CERIS
Am nächsten Morgen ritt Eragon bereits eine
Weile neben Shrrgnien her, als der Zwerg ihn plötzlich fragte: »Sag
mal, haben Menschen wirklich zehn Zehen? Ich kenne mich jenseits
der Grenzen meiner kleinen Zwergenwelt ja nicht aus …«
»Natürlich haben wir zehn Zehen!«,
antwortete Eragon verwundert. Er rückte in Schneefeuers Sattel
herum, hob den rechten Fuß, zog Stiefel und Strumpf aus und
wackelte unter Shrrgniens staunendem Blick mit den Zehen. »Ihr etwa
nicht?«
Shrrgnien schüttelte den Kopf. »Nein, wir
haben an jedem Fuß sieben. So hat Helzvog uns erschaffen. Fünf sind
zu wenig und sechs ist die falsche Zahl, also sind es sieben …
Sieben ist genau richtig.« Er warf noch einen skeptischen Blick auf
Eragons Fuß, dann schloss er mit seinem Esel zu Ama und Hedin auf
und begann, auf die beiden einzureden, bis sie ihm einige
Silbermünzen gaben.
Ich war wohl gerade
Gegenstand einer Wette, stellte Eragon fest, während er den
Stiefel wieder anzog. Aus irgendeinem Grund fand Saphira das
ausgesprochen lustig.
Als die Dämmerung hereinbrach und der runde
Mond aufstieg, waren sie an einer Stelle angekommen, wo der Edda zu
nah am Rand des riesigen Waldes entlangfloss. Sie ritten in einen
schmalen Pfad hinein, der sie durch ein Dickicht von Hartriegel und
Rosensträuchern führte. Die Rosen standen in voller Blüte und
erfüllten die Abendluft mit ihrem Wohlgeruch.
Während Eragon ins dunkle Gehölz spähte,
breitete sich ein Gefühl freudiger Erwartung in ihm aus. Er wusste,
dass sie sich nun im Elfenreich befanden, ganz in der Nähe von
Ceris. Die Zügel fest im Griff, beugte er sich in Schneefeuers
Sattel vor und schaute sich neugierig um. Saphira war ebenso
aufgeregt wie er; sie war direkt über ihnen und wedelte ungeduldig
mit dem Schwanz.
Eragon kam es vor, als hätte ihre Reise sie
mitten in einen Traum hineingeführt. Alles scheint so unwirklich!
Ja. Dieser Boden ist
durchdrungen vom Zauber uralter Legenden.
Schließlich erreichten sie eine kleine
Wiese. »Wir machen hier Halt«, erklärte Arya mit gesenkter Stimme.
Sie ging weiter, bis sie allein im saftigen Gras stand, und rief in
der alten Sprache: »Tretet vor, meine Brüder! Ihr habt nichts zu
befürchten. Ich bin Arya aus Ellesméra. Meine Gefährten sind
Freunde und Verbündete. Sie wollen uns nichts Böses.« Sie sagte
noch mehr, aber Eragon konnte den Rest nicht verstehen.
Einige Minuten lang hörte man nichts außer
dem Rauschen des Flusses hinter ihnen. Dann erklang unter dem
unbewegten Blätterdach ein Satz in der Elfensprache, zu schnell und
undeutlich für Eragon. Arya antwortete: »Das tue ich.«
Ein Rascheln ertönte und dann standen wie
aus dem Nichts zwei Elfen am Waldrand und im Geäst einer knorrigen
Eiche kamen zwei weitere zum Vorschein. Die Elfen am Boden hielten
lange Speere mit weißen Spitzen in den Händen, die anderen beiden
waren mit Bogen bewaffnet. Alle vier trugen grüne und braune Wämser
und darüber fließende Umhänge, die an den Schultern mit
Elfenbeinbroschen geschlossen waren. Einer hatte ebenso schwarze
Locken wie Arya, das Haar der anderen hatte die Farbe von
Sternenlicht.
Die Bogenschützen sprangen von der Eiche
herunter und im nächsten Moment fielen alle vier Elfen Arya in die
Arme und lachten mit ihren klaren, reinen Stimmen. Wie Kinder
fassten sie einander bei den Händen und tanzten ausgelassen im
Kreis um sie herum, tollten fröhlich singend übers Gras.
Eragon schaute erstaunt zu. Arya hatte ihm
niemals Anlass zu der Vermutung gegeben, dass Elfen gerne lachten -
dass sie überhaupt lachen konnten.
Es war ein wunderbarer Laut, wie freudig trillernde Flöten und
Harfen, die von ihrem eigenen Klang verzückt waren. Er wünschte
sich, ihnen ewig lauschen zu können.
Dann rauschte Saphira heran und landete ein
Stück hinter Eragon. Als sie näher kam, stießen die Elfen
erschreckte Rufe aus und hoben ihre Waffen. Arya redete kurz
beruhigend auf sie ein und zeigte dabei zuerst auf Saphira, dann
auf Eragon. Als sie innehielt, um Luft zu holen, streifte Eragon
den Handschuh von der rechten Hand, neigte die Handfläche, sodass
die Gedwëy Ignasia das
Mondlicht einfing, und sagte das, was er vor langer Zeit zu Arya
gesagt hatte: »Eka aí Fricai un
Shur’tugal.« Ich bin ein Drachenreiter und ein Freund. Er
dachte an seine gestrige Lektion, führte die Fingerspitzen an die
Lippen und fügte hinzu: »Atra Esterní ono
thelduin.«
Die Elfen senkten die Waffen und ihre scharf
geschnittenen Züge erstrahlten freudig. Auch sie führten die
Zeigefinger an die Lippen, verneigten sich vor Saphira und Eragon
und begrüßten sie in der alten Sprache.
Schließlich richteten sie sich wieder auf,
zeigten auf die Zwerge und lachten, als teilten sie einen geheimen
Witz. Sie winkten und riefen: »Kommt, kommt!«, und rannten flink in
den Wald.
Gemeinsam mit Saphira und den vor sich hin
brummenden Zwergen folgte Eragon Arya. Sobald sie unter die Bäume
traten, tauchte das Blätterdach über ihren Köpfen sie in samtene
Dunkelheit, nur hier und da durchbrochen von kleinen
Mondlichtsplittern, die zwischen den Ästen und Blättern
hindurchschimmerten. Eragon hörte die Elfen flüstern und lachen, zu
sehen war jedoch keiner ihrer Begleiter. Ab und zu wiesen sie ihnen
mit ihren hellen Stimmen die Richtung, wenn er oder einer der
Zwerge vom Weg abzukommen drohte.
Vor ihnen zwischen den Bäumen flackerte ein
Feuer, das koboldartige Schatten über den Blätterboden huschen
ließ. Als Eragon in den Lichtkreis trat, erblickte er drei kleine
Holzhütten, die sich um den Stamm einer dicken Eiche drängten. Weit
oben im Geäst befand sich eine überdachte Plattform, von der aus
ein Späher Fluss und Wald beobachten konnte. Zwischen zwei Hütten
war eine Stange angebracht, an der gebündelte Pflanzen zum Trocknen
hingen.
Die vier Elfen holten Obst und Gemüse aus
den Hütten - Fleisch gab es nicht - und bereiteten ihren Gästen ein
Willkommensmahl zu. Bei der Arbeit summten sie fröhlich vor sich
hin und wechselten nach Lust und Laune die Melodien. Als Orik sich
nach ihren Namen erkundigte, zeigte der dunkelhaarige Elf auf sich
selbst und sagte: »Ich bin Lifaen aus dem Hause Rílvenar. Die Namen
meiner Gefährten sind Edurna, Celdin und Narí.«
Glücklich, sich endlich ausruhen zu können,
ließ Eragon sich neben Saphira nieder und schaute den Elfen zu.
Obwohl alle vier Männer waren, hatten sie große Ähnlichkeit mit
Arya. Ihre Lippen waren zart, ihre Nasen schmal und ihre großen,
schräg stehenden Augen glänzten unter sanft geschwungenen Brauen.
Auch der Rest ihres Körpers mit den zierlichen Schultern und
Gliedmaßen fügte sich ins elegante Bild. Sie alle waren schöner und
anmutiger als jeder Mann, den Eragon je gesehen hatte, wenn auch
auf eine ungewöhnliche, exotische Art.
Wer hätte je gedacht,
dass ich eines Tages die Heimat der Elfen besuchen
würde?, dachte Eragon. Die Wärme des Feuers machte ihn
schläfrig. Über ihm wanderten Saphiras blaue Augen unermüdlich hin
und her und folgten jeder Bewegung der Elfen.
In diesem Volk steckt
mehr Magie als in den Menschen oder den Zwergen, stellte
sie nach einer Weile fest. Es fühlt sich
nicht so an, als ob sie aus der Erde oder aus dem Stein kämen. Eher
so, als stammten sie aus einer anderen Welt und wären halb hier und
halb dort, wie Spiegelbilder hinter einem
Wasserschleier.
Sie sind jedenfalls
sehr schön und anmutig, entgegnete Eragon. Die Elfen bewegten
sich wie Tänzer. Alles, was sie taten, sah fließend und geschmeidig
aus.
Schließlich war das Essen fertig. Man
reichte es ihnen auf geschnitzten Tellern, die sich anfühlten, als
wären sie aus schweren Knochen gefertigt, obwohl unter den Blumen
und Weinranken, die die Ränder zierten, eine Holzmaserung
hindurchschimmerte. Eragon reichte man zusätzlich noch einen mit
Stachelbeerwein gefüllten Krug, der aus demselben sonderbaren
Material bestand. Ein eingeschnitzter Drache rankte sich um den
Griff des Gefäßes.
Während sie aßen, holte Lifaen eine
Riedgrasflöte hervor und begann, mit flinken Fingern eine
schmeichelnde Melodie zu spielen. Dann erhob Narí, der größte der
silberhaarigen Elfen, die Stimme und sang:
O!
Der Tag ist gegangen, der Mond blickt von ferne,
Das Dunkel der Nacht voll funkelnder Sterne!
Lacht Sorgen und Feindschaft und Trübsal hinfort,
Gesegnet ist der, der bei Menoa lernte!
Der Tag ist gegangen, der Mond blickt von ferne,
Das Dunkel der Nacht voll funkelnder Sterne!
Lacht Sorgen und Feindschaft und Trübsal hinfort,
Gesegnet ist der, der bei Menoa lernte!
Ein Waldkind, einst
verloren gegangen,
Die Tochter des Baumes im Unheil gefangen!
Furchtlos und stolz in goldenen Flammen,
Der Reiter, zum Glück, hat den Schatten bezwungen!
Die Tochter des Baumes im Unheil gefangen!
Furchtlos und stolz in goldenen Flammen,
Der Reiter, zum Glück, hat den Schatten bezwungen!
Seht her, der Drache, er
breitet die Schwingen,
Der Stolz aller Lüfte wird Frieden uns bringen!
Scharfes Schwert und starker Arm,
Willkommen seist du, Argetlam!
Der Stolz aller Lüfte wird Frieden uns bringen!
Scharfes Schwert und starker Arm,
Willkommen seist du, Argetlam!
O!
Der Wind, der flüsternd durchs Blätterwerk streift,
Ein leises Säuseln, das Frohes verheißt.
Lacht Sorgen und Feindschaft und Trübsal hinfort,
Die Stunde ist da, die Hoffnung, sie reift!
Der Wind, der flüsternd durchs Blätterwerk streift,
Ein leises Säuseln, das Frohes verheißt.
Lacht Sorgen und Feindschaft und Trübsal hinfort,
Die Stunde ist da, die Hoffnung, sie reift!
Als Narí verstummte, seufzte Eragon
ergriffen. Erst jetzt merkte er, dass er den Atem angehalten hatte.
Noch nie hatte er einen so schönen Gesang gehört. Es kam ihm vor,
als hätte die Stimme sein Innerstes, seine Seele, berührt. »Das war
unglaublich, Narí-Vodhr.«
»Eine unfertige Komposition, Argetlam«,
antwortete Narí bescheiden. »Aber sei dennoch bedankt.«
Thorv grunzte. »Sehr hübsch, Meister Elf.
Doch es gibt wichtigere Dinge, denen wir uns widmen müssen. Sollen
wir Eragon von hier aus weiterbegleiten?«
»Nein«, erwiderte Arya hastig, was ihr
verwunderte Blicke der anderen Elfen eintrug. »Ihr könnt morgen
früh nach Hause zurückkehren. Wir werden dafür Sorge tragen, dass
Eragon Ellesméra erreicht.«
Der Zwerg senkte den Blick. »Dann ist unser
Auftrag ausgeführt.«
Eragon lag auf der Schlafstatt, die ihm die
Elfen hergerichtet hatten, und bemühte sich, Aryas Worte zu
verstehen, die aus einer der Hütten herübertrieben. Obwohl sie
viele ihm unbekannte Ausdrücke aus der alten Sprache benutzte,
verstand er, dass sie ihren Gastgebern schilderte, wie sie Saphiras
Ei verloren hatte und was seitdem geschehen war. Als sie ihren
Bericht beendete, trat Stille ein. Schließlich sagte einer der
Elfen: »Es ist gut, dass du zurückgekehrt bist, Arya Dröttningu.
Der Schmerz darüber, dass du in Gefangenschaft geraten warst und
das Ei gestohlen wurde - von Urgals! -, hat Islanzadi in tiefe
Trauer gestürzt. Ihr Herz hat gelitten und es leidet noch
immer.«
»Leise, Edurna… leise«, wies ihn ein anderer
Elf zurecht. »Dvergar sind zwar
klein, aber sie haben scharfe Ohren und werden Hrothgar bestimmt
Bericht erstatten.«
Ab da senkten sie ihre Stimmen, sodass
Eragon nichts mehr verstand. Während ihn langsam der Schlaf
überwältigte, verschmolz das Stimmengemurmel mit dem
Blätterrauschen, und in seinen Träumen erklang wieder und wieder
das Lied des Elfen.
Ein berauschender Waldduft umfing Eragon,
als er im Morgengrauen erwachte und sich in Du Weldenvarden
wiederfand. Über ihm schwebte ein dichtes, im leichten Wind hin und
her wogendes Blätterdach. Die Stämme, die dieses Dach trugen, hatte
knorrige, verschlungene Wurzeln, die sich tief in den trockenen,
kahlen Erdboden gruben. Nur Moos, Flechten und kleinere Sträucher
wuchsen im ewigen tiefgrünen Schatten dieser Wälder. Da es nur
wenig Unterholz gab, konnte man zwischen den wuchtigen Stämmen den
Blick weit umherschweifen lassen und ungehindert herumlaufen.
Als Eragon aufstand, sah er, dass Thorv und
seine Gefährten bereits für die Abreise gerüstet waren. Aryas und
Oriks Reittiere waren an Ekksvars Esel festgebunden. Eragon trat
auf Thorv zu und sagte: »Vielen Dank euch allen, dass ihr mich und
Saphira begleitet habt. Bitte richtet auch Ûndin meinen Dank
aus!«
Thorv klopfte sich mit der Faust auf die
Brust. »Ich werde es ihm ausrichten.« Er zögerte und schaute zu den
Hütten zurück. »Die Elfen sind ein merkwürdiges Volk, voller Licht
und Schatten. Morgens trinken sie mit dir und abends erdolchen sie
dich. Achte darauf, immer eine Wand im Rücken zu haben,
Schattentöter! Sie sind launische Burschen, diese Elfen.«
»Ich werd’s mir merken.«
»Hmm.« Thorv zeigte in Richtung Fluss. »Sie
wollen mit Kanus den Eldor-See überqueren. Was willst du mit deinem
Pferd machen? Wir könnten es nach Tarnag zurückbringen und von dort
aus weiter nach Tronjheim.«
»Kanus«, rief Eragon unglücklich. Er hatte
eigentlich Schneefeuer nach Ellesméra mitnehmen wollen. Ein Pferd
dabeizuhaben, war nützlich, besonders an Orten, die zu beengt für
einen Drachen waren. Er zupfte an seinem Bartflaum. »Das ist ein
sehr freundliches Angebot. Kannst du darauf achten, dass
Schneefeuer immer gut versorgt ist? Ich würde es nicht ertragen,
wenn ihm etwas zustieße.«
»Bei meiner Ehre«, schwor Thorv. »Wenn du
zurückkehrst, wirst du deinen Hengst wohlgenährt und geschmeidiger
denn je vorfinden.«
Eragon holte Schneefeuer und gab Ross,
Sattel und Zaumzeug in Thorvs Obhut. Dann verabschiedete er sich
von jedem Einzelnen der Zwergenkrieger. Gemeinsam mit Saphira und
Orik sah er den kleinwüchsigen Männern nach, während sie den Pfad
zurückgingen, der sie gestern hergeführt hatte.
Nachdem er sein Gepäck aus der Hütte geholt
hatte, folgte Eragon den Elfen durch ein Dickicht zum Flussufer, wo
zwei weiße Kanus warteten, deren Außenwände prächtige Schnitzereien
zierten.
Eragon sprang in das erste Gefährt und
verstaute sein Gepäck unter den Füßen. Das geringe Gewicht des
Kanus verblüffte ihn: Er hätte es mit einer Hand hochheben können.
Noch erstaunlicher war, dass die Rümpfe der beiden Boote offenbar
aus einem einzigen durchgehenden Stück Birkenrinde bestanden.
Neugierig strich er über die Bordwand. Die Rinde war hart und
straff wie gespanntes Pergament und kühl wie das Wasser, das sie
umgab. Er klopfte dagegen. Die faserige Hülle vibrierte wie ein
Trommelfell.
»Sind alle eure Boote so?«, erkundigte er
sich.
»Alle bis auf die größten«, antwortete Narí
und ließ sich im Bug von Eragons Kanu nieder. »Um sie herzustellen,
singen wir nur zu den edelsten Zedern und Eichen.«
Bevor Eragon fragen konnte, was Narí damit
meinte, stieg Orik zu ihnen ins Boot, während Arya und Lifaen das
zweite Kanu nahmen. Arya wandte sich zu Edurna und Celdin um, die
am Ufer geblieben waren, und sagte: »Behaltet diese Stelle im Auge!
Niemand soll uns folgen. Erzählt keinem, dass wir hier sind! Die
Königin soll es als Erste erfahren. Wenn wir in Sílthrim sind,
schicke ich euch Verstärkung.«
»Arya Dröttningu.«
»Mögen die Sterne über euch wachen!«,
erwiderte sie.
Narí und Lifaen beugten sich vor und zogen
zehn Fuß lange, hakenversehene Stangen aus den Booten, mit denen
sie stromaufwärts stakten. Hinter ihnen landete Saphira im Wasser
und zog sich mit ihren Klauen durchs Flussbett, bis sie auf
gleicher Höhe mit den Kanus war. Als Eragon ihr einen Blick zuwarf,
blinzelte sie schelmisch und tauchte unter, sodass der Fluss sich
sprudelnd über ihrem zackengekrönten Rücken schloss. Die Elfen
lachten und machten ihr Komplimente für ihre Größe und Kraft.
Nach einer Stunde erreichten sie den
Eldor-See, dessen Oberfläche von kleinen, jähen Wellen gekräuselt
wurde. Vor dem dichten Gehölz am Westufer tanzten Schwärme von
Vögeln und Insekten, während das Ostufer zu einer Steppenlandschaft
anstieg, in der Rotwild und Gazellen umherstreiften.
Als die Flussströmung erstarb, verstauten
Narí und Lifaen die Stangen und verteilten blattförmige Paddel.
Orik und Arya wussten, wie man ein Kanu steuerte, aber Eragon
musste es sich von Narí erklären lassen. »Man fährt immer auf die
Seite zu, auf der man paddelt«, sagte der Elf. »Wenn ich also
rechts paddle und Orik links, musst du es abwechselnd auf der einen
und auf der anderen Seite tun, sonst kommen wir vom Kurs ab.« Im
Sonnenlicht schimmerte Narís Haar wie feiner Silberdraht.
Eragon lernte schnell, und bald beherrschte
er das Paddeln, ohne dabei nachdenken zu müssen, sodass nichts ihn
vom Tagträumen abhielt. Langsam glitten sie durch das kühle Wasser
des Sees, während er hinter seinen geschlossenen Augen fantastische
Welten durchstreifte. Als er das Paddel ablegte, um seinen Armen
eine Ruhepause zu gönnen, nahm er einmal mehr Oriks Spielring vom
Gürtel und versuchte, die widerspenstigen Goldreifen in die
richtige Anordnung zu bringen.
Narí beobachtete Eragon. »Darf ich
mal?«
Eragon reichte dem Elfen den Ring. Narí
wandte Eragon den Rücken zu. Ein paar kurze Augenblicke lang
steuerten Orik und Eragon das Kanu allein, während Narí sich an den
ineinander verschlungenen Goldreifen zu schaffen machte. Dann hob
der Elf mit einem zufriedenen Ausruf die Hand und an seinem
Mittelfinger blitzte der fertige Ring. »Ein wunderbares Spiel«,
bemerkte Narí. Er nahm den Ring ab und schüttelte ihn, sodass die
Reifen wieder so verschlungen waren wie zuvor, bevor er ihn Eragon
zurückgab.
»Wie hast du das gemacht?«, wollte Eragon
wissen. Dass Narí das Rätsel mit solcher Leichtigkeit gelöst hatte,
ärgerte ihn und machte ihn neidisch. »Nein... verrate es mir nicht!
Ich möchte es selbst herausfinden.«
»Natürlich«, sagte Narí lächelnd.