II
»Danke für die Bewirtung.« Geralt leckte den beinernen Löffel ab und legte ihn in die leere Schüssel. »Tausend Dank, Hausherr. Und jetzt, wenn Ihr erlaubt, wollen wir zur Sache kommen.«
»Gewiss, können wir«, stimmte Brennessl bei. »Was, Dhun?«
Dhun, der Älteste vom Unteren Ort, ein gewaltiger Mann mit finsterem Blick, nickte den Mägden zu, die nahmen rasch das Geschirr vom Tisch und verließen den Versammlungsraum – zum sichtlichen Bedauern Rittersporns, der seit Beginn des Essens die Augen nach ihnen verdreht und sie mit nicht eben erlesenen Scherzen zum Kichern gebracht hatte.
»Ich höre also«, sagte Geralt und schaute aus dem Fenster, durch das Beilhiebe und Sägegeräusche erklangen. Auf dem Hofe waren irgendwelche Holzarbeiten im Gange, der kräftige Harzgeruch drang bis in die Stube. »Sagt, womit ich Euch hier dienen kann.«
Brennessl blickte Dhun an. Der Ortsälteste nickte, räusperte sich.
»Nun ja, es ist so«, sagte er. »Wir haben hier so ein Feld . . .«
Geralt stieß unterm Tisch Rittersporn an, der schon zu einem boshaften Kommentar ansetzte.
»Ein Feld«, fuhr Dhun fort. »Richtig so, Brennessl? Das Feld hat lange Zeit brachgelegen, aber wir pflügen es und pflanzen dort Hanf, Hopfen und Flachs. Ein ganzes Ende Feld, sag ich Euch. Reicht bis an den Wald . . .«
»Und?« Der Dichter hielt es nicht aus. »Was ist mit dem Feld?«
»Nun ja«, Dhun hob den Kopf, kratzte sich hinterm Ohr. »Nun ja, da treibt ein Teufel sein Unwesen.«
»Was?«, platzte Rittersporn heraus. »Wie bitte?«
»Ich sag’s doch. Ein Teufel.«
»Es gibt keine Teufel!«
»Halt dich raus, Rittersporn«, sagte Geralt mit ruhiger Stimme. »Und Ihr redet weiter, Herr Dhun.«
»Ich sag doch: ein Teufel.«
»Das weiß ich schon.« Wenn er wollte, brachte Geralt grenzenlose Geduld auf. »Sagt, wie er aussieht, wo er herkommt, wobei er Euch stört. Der Reihe nach, wenn’s recht ist.«
»Nun ja.« Dhun hob die knorrige Hand und zählte mit großer Mühe mit, indem er einen Finger nach dem anderen umbog. »Der Reihe nach, fürwahr, ein kluger Mann seid Ihr. Also nun ja. Aussehen tut er, Herr, wie ein Teufel, ein Teufel, wie er im Buche steht. Wo er herkommt? Nun ja, nirgendwoher. Krach-bumm, und wie wir hinschauen: ein Teufel. Und stören tut er uns eigentlich nicht besonders. Kommt sogar vor, dass er hilft.«
»Er hilft?« Rittersporn lachte laut auf, während er versuchte, eine Fliege aus dem Bier zu fischen. »Der Teufel?«
»Halt dich raus, Rittersporn. Redet weiter, Herr Dhun. Auf welche Weise hilft Euch dieser, wie Ihr sagt . . .«
»Teufel«, wiederholte der Bauer nachdrücklich. »Nun ja, er hilft so: Den Boden düngt er, lockert die Erde auf, rottet Maulwürfe aus, verscheucht Vögel, bewacht weiße und Runkelrüben. Und wenn eine Raupe übern Kohl kriecht, frisst er sie auf. Den Kohl frisst er aber auch auf. Er frisst überhaupt alles. Eben ein Teufel.«
Rittersporn lachte abermals auf, worauf er mit den Fingern die biernasse Fliege nach dem Kater schnippte, der am Kamin schlief. Der Kater öffnete ein Auge und sah den Dichter vorwurfsvoll an.
»Ihr seid jedenfalls«, sagte der Hexer ruhig, »willens, mich zu bezahlen, dass Ihr diesen Teufel loswerdet, oder? Mit anderen Worten, Ihr wollt ihn nicht in der Gegend haben?«
»Ja wer« – Dhun blickte ihn finster an – »will schon einen Teufel auf dem Lande seiner Väter haben? Uns gehört dieser Boden von alters her, der König hat ihn uns verliehen, und kein Teufel hat drauf was zu schaffen. Wir pfeifen auf seine Hilfe, haben wir selber etwa keine Hände? Und das, Herr Hexer, ist gar kein Teufel, sondern ein boshaftes Vieh, und im Kopfe hat es, mit Verlaub, so einen Scheiß, dass man’s schwer erträgt. Man weiß frühmorgens nicht, was ihm abends in den Sinn kommt. Mal, Herr, macht er in den Brunnen, mal rennt er einem Mädchen nach, erschreckt sie, droht, dass er sie vögelt. Er stiehlt, Herr, was nicht niet- und nagelfest ist. Oder er macht’s kaputt und verdirbt’s, belästigt einen, an den Dämmen buddelt er, gräbt Löcher wie eine Bisamratte oder ein Biber, aus einem Teich ist zu guter Letzt das Wasser abgelaufen, und die Karpfen sind hinüber. Im Heuschober hat er Pfeife geraucht, der Hundesohn, das ganze Heu abgefackelt . . .«
»Ich verstehe«, unterbrach ihn Geralt. »Er richtet also doch Schaden an.«
»Nein.« Dhun schüttelte den Kopf. »Keinen Schaden. Spielt bloß Streiche, sozusagen.«
Rittersporn wandte sich zum Fenster und verbiss sich das Lachen. Der Hexer schwieg.
»Ach, was gibt’s da zu reden«, ließ sich der bislang schweigsame Brennessl vernehmen. »Ihr seid doch Hexer, nicht wahr? Dann schafft mit diesem Teufel Ordnung. Ihr habt im Oberen Ort Arbeit gesucht, ich hab’s selber gehört. Hier habt Ihr Arbeit. Wir bezahlen den Preis. Aber merkt auf, wir wollen nicht, dass Ihr den Teufel umbringt. Also das nicht.«
Der Hexer hob den Kopf und lächelte böse. »Interessant«, sagte er. »Ich würde sagen, nicht alltäglich.«
»Was?« Dhun runzelte die Stirn.
»Die Bedingung ist nicht alltäglich. Woher diese Barmherzigkeit?«
»Man darf ihn nicht töten« – Dhun runzelte noch stärker die Stirn –, »denn in diesem Tal . . .«
»Man darf nicht, und fertig«, fiel ihm Brennessl ins Wort. »Fangt ihn nur, Herr, oder verjagt ihn über alle Berge. Und bei der Bezahlung sollt Ihr nicht zu kurz kommen.«
Der Hexer schwieg und lächelte noch immer.
»Schlagt Ihr ein?«, fragte Dhun.
»Zuerst möchte ich ihn mir ansehen, diesen euren Teufel.«
Die Bauern wechselten Blicke.
»Ist recht«, sagte Brennessl, worauf er aufstand. »Wie Ihr wollt. Nachts tobt der Teufel in der ganzen Gegend, am Tage sitzt er irgendwo im Hanf. Oder zwischen den alten Weiden im Morast. Dort könnt Ihr ihn Euch ansehen. Wir werden Euch nicht drängen. Wollt Ihr Euch ausruhn, dann tut es, so lange es Euch beliebt. An Bequemlichkeit und Essen soll’s Euch nicht mangeln, wie’s das Gastrecht verlangt. Gehabt Euch wohl.«
»Geralt.« Rittersporn sprang vom Stuhl auf, schaute in den Hof hinaus, den sich von der Hütte entfernenden Bauern nach. »Ich verstehe überhaupt nichts mehr. Es ist noch kein Tag vergangen, seit wir uns über eingebildete Ungeheuer unterhalten haben, und du lässt dich plötzlich anstellen, Teufel zu fangen. Aber dass gerade Teufel pure Phantasie sind, mythische Gestalten, weiß doch jeder, außer den ungebildeten Bauern offensichtlich. Was hat dein unerwarteter Eifer zu bedeuten? Da ich dich ein wenig kenne, setze ich voraus, dass du dich nicht dazu herablässt, uns auf diese Weise Kost und Logis zu verschaffen?«
»In der Tat.« Geralt grinste. »Anscheinend kennst du mich schon ein bisschen, Sänger.« »Dann verstehe ich’s nicht.«
»Was gibt es da zu verstehen?«
»Es gibt keine Teufel!«, schrie der Dichter und riss den Kater endgültig aus dem Schlaf. »Es gibt keine! Teufel existieren nicht, zum Teufel!«
»Stimmt.« Geralt lächelte. »Aber, Rittersporn, ich habe nie der Versuchung widerstehen können, mir etwas anzusehen, was nicht existiert.«