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PELLUCIDAR PICTURES

ZUR SOFORTIGEN VERÖFFENTLICHUNG

 

›STERNEN‹-SCHIFF AUF DEM LETZTEN STRECKENABSCHNITT DER REISE ZUM MARS

 

Wenn die zweite Gruppe der Schlafenden aufwacht, werden sie sich auf der erdabgewandten Seite der Sonne befinden, weit weg von der Menschheit, vergangener, gegenwärtiger oder zukünftiger – einsamer als die ersten Polarforscher oder selbst die ersten Menschen auf dem Mond – einsamer, als jemals menschliche Wesen zuvor waren. Und dennoch werden sie das einzigartig beruhigende und wohlige Gefühl haben können, daß ganz Hollywood…

 

Winter. Der Kälteste Winter aller Zeiten. Ein terroristischer Anschlag auf Baronet Drive findet statt, doch das ist okay: AmericaMan ist in der Küche und beschickt den Geschirrspüler mit Power Plus, Greetings liegt in vollkommener Sicherheit in ihrem Freizeitanzug auf der Couch, während SheRa den MikroMixer anschaltet und die Terroristen sich in die dreckigen russischen Hosen machen und wir vor ›Old Glory‹ salutieren und anfangen zu schießen…

»Wake up, little Suzie!«

Greetings stöhnte. Es war nicht SheRa, sondern Space Commander Woman, die Russin. Warum war das okay? Greetings konnte nicht schlafen, weil der Doktor an ihrem Handgelenk herummachte…

»Können Sie den Radau nicht abstellen?« fragte Natascha Kirow, und Jeffries griff nach oben und drückte auf einen Knopf. Die Schießerei hörte auf. Die Kirow sagte: »Greetings, weißt du, wo du bist?«

»In Hollywood? Auf dem Mars?«

»Auf halber Strecke zwischen beidem. Du befindest dich auf der Mary Poppins. Du hast dich als blinder Passagier eingeschlichen, erinnerst du dich?«

Jeffries fragte: »Wie fühlt sich dein Arm an?«

Der Doktor war schwarz, wie Dr. Huxtable. Plötzlich schwebte ein Filmstar kopfüber in den Raum! Er gähnte. Greetings hatte noch nie zuvor einen auf den Kopf gestellten Filmstar gähnen sehen. Er reichte ihr eine Tasse mit einem Saugnippel und einen Plastikbeutel mit Nüssen und Beeren. Greetings bemühte sich immer noch, sich etwas einfallen zu lassen, das sie sagen könnte, als das Funkgerät am Handgelenk der Raumkommandantin zweimal piepste und sie und der Filmstar verschwunden waren.

Während Natascha Kirow Fonda-Fox zur Brücke brachte, blieb Greetings bei Jeffries, um diesem beim Trennen der Schlafenden zu helfen. »Es ist am besten, wenn wir sie durcheinanderwirbeln«, sagte er. Glamour und Bass waren zusammengeschwebt und schliefen Hinterteil an Hinterteil unter einem Farn. Beverly Glenn schnarchte sanft auf einer Teppichecke in der Nähe. Die Schwerelosigkeit wirkte Wunder, was den weiblichen Busen betraf, und ihrer war ohnehin schon wunderbar. Während Jeffries die Lebenszeichen des Stars überprüfte, starrte Greetings gebannt in ihr Gesicht, wie auf eine Filmleinwand. Aus ihren Zügen sprachen die Anzeichen und das Geflüster von fünf Generationen von Filmstars, von Lanas und Lornas und Lolas, von denen Greetings die meisten nur aus den alten Zeitschriften ihrer Mutter kannte. Und auch von männlichen Stars.

War da ein kleiner Oberlippenbart über ihrem Mund? Wahrscheinlich war er normalerweise von Make-up überdeckt.

Der Kudsu war mächtig gesprossen, und Natascha Kirow und Bass mußten sich mit Laser-Macheten den Weg zur Brücke freihacken. Die Brücke war kalt und dunkel. Die Mary Poppins befand sich auf der anderen Seite der Sonne. Der Mars war nicht mehr als ein rötlicher Stern im vorderen Quadranten – immer noch neun Monate entfernt. Die Kirow betrachtete den starr blickenden Fonda-Fox; der geistesabwesende Ausdruck in seinen Augen beunruhigte sie. Die Leere des Raums konnte einem die Seele aus dem Körper saugen, wie durch äußeren Unterdruck. Während sie sich an ihm vorbei zu ihrem Steuersitz schob, ließ sie die gesamten Glasscheiben bis auf einen kleinen Ausschnitt trüb werden. So wirkte die Brücke beinahe behaglich.

»Mary Poppins an Erde, bitte kommen! Die zweite Schicht ist aufgewacht, und zwar um…« Die Kirow las die Daten und Positionskoordinaten ab und fügte eine Autowiederholung an. Es würde neun Minuten dauern, bis die Mitteilung die Erde erreicht hätte, und die Antwort würde wiederum neun Minuten dauern, also drückte sie sich eine Tasse Kaffee aus ihrem Thermosbehälter und rief die ein- und ausgegangen Botschaften ab.

AN KIROW VON BASS. WILLKOMMEN AUF DER ANDEREN SEITE DER SONNE. ALLE AUSGEDRUCKTEN DATEN VON MISSION DESIGN NACH VENUS-SWINGBY SIND OKAY. DIE ZAHLEN SIND ZUR ÜBERPRÜFUNG AUF DISKETTE GESPEICHERT. DIE PFLANZEN SEHEN EIN WENIG KRÄNKLICH AUS, DESHALB HABE ICH ETWAS 10-10-4 IN DEN UMLAUFBEFEUCHTER GEGEBEN. BIS IN ZEHN MONATEN.

»Das ist es also!« sagte Natascha Kirow. Sie gab über den Klimasteuerungs-Computer des Schiffs die Anweisung, die Nahrungszufuhr für die Pflanzen zu drosseln, während sie weitere Mitteilungen durchtickern ließ:

AN BASS VON MISSION DESIGN: DANKE FÜR DEN FILM ÜBER DEN VENUS-VORBEIFLUG. WIR HABEN DIE BESTÄTIGUNG, DASS ES SICH UM WOLKEN MIT + 80 K HANDELT. GLEICHZEITIG ZEIGTE DIE MARY POPPINS KEINERLEI ANZEICHEN VON REIBUNG ODER BELASTUNG. DIE EINZIGE ERKLÄRUNG, DIE UNS HIER DAFÜR EINFÄLLT, IST DIE, DASS DIE OBERE ATMOSPHÄRE DER VENUS AUS SCHICHTEN BESTEHT UND NICHT DURCHGEHEND GLEICH IST.

AN MARSREISENDE VON MARKSON: MARSREISE IST IN ALLEN SCHLAGZEILEN! SIEHE FAX!

AN MARSREISENDE VOM VORSITZENDEN DER SFWA, DER SCIENCE FICTION WRITERS OF AMERICA…

Natascha Kirow überging den allgemeinen Kram und die Glückwünsche. Eine ganze Datei war voll mit gefaxten Zeitungsausschnitten über den blinden Passagier. Sie nahm wieder Funkverbindung zur Erde auf und wählte dann die Durchwahlnummer von Marksons Büro bei Pellucidar. Er hatte sich dagegen verwehrt, da die Gebühren, obwohl auf der Grundlage eines gewöhnlichen Satelliten-Anrufs berechnet, durch die Zeitverschiebung gewaltig in die Höhe getrieben wurden. Natürlich waren die ersten neun Minuten, bevor Marksons Sekretärin den Hörer abnahm, umsonst.

»Pellucidar Pictures. Büro von Mister Markson. Wen darf ich als Anrufer melden? Hallo? Hallo?« Sie hängte ein.

Das Antwortsignal von Sweeney kam eine halbe Stunde später durch. »Hallo, Mary Poppins. Sind Sie das, Kirow? Ich nehme an, Sie haben die Daten des Venus-Vorbeiflugs bereits gesehen; alles okay. In dieser Wachphase gibt es eigentlich nichts anderes zu tun als auszuruhen. Ich hatte eine kleine Kurskorrektur-Zündung für Sie vorgesehen, aber genaugenommen ist sie nicht nötig. Um so besser, da die Computer hier mit dem neuen Laker-Stadion vollkommen ausgelastet sind.«

»Ein neues Laker-Stadion?«

»Ich glaube, ich habe vergessen, es Ihnen zu mitzuteilen«, sagte Sweeney 18,4 Minuten später. »Sweeney’s Mission Design ist den Bach runtergegangen. Ich habe einen neuen Job bei CM, Computergesteuerte Massenbewegungen, in Santa Monica. Hauptsächlich befassen wir uns mit dem Erforschen des Fließverhaltens von Menschenmengen und der Simulation von chaotischen Verkehrssituationen, und unsere Kunden sind Planer von Einkaufszentren und Großparkplätzen. Keine Angst. Ich betreue die Marsmission weiterhin in meiner Freizeit. CM verfügt über einen großen alten Cray, der jede Menge Zahlen wie nichts aufarbeitet, und ich benutze ihn während meiner Mittagspause. Ich schicke die Zahlen für die Bremszündung beim Einschwenken in den Marsorbit, das in neun Monaten von heute stattfinden wird, damit Sie sich daran machen können, sie durch ihre Schiffsrechner laufen zu lassen. Ich habe ein Gespräch mit Markson bei Pellucidar angemeldet – Oh, da kommt gerade ein Anruf herein, vielleicht ist er es. Gloria, können Sie auf diese Leitung eine Dreierschaltung legen?«

»Gloria?«

Der Bildschirm wurde dunkel. »Mist! Wir haben sie verloren«, schimpfte Natascha Kirow.

»Sehen Sie nur, wer da ist! Unsere gefeierte Hauptdarstellerin«, sagte Fonda-Fox. Jeffries und Greetings glitten schwerelos auf die Brücke. »Das da draußen ist ein Dschungel«, bemerkte Jeffries. Es war Greetings, die mit ›gefeierte Hauptdarstellerin‹ gemeint war.

Fonda-Fox ließ die Mitteilungen abspulen und zeigte ihr die Schlagzeilen, die heraufgefaxt worden waren:

TEENAGER BESUCHT ALS BLINDER PASSAGIER DEN GEHEIMNISVOLLEN PLANETEN MARS

BLINDER PASSAGIER ›SCHLÄFT‹ MIT FILMSTARS

›SIE IST MEINE FREUNDIN‹ VERKÜNDET DER STOLZESTE VERLIEBTE DER WELT

»Verliebte?« sagte Greetings. »In mich ist niemand verliebt. Nicht daß ich wüßte.«

»Ich brauche Freiwillige zum Stutzen des Gestrüpps«, sagte Natascha Kirow.

»Ich bin dabei«, bot sich Fonda-Fox an.

»Sie brauche ich auf der Brücke. Jeffries, wie wäre es mit Ihnen und der Kleinen? Aber lassen Sie uns zuerst Kaffee trinken und etwas wacher werden.«

Nachdem der Kaffee aus den Tuben gedrückt war, ließ die Kirow die Glasscheiben der Brücke ringsum klar werden, und alle griffen nach dem nächsten Sitz oder Geländer: die Schwärze des Weltraums kam so plötzlich und so heftig wie ein Gewitter über sie.

»Wo ist der Mars?« fragte Fonda-Fox.

Während ein Blitz auf dem Körperfunktionsanzeiger an ihrem Handgelenk aufzuckte, deutete Natascha Kirow auf einen mittelgroßen rötlichen Stern. Bis dahin war er nur einer in einem Meer von Sternen gewesen; doch nachdem er identifiziert war, hatten sie alle das Gefühl, als ob der Mars den Himmel vor ihnen beherrschte.

Wer mochte wohl verliebt in sie sein? fragte sich Greetings und suchte in den Faxen nach weiteren Einzelheiten.

 

»Herzschlag, Atmung, alles sieht gut aus«, sagte Jeffries und zuckte die Achseln. »Ich habe mir sogar Einblick in ihre Träume verschafft. Es ist alles in Ordnung, ihr fehlt nichts. Sie will einfach nicht aufwachen.«

»Können Sie nicht irgend etwas tun?« verlangte die Kirow zu wissen. »Die Situation erfordert doch bestimmt mehr als ein Achselzucken.«

Jeffries zuckte erneut die Achseln. »Die Medizin tappt in gewissen Bereichen im dunkeln. Ich behandle es nicht als kritischen Fall, weil es kein solcher ist. Ihr Gesundheitszustand ist gut. Der HT-Schlaf ist gesünder als ihre übliche Lebensweise.«

»Vielleicht ist es medizinisch kein kritischer Fall, aber künstlerisch ist es einer«, warf Fonda-Fox ein.

»Was wollen Sie damit sagen?« fragte die Kirow.

»Nun, sagen wir lieber geschäftlich ist es ein kritischer Fall. Ich spreche von der Gilde, der Gewerkschaft, verstehst du? Ohne BG haben wir keine zwei Stars, und das bedeutet, daß wir keinen von der Gilde zertifizierbaren Film herstellen können, und das wiederum bedeutet, daß er nicht auf nationaler Ebene laufen kann, was zur Folge hat, daß wir für keine Auszeichnung in Frage kommen, was…«

»Keine Sorge«, sagte Jeffries. »Sie werden Ihre beiden Stars haben. Lassen Sie Miss Glenn schlafen. Ich werde sie aufwecken, sobald wir am Mars angekommen sind.«

 

LIEBENDER GELOBT: ICH WERDE EWIG WARTEN

BLINDER PASSAGIER UMKREIST DIE VENUS, DEN PLANETEN DER LIEBE

»Umkreist?« brauste die Kirow auf.

»Schschschsch!« sagte Greetings.

Markson war auf dem Bildschirm zu sehen, mit einer Zeitung in der Hand und auf – nicht an – seinem Schreibtisch sitzend. »Hallo, Marsreisende«, sagte er. »Greetings, bist du da? Ich habe eine Überraschung für dich.«

Die Kamera schwenkte durch den Raum zu einem Jugendlichen mit kantigen Gesichtszügen, der zwischen Mr. und Mrs. Gentry stand. Mr. Gentry legte dem Jugendlichen die Hand auf die Schulter und fing nervös an zu sprechen.

»Wer ist denn das, dein Freund?« fragte Natascha Kirow.

»Ich habe ihn in meinem ganzen Leben noch nie gesehen!« sagte Greetings. »Aber sehen Sie nur, meine Eltern! Sie sind immer noch beisammen!«

»Das ist ein Pellucidar-Vertragsspielchen«, vermutete Fonda-Fox.

»Alles in Ordnung, fangt noch mal an«, sagte Markson auf dem Bildschirm. »Wir können gleich senden…«

»Als ich sie zum Bahnhof gebracht habe, habe ich gehofft, daß sie gemeinsam nach Hause zurückkehren würden«, erklärte Greetings. »Und jetzt sieh sich einer das an!«

»Ist das live?« fragte Jeffries.

Der Junge setzte an, etwas zu sagen. »Haltet den Mund, damit wir hören, was er von sich gibt!« fauchte Fonda-Fox.

Doch der Signalton verstummte, und was Greetings’ Freund zu sagen hatte, verlor sich irgendwo in der Vakuum-Wildnis zwischen Beverly Hills und der Mary Poppins.

 

»Wie sind Sie denn damals an Rock ’n’ Roll gekommen?« fragte Fonda-Fox die Kirow. Sie gingen die Checkliste in der Energie-Anlage ›südlich‹ des Stalin-Salons durch. Obwohl die meisten Instrumente von der Brücke aus überprüft werden konnten, warf die Kirow gern persönlich einen Blick auf die Treibstoffzellen und Batterien und überzeugte sich mit eigenen Augen davon, daß alles in Ordnung war.

»Er war in ganz Rußland verbreitet. Chuck Berry. Elvis. Batterien vorn?«

»Achtundachtzig Prozent«, sagte Fonda-Fox.

»Motown. Die Beatles. Treibstoffzellen, Ebene eins.«

»Einundneunzig Prozent.«

»Das war die internationale Währung. Wir dachten an nichts anderes. Verdampfung?«

»Weniger als drei Prozent. Erstaunlich. Im tiefsten Rußland. Solargespeiste Batterien sechsundneunzig Prozent, bei nur einer einzigen betriebsunfähigen Zelle von hundertundneunundneunzig.«

»Besonders im ›tiefsten‹ Rußland. Hintergrund-Strahlung?«

»Dreihundertdreiunddreißig rad. Ist das viel?«

»Nö. Es könnte sich entweder um Sonnenstürme oder die nachwirkende Verschmutzung durch Delta V handeln. Das war’s.«

Natascha Kirow war froh, daß Fonda-Fox zu ihrer Wach-Schicht gehörte. Er gab einen besseren Schiffsoffizier ab als Jeffries, weil er die Rolle so viele Male gespielt hatte.

 

»Das ist wie in The Dating Game«, sagte Greetings zu Jeffries, während sie den Kudsu in HAB No. 2 hackten. »Ich hab’ mir gedacht, daß vielleicht, wenn sie zusammen Urlaub machen… Sie wissen schon. Sie haben sich scheiden lassen, als ich acht Jahre alt war. Und jetzt hat Markson diesen Jungen angeheuert, daß er mein Freund sein soll. Was soll er denn machen, mir Liebesbriefe schreiben? Glauben Sie, er ist ein Filmstar?«

»Nein. Er ist höchstens ein Schauspieler«, sagte Jeffries. »Wenn er ein Mitglied der Vier-Und-Zwanzig-Familien wäre, hätten sie seinen Namen erwähnt.«

 

»Das ist also die berühmte Kamera«, sagte Natascha Kirow. Fonda-Fox richtete sie in alle Winkel des Stalin-Salons, während sie Tee machte. »Warum drehen Sie nicht ein paar Meter ab, während Glamour schläft?«

»Ich wüßte gar nicht, wo ich anfangen sollte«, erwiderte Fonda-Fox. »Ich sehe so ein Ding zum ersten Mal. Der Demogorgon ist keine Kamera, technisch gesehen. Er macht keine ›Aufnahmen‹. Er digitalisiert und speichert Licht und formt und baut dann daraus Bilder. Er macht Schluß mit der Notwendigkeit der Beleuchtungsüberwachung und selbst der Aufnahmewiederholung, da er eine Szene speichern und manipulieren kann, ja sogar das Bild eines Schauspielers, indem er zuvor Gespeichertes ausbaut und auswertet. Sobald man eine bestimmte Menge an Bildern eingegeben hat, kann man einen Schauspieler alles tun lassen, was man möchte, selbst wenn der Schauspieler es in Wirklichkeit niemals getan hat.«

»Was hält Sie – oder die anderen – dann noch davon ab, Schauspieler ganz und gar abzuschaffen?«

»Die Gewerkschaft. Nur die Gewerkschaft.«

 

Natascha Kirow und Fonda-Fox trafen Jeffries und Greetings im Gang an. »Genug Gestrüpp gestutzt«, sagte die Kirow. »In ein paar Stunden schlafen wir sowieso wieder. Die anderen sollen auch noch etwas zu tun haben. Folgen Sie mir, ich möchte Ihnen etwas zeigen.«

Am Ende des langen Achsengangs, der in ›südlicher‹ Richtung vom Stalin-Salon wegführte, war eine kleine runde Tür. Man hatte den Eindruck, daß sie sich drehte. Sie öffnete sich zu einer kleinen Kuppel aus klarem Plexiglas mit einem einzigen Liegesitz in der Mitte. Die vier Reisenden krochen hinein. Die langen Tragbalken strebten über einen Kilometer weit geradewegs nach hinten zum fernen Antrieb hinter dem Schutzschild. Das Observatorium hatte ebenso wie die Brücke einen Kreiselmechanismus, so daß sich die ganze phantastische spinnenhafte Konstruktion vor einem unbeweglichen Sternenteppich drehte. Nur hier bekam man eine echte Vorstellung davon, wie groß die Mary Poppins in Wirklichkeit war.

Und wie klein.

»Das hier nennt sich das südliche Observatorium«, erklärte die Kirow. »Während meiner Ausbildungszeit auf diesem Schiff habe ich beinahe ein Jahr lang im Orbit gelebt, und ich pflegte hierherzukommen, wenn ich allein sein wollte. Selbst auf einem Schiff dieser Größe ist es im Weltraum nicht einfach, einen Platz zum Alleinsein zu finden – wie Sie alle inzwischen sicher erfahren haben.«

Greetings deutete zum hellsten Stern. Er war blauweiß, wie ein Tropfen Brunnenwasser, der im Raum hing. »Da ist die Erde!«

Natascha Kirow schüttelte den Kopf. »Das ist die Venus. Von hier aus können wir die Erde nicht einmal sehen.«

Danach senkte sich ein langes Schweigen über die vier herab.

 

Nach dem Abendessen untersuchte Jeffries die Schlafenden ein weiteres Mal und gab die Neutra-Neutrali-sierungs-Cocktails aus. Dann verschwand er. Natascha Kirow hinterließ für Sweeney und Markson die Botschaft, daß sie sich zur Ruhe begeben habe, und verabschiedete sich von Fonda-Fox und Greetings, die im Stalin-Salon Karten spielten, da sie schläfrig wurde. Sie verspürte den Wunsch, allein zu sein, also ging sie zum südlichen Observatorium, doch sie traf Jeffries an, der bereits mit Ahab in den Armen dort saß und zu den Millionen kalter Sterne hinausblickte.

Sie war nahe dran, sich umzudrehen und wieder zu gehen, doch dann tat sie es doch nicht. »Was bedeuten die Buchstaben S. C. in Ihrem Namen?« fragte sie, nachdem sie eine Weile schweigend dagesessen hatten.

»Sundiata Cinque.«

»Nennt Sie irgend jemand Sundiata oder Cinque?«

»Weder das eine noch das andere. Seit dreißig Jahren nicht.«

Natascha Kirow war von dem Anblick der langen Streben des Schiffes, die sich langsam im Nichts drehten, wie hypnotisiert. Wie ein Stock in einem Teich; nein, einem Meer. Sie hing für eine Zeit, die ihr wie Stunden erschien, an der Rückseite des Liegesitzes, obwohl sie wußte, daß es gefährlich war, in die Tiefe des Weltraum zu blicken, und zu Depressionen führen konnte.

Es war Jeffries, der das Schweigen brach. »Eines lernt man im Raum«, sagte er, während er sich vom Sitz abstieß und in Richtung Tür glitt.

»Was denn?«

»Daß im Universum Winter herrscht. Daß es immer so war und immer so sein wird.«