13. KAPITEL
Es war Vormittag, als sie in Zulheil landeten. Widerspruchslos ließ Jasmine sich durch die Flure des Palastes bis ins Schlafzimmer zerren, so demütigend es auch war. Doch als Tariq sich wortlos umdrehen und den Raum verlassen wollte, ertrug sie es nicht länger.
„Wo gehst du hin?"
„Nach Abraz."
„Warum?"
Er sah sie an. Seine Augen glühten vor Zorn. „Ich werde meine zweite Frau heiraten.
Du erfreust mich nicht mehr. Vielleicht wird sie treuer sein als du."
Jasmines Herz wurde zu Eis. „Du nimmst dir eine andere Frau?"
„Ich werde sie in Abraz heiraten. Am besten stellst du dich jetzt schon auf deine untergeordnete Rolle ein."
„Wie kannst du mir das antun?"
„So, wie du mich verraten wolltest, sollte dich das nicht überraschen."
„Nein! Das habe ich nicht. Warum glaubst du mir nicht?" Sie wollte ihn festhalten, aber er schüttelte ihre Hand ab.
„Ich möchte mich nicht verspäten." Er warf ihr noch einen gleichgültigen Blick über die Schulter zu und ging hinaus.
In diesem Augenblick zerriss etwas in ihr. Der Schmerz war so groß, dass sie sich nicht gestatten konnte, ihn zu fühlen, sonst wäre sie womöglich daran zu Grunde gegangen.
Stattdessen begann sie fieberhaft über eine Fluchtmöglichkeit nachzudenken.
Natürlich könnte sie das Land nicht mit einem Flugzeug verlassen. Tariq hatte sicher seine Leute angewiesen, aufzupassen, dass sie keinen Fluchtversuch unternahm. Er wollte sie leiden sehen, wollte sie bestrafen. Früher hatte sie das zugelassen, in dem Glauben, die Liebe würde irgendwann siegen.
Vorbei. Diesmal war er zu weit gegangen.
Auch auf dem Landweg würde sie nicht weit kommen. Die Grenzpatrouille war bestens ausgebildet und sehr wachsam. Außerdem fiel sie in der Wüste mit ihrer hellen Haut und ihrem roten Haar viel zu sehr auf.
Aber zu Wasser ... Ihr Herz begann heftig zu klopfen. Natürlich. Zulheil hatte einen schmalen Küstenstreifen und einen sehr stark frequentierten Hafen. Es wäre relativ einfach, sich an Bord eines der ausländischen Schiffe zu stehlen, die stets nur kurz am Quai lagen, um Treibstoff aufzunehmen. Seeleute kümmerten sich im Allgemeinen nur um ihre eigenen Belange, und die Hafenpolizei konnte nicht jede einzelne Bewegung kontrollieren. Außerdem war sie mehr damit beschäftigt, Fremde aus Zulheil fernzuhalten, als jene zu kontrollieren, die das Land verlassen wollten.
Jasmine holte tief Luft und ging zu dem kleinen Safe im Schlafzimmer. Tariq hatte ihr gesagt, er enthalte immer genug Bargeld für sie, für den Fall, dass sie etwas brauchen sollte. Sie wollte sein Geld nicht, aber sie würde sich verraten, wenn sie versuchen würde, etwas von ihrem Konto in Neuseeland abzuheben. Es blieb ihr also nichts anderes übrig. Es war tatsächlich genug Geld im Safe, um ihre Schiffspassage und einige Wochen Aufenthalt in einem kleinen Hotel zu finanzieren.
Anschließend setzte sie sich an den Schreibtisch und nahm Papier und Stift zur Hand. Ihre Finger zitterten, doch mit einer Kraft, die sie selbst überraschte, zwang sie sich zur Ruhe.
Tariq, seit ich nach Zulheil gekommen bin, wartest Du darauf, dass ich Dich verrate und fortgehe. Heute werde ich Deine Erwartungen erfüllen, doch ich will nicht heimlich verschwinden wie eine Diebin.
Ich liebe Dich so sehr, dass ich keinen Atemzug tue, ohne an Dich zu denken. Du warst meine erste Liebe und meine einzige. Ich dachte, ich würde alles für Dich tun, sogar Deine Strafe dafür ertragen, dass ich vor vier Jahren die falsche Entscheidung getroffen habe. Aber nun habe ich meine Grenzen erkannte. Du gehörst zu mir und nur zu mir. Wie kannst du von mir verlangen, Dich zu teilen?
Um Deines Stolzes willen wirst Du mich suchen wollen, aber ich bitte Dich, wenn du jemals etwas für mich empfunden hast, tu es nicht. Ich könnte niemals mit dem Mann, den ich liebe, leben, wenn er mich hasst. Es würde mich umbringen. Ich weiß nicht, was ich tun soll. Ich weiß nur, dass mein Herz gebrochen ist und dass ich von hier fort muss. Auch wenn wir uns nie wiedersehen, sei gewiss, dass Du immer mein einzig Geliebter sein wirst.
Jasmine
Mit trockenen Augen - ihr Schmerz war zu groß, als dass sie hätte weinen können -
schob sie den Brief in ein Kuvert und verschloss es. Dann nahm sie ihre Handtasche und den Brief und ging damit in Tariqs Arbeitszimmer - den einzigen Ort, den bis zu seiner Rückkehr niemand betreten würde - und legte den Brief mitten auf den Schreibtisch. Wehmütig strich sie über die polierte Mahagonioberfläche. Hier waren sie sich wieder nähergekommen, und sie hatte seine Pflichten mit ihm teilen dürfen.
Doch es war nicht genug gewesen.
Jasmine rannte fast aus dem Zimmer, denn die Erinnerungen drohten sie zu überwältigen.
Am Hafen herrschte reger Verkehr. Der Fahrer parkte vor dem beliebten Café mit Blick aufs Meer, das sie ihm als Zielort genannt hatte. „Ich treffe mich mit einer Freundin zum Mittagessen. Sie müssen also nicht auf mich warten."
„Ich werde warten", erwiderte er mit undurchdringlicher Miene.
Jasmine hatte nichts anderes erwartet. Natürlich hatte Tariq Anweisungen gegeben, sie wie eine Gefangene zu behandeln.
Im Restaurant gelang es ihr, einer Kellnerin weiszumachen, sie werde von ausländischen Journalisten verfolgt. „Wenn Sie mir rasch den Hinterausgang zeigen könnten. Mein Fahrer hat einen anderen Wagen bestellt, der mich dort abholen wird. Es ist wirklich unglaublich, wie man manchmal belästigt wird."
Die Kellnerin war stolz, ihr helfen zu können. Der Hinterausgang führte auf eine schmale Gasse, die wie ausgestorben wirkte.
„Hier ist niemand", stellte die Kellnerin stirnrunzelnd fest.
„Oh, er wartet dort vorne auf mich. Ich danke Ihnen." Bevor die junge Frau protestieren konnte, war Jasmine schon hinausgegangen und eilte mit langen Schritten den gepflasterten Weg hinab. Als sie außer Sichtweite war, änderte sie die Richtung und ging zum Hafen.
Das Glück meinte es gut mit ihr. Ein Kreuzfahrtschiff hatte für drei Stunden angelegt, um Treibstoff aufzunehmen. In der Menge der
europäischen Touristen fiel Jasmine nicht weiter auf. Niemand bemerkte die junge Frau mit den roten Haaren.
Die Crew freute sich über einen neuen Passagier, da beim letzten Zwischenstopp einer der Reisenden vorzeitig von Bord gegangen war. Um sich nicht zu verraten, benutzte Jasmine ihren neuseeländischen Pass.
Eine Stunde später stand sie an der Reling und blickte gebannt auf die Küste von Zulheil, die langsam am Horizont verschwand. Der Wind blies ihr ins Gesicht. Ihr war, als könnte das Band zwischen ihr und Tariq nicht zerreißen, solange sie sein Land im Blick behielt. Aber dann senkte sich die Nacht herab, und der Traum ihres Lebens verschwand endgültig in der Dunkelheit.
Die Minarette von Zulheina schimmerten im Mondlicht, aber Tariq fand keine Ruhe.
Die Gewissheit, etwas Kostbares unwiederbringlich verloren zu haben, fraß an ihm.
Auf halbem Wege nach Abraz war sein rasender Zorn verraucht gewesen.
Stattdessen hatte er nur noch tiefen Schmerz gespürt. Er hatte Jasmine sein Herz anvertraut, und sie hatte seine Gefühle mit Füßen getreten, zum zweiten Mal. Und doch - immer wieder musste er an das nackte Entsetzen in ihren Augen denken, als er ihr gesagt hatte, dass er sich eine andere Frau nehme werde, als er sie zurückgewiesen hatte, so wie sie von ihrer Familie zurückgewiesen worden war. Er fühlte sich schlecht. So, als habe er sie geschlagen; als sei er es, der Vergebung brauchte; als habe er einen Fehler gemacht.
Irgendwann hatte er endlich begonnen, die Sache vom Standpunkt der Logik aus zu betrachten und hatte festgestellt, dass das eigentlich alles keinen Sinn ergab. Wenn Jasmine ihn wirklich hätte verlassen wollen, hätte sie das auch ohne Sarahs Hilfe tun können. Eine grässliche Furcht beschlich ihn bei diesem Gedanken, und bei der Erinnerung an Jamars Äußerung blieb ihm fast das Herz stehen. Weshalb hätte der Leibwächter ihm von Jasmines Fluchtplan so beiläufig berichten sollen, noch dazu mitten auf dem Hotelflur, wo jeder, der vorbeiging, mithören konnte?
Nicht bereit zu glauben, dass er in einer Mischung aus Misstrauen und Angst so einen schrecklichen Fehler gemacht hatte und doch insgeheim sicher, dass dem so war, hatte Tariq den Befehl gegeben, sofort nach Zulheina zurückzufahren. Vom Wagen aus hatte er im
Palast angerufen, nur um nicht daran denken zu müssen, dass er vielleicht seine Frau für immer verloren hatte.
Jamar hatte sich gemeldet. „Sir?"
„Jamar, ich überlege gerade, was ich meiner Frau schenken könnte und dachte daran, was Sie in Australien im Hotel gesagt haben. War Jasmine sehr enthusiastisch, als ihre Schwester sie fragte, auf welches Datum ihr Ticket nach Neuseeland gebucht werden soll?" Tariqs Hand umklammerte den Hörer wie ein Schraubstock.
„Ich hörte, wie Ihre Frau sagte, dass sie mit Ihnen sprechen wolle, ob Sie Zeit hätten.
Ich glaube, sie würde sich über eine solche Reise freuen."
„Ich denke auch. Danke, Jamar." Tariq hatte kaum noch ein Wort herausgebracht.
Das Herz setzte ihm fast aus angesichts der Erkenntnis, dass er wirklich einen entsetzlichen Fehler gemacht hatte.
So war er nach Zulheina zurückgekehrt.
Zu spät. Viel zu spät.
Bei dem Geräusch von zerknitterndem Papier blickte er überrascht auf seine Hände.
Es waren seine Finger, die sich um Jasmines Abschiedsbrief krümmten.
Nie wieder würde er sich an Jasmines Liebe erfreuen können. Er hatte ihr Vertrauen mit Füßen getreten, und doch hatte sie ihn weiter geliebt. Nur diesen letzten schweren Schlag hatte selbst ihr großzügiges Herz nicht verkraftet.
Tariq war bereit, das zu akzeptieren. Aber er war nicht bereit zu akzeptieren, dass er sie für immer verloren hatte. Die Frau, zu der seine Jasmine geworden war, hatte ihn verändert. Sie besaß eine große innere Kraft und verstand es hervorragend, ihre Rolle an seiner Seite zu spielen. Sie war so herrlich sinnlich ... sie war unersetzlich. Er konnte es nicht ertragen, ohne seine Seelenverwandte zu leben. Selbst wenn sie ihn hassen sollte.
„Du gehörst zu mir Mina."
Nur die Wüste hörte seine Stimme. Nur die Wüste wusste, wie einsam er war - und wie entschlossen.
Das Schiff legte in mehreren Häfen im Mittleren Osten an, doch Jasmine ging niemals an Land, aus Angst erkannt zu werden. Erst als sie zu einem ungeplanten Zwischenstopp an einer kleinen griechischen
Insel anlegten, weil einer der Passagiere krank geworden war, nutzte sie die Gelegenheit und verließ das Schiff. Im Grunde war es ihr völlig egal, wo sie landen würde.
Es gelang ihr, eine winzige Dachwohnung zu mieten. In der ersten Nacht dort ließ sie sich einfach aufs Bett fallen und rührte sich stundenlang nicht mehr. Der Gedanke an Tariq quälte sie ununterbrochen, sie hatte dunkle Schatten unter den Augen bekommen und immer mehr Gewicht verloren. Immer wieder spielte sie in Gedanken den hässlichen Streit mit Tariq durch und fragte sich, ob es nicht einen anderen Weg gegeben hätte. Doch sie fand keinen.
Erst nach einer Woche fand sie die Kraft, das Haus zu verlassen. Sie sagte sich, dass sie stark war. Sie würde überleben. Zwar würde sie mit dem Herzen immer bei Tariq sein, doch sie liebte ihn freiwillig und würde es nie bereuen.
Zufällig sah sie in einem Schaufenster ein Schild, auf dem stand, dass eine Näherin gesucht wurde. Jasmine atmete tief ein und wieder aus. Dann stieß sie die Tür auf und ging hinein.
Jasmine ignorierte das hartnäckige Klopfen so lange wie möglich. Als es nicht aufhören wollte, ging sie entnervt an die Tür. Sie hatte die Miete bezahlt. Ihr Vermieter hatte keinen Grund, sie zu belästigen.
„Du!" Ihre Knie gaben nach, als sie den Mann erkannte, der die Türöffnung ausfüllte.
Er streckte die Arme aus und fing sie auf. Plötzlich wirkte die kleine Dachwohnung wie ein Puppenhaus. „Lass mich los."
„Du wärst fast gefallen."
„Es geht schon wieder." Jasmine stemmte sich mit beiden Händen gegen Tariqs Schultern. Zu ihrer Überraschung ließ er sie vorsichtig los. Sie stolperte rückwärts.
„Du hast abgenommen." Bartstoppeln ließen seine Wangen dunkler erscheinen. Ein gequälter Ausdruck lag in seinem Blick und seine Kleider hingen Besorgnis erregend lose an ihm. „Was ist passiert?"
„Du hast mich verlassen."
Mit dieser Antwort hatte sie nicht gerechnet. Sie ging weiter rückwärts, bis sie an die Wand stieß. „Wie hast du mich gefunden?"
Tariq ließ keine Sekunde den Blick von ihrem Gesicht. „Zuerst war ich in Neuseeland."
Ihr Herz pochte wild.
„Du hast mir nie erzählt, dass du deiner Familie für immer Lebwohl gesagt hast, um zu mir zu kommen."
Jasmine antwortete nicht. Er liebte sie also immer noch genug, um nach ihr zu suchen.
„Du hast mich gewählt, Mina." Seine Stimme versagte fast. „Du hast mich gewählt vor allen anderen auf dieser Welt. Hast du geglaubt, ich würde dich gehen lassen, nachdem du meine Frau geworden bist?"
„Ich werde nicht zurückkommen."
„Mina." Er streckte die Hand aus.
„Nein!"
Tariq trat auf sie zu und stützte sich links und rechts von ihr an der Wand ab, sodass sie praktisch eingesperrt war.
„Ich werde dich nicht teilen." Sie versuchte, ihn wegzuschieben.
„Weil du mich liebst und dich für mich entschieden hast."
Sie nickte und gab es auf, gegen die Tränen anzukämpfen. Nun, da er so nah war, wollte sie nur noch in seinen Armen liegen und ihre Angst und Verzweiflung vergessen.
„Mina, du musst mit mir kommen. Ich kann ohne dich nicht leben, meine Jasmine.
Ich brauche dich, wie die Wüste den Regen." Er nahm ihr Gesicht in beide Hände und strich mit den Daumenspitzen die Tränen von ihren Wangen. „Ich habe dich gewählt, Jasmine. Du bist meine Frau. Dieses Band kann niemals zerreißen. Ich liebe dich. Ich bete dich an."
„Aber du hast eine andere ..."
„Das würde ich niemals tun", murmelte er. „Ich war an jenem Tag sehr böse auf dich, aber ich war auch furchtbar verletzt. Ich glaubte, du hättest mich wieder verraten. Es war die einzige Waffe, die ich hatte, um sie gegen dich einzusetzen.
Damals glaubte ich, du liebst mich nicht genug, und ich könnte dir niemals das Herz brechen. Es tut mir so leid, Mina."
„Du hattest gar nicht vor, eine andere Frau zu heiraten?" Es gelang Jasmine kaum zu sprechen, so dick war der Kloß in ihrem Hals.
„Niemals", flüsterte er. „Verzeih deinem dummen Ehemann, Mina. In deiner Nähe ist er oft nicht imstande klar zu denken." Er wirkte sehr reuevoll, doch er hielt sie immer noch gefangen. Es war klar, dass er keine Ruhe geben würde, ganz gleich, wie lang es dauern mochte, sie zu überzeugen.
Jasmine musste lächeln. Selbst wenn er um Verzeihung bat, war er immer noch der stolze Wüstenkrieger. Und sie wollte ihn auch gar nicht anders. „Nur, wenn er mir vergibt, dass ich vor vier Jahren die falsche Entscheidung getroffen habe", erwiderte sie.
„Das habe ich dir in dem Augenblick vergeben, als du deinen Fuß auf den Boden von Zulheil gesetzt hast." Tariq lächelte sein Kriegerlächeln. „Ich habe nur Zeit gebraucht, um meinen verletzten Stolz zu heilen."
„Und ist er jetzt geheilt? Oder wirst du wieder an mir zweifeln?"
„Alles, was ich wissen musste, war, dass du um mich kämpfen würdest, falls du noch einmal vor der Wahl stehen solltest."
Wie einfach, und doch hatte sie es nicht verstanden. Vorsichtig berührte sie sein Haar. „Es gibt keine Wahl. Du kommst immer an erster Stelle."
„Jetzt weiß ich das, Mina." Er schmiegte sein Gesicht in ihre Hand und umfasste ihren Po. „Wirst du mit mir kommen?"
Jasmine lachte. Es war so typisch Tariq, so zu tun, als ließe er ihr die Wahl, während sie doch beide wussten, dass er den Raum nicht ohne sie verlassen würde.
„Versprichst du, mir ein braver Ehemann zu sein und zu tun, was ich sage?"
Er gab sich entrüstet. „Du nutzt die Situation aus."
„Und es funktioniert nicht, was?"
„Ich weiß nicht." Abschätzend musterte er Jasmines schmale Bettstatt in der Ecke des Zimmers. „Wenn diese Liege unser Gewicht aushält, dann erlaube ich dir, die Situation auszunutzen." Seine Augen funkelten. Jasmine wollte sich in seine Arme werfen, doch eines musste sie noch wissen.
„Ich liebe dich. Glaubst du mir?"
„Mina!" Er presste sie an sich. „Deine Liebe spricht aus deinen Blicken, aus jeder deiner Berührungen, aus jedem deiner Worte. Selbst aus deinem Abschiedsbrief. Ich fühle mich deiner Liebe nicht wert, aber ich werde dich niemals gehen lassen. Du bist mein. Verzeih mir, Mina. Ich kann es mir selbst nicht verzeihen, wie sehr ich dir wehgetan habe."
„Ich glaube, ich könnte dir alles verzeihen." Jetzt machte ihre Verletzlichkeit ihr keine Angst mehr. Nicht, wenn er sie mit der ganzen Kraft seines wilden Herzens liebte. „Mir tut es nur leid, dass wir vier Jahre vergeudet haben."
Tariq schmunzelte. „Nicht vergeudet, Mina. Ich dachte, ich müsste dir fünf Jahre Zeit geben, um erwachsen zu werden. Ich war sehr geduldig, nicht wahr?"
„Fünf Jahre?" Jasmine lächelte und fragte sich, worauf er hinaus wollte, schließlich waren nicht fünf, sondern nur vier Jahre vergangen. „Und nach den fünf Jahren?"
„Hättest du beschlossen, eine Reise in die Wüste zu machen."
„So, so."
„Hm, hm." Er beugte sich vor und küsste sie. Sie schmiegte sich an ihn, erwiderte seinen Kuss und wurde wieder seine Frau. „Und dort hättest du einen Mann geheiratet, der immer schon wusste, dass du für ihn bestimmt bist."
„Ich hätte also noch ein Jahr warten und mir damit all das Leid ersparen können?", wagte sie zu scherzen.
„Vielleicht hätte ich es doch nicht fünf Jahre ausgehalten." Plötzlich wurde Tariq wieder ernst. „Du wurdest geboren, um meine Frau zu sein, Mina."
Jasmine hätte weinen mögen vor Freude. Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und küsste ihn zärtlich. „Und dein Volk?", fragte sie dann. „Es muss mich doch hassen?"
„Unser Volk ist an die stürmischen Ehen seiner Scheichs gewöhnt." Er lächelte breit.
„Meine Mutter hat einmal zwei Monate allein in Paris verbracht." „Oh."
„Ich bin es, der als Scheich an Ansehen verlieren würde, wenn ich dich nicht überreden könnte, zurückzukehren." Er beugte sich vor. „Meine Ehre liegt also in deinen Händen", sagte er, doch seine Augen funkelten schelmisch.
„Komm, mein guter Ehemann." Jasmine nahm seine Hand. „Dein Weib wünscht, die Situation auszunutzen."
„Niemals würde ich meiner Frau eine solche Bitte abschlagen", raunte er.
Und die Liege hielt tatsächlich ihr Gewicht aus.
- ENDE -