16

 

 

Ich stand im Schatten eines riesigen Keramiktopfes, in dem Flick-Flick-Pflanzen gezüchtet wurden, atmete flach und rührte mich nicht. Zwei Wachen schritten auf ihrer Runde an mir vorbei. Außer ihnen befand sich keine Menschenseele in dem Korridor. Deb-Lu war verschwunden. Seine Lupu-Projektion hatte mich hierher geführt.

Der Korridor in Trylon Schians luxuriöser Villa war dummerweise hell erleuchtet. Die Wachen gehörten alle zu den Männern, die im Reich der Trommel dem Zauberbann zum Opfer gefallen waren. Sie waren erfahren genug, einen einzelnen Paktun zu überprüfen. Nach meinem Einstieg hatte Deb-Lu die Führung übernommen, doch ich fand keinen Ort, an dem ich das Ledergewand ablegen und mich als Sklave verkleiden konnte. Also wartete ich darauf, daß die Wachen vorbeimarschierten – doch sie hielten mit klirrenden Rüstungen an und blieben ausgerechnet dort stehen.

Es war völlig sinnlos, daß ich mich über diese Situation ärgerte. Ich tat es trotzdem.

Beim Oberlippenbart und dem Hängebauch der Heiligen Dame von Belschutz! grollte ich in Gedanken. Warum, zur Herrelldrinischen Hölle, bleiben sie stehen?

Obwohl die Wachen mir genau gegenüberstanden, konnten sie mich im Schatten des überdimensionalen Topfes nicht sehen – solange ich mich nicht rührte. Sie konnten mich auch nicht hören. Also blieb ich reglos stehen.

Eine Fliege surrte vorbei und setzte auf meiner Nase zur Landung an.

Ich befleißigte mich der Gelassenheit und des Mutes eines wahren Helden und rührte mich nicht.

Das verdammte Insekt trippelte auf seinen widerwärtigen kleinen Beinen über meine Nasenlöcher, und es kostete mich übermenschliche Muskelkontrolle, mich nicht völlig normalen Reaktionen hinzugeben. Noch ein oder zwei Herzschläge, und ich würde niesen. Ich spürte es. Ein Geräusch oder eine Bewegung, die mysteriöserweise aus dem Schatten des Blumentopfes kamen, würden ausreichen, damit die Wachen auf den Plan traten. Oh, natürlich würde ich zuerst versuchen, ihnen auszureden, daß sie mich sofort mit dem Schwert durchbohrten, doch wenn es mir mißlang, mußte ich mit ihnen kämpfen ... Etwas Federleichtes berührte kurz meine Nase.

Die Flick-Flick-Pflanze griff mit einem Tentakel zu, schnappte sich die Fliege und schnippte sie in einen orangenfarbenen kegelförmigen Blütenkelch. O ja, ich dankte Opaz dem Wachstumsbringer von ganzem Herzen, daß er Flick-Flick-Pflanzen auf Kregen hat wachsen lassen, als die Welt noch jung war!

Eine Stimme brüllte scharf: »Brassud!« Die Wachen nahmen Haltung an. Im nächsten Augenblick drehten sie sich nach rechts und marschierten los. Sie begleiteten nun eine junge Frau mit ihrer Dienerschaft, und das verriet mir, daß ich mich zumindest in der Nähe meines Ziels befand.

Deb-Lu erschien. Seine Gestalt umgab nicht einmal ein blauer Schimmer. Er rieb sich die Nase, und ich – ich gebe es zu – lachte.

»Esser Rarioch wird so sauber gehalten«, sagte er, »daß sie für die Flick-Flick-Pflanzen extra Fliegen züchten müssen. Das ist hier ganz anders, nicht wahr, Dray?« Wir gingen den Korridor entlang und näherten uns einer Kreuzung, wo das Licht heller brannte.

»Gewiß, Deb-Lu. Doch wenn der Mensch der Natur ins Handwerk pfuscht, indem er sein Haus so sauber hält, daß Fliegen keine Nahrung finden, muß er dann nicht, um Opaz' Willen zu erfüllen, für die Pflanzen sorgen, die von Fliegen leben?«

»Nur zum Teil. Sie können auch ohne ...«

»Sicher. Aber was ist mit dem grundsätzlichen Problem?« Wir hatten die Kreuzung erreicht, und es war niemand zu sehen. Ich fand nichts Ungewöhnliches daran, unter diesen Umständen eine philosophische Diskussion zu führen, und ich bin davon überzeugt, daß Deb-Lu der gleichen Meinung war.

»Oh, ich stimme dir in jeder Hinsicht zu, daß wir uns um Opaz' Wesen kümmern müssen.« Er schwenkte mit seinen Stab. »Da vorn ist es.«

»Eine Flick-Flick-Pflanze, der man Fliegen vorenthält, ist wie ein Luftchunner, dem man Purchales verweigert.«

Deb-Lus amüsiertes Kichern traf mit unserer Ankunft vor einer Balass-Tür zusammen, die mit Elfenbeineinlegearbeiten aus Chem verziert war. »Hier wohnt offenbar ein wichtiger Bursche, Jak.«

»Dann gehe ich hinein und statte ihm einen Höflichkeitsbesuch ab.« Ich stieß die Tür auf.

»Oh. Er ist nicht da. Er trifft die letzten Vorbereitungen für die allabendliche Orgie.«

Die Luft des überladenen Gemachs stank nach abgestandenem Parfum. Der protzigen Zurschaustellung von Möbeln und Einrichtungsgegenständen nach zu urteilen handelte es sich bei diesem Kämmerer um einen wichtigen Mann. Ich stapfte über den dicken walfargischen Teppich – der meiner Einschätzung nach höchstens dritte Wahl war –, bis Deb-Lu laut rief: »Da!«

Ich stand direkt vor einer mit einem Gobelin bedeckten Wand. Er zeigte die rituelle Hinrichtung San Sin-Sin-Yarelings. Mir wäre nicht im Traum eingefallen, das Ding in einem meiner Häuser zu dulden. Ich schlug den Gobelin beiseite, berührte den Hebel, und die Geheimtür klappte auf.

»Vielen Dank, Deb-Lu.«

»Ich möchte im Augenblick keinesfalls mehr Kharma einsetzen. Satras Zaubererkollegium ist nicht völlig unfähig.«

»Das stimmt.«

Deb-Lu verblaßte, und ich betrat den Gang hinter der Geheimtür. Wie in den meisten kregischen Gebäuden von Bedeutung hatten die Architekten auch hier für Sichtschlitze im Geheimgang gesorgt, so daß der überraschend saubere Korridor von waagerecht einfallenden Lichtstreifen erhellt wurde. Ich überlegte mir, ob ich als Sklave gehen sollte, doch dann entschied ich mich dagegen und behielt die Paktun-Verkleidung bei. Bei einer bemerkenswerten Gelegenheit hatte mich der Chingle eines Pakais verraten. Der tote Rapa-Meuchelmörder, dessen Lynxter, Paki und Pakmort ich nun trug, hatte zwar relativ wenig Siegesringe auf die Kette aufziehen können, aber es waren doch so viele, daß ich sie abnahm und in die Tasche steckte. Jeder Silberring hatte einst einen Pakmort an der Silberkette befestigt. Es gab nur zwei goldene Ringe; der Rapa hatte also über zwei Zhan-Paktuns triumphiert.

Jeder Lichtstrahl, der in den schmalen Gang einfiel, erlaubte den Einblick in ein Zimmer oder ein Gemach. Manchmal waren es sogar verschiedene Ansichten desselben Raumes.

Wir hatten herausgefunden, daß Schian in der Stunde des Dim eine wichtige Besprechung abhalten wollte. Da wollte ich dabeisein. Ich nahm leise und vorsichtig viele Abzweigungen, Leitern und Wendeltreppen, und kam schließlich zu dem Beobachtungsschlitz, der mir Einblick in das Gemach gewährte, das Schian als Arbeitszimmer und Bibliothek diente. Es gab tatsächlich ein paar Bücher und Schriftrollen. Das größte Möbelstück war jedoch ein wuchtiges Sofa, neben dem in bequemer Reichweite ein mit Getränken beladenes Tischchen stand.

Ich rief mir die Geduld ins Gedächtnis zurück, die ich mir bei der Jagd auf mein Mittagessen in der Wildnis angeeignet hatte. Wut und Gereiztheit verschwanden. Ich beruhigte mich und wartete ab.

Falls die Herren der Sterne mich in diesem Augenblick beobachteten, mußte ich damit rechnen, daß ein Skorpion aus einem Mauerspalt kroch. Doch ich ließ nicht zu, daß ich mir darüber Sorgen machte. Zweifellos würden sie mit ihrer heiseren, klirrenden Stimme donnernd verkünden, daß ich auf impertinente Weise unverschämt oder auf unverschämte Weise impertinent war, da ich mein Leben bei einer Mission in Gefahr brachte, die nichts mit ihren Plänen zu tun hatte. Ha! würde ich spöttisch erwidern. Falls man mich umbringt, lösen sich eure Pläne mit mir und dem verdammten Yrium in Luft auf!

Es kam kein kleiner, rotbrauner Skorpion wichtigtuerisch angekrabbelt.

Die Stunde des Dim kam, Stimmen ertönten, und die Tür zum Arbeitszimmer wurde aufgestoßen. Vier Wachen – prächtige, hartgesottene Chentois – platzten herein. Ihre scharfen Augen suchten nach Meuchelmördern, die vielleicht auf ihren Herrn warteten.

Als sie alles zu ihrer Zufriedenheit kontrolliert hatten, trat Trylon Ge-fu-Schian ein. Er trug ein grellbuntes Freizeitgewand, an dessen Gürtel ein Dolch hing, und kaute eine Handvoll Palines. An seiner Seite trippelte Prinzessin Licria herein. Sie trug ein enthüllendes Gewand aus Silbermaschen und sah atemberaubend aus. Sie hatten beide gut gegessen und getrunken, soviel war ersichtlich.

Sie ließen sich auf dem Sofa nieder – das sich genau gegenüber meinem Versteck befand –, und die Wachen nahmen ihre Posten an der Wand ein. Nun kennen Sie meine Ansichten über bezahlte Wächter. Sie nehmen ihren Lohn und tun ihre Arbeit. Ich verletze sie nicht gern, denn ich habe selbst oft genug in den dunklen Stunden der Nacht auf Posten gestanden. Natürlich konnte ich jetzt in den Raum springen, die Wächter ausschalten und mich dann um Schian und Licria kümmern. Aber das würde unweigerlich zuviel Zeit in Anspruch nehmen, und man würde Alarm schlagen. In diesem Fall war Geduld die einzig richtige Taktik.

»Wenn er so gut ist, wie behauptet wird«, sagte Licria, »können wir endlich einen Erfolg erzielen.«

»Aye. Möge Hlo-Hli auf unserer Seite stehen. Endlich.« Schian hörte sich mürrisch an.

»Er wird viel zu tun haben.«

»Dieser Teufel Dray Prescot und seine kostbare Delia stehen ganz oben auf meiner Liste ...«

»Nein, Ge-fu«, sagte sie scharf. »Zuerst kommt die Königin dran, dann einige ihre wichtigsten Berater – wir wissen genau, wer das ist –, und dann werden alle, die gegen uns sind, sich nicht mehr des Schutzes der Königin erfreuen können.«

Er nahm einen Pokal vom Tischchen. »Nun, du hast vermutlich recht.« Plötzlich strahlte er. »Wenn die Königin tot ist ... Du hast recht, Prinzessin. He, dann können wir Prescot festnehmen lassen, und ich mache mir den Spaß, ihn in Stücke zu schneiden. Seine Delia können wir den Rapa-Wächtern überlassen.«

»Ja. Das werde ich mir ansehen.« Sie leckte sich die Lippen.

»Aber da sind noch ihre Wächter.«

»Es sind doch nur eine Handvoll. Unser Heer wird das Regiment im Handumdrehen vernichten.«

Hm, dachte ich, bei Vox! Da werden Nath Karidge und die Jungs der ELH noch ein Wörtchen mitzureden haben!

Sie tranken Wein, dann trat ein Khibil ein. Er war prächtig gekleidet, hochmütig und offensichtlich bester Stimmung.

Der Khibil hatte nur ein Ohr. Licria versetzte Schian einen Schubs, und der Trylon stand zögernd auf, wie es sich für ihn in Gegenwart eines Vads gehörte.

Licria blieb sitzen. Sie war schließlich Prinzessin.

Bevor noch die Lahals ausgetauscht werden konnten, fragte sie: »Hast du ihn gewinnen können, Vad Valadian?«

»Aye, Prinzessin. Er will sich seinen Lohn verdienen. Er steht draußen ...«

»Dann hol ihn sofort herein!«

Auf sein Zeichen hin wurden die Türen geöffnet, und ein fescher junger Bursche trat ein. Wie erwartet trug er einen unauffälligen olivfarbenen Umhang über der schwarzen Kleidung. Er hatte den Kopf mit einer schwarzen Maske verhüllt, und die Schatten hinter den Augenschlitzen waren noch dunkler als die Kleidung. Ihm entging nichts, und er trug auch keine sichtbare Waffe.

»Meister Fu-Ming-Fung.« Das war alles, was Vad Valadian zu seiner Vorstellung sagte.

Der Name war geradezu idiotisch lächerlich. Also brauchte dieser Stikitche ein Alias. Er verneigte sich anmutig und blieb schweigend und abwartend an Ort und Stelle stehen. Offenbar wollten sie die Bedingungen für den Mord an der Königin und ihren wichtigsten Würdenträgern besprechen. Jeder normale Mensch hätte dieser Unterhaltung nur Abscheu entgegenbringen können.

Ich hätte eigentlich nicht gedacht, daß sich der einohrige Khibil als Schurke entpuppen würde. Doch jetzt stellte sich heraus, daß er genau das war, und zwar ein Erzschurke. Zweifellos hatte ihm das unheilige Paar eine riesige Belohnung für seine treuen Dienste versprochen, sobald sie über Loh herrschten. Und er hatte einen erstklassigen Meuchelmörder für sie aufgetan.

Als das Bokkertu beendet war, verließen der Vad und der Stikitche katzbuckelnd und unter ständigen Verbeugungen das Gemach. Licria sprühte Parfum in die Luft. Jetzt roch der Raum wie ein Alterssitz für Sylvies. Der Blick, den sie Schian zuwarf, und der plötzliche Befehl an die Wächter, sie allein zu lassen, waren unmißverständlich. Jetzt war die Zeit gekommen, ins Gemach zu platzen und ihnen die Zukunft weiszusagen.

Genau in diesem kritischen Augenblick ertönten in dem Geheimgang leise Schritte. Gedankenschnell verschwand ich aus dem Bereich des hell erleuchteten Gucklochs und preßte mich in die tiefen Schatten an der Wand.

Sie waren zu dritt und schlichen vorsichtig näher. Sie trugen schwarze Gewänder und funkelnde Waffen. Also hatten mich diese Teufel bis hierher verfolgt! Sie stellten eine Belästigung dar. Es würde nicht lautlos vonstatten gehen. Trotzdem – der Lynxter glitt geräuschlos aus der Scheide.

Die drei schwarzgekleideten Männer blieben vor dem Guckloch stehen. Einer schaute hindurch. Sofort begriff ich, was sich tatsächlich hier abspielte und in was ich wider Willen verstrickt wurde. Bei den warzenverseuchten Achselhöhlen und der entzündeten Nase Makki-Grodnos! Was für ein Schlamassel!

Sie stürmten in das Gemach – und ich stürzte hinterher.

Es folgte ein wüstes Durcheinander aus rauschenden Umhängen, funkelndem Stahl, einer kreischenden Licria und eines fluchenden Schian, der versuchte, seinen Dolch zu ziehen. Plötzlich bemerkten die Stikitches, daß in ihrem Rücken eine unerwartete Gefahr aufgetaucht war, und sie versuchten, sich des neuen Gegners zu erwehren. Schian stach einen nieder, und ich erledigte die beiden anderen. Die Wachen brachen die Tür auf und platzten in das Gemach.

»Es ist alles vorbei!« rief ich und legte alle mir eigene Autorität in meine Stimme. Die Wachen blieben unsicher stehen, und ich starrte Licria an, die sich aus ihrer Deckung hinter dem Sofa erhob. »Sag es ihnen, Prinzessin. Dein Leben ist nicht gefährdet, und das gilt auch für den Trylon.« Falls sie noch einen anderen Sinn in meine Worte hineinlas, war mir das durchaus recht.

Ihr stets blasses Gesicht hatte die Farbe der Asche eines erloschenen Feuers vor Anbruch des Morgens angenommen. Sie zitterte. »Diese Shints«, murmelte sie, biß sich auf die Lippen und starrte die Leichen an. »Bringt sie fort!«

Schian richtete die blutige Dolchspitze auf mich.

»Wo – wie bist du hier herein gekommen?«

»Das werde ich dir sagen – und der Prinzessin. Erfüllt jetzt meine Bitte!«

Er zuckte zusammen und fauchte die Wachen an. Wieder schwebte ich einen Augenblick lang in Gefahr. Was würde passieren, wenn er ihnen einfach befahl, mich zu töten?

Er tat es nicht. Licria nahm einen großen Schluck Wein, verschluckte sich und fiel eher auf das Sofa, als sich zu setzen. Schian machte einen verwirrten Eindruck.

»Das war knapp. Wäre ich nicht gekommen, um mit euch zu sprechen ...«

Schian schaute verächtlich. »Du wolltest doch nicht mit uns reden, du Shint! Du wolltest uns zweifellos töten!«

»Wenn das meine Absicht gewesen wäre, du Onker, hätte ich die Stikitche dann aufgehalten?«

Er wurde knallrot im Gesicht. Er war viel erschütterter, als er sich selbst eingestand. »Ich wollte euch nur die folgende Botschaft überbringen«, sagte ich, und meine Stimme hatte den alten knirschenden Ton angenommen. »Hört endlich auf, uns Meuchelmörder auf den Hals zu schicken! Ich habe über eure Unverschämtheit, euren Verrat und eure jämmerlichen Attentatsversuche hinweggesehen. Doch meine Geduld ist nicht grenzenlos.« Ich deutete mit dem Kopf auf die Tür. »Die Burschen wurden von jemandem geschickt, der zweifellos unter euren Aufmerksamkeiten zu leiden hatte.«

Licria schaute auf. »Die Königin?« flüsterte sie.

Ich musterte sie und bemerkte, daß ihr Make-up sich auflöste.

»Wohl kaum. Sie hat andere Methoden, um euch in Schach zu halten.«

Das machte sie wütend. Das Blut schoß ihr ins Gesicht, sicher auch eine verspätete Reaktion auf den Schrecken. Sie hob arrogant den Kopf und öffnete den Mund, doch ich schnitt ihr sofort das Wort ab. »Ich habe dir schon einmal das Leben gerettet. Oder hast du das vergessen?«

Sie schaute zu mir auf. Dann erhob sie sich vom Sofa und stand nun wieder sicherer auf den Beinen. »Nein, das habe ich nicht vergessen«, sagte sie leise und beinahe fragend. »Und falls deine Worte der Wahrheit entsprechen, hast du mich ein zweites Mal gerettet.« Sie starrte mich an. »Ich hatte nur nicht erkannt, was für ein Mann du bist.«

Schian wollte etwas sagen, doch sie fauchte: »Sei still, Ge-fu!« Sie schaute mich unverwandt an. Die verlaufene Schminke verunstaltete ihr Gesicht, doch dessen war sie sich nicht bewußt. Diesen Frauenblick kannte ich. Und er verheißt immer Probleme, bei Krun!

»Es ist alles gesagt. Laßt uns in Ruhe. Remberee.« Ich ging auf den Geheimgang zu.

»Warte ...« rief sie.

»Ich werde den Gang zumauern lassen, bei Hlo-Hli!« fauchte Schian.

»Es ist sinnlos, Prinzessin«, sagte ich hart. »Sinnlos.« Ich bückte mich, betrat den Geheimgang und marschierte eilig los. Sehr eilig, bei Vox! Es war durchaus möglich, daß Schian mir seine Wachen hinterherjagte; es entsprach seinem Wesen. Natürlich hatte er nicht begriffen, was sich zwischen Licria und mir abgespielt hatte. Es bestand überhaupt kein Zweifel, daß er, sollten ihre Pläne Erfolg haben, in einem mit Ketten beschwerten Sack im Fluß landen würde.

Falls der neue Meuchelmörder tatsächlich so gut war, wie Vad Valadian behauptet hatte, würde Satra Probleme bekommen. Man mußte sie warnen. Es machte keinen Unterschied, daß sie fest davon überzeugt war, selbst für ihre Sicherheit sorgen zu können, oder daß sie die Bedrohung durch Licria nicht ernst nahm. Der junge, fesche Meuchelmörder hatte einen fähigen, bedrohlichen Eindruck gemacht. Er strahlte förmlich Gefahr aus; sie umgab ihn wie eine strahlende, dunkle Aura.

Der Rückzug aus der Villa ging ohne Probleme vonstatten.

Ich will nicht wiederholen, was Delia bei meiner Rückkehr sagte. Nachdem sie sich Luft gemacht hatte, erzählte ich ihr, was geschehen war. »Vielleicht hören sie ja auf dich. Übrigens, Mevancy hat einen Freund mitgebracht.«

»So?«

»Ja. Aus Vallia. Caspar Del Vanian. Ein berühmter Künstler. Er will Königin Satras Porträt malen.«