm, daß er mich nie anders sehen sollte, als in mondlosen dunklen Nächten. Hierzu gab ich ihm einen Stein, mit dem er nur an den Stahl seines Brustharnisches zu schlagen brauche, so werde ich seinen Ruf hören und ihm erscheinen, und zugleich mußte er mir schwören, mich nie auf eine andere, gewaltsamere Art zu rufen.

Jakob ging den Bund ein, und wir lebten glücklich mehrere Jahre. Auch gebar ich ihm einen Sohn, Christel genannt, und eine Tochter Margaretha. Diese zwei Kinder spielten wie ihr Vater gern mit dem Feuer.

Ihr wißt, daß mein Liebling ein roter Hahn ist, der die Gabe hat, wo er hingesteckt wird, alles zu entflammen; diesen hatte Jakob durch vieles Bitten von mir erlangt, und er konnte sich bald mit seiner Lust, die Eigenschaft dieses seltsamen Tieres zu versuchen, nicht mehr bändigen.

Nun hatten die Kinder, während der Vater schlief, diesen Hahn heimlich in seinem eisernen Käfig an das Ufer des Sees genommen, in dem Gedanken, ihn zu waschen und zu baden, womit sie dem Vater eine große Freude zu machen hofften, denn seine Federn waren voll Ruß. Als aber der unvorsichtige Christel ihn auf den Schoß nehmen wollte, entbrannten seine Kleider, und er stürzte Hilfe suchend in den See. Der kleinen Margaretha verbrannte das Tier die blonden Locken, und sie floh geängstigt in den Wald, und indem sie sich im Laube wehklagend wälzte, um das grimmige Tier loszuwerden, fand sie der Einsiedler Berthold Schwarz, nahm sie zu sich, fing den roten Hahn ein und war ungemein erfreut über seine Beute. Dieser Einsiedler war mein Feind, er beschäftigte sich mit allen geheimen Künsten, um das Feuer zu bannen und zu besprechen, und die Einwohner des Landes umher suchten oft Hilfe bei ihm. Wenn mein Gemahl ihnen mit seinen ausschweifenden Feuerbelustigungen das Dach über dem Kopfe ansteckte, dann wußte er mit wenigen Zaubersprüchen der Flamme bald Einhalt zu tun. Ihr könnt euch denken, wie froh der alte Feuerkünstler war, als er mein Kind und meinen roten Hahn in seiner Gewalt sah, die er beide sorgsam versteckte.

Als der Mond sich verfinstert hatte und Jakob mich durch das Anschlagen des Steines an seinen stählernen Harnisch zurückrief, wollte ich meine Kinder und meinen roten Hahn sehen, aber beide waren verschwunden.

Über die Nachlässigkeit Jakobs ergrimmt, raubte ich ihm den Stein und verließ ihn mit der Drohung, ihn nicht wieder zu sehen, bis er mir meine Kinder und meinen Vogel wieder verschafft. Jakob, über diesen meinen Ernst erbittert, dachte, da ich ihm verboten hatte, mich auf eine andere Art zu rufen als die gewöhnliche mit Stahl und Stein, daß es doch noch ein anderes Mittel geben müsse. Er forschte Tag und Nacht den Geheimnisse nach und ward endlich auch mit meinem Feind Berthold bekannt, der ebenfalls keine andere Absicht hatte, als mir zu schaden und auch dem Jakob, der das ganze Land mit seinen Feuerwerkereien verwüstete, das Handwerk zu legen. Jakob eröffnete ihm seine Verbindung mit mir und sagte ihm, wie ich ihm das Mittel geraubt, ihn zu sehen.

‘Es gibt allerdings Mittel, sie wieder zu Euch zu zwingen’, sagte Berthold, ‘aber sie hat sie Euch entrissen, weil sie dadurch überrascht werden könnte; denn Ihr müßt wissen, wenn sie gleich sich mit Euch verbunden, so hängt sie doch mehr an ihrem früheren Freunde Prometheus, der, seit er sie geraubt, an einen Felsen geschmiedet seufzet, und wenn sie nicht bei Euch ist, sitzt sie bei jenem und tröstet ihn.’

Der Zorn meines törichten Gemahls ward dadurch auf das höchste gereizt, und er verlangte von Berthold; er solle mich herbannen, es koste, was es wolle. Berthold gab nun meinem Gemahl den roten Hahn und meine Tochter Margaretha zurück und forderte ihn auf, mit ihm zu arbeiten. Die kleine Margaretha mußte Kohlenpulver reiben, Jakob Schwefel darunter mengen, und Berthold mischte Salpeter dazu. Als sie aber in der besten Arbeit waren, flog der gierige Vogel, der lange gefastet hatte, auf das Gemenge, das er für sein Futter hielt; die Masse entzündete sich plötzlich, warf den Kohlenjockel und meine Margarethe weit zurück, und schleuderte den bösen Berthold hoch in die Luft, daß er tot niederschmetterte. Die Berge bebten, Türme stürzten ein, und der See trat aus seinen Ufern. Kaum hatte Jakob sich aus seiner Betäubung etwas erholt, als ich vor ihm stand und ihm zornig sagte: ‘Du hast deinen Schwur gebrochen, du hast mich gewaltsam hergezwungen, so hast du mich denn in meiner ganzen Schreckensgestalt gesehen; gehe hin in den Wald mit deiner Tochter Margaretha, die mitgeholfen hat, mich zu betrügen, und sei, was dein Beiname dich nennt, der Kohlenjockel.’ So zog er denn in den Wald, nicht weit von seinem Vater, dem Kautzenveitel, und war ein Köhler, bis das Schicksal dieses Stammes vor einigen Tagen durch meinen Enkel Radlauf den Zweiten entschieden ward.

Als ich nun meinen roten Hahn wieder eingefangen hatte und meinen Rückweg hieher nehmen wollte, sah ich meinen Sohn Radlauf am Ufer des Sees ohnmächtig liegen. Frau Lureley, eine Nymphe, saß bei ihm und suchte ihn ins Leben zu erwecken; ihr wißt, daß ich in Feindschaft mit den Wasserfräulein lebe, wir kamen in einen Streit um meinen Sohn, in dem sie mich heftig bedrängte, und der sich nur dadurch entschied, daß sie meinen Sohn zurück ins Wasser riß, wohin er ihr auch willig mit dem Ausruf folgte: ‘Ein gebranntes Kind scheut das Feuer.’

Traurig, von meinem Gemahl und meinen Kindern verlassen zu sein, zog ich mich hierher in mein Schloß zurück und trauerte lange. Nun aber, da das Schicksal zu Ende gelaufen, da ich den Kohlenjockel begraben, will ich mich mit der Nymphe versöhnen, und nachdem ich dieses Haus der Trauer zerstört habe, als heiße Schwefelquelle auf ewige Zeiten in diesen Tälern Gesundheit und Wohlsein aussprudeln. Nun rüstet euch, machet ein Geräusch, alle Tiere und Menschen zu verscheuchen, die in der Nähe sind; denn ich will keinen verletzen. Heiß ist der Tag, meine Mutter, das Sonnenfeuer, hat große Gewitter um dies Felsenhaus gelagert, bald wird der Donner uns begrüßen, die Blitze werden mich suchen und küssen, lasset die Felsen erheben und murrend den Berg Feuer ausspeien, um meiner Mutter zu antworten.«

Dies sagte Frau Erdfeuerschein mit solchem finstern Ernst, und ihre Gespielinnen traten so ungestüm auf, ihr Werk zu beginnen, daß ich eilends die Flucht ergriff. Unter mir bebte der Boden, Bäume schlugen um mich nieder, rollende Felsen verfolgten mich, ich erreichte mein Roß mit Mühe, das ängstlich wieherte und unter mir wie ein Pfeil dahinflog. Bald hatte ich meine Gefährten erreicht, welche die Erschütterung des Berges auch bereits aus ihrem Schutzwinkel aufgeschreckt hatte, und wir eilten nun eine Strecke vorwärts, wo wir sicher die schrecklichen Zornäußerungen der Frau Feuerschein anschauen konnten. Donner und Blitz wechselten mit dem Geprassel des brennenden Waldes; eine heulende Feuersäule stieg aus dem Gipfel des Berges empor und stürzte dann wie eine Fontäne an allen Seiten des Abhangs in glühenden Strömen nieder, die alles entflammten, was sie berührten; zugleich bebte die Erde, ein dunkler Rauch bedeckte den Himmel, und der Sturm trieb Wirbel von glühender Asche vor sich her; der Anblick war entsetzlich und auch in einiger Ferne unbequem; darum führte ich meine Schar wieder in ein geschütztes Tal. Sieh, da trat mein Roß mit dem Huf auf die Wiese und sprang erschreckt beiseite. Ich sah Dampf an der Stelle aufsteigen und sich eine siedende Quelle ergießen. Es war also geschehen, was Frau Feuerschein versprochen, sie hatte sich also mit den Nymphen vereinigt. Ich folgte der Quelle bis zum Rhein, in den sie sich ergoß. Einige Biber, die da ihre Wohnungen hatten, verwunderten sich sehr, als sie das heiße Wasser schmeckten, und entflohen. Ich aber ließ meine Gefährten in einem Busche halt machen, entkleidete mich und stieg in den Rhein, wo die heiße Quelle sich der kalten Flut mischend angenehm erwärmt war, um der erste zu sein, der durch ihre Heilkraft gestärkt würde. Sodann nahm ich meinen Zug eilend den geliebten Strom abwärts nach meiner Mühle.

Wie Radlauf seine Mutter, Frau Lureley, auf dem Mühlrad sitzen sieht, wie sie ihm die Geschichte seines Vaters erzählt, wie er nach Mainz kömmt und seine Ameley erlöst.

Schon sah ich den Rochusberg und die dunkle Bergwand, wo der Rhein dem Anblick verschwindet; aber die Sonne sank, und ich suchte meine Mühle vergebens. Ich ging auf dem wohlbekannten Pfade über die Wiese und fand meine Mühle nicht mehr; der Mausturm ragte mir gegenüber, den ich auch nie gesehen hatte. Da ich aber noch einen Rest meines Mühldammes erblickte, schwamm ich hinüber und setzte mich drauf Ich schaute tief gerührt in den teuren Fluß und sang:

Weiß ich gleich nicht mehr, wo hausen,
Find ich gleich die Mühle nicht,
Seh ich dich doch wieder brausen,
Heilger Strom im Mondenlicht
O willkomm! willkomm! willkommen!
Wer einmal in dir geschwommen,
Wer einmal aus dir getrunken,
Der ist Vaterlandes trunken.

Wo ich Sonnen niedersenken
Sich zum Wellenspiegel sah,
Oder Sterne ruhig denken
Überm See, warst du mir nah.
O willkomm! willkomm! willkommen!
Wen du einmal aufgenommen,
Wen du gastfrei angeschaut,
Keiner Fremde mehr vertraut.

Ström’ und Flüss’ hab ich gesehen,
Reißend, schleichend durch das Land,
Aber keiner weiß zu gehen
Herrlich so durchs Vaterland.
O willkomm! willkomm! willkommen!
Schild der Starken, Trost der Frommen,
Gastherr aller Lebensgeister,
Erzmundschenk und Küchenmeister!

Ordensband der deutschen Erde,
Das der Weinstock um sie schlingt,
Wo am gastfrei deutschen Herde
Sie der Helden Wohlsein trinkt.
O willkomm! willkomm! willkommen!
Andre Flut kann mir nicht frommen,
Denn an deinem Ufer lauschen
Wein und Liebe, die berauschen.

Weines Feuer, Liebestreue,
Männerkraft und Jungfraun-Zucht,
Daß mein Herz sich recht erneue,
Hab ich wieder euch besucht.
O willkomm! willkomm! willkommen!
Echo schlag die Freudentrommen,
Daß der Vater Rhein auch höret,
Wie ich bin zurückgekehret.

Laut ich durch die Felsen schreie:
Tauche, alter Flutgott, auf,
Sage, ist lieb Ameleye
Noch getreu und recht wohlauf?
Daß willkomm, willkomm, willkommen
Sie nun, die mein Herz beklommen,
Mich in ihre Anne schließe,
Wie einst hier auf dieser Wiese.

Sag, wer hat den Turm gebauet,
Der so finster aus dem Duft
Von der kleinen Insel schauet,
Auf des Rattenkahles Gruft?
Nicht willkomm, willkomm, willkommen
Scheint er mir dahin gekommen,
Wie ein finstrer böser Riese
Steht er in dem Paradiese.

Wer hat mir so bös zerbrochen
Hier mein gutes Mühlenhaus,
Daß mein Rad nicht mehr kann pochen
In des Stromes Lustgebraus?
Nicht willkomm, willkomm, willkommen
Schein ich mir hier aufgenommen;
Seit ich bin ein Fürst geworden,
Stößt mich aus der Müllerorden!

Ich mochte aber singen und rufen, der alte Rhein hörte mich nicht. Als ich mich nun traurig umwendete und nach dem Platze sah, wo ehedem meine Mühle gestanden, sah ich dort meine Mutter, die schöne Lureley, mit ihren sieben Jungfräulein auf einem umgestürzten Mühlrad sitzen.

Meine freundliche blonde Mutter saß auf der Mitte des Rades, die sieben Jungfräulein aber auf den sieben Speichen. Anfangs war ich scheu, heranzutreten; aber sie sah nach mir und winkte mir mit ihrem Schleier, da trat ich zu ihr in den Kreis und setzte mich zu ihren Füßen. Sie sang hierauf mit ungemein freundlicher Stimme zu ihren Jungfräulein –

Lureley:

Singet leise, leise, leise,
Singt ein flüsternd Wiegenlied,
Von dem Monde lernt die Weise,
Der so still am Himmel zieht.

Denn es schlummern in dem Rheine
Jetzt die lieben Kindlein klein,
Ameleya wacht alleine
Weinend in dem Mondenschein.

Singt ein Lied so süß gelinde,
Wie die Quellen auf den Kieseln,
Wie die Bienen um die Linde
Summen, murmeln, flüstern, rieseln.

Herzeleid:

Wer nie sein Brot in Tränen aß,
Wer nie die kummervollen Nächte
Weinend auf seinem Bette saß,
Der kennt euch nicht, ihr himmlischen Mächte!

Wer einsam nie am Strome ging,
Wer nie wie die trauernde Weide
Sein Haupt zum Spiegel niederhing,
Der weiß noch nichts vom schweren Herzenleide.

Chor:

Sieh! wie wandelt der Mond so helle,
Horch! wie eilet die Quelle so schnelle,
Summ, summ, summ,
Kein Tröpflein kommt um.

Liebesleid:

Wer vor dem Fels die Hände ringt
Und eines Hirtenliedes fluchet,
Vom Brunn des Mondes nicht mehr trinkt,
Den hat das bittre Elend heimgesuchet.

Wer keine Blume brechen mag,
Sie lieber mitleidlos vernichtet
Mit seines Pilgerstabes Schlag,
Den hat der Liebe Leid wohl hingerichtet.

Chor:

Sieh! wie schlummern die Blumen so leise,
Horch auf der Nachtigall klingende Weise,
Summ, summ, summ,
Der Schmerz geht herum.

Liebeseid:

Wer glaubet, daß der Treue Schwur,
Den leicht die Lippe spricht in trunknen Stunden,
Ein leerer Schall des Rausches nur,
Des Ehre ist an einer Frauen Haar gebunden.

Und wer die Götter lachen hört,
Als er den Liebesmeineid ausgesprochen,
Von dem hat sich der gute Geist gekehrt,
Sein Herz wird mit dem Glückesrad gebrochen.

Chor:

Sieh! wie das Auge der Eule glüht,
Horch! wie die Fledermaus rauschend zieht,
Summ, summ, summ,
Der Meineid geht um.

Liebesneid:

Wer Steine wirft ins grüne Haus,
Wo treue Turteltauben girren,
Und falsche Lichter stellet aus,
Den Schwimmer auf der Liebesfahrt zu irren;

Wer in dem Taue auf der Flur,
Um einer Hirtin Tugend anzuschwärzen,
Verrät der nächtgen Liebe Spur,
Der nährt den Wurm des Neids im bösen Herzen.

Chor:

Sieh! wie ringelt zwischen Blumen die Schlange,
Horch! wie seufzet die Nachtigall bange,
Summ, summ, summ,
Der Neid geht herum.

Reu und Leid:

Wer vor der Sünden Strafe bebt
Und nicht vor ihrem innern Tod erschrecket,
Noch fremde Schuld in seine webt,
In dem ist noch die Buße nicht erwecket.

Wer seine Zeit und die Gebrechlichkeit
In seiner eignen Schuld wagt anzuklagen,
Dem hat die Reue und das bittre Leid
Noch nicht so recht ans kranke Herz geschlagen.

Chor:

Horch! wie der Wurm im Holz dort naget,
Horch! wie die Unke im Teiche klaget,
Summ, summ, summ,
Die Reue geht um.

Mildigkeit:

Wer nie der Vöglein Brut gestört,
Wer auf der Schwalbe frühen Morgensegen
Mit süß erquickter Seele hört,
Der geht der Armut mildreich auch entgegen.

Wer die zerknickte Ähre gerne hebt
Und gern die Mücke aus dem Netz befreit,
Der Spinne schonend, die es sinnreich webt,
Deß Herz ist voll von göttlichem Mitleid.

Chor:

Sieh! an den Dorn hängt das Lamm die Wolle,
Daß sich das Vöglein weich betten solle,
Summ, summ, summ,
Das Mitleid geht um.

Liebesfreud:

Wer lachend früh die Sonne grüßt
Und heiter an den Mittag blicket
Und fromm im Abendsterne liest,
Zufrieden, wie die Nacht ihr Haus beschicket:

Der wird auch froh in Liebesaugen sehen
Und greifet in das falsche Rad dem Glücke;
Es muß vor seinem Frieden stille stehen,
Daß Liebesfreude gründlich ihn entzücke.

Chor:

Sieh! wie lächelt gen Morgen die Ferne,
Horch! wie grüßet die Lerche die Sterne,
Tireli, Tireli –
Der treue Müller ist hie.

Als die Jungfrauen so gesungen hatten, sprach meine Mutter, Frau Lureley: »Lieber Sohn Radlauf! du hast auf deiner Rückreise hieher die ganze Geschichte deines Stammes gehört; du hast die Erzählung der Frau Mondenschein, der Frau Edelstein, der Frau Federschein, der Frau Feuerschein belauscht; nun will ich dir auch die Geschichte deines Vaters und deiner Mutter erzählen. Wir haben noch eine Stunde bis Mitternacht, dann, wenn ich fertig bin, ziehst du nach Mainz.

Als der kleine Christel von Starenberg mit seiner Schwester Margaretha den roten Hahn, während ihr Vater schlief, an den See getragen hatte, in der Idee, ihn dort zu baden, ward der Feuervogel, der das Wasser haßt, sehr ergrimmt; er entzündete dem Christel seine blonden Locken, der vor Angst in den See sprang, und Margaretha nahm aus Furcht, ohne ihren Bruder nach Hause gehen zu müssen, und weil der rote Hahn nach dem Walde flog, auch ihren Weg dahin zu dem Einsiedler Berthold. Christel aber brachte seine Zeit in dem Starenberger See recht angenehm zu. Ich wurde damals bei der Starenberger Wasserfrau erzogen, und wir wohnten in einem schönen gläsernen Schloß. Meine Neigung zu ihm ward täglich größer, denn er war sanft und bescheiden.

So lebte er beinahe ein Jahr mit uns, als ich einst gegen Abend Arm in Arm mit ihm auf den Stufen des gläsernen Wasserschlosses saß, um zu erwarten, daß der Mond und die Sterne durch das Wasser schimmern sollten: da zuckte ein plötzlicher Feuerstrahl durch die Luft, von einem solchen heftigen Donnerschlag begleitet, daß der See bis auf den Grund erschüttert wurde und sich hoch aufbäumte, zugleich ergriff mich und den kleinen Christel eine Welle und warf uns beide an das Ufer. Christel war ohnmächtig, ich gab mir alle Mühe, ihn zu ermuntern; aber plötzlich kam Frau Feuerschein, seine Mutter, und wollte ihn mir entreißen; ich stritt lange mit ihr und siegte allein dadurch, daß ich meinen lieben Christel wieder ins Wasser zog. Am andern Morgen saß ich wieder mit ihm auf der Schwelle des Wasserschlosses, da sahen wir ein paar Fischer auf dem See hinfahren, die laut klagten, daß Herr Jakob von Starenberg verschwunden sei und der Erbprinz und die Prinzessin auch, und daß nun kein Mensch wisse, wer das Land regieren solle. Christel, der diese Worte hörte, war sehr betrübt und sagte zu mir: ‘Liebe Lureley, ich wollte, ich wäre wieder auf dem Schloß!’ und begann heftig zu weinen. ‘Lieber Christel’, erwiderte ich ihm, ‘nach Hause kannst du leicht kommen; wenn die Fischer das Netz auswerfen, darfst du nur hineinspringen, so ziehen sie dich hinauf; aber wird es dir nicht leid tun, mich zu verlassen?’ – ‘Ach, freilich wird es mir leid tun’, sagte Christel, ‘und drum sollst du mitkommen und immer bei mir bleiben.’ – ‘Das kann ich nicht, lieber Christel’, sagte ich, ‘so gern ich auch wollte; aber wenn du dir eine Mühle dort an den See bauen läßt und manchmal hineingehst, so will ich dich dort besuchen.’ Christel versprach mir das, wir umarmten uns, das Netz der Fischer war nah, Christel sprang hinein, und als die Fischer es aufzogen, begleitete ich ihn noch bis an die Oberfläche des Wassers.

Die Freude der beiden Fischer beim Anblick ihres jungen Fürsten war ungemein, und als sie sahen, daß er noch lebte, hätten sie bald vor überraschender Freude das Netz wieder fallen lassen. Aber Christel faßte schnell den Rand des Kahns und sprang heil und gesund zu ihnen hinein. Nun knieten die Fischer vor ihm nieder und baten ihn, er möge ihrer in Gnaden gedenken. Er versprach ihnen alles Gute, sie führten ihn zurück und brachten ihn unter dem Jubelgeschrei aller Starenberger auf das Schloß. Da er noch sehr jung war, so wurde ihm der Vorschlag gemacht, einen Vormund zu wählen, und er wählte, ohne sich lang zu besinnen, den ältesten der beiden Fischer., die ihn errettet hatten. Das erste, um das er seinen Vormund bat, war die Erbauung einer Mühle am See, zum Andenken seiner Rettung. Die Mühle ward bald aufs allerzierlichste erbaut, und er besuchte sie häufig. Auch wurden ihm zwölf schöne junge Knaben, als Mühlknappen gekleidet, zugesellt, die ihm in allem gehorchen mußten. In der Kammer der Mühle aber war ein Loch im Boden, das man auf- und zumachen konnte, und da kam er, wenn er sich in der Kammer eingeschlossen hatte, bald zu mir, bald ich zu ihm. So lebten wir wie Gespielen und Geschwister wohl zehn Jahre lang, als unser Glück unterbrochen zu werden drohte. Meine Mutter kam, mich aus dem Starenberger See abzuholen; sie sagte mir: ‘Du bist groß genug, jetzt selbst einem See vorzustehen, und ich will dich nach Laach, wo ein schöner See in der Nachbarschaft des alten Rheines entstanden ist, bringen, da kannst du zeigen, was du hier gelernt hast; es ist dort sehr still und fromm, die heilige Genovefa liegt nicht weit von dort begraben, auch wird dort am See jetzt ein prächtiges Kloster erbaut, und ist ein recht schicklicher stiller Ort für dich.’ Die Worte meiner Mutter machten mich sehr betrübt; ich bat sie mich hier zu lassen; aber sie wollte nicht einwilligen, und als sie einen goldnen Ring an meinem Finger sah, schöpfte sie einen Verdacht, den sie aber verschwieg.

Als die Nacht herankam, schlich ich mich von ihrem Lager und eilte zu Christel in die Mühle, dem ich unter Tränen erzählte, daß ich ihn verlassen müsse. Er weinte auch sehr, und ich schwur ihm, sobald wiederzukehren als möglich und sein Weib zu werden.

Gegen Morgen verließen wir uns, aber meine Mutter war mir gefolgt und hatte uns belauscht. Sie schmähte mich aus und sagte mir: ‘Lureley! du wirst sehr unglücklich sein, du hast dich einem Starenberger verbunden, und er wird dich verraten, wie all seine Vorfahren ihre Frauen verraten haben; lasse von ihm ab.’ Da weinte ich heftig und sagte ihr, daß ich das nicht könne. ‘Wohlan’, sagte meine Mutter, ‘du sollst deinen Willen haben, die Bedingung aber sei, daß du sein Weib wirst, ohne daß er weiß, wer du bist, und daß du ihn nie ganz für seine Verräterei verlassen darfst.’ ich mußte mich ihrem Willen fügen, und sie brachte mich den andern Morgen in den Laacher See.

Hier war ich einsam und traurig; meine Ufer waren mit alte Eichen bedeckt; nur der Glockenklang und Chorgesang der Kirche unterbrach die Stille, und ich hatte alle Zeit, meiner Sehnsucht zu meinem lieben Christel nachzuhängen.

Ein Jahr war herum, und da meine Mutter sah, wie ich mich kümmerte, sagte sie mir: ‘Lureley! gehe hin, wohin dein Herz dich treibt, aber gebe dich nicht zu erkennen.’ Ich verließ also beim Aufbruch des Frühlings meinen Aufenthalt und begab mich in der Gestalt, wie du mich siehst, nach Starenberg. Diese Kleidung, dieses Aussehen habe ich von einem hessischen Bauernmädchen entliehen, die ich auf meiner Reise im Walde um Erdbeeren suchen sah, und die an einem Brunnen, in dem ich übernachtete, heftig über ihre böse Stiefmutter weinte. Sie war so wunderschön und lieblich, daß ich sie der Brunnenfrau herzlich empfahl und mich ganz so gestaltete wie sie, und wenngleich meine eigene Gestalt glänzender und reizender ist als diese, so hat doch niemals ein so edles, frommes und schönes Menschenbild gelebt als dieses.

So kam ich nach Starenberg und setzte mich in den Wald, nicht weit von der Mühle, und hatte ein Körbchen voll Erdbeeren im Schoß. Es war am Morgen, Christel kam von der Mühle her, und es freute mich, zu sehen, daß er die Mühle noch besuchte. Er schien mir sehr traurig, als er mich aber sah, erheiterte sich sein Antlitz, er war durch meinen Anblick gerührt.

Er setzte sich zu mir ins Gras, er aß von meinen Erdbeeren und gewann mich so lieb, so lieb, daß er mich bat, seine Ehegattin zu werden. Traurig willigte ich ein, weil ich sah, daß er mich nicht kannte, und daß er mich also vergessen hatte. Doch machte ich ihm die Bedingung, mich unter harter Strafe am siebenten Tage in der Woche in der Nähe der Mühle allein zu lassen und nie nachzuforschen, was ich dann mache. Er versprach mir alles heilig und brachte mich nach Starenberg. Wir hielten Hochzeit und lebten glücklich.

Nach einem Jahre gebar ich ihm zwei Söhnlein, schön und lieblich wie die Engel. Ich zog die Kinder auf, und sie waren schon ziemlich herangewachsen und begleiteten mich immer Freitag abends, wenn ich nach der Mühle ging, bis an die Türe. Christel aber wollte nie mitgehen nach der Mühle, denn er dachte heimlich, was er mir dort einst unter anderer Gestalt geschworen hatte, und hatte drum kein gutes Gewissen.

Nun hatten meine beiden Söhnlein einen Lehrer, der sehr weit gereist war; es war ein ernsthaft wunderlicher Mensch, trug immer rote Strümpfe und weiße Hosen und Rock; er war sehr pathetisch und melancholisch; und führte die Kinder zurück von der Mühle. Christel brachte, während ich abwesend war, immer seine Zeit mit ihm zu, und dieser verdrießliche Mann erregte zuerst die Neugierde in ihm, zu wissen, wer ich sei und was ich in der Mühle den Sonnabend mache. Christel ließ sich von ihm verführen; doch wagte er es nicht, selbst zu lauern, weil ich es ihm zu streng verboten hatte; der Hofmeister aber übernahm es, meine beiden Söhnlein dazu abzurichten, und die armen Kindlein ließen sich von dem Schelm verführen.

Am folgenden Morgen schlichen sie sich in die Mühle mit dem Schulmeister; ich saß in dem offenen Boden der Kammer, wo ich sonst Christel besucht hatte, in meiner Wasserjungfergestalt mit meiner Mutter, die mir die Haare kämmte, da trat der Schulmeister und meine zwei Kinder herein. Ich erschrak, daß ich ohnmächtig wurde, meine Mutter aber sagte: ‘Sieh, liebe Lureley! daß ich recht prophezeite, man verrät dich.’ Und somit verwandelte sie meinen Sohn Georg in eine weiße Maus, den Philipp aber in einen Goldfisch und den Schulmeister in einen Storch, und sprach: ‘Ziehe fort mit ihnen, Verräter! und lasse dich nicht wieder sehen, bis die Kleinen durch ihre Treue und Tugend wieder gutgemacht haben, was sie jetzt verderben wollten.’ Sogleich nahm der Storch die weiße Maus und den Goldfisch in den Schnabel und flog eilends davon. Ich war sehr traurig über den Verlust meiner Kinder; aber meine Mutter sagte mir: ‘Sei ruhig, sie sind gut aufgehoben; du wirst sie einst in Ehren wiedersehen.’

Als ich nach Starenberg zurückkehrte, fragte mich Christel nach den Kindern, und ich sagte ihm, die Wasserfrau habe sie vor meinen Augen geraubt. Da ward Christel sehr traurig und dachte, es müsse eine Strafe der Wasserfrau sein, weil er sie verlassen und mich geheiratet.

Als ich aber am nächsten Sonnabend wieder in der Mühle war, ließ sich Christel von den zwölf Knappen verführen, mich zu überfallen, als ich im Bade saß, und Christel sah, daß ich von der Brust hinab die Gestalt eines Fisches hatte. Erzürnt sprach ich zu ihm: ‘Du verrätst mich zum zweitenmal, dafür bestrafe ich dich und nehme dir das Gedächtnis’, und somit bespritzte ich ihn und die Knappen mit Wasser und verschwand.

Christel wußte nun nichts mehr davon, daß er Fürst von Starenberg gewesen, daß ich sein Weib war; er und seine Knappen hielten sich für Müller von jeher und trieben es, wie es andere Müller auch treiben, und da die Einwohner von Starenberg sahen, daß ihm auf keine Weise einzureden sei, daß er jemals ihr Herr gewesen sei, ließen sie ihn bleiben, was er wollte, und brachten ihm ihr Korn zu mahlen. Da ich ihn nach dem Schwur meiner Mutter nicht verlassen konnte und ihn auch immer noch liebte, besuchte ich ihn wieder in dieser meiner Verkleidung und brachte ihm Getreide zu mahlen. Er liebte mich von neuem; ich machte von neuem den Bund mit ihm, daß er mich am siebenten Tag in einem Erlenwäldchen verlassen mußte.

Ich begab mich dann immer nach jener Insel, wo du die Frau Mondenschein gesehen, und wo in der Höhle die Frau Aglaster begraben liegt. In dieser Höhle erwachte ich in der Sonntagsnacht und sah wieder zwei schöne Knäblein bei mir liegen, die ich dem Christel bringen wollte; das eine hatte Frau Mondenschein im Arm, das andere der Geist der Frau Aglaster. Frau Mondenschein sagte: ‘Der Knabe soll Radlauf heißen und sein Geschlecht in die Höhe bringen.’ Frau Aglaster sagte: ‘Der Knabe soll Hans heißen, und wenn er durch Schwätzerei ein Star geworden, sollen alle Starenberger wieder Staren werden, bis er so freiwillig stirbt wie ich.’

Erschrocken über den Anblick der zwei Frauen und ihre Reden, sprang ich auf und nahm der Frau Aglaster das Kind mit Gewalt; sie lachte und verschwand. Frau Mondenschein aber gab mir das Kind freundlich lächelnd und sagte mir: ‘Dieser dein Sohn Radlauf wird ein König werden und dir Freude machen’ – dann verließ sie mich.

Ich kehrte zu Christel zurück, er freute sich über die Kinder, und wir erzogen sie mit vieler Liebe und Sorgfalt.

Als aber Hans vier Jahre alt war, begann er bereits seinen geschwätzigen Charakter zu zeigen: alles, was er hörte, plauderte er nach und ängstigte mich nicht wenig mit seinem Vorwitz. Ich begab mich seit der Geburt meiner Kinder nicht mehr nach der Insel, weil ich mich vor Frau Aglaster fürchtete, und ging statt dessen in ein nahes Erlenwäldchen, wo eine schöne Quelle floß, und kam dort mit meiner Mutter zusammen. Die frechen Mühlknappen führten allerlei Reden über meine Abwesenheit, Hans schnappte sie auf und ging vorwitzig, gegen das strenge Verbot, abends in den Erlenwald, mich zu belauschen. Meine Mutter erblickte ihn, ergriff ihn und wollte ihn soeben in einen Staren verwandeln; aber ich bat sehr für ihn und sagte ihr die Drohung der Frau Aglaster. Da ließ sich meine Mutter rühren und sagte: ‘Wohlan! ich überlasse es der Frau Aglaster, ihn einst selbst zu strafen; aber hier muß er weg, er verrät dich sonst spät oder früh; ich nehme ihn mit an den Rhein und lege ihn zu Mainz dem König vor die Schwelle, der mag ihn erziehen.’ Sie nahm ihn und verschwand.

Als ich in die Mühle zurückkehrte, lagen die Knappen noch alle schlafend; sie waren abends vorher auf einer Kirchweih gewesen; jeder hatte noch ein Stück Kirmskuchen neben sich, und ich sagte ihnen zur Strafe: ‘Schlafet so lange, bis mein armer Hans begraben ist’ – Nun ging ich zu Christel und sagte ihm: ‘Deinen Sohn Hans wirst du nicht wiedersehen, seine Neugierde ist bestraft worden; ich selbst verlasse diese Gegend und ziehe an den Rhein, wo ich her bin; verlassen werde ich dich nicht, wenn du mir getreu bleibst’ – und nach diesen Worten verschwand ich vor seinen Augen. Christel blieb nun keine Stunde mehr im Land, er nahm dich, lieber Radlauf! an der Hand und zog an den Rhein und baute hier diese Mühle.

Hier lebte er anfangs still und ruhig und studierte viel; ich kam oft zu ihm und schenkte ihm Gold und Silbersand und Perlen, und er ward sehr reich; du wardst ein guter frommer Jüngling.

Ich baute mir damals ein Schloß und wohnte zugleich mit der Frau Echo darin, es ist der Lureleyfelsen bei St. Goar. Während ich da arbeitete, zog die Königin von Trier durchs Land und übernachtete bei Christel auf der Mühle. Er bewirtete sie so herrlich und zeigte ihr so viel Silber und Gold, daß sie eine große Liebe zu ihm gewann und ihn beredete, seine Mühle zu verlassen und ihr zu folgen.

Christel besann sich nicht lange, er packte seine Schätze auf ein Schiff und zog mit ihr nach Trier; dich ließ er zurück, du warst damals sechs Jahre alt, und so verlassen fand ich dich eines Morgens in der Mühle. Nun war mein Unwille gegen deinen Vater sehr groß; ich stand am Rhein und klagte, da stieg der alte Rhein aus seinen Wellen hervor und sagte: ‘Geh nach Haus, Frau Lureley! in den Echofels und lebe für dich einsam, ich will mich deines Kindes annehmen.’ Ich folgte seinem Rat, küßte dich und zog in mein neues Schloß. Der alte Rhein gab dir einen Wassermann zum Erzieher; es war jener alte Knappe, den du für deinen Vater hieltst, und der dich in deinem sechszehnten Jahr, als du ein vollkommener Müller warst, verließ.. Du glaubtest, er sei ertrunken, da du ihn vor deinen Augen in den Fluß stürzen sahst; aber er lebt noch und ist der Wächter in dem Wasserschloß des alten Rheins.

So lebtest du nun ruhig und fromm eine lange Zeit und fingst einst einen Staren, den du sehr lieb gewannst; dieser war niemand anders als dein Bruder Hans, an dem der Fluch der Frau Aglaster wahr geworden ist. Hans war vor der Schloßtüre des Königs von Mainz, wo ihn meine Mutter hingelegt hatte, gefunden worden, und zwar von der kleinen Prinzessin Ameley, deiner Braut; er wurde mit ihr erzogen, und als er heranwuchs, liebte er sie sehr, und sie war ihm auch gut; aber seine außerordentliche Schwätzerei war ihr zuwider. Als sie ihm dieselbe vorwarf, versprach er ihr hoch und teuer, zu schweigen; sie sollte ihn auf irgend eine Probe stellen. Sie willigte ein und schenkte ihm ihre goldene Haarnadel mit dem Verbot, sie nie zu zeigen und nie davon zu reden, daß sie sie ihm gegeben habe. Aber Hans konnte der Versuchung nicht widerstehen, als die andern Pagen mit ihm zusammenkamen, mit seiner Nadel zu prahlen; siehe! da verwandelte er sich plötzlich in einen Staren und flog davon. Zugleich kam er ganz wieder zu Sinnen, er wußte, wer er war, er wußte, daß er ein Fürst von Starenberg sei, und flog nach Starenberg aufs Schloß; kaum war er dort angekommen und hatte sich auf dem Turmkopf niedergelassen, als sich alle Starenberger wieder in Stare verwandelten. Frau Aglaster erschien ihm und erzählte ihm die ganze Geschichte seines Stammes. Er besuchte den Grubenhansel, den Kautzenveitel, den Kohlenjockel und sah sie alle mit stummer Traurigkeit an und flog dann hierher zu dir in die Mühle, wo er saß, bis er sich vor den Augen der Prinzessin Ameley aus Liebe mit der Nadel ermordete. Dein Vater lebte nun als König von Trier mit der Königin, der er gefolgt war, und sie schenkte ihm einen Sohn, den Rattenkahl. In der Nacht nach seiner Geburt erschien ich ihm im Traum und warf ihm seine Treulosigkeit vor und bat ihn, in sich zu gehen. Er versprach es mir heilig, aber er hielt es nicht, und da ihm nach mehreren Jahren die Königin den kleinen Mausohr schenkte, verwandelte ich ihn zur Strafe seiner Falschheit in den Rattenkönig. – »So ist meine und deine Geschichte, das übrige ist dir bekannt.« – »Ach!« unterbrach ich hier die liebe Frau Lureley, »so ist dann der gute Rattenkönig mein Vater? O liebe Mutter! helfet ihm, verzeihet ihm; und wo sind meine Brüder Weißmaus und Goldfisch hingekommen? Ach! werde ich sie alle nicht wiedersehen?«

»Mein Sohn,« sagte sie, »jetzt breche auf und ziehe nach Mainz wie ein Fürst und Herr ein, dort wird sich alles entwickeln; erzähle alles, was du erfahren hast, und es wird dir deine Braut werden.«

Nach diesen Worten umarmte sie mich, ihre Gespielinnen sprangen auf und riefen alle: »Heil dir, König von Mainz!« und so stürzten sie in den Rhein, und ich hörte das Echo noch lange rufen: »Heil dir, König von Mainz!«

Kaum hatte Radlauf so weit erzählt, als alle Bürger auch laut riefen: »Heil dir, König von Mainz!« und es auf dem Rhein erschallte: »Heil dir, König von Mainz!« Ein goldnes Schiff, mit Schwänen bespannt, schwamm ans Ufer; daraus stieg ein würdiger alter Herr mit grauem Bart und einer Fürstenkrone, daraus stieg die schöne Ameley, wie eine Braut geschmückt, daraus stiegen zwei wunderschöne Prinzen, der eine ganz in Silber, der andere ganz in Gold gekleidet, daraus stieg ein ehrbarer alter Schulmeister mit roten Strümpfen.

Es war der Rattenkönig, Weißmäuschen und Goldfischchen und der Storch, die wieder ihre Gestalt angenommen. Der Jubel des Wiedersehens war allgemein.

Christel ward von den zwölf Knappen empfangen und zog bald mit ihnen nach Starenberg als Fürst zurück. Prinz Georg und Prinz Philipp blieben noch bei Radlauf, der Ameley heiratete; Mausohr kam auch auf die Hochzeit, der Schullehrer Storch ward oberster Präzeptor im ganzen Land.

Kaum war die erste Freude etwas vorüber, als sich die Mainzer Bürger an ihre neue Königin Ameley herandrängten und nach ihren Kindern im Rhein fragten. »Sie befinden sich alle recht wohl,« sagte Frau Ameley, »und besinnt euch nur auf hübsche Märchen, so werden sie bald wie ich befreit werden; von nun an sollen alle Morgen hier Märchen erzählt werden, und morgen früh wird der Anfang gemacht; wer heute erzählt, muß immer den ernennen, der morgen erzählen soll, und so ist von meinem lieben Radlauf die gute Fischerin, Frau Marzibille, auf morgen ernannt, und wenn sie hübsch erzählt, wird ihr liebes Töchterchen, mein Taufpatchen Ameley, wieder zu ihr kommen; das liebe Kind läßt sie hübsch grüßen, es war das artigste Kind, das der alte Rhein bei sich hatte.«

Frau Marzibille weinte vor Freuden, daß sie morgen ihr Kind wiederhaben sollte, und als sie nach Tisch saß und nachdachte, was sie doch morgen für einen Rock anziehen sollte, wenn sie vor allen Leuten dasitzen und erzählen würde, kam eine alte Judenfrau zu ihr und sagte: »Gottes Wunder, Frau Marzibille! wie wird Sie sich morgen ankleiden, um in der Gesellschaft zu erzählen; hör Sie, ich will Ihr leihen ein seidnes Kleid mit goldnen Blumen, es ist ganz neu, ich habe es gekauft von dem Schloß; es war ein Vorhang von dem königlichen Bett, da kann Sie Staat mit machen wie eine Prinzessin« – und somit legte sie das wunderliche alte Kleid vor der armen Frau auseinander und begehrte dafür, daß sie ihr nach ihrer Erzählung die Stimme zum folgenden Märchen geben sollte.

Frau Marzibille aber jagte sie fort und sagte: »Ich werde in meinen ehrlichen Bürgerskleidern erzählen, häng Sie ihren alten Vorhang selbst um! Wenn Sie mir aber hier für mein Muttergottesbildchen über meinem Betstuhl einen neuen schönen Rock schenken will, so soll Sie nach mir erzählen.« Das wollte die alte Jüdin nicht und ging fort.

Viele Leute kamen noch und baten um ihre Stimme; aber sie sagte es keinem zu und sagte, wenn sie erst ihr Ameleychen habe, werde sie es schon sagen.

Der Morgen kam, Radlauf und Ameley saßen auf dem Thron am Rhein; auf Radlaufs Seite standen seine Brüder, Philipp und Georg, die Fischerin saß auf der unteren Staffel des Throns, ein Zeichen des Stillschweigens ward gegeben, und Marzibille erzählte folgendes: