SOMMER

36

Eleanor saß allein im Café des Einkaufszentrums, nippte an einem Mineralwasser und sah der Urlaubermenge zu. Es war das Wochenende des vierten Juli, und die Läden waren brechend voll. Das Café lag in einer Ecke neben den Fahrstühlen, und an den Tresen wurden alle erdenklichen Arten von Essen angeboten. Im Raum verteilt standen Kübel mit künstlichen Pflanzen, und die Tische waren aus schlichtem, weißem Plastik, jeweils mit eigenem blau-weißem Schirm, dessen Zweck Eleanor nicht recht einleuchtete, da man das Einkaufszentrum gegen alle Einflüsse der Außenwelt abgeschottet hatte.

Am nächsten Tisch saß eine Gruppe junger Mädchen, die Make-up und soeben erstandenen Nagellack ausprobierten. Gelegentlich brachen sie in kreischendes Gelächter aus und riefen etwas zu jemandem hinüber, den sie gerade im Fahrstuhl entdeckt hatten. Zweimal waren sie bereits von der Kellnerin ermahnt worden, doch leiser zu sein. An einem anderen Tisch fütterte ein junges Paar zwei identisch aussehende blonde Babys, die zufrieden in dem schönsten Zwillingskinderwagen saßen, den Eleanor je gesehen hatte.

Sie schaute auf die Uhr. Er war bereits zehn Minuten zu spät dran. Vielleicht fand er nicht gleich her, schließlich hatte er Einkaufszentren schon immer gehasst; doch bei seinem Anruf war ihr kein anderer Treffpunkt eingefallen. Das Café lag direkt gegenüber der Wohnung, die sie sich gemietet hatte.

Der Gedanke, Buck nach all diesen Wochen wiederzutreffen, machte sie eher traurig als nervös. Zuletzt hatten sie sich am Abend nach dem Schuss an der Wolfshöhle im Krankenhaus gesehen, als die Ärzte verzweifelt um Lukes Leben kämpften. Damals hatte Eleanor Buck nicht ansehen, geschweige denn mit ihm reden können, doch heute würde das anders sein.

Als er angerufen hatte, war seine Stimme so verändert gewesen, dass sie ihn erst erkannte, als er ihr seinen Namen nannte. Wie seltsam, dachte sie, dass sie nach all den Ehejahren nicht wusste, wer da am Telefon war.

Endlich entdeckte sie ihn am Ende der Passage. Er kam mit leicht gesenktem Kopf, das Gesicht halb vom Hutrand verdeckt, der Gang unsicher, linkisch beinahe, als gehörte er nicht hierher, auf sie zu. Er trug ein hellblaues Hemd mit Druckknöpfen und dazu viel zu weite schwarze Jeans. Erst jetzt fiel ihr auf, wie hager er geworden war.

Die Mädchen am Nachbartisch hatten ihre Rechnung bezahlt und stürmten aus dem Café. Eines von ihnen stieß mit Buck zusammen. Er geriet ins Wanken, und einen Augenblick sah es aus, als würde er hinfallen. Das Mädchen entschuldigte sich und wurde rasch von den Freundinnen fortgezogen.

Buck blieb am Eingang zum Café stehen, rückte seinen Hut zurecht und blickte suchend umher. Sie musste winken, damit er sie sah.

»Tut mir leid, dass ich zu spät komme«, sagte er zur Begrüßung. »Die ganzen Eingänge hier haben mich ein bisschen verwirrt.«

Eleanor lächelte. »Macht nichts.«

Er setzte sich. Als die Kellnerin kam, bestellte Buck sich einen Kaffee und fragte Eleanor, was sie wolle, doch sie erwiderte, sie habe ihr Mineralwasser noch nicht ausgetrunken. Nachdem die Kellnerin gegangen war, saßen sie einige Augenblicke schweigend da. Sie schienen beide nicht so recht zu wissen, was sie sagen sollten.

»Du fliegst morgen?«, fragte er schließlich.

»Nein, am Montag.«

»Montag, aha. Nach London?«

»Über Chicago.«

»Und dann …«

»Wir bleiben eine Woche in Irland, fliegen weiter nach Paris und Rom, anschließend wieder für einige Tage nach London und dann zurück nach Hause.«

»Ganz schön weit.«

Eleanor lächelte. »Du weißt doch, dass ich schon immer mal verreisen wollte.«

»Ja.«

»Ich glaube, Lane freut sich riesig.«

»Ja, sie hat es mir erzählt. Schön, dass ihr beide ein bisschen Zeit füreinander habt.«

»Ja.«

Die Kellnerin brachte den Kaffee. Buck starrte in seine Tasse und rührte lange sinnlos darin herum, weil er seinen Kaffee immer schwarz und ohne Zucker trank. Dabei hatte sie Zeit, ihren Mann genauer zu betrachten. Er sah ziemlich mitgenommen aus. An seinem Kinn entdeckte sie graue Stoppeln, die er beim Rasieren übersehen hatte. Sein Hemd war ungebügelt.

»Lane hat mir erzählt, dass du dir unten in Bozeman ein schönes Haus kaufen willst.«

»Ja, es ist wirklich hübsch. Ziemlich klein, weißt du, aber ich brauche auch nichts Großes.«

»Stimmt.«

»Weißt du, dass Ruth nach Santa Fe zieht?«

Er nickte. »Ja, das hab ich gehört.«

Wieder schwiegen sie. Die Musik im Einkaufszentrum wurde leiser, und gleich darauf folgte die Ansage, dass sich ein kleiner Junge verlaufen hatte. Man erklärte den Eltern, wo sie ihren Jungen abholen konnten.

»Weißt du, Eleanor, das mit Ruth und mir, das war nie …«

»Nicht, Buck. Es ist vorbei.«

»Ja, aber …«

»Es ist alles vorbei.«

Er nickte und starrte weiter in seinen Kaffee. Er rührte erneut darin herum.

»Tja«, sagte er.

»Wie geht’s auf der Ranch?«

»Ziemlich gut. Ich überlasse jetzt Kathy viel Arbeit.«

»Das hat sie mir erzählt.«

»Ein tolles Mädchen. Und als Rancher weit besser, als Clyde es je sein wird.«

»Der lernt’s auch noch.«

»Möglich.«

»Der kleine Buck wächst so schnell.«

Buck lachte. »Ja, der macht sich prima. Noch ein, zwei Jahre, dann schmeißt er den ganzen Laden.«

Er nippte zum ersten Mal an seinem Kaffee. Eleanor fragte ihn, ob er schon wisse, wann sein Prozess beginne.

»Wahrscheinlich im September. Hat Kathy dir von Clyde erzählt?«

Eleanor nickte. Man hatte seine Fingerabdrücke auf dieser grässlichen Wolfsschlinge gefunden, doch da Buck sich in allen Punkten schuldig bekannte, sah man bei Clyde von einer Anklage ab. Eleanor wusste, dass Kathy es sich nie verzeihen würde, ihm gezeigt zu haben, wie die Falle funktionierte.

»Hast du schon eine Ahnung, welche Strafe dich erwartet?«

»Neun Monate, ein Jahr, vielleicht auch mehr. Ehrlich gesagt, ist es mir eigentlich egal.«

»Ach, Buck.«

Am liebsten hätte sie die Hand nach der seinen ausgestreckt, ließ es aber bleiben, als sie sah, wie er gegen die Tränen ankämpfte. Eigentlich ist er schon genug bestraft, dachte sie.

»Wenn ich an Luke denke, dann …«

»Bitte nicht, Buck.«

»Nein, ich weiß.«

Er holte tief Luft, hielt sie einen Augenblick an und stieß sie langsam wieder aus. Dann blickte er sich schniefend um und lächelte gequält. »Was soll’s? Abes Jungen sagen, drinnen ist es wie im Sommercamp. Dem Alten geht’s offenbar so gut wie nie zuvor.«

Eleanor lächelte. Das junge Pärchen mit den Zwillingen stand auf. Sie beobachtete Bucks Gesicht, als er die Babys betrachtete. Eines der kleinen Mädchen lächelte ihn an, und Buck traten erneut die Tränen in die Augen. Eleanor wartete, bis er sich gefasst hatte. Endlich konnte er sie wieder ansehen.

»Ich wollte dir bloß sagen … Es tut mir leid, Eleanor, es tut mir so unendlich leid.«

 

Als sie so weit hinauf in die Berge gefahren waren, wie es mit dem Wagen möglich war, zeigte sich ein schmaler, rosiger Streifen am östlichen Himmel. Zwei Stunden zuvor hatte Hope wie eine Geisterstadt gewirkt. Als sie über den Fluss gefahren waren, hatte Helen zur Kirche hinübergeschaut und an jenen Tag vor beinahe einem Jahr gedacht, an dem Dan ihr von dem Weg aus Wolfsschädeln erzählt hatte.

Diesmal sagte er kein Wort, und auch Helen blieb stumm. Die einzigen Augen, die sie beobachteten, als sie über die Hauptstraße fuhren, gehörten einer schwarzen Katze, die im Licht ihrer Scheinwerfer stehenblieb, sie kurz musterte und dann eilig über die Straße davonlief.

Der Lieferwagen, den sie sich gemietet hatten, war dunkelgrün. Schlammspritzer auf dem Lack zeugten von ihrem nächtlichen Ausflug. Wenn sie fertig waren, würden sie mit dem Wagen zur Hütte fahren, damit Dan alles einladen konnte, was Helen nicht mitnehmen wollte. Am Abend würde die Hütte dann wieder so leer sein wie vor ihrem Einzug. Dann konnten die Mäuse und andere Tiere sie von neuem in Besitz nehmen.

Der Weg war ziemlich holprig. Helen konnte das leise Klappern der Käfige hinten auf der Ladefläche hören. Seit ihr Luke die erste Wolfshöhle gezeigt hatte, war sie nicht mehr so weit oben in den Bergen gewesen. Sie musste an sein staubiges Gesicht denken, als er herausgekrochen gekommen war und ihr gesagt hatte, dass dort unten der ideale Ort zum Sterben sei.

»Ich schätze, viel weiter werden wir nicht kommen«, sagte Dan.

»Dieser Platz hier ist genauso gut wie irgendein anderer.«

»Also schön.«

Unkraut und Blumen überwucherten den Weg, der sich auf einem schmalen, nach Osten steil in eine enge, geröllübersäte Schlucht abfallenden Felsplateau zu verlieren schien. Weiter unten konnte Helen im ersten Dämmerlicht eine Wiese voller Blumen und dahinter das weiße Glitzern eines noch von der Schneeschmelze angeschwollenen Bachs erkennen.

Dan wendete den Lieferwagen, so dass die Rückseite zum oberen Ende der Schlucht wies. Dann stellte er den Motor ab und schaute sie an.

»Alles in Ordnung?«

»Ja.«

»Ganz so wie früher, oder? Prior und Ross, das Alpha-Team.«

Sie lächelte. »Was hast du jetzt vor?«, fragte sie.

»Mit meinem Leben? Keine Ahnung. Mir einen vernünftigen Job besorgen, denke ich. Meine Mom hat immer gesagt, ich soll ›mit Leuten arbeiten‹, und ich hab immer geantwortet, gut, dann werde ich eben Leichenbeschauer.«

»Mir scheint, deine Witze waren früher auch nicht viel besser als heute.«

»Tja, könnte schon sein.«

Einen Tag, nachdem auf Luke geschossen worden war, hatte Dan seine Kündigung eingereicht. Man hatte ihn zwar gebeten zu bleiben, und immer wieder betont, dass ihn keine Schuld treffe, aber er hatte gesagt, er habe genug; er sei »fertig mit den Wölfen«, aber damit einverstanden, noch so lange zu bleiben, bis ein Nachfolger für ihn gefunden sei. Der Neue sollte nächsten Monat anfangen.

»Wahrscheinlich bleib ich in dieser Gegend, bis Ginny mit der Highschool fertig ist, aber dann werde ich wohl woanders hinziehen.«

Sie schwiegen einen Augenblick. Dan starrte zum Himmel hinauf.

»Es wird hell. Bringen wir’s hinter uns. Bist du soweit?«

»Ja.«

Sie stiegen aus und gingen zur Rückseite des Lieferwagens. Helen hielt die Taschenlampe, so dass Dan das Vorhängeschloss an den Hecktüren aufschließen konnte. Dann zog er den Riegel zurück und stieß die Türen weit auf.

Sie nahmen die Plane von den beiden im Licht der Taschenlampe glänzenden Aluminiumkäfigen. Sie hatten Ähnlichkeit mit jenen, in denen die Yellowstone-Wölfe aus Kanada geholt worden waren: Kisten mit Luftlöchern, etwa eins zwanzig lang und neunzig Zentimeter hoch, mit einer Schiebetür vorn. An den Längsseiten waren Tragestangen angebracht.

»Ich hoffe, man hat den beiden hier gesagt, was in dieser Gegend mit Wölfen passiert«, sagte Dan.

»Ich dachte, das sind vegetarische Wölfe.«

»Sind sie auch, aber vielleicht kommen sie ja noch auf den Geschmack.«

Helen würde nicht fragen, wo sie herkamen. Dan hatte sich um alles gekümmert. Sie wusste nur, dass es sich um ein Alpha-Pärchen handelte, ohne Kennzeichnung, ohne Halsband und ohne nachweisbare Herkunft. Kurz vor Mitternacht hatte sie die Tiere mit Dan in einer menschenleeren Gegend knapp zehn Meilen südlich der kanadischen Grenze abgeholt. Es war niemand zu sehen gewesen, nur die Kisten hatten dort gestanden, mit der Plane und einigen Ästen zugedeckt.

Helen stellte sich hinter die erste Kiste und griff nach den Tragestangen.

»Fertig?«

»Ja.«

»Eins, zwei, drei und hoch damit.«

Sie stellten sie oben auf den Hang und setzten die andere daneben ab. Dann entfernten sie die Schlösser und öffneten beide Schiebetüren. Dahinter befand sich jeweils noch eine zweite Tür aus senkrechten Stäben, durch die sie zwei gelbe Augenpaare misstrauisch beobachteten.

»Guten Morgen, ihr beiden«, sagte Dan. »Es ist vier Uhr früh, dies ist der Weckdienst.« Er schaute Helen an. »Einer nach dem anderen oder beide zusammen?«

»Beide zusammen.«

Sie zählten bis drei und öffneten dann die innere Tür. Einen Moment lang passierte gar nichts. Doch dann schossen die Wölfe wie Raketen aus den Käfigen. Sie landeten auf einem Geröllfeld und jagten gleich weiter die Schlucht hinab. Sie waren grau wie der schattige Fels, über den sie rannten.

»Sieht aus, als hätte die Wirkung des Beruhigungsmittels nachgelassen«, sagte Dan.

Auf halbem Weg die Schlucht hinunter blieben sie stehen und schienen noch einmal zum Lieferwagen zurückzuschauen. Helen begann zu schluchzen.

Dan ging zu ihr und nahm sie in den Arm.

»He, komm schon. Ist doch alles in Ordnung.«

»Ich weiß, ich weiß, tut mir leid.«

Als sie die Tränen weggewischt hatte und den Blick hob, waren die Wölfe verschwunden.

 

Der Himmel war strahlend blau und wolkenlos, und die Sonne trocknete den Tau von den Frühlingsblumen am Hang, als sie vor der Hütte hielten. Buzz kam ihnen entgegengestürmt und bellte laut, da er den Lieferwagen nicht kannte. Als Helen schließlich ausstieg, sprang er um sie herum und wedelte mit dem Schwanz, als wollte er sich bei ihr entschuldigen. Aus der Hütte roch es nach Frühstück.

Luke stand in der Tür.

Er lächelte und blinzelte mit dem gesunden Auge in die Sonne. Der Anblick der schwarzen Klappe über dem anderen Auge war für Helen immer noch ein Schock, doch würde sie sie bestimmt bald ganz flott und verwegen finden.

Er sah, dass sie geweint hatte, ging ihnen entgegen und nahm sie beide in die Arme. So standen sie eine Weile zu dritt da, die Köpfe in stummer Zwiesprache gesenkt, während Buzz um sie herumtollte.

Die Kugel hatte Lukes Hals glatt durchschlagen, war gegen einen Felsen geprallt und ihm direkt ins linke Auge gedrungen. In der Zeit, die verstrich, bis der Hubschrauber eintraf und ihn zum Krankenhaus bringen konnte, hatte er eine Menge Blut verloren. Dass er überlebt hatte, war das reinste Wunder.

Der Halsdurchschuss hatte vergleichsweise wenig Schaden angerichtet, an seinem Auge aber mussten die Ärzte stundenlang operieren. Es konnte zwar gerettet werden, doch würde Luke damit nie mehr richtig sehen können. Als er wieder zu sich kam, wollte er als erstes wissen, was mit den Welpen geschehen war.

Nur der Welpe mit den Haken im Maul starb, die übrigen flog man in den Yellowstone-Park, wo Wolfsfamilien für sie gefunden wurden. Lukes Vater hatte der Polizei erzählt, wo sie den Trailer des Wolfsjägers finden konnte. Und kurz danach entdeckte ein Ranger das verlassene Schneemobil auf einer Lichtung oberhalb des Wrong Creek. Vom alten Mann selbst aber fand man nie auch nur eine Spur.

Eigentlich hatte Luke zusammen mit Dan und Helen fahren, die Wölfe abholen und anschließend freilassen wollen, doch Dan sagte, falls etwas schiefgehe, sei es besser, wenn Luke nichts damit zu tun habe.

»Hat alles geklappt?«

»Problemlos.«

»Schade, wenn wir doch nur bleiben und sie einmal heulen hören könnten.«

»Vielleicht können Sie das ja eines Tages«, sagte Dan.

»Habt ihr beide wenigstens Hunger?«

»Und wie!«

Sie setzten sich ins Gras vor der Hütte, aßen Spiegeleier mit Speck und Bratkartoffeln und spülten ihr Frühstück mit Kaffee und frisch gepresstem Orangensaft hinunter.

Luke wollte, dass Helen mit ihm nach Minnesota kam. Sie würden sich eine Wohnung suchen, sagte er, und während er in seinen Seminaren saß, könne sie Forschungen betreiben und ihre Doktorarbeit zu Ende bringen. Und an den Wochenenden würden sie gemeinsam durch die Wildnis streifen.

Vielleicht würde sie das ja tun. Sie hatte Zeit genug, um es sich zu überlegen.

Merkwürdigerweise schien die Zukunft zum ersten Mal in Helens Erwachsenenleben keine Rolle mehr zu spielen. Es kam ihr so vor, als hätte das, was hier geschehen war, sie von ihrem alten Ich befreit. Vielleicht, so hatte Celia kürzlich in einem Brief angedeutet, habe sie nun ähnlich wie ihr Vater, der frischgebackene Buddhist, endlich gelernt, einfach nur zu sein. Allein auf das Jetzt kam es an und darauf, dass sie mit jenem Menschen zusammen war, den sie auf der Welt am meisten liebte.

Nach dem Frühstück wollte sich Dan beim Aufräumen der Hütte nicht von ihnen helfen lassen. Vor ihnen liege eine lange Reise, sagte er, also verstauten sie ihre wenigen Habseligkeiten zusammen mit Buzz in Lukes Jeep. Dann gab Helen Dan die Schlüssel für den alten Pick-up zurück.

»Siehst du?«, sagte er. »Er hat ein ganzes Jahr durchgehalten.«

»Ich auch.«

Sie wollten beide kein großes Aufheben um ihren Abschied machen, also umarmten sie sich und wünschten einander Glück. Dan witzelte, es sei typisch, dass sie gerade dann verschwinde, wo soviel zu tun sei. Er blieb am Jeep stehen, die Sonne im Rücken, als Helen und Luke einstiegen und sich anschnallten.

»Engel mit dir«, sagte er.

»Mit dir auch, Prior.«

Als sie am Fluss entlangfuhren und die Pyramidenpappeln sich grün und silbern über ihnen wiegten, kamen sie an dem verfallenen Haus vorbei, in dem einst der Wolfsjäger gewohnt hatte. Jemand hatte ein Schild mit der Aufschrift »Verkauft« an einen Baum neben dem Eingangstor genagelt.

Sie sahen kein bekanntes Gesicht auf ihrer Fahrt durch die Stadt, bogen schließlich ostwärts ab und fuhren hinunter ins Tal.

Als sie die Brücke passierten, ließ Helen den Wagen langsamer werden und hielt an. Ein letztes Mal schauten sie beide zur Kirche am Fluss hinüber.

»Schau«, sagte Luke.

Und er deutete auf ein Schild an der anderen Straßenseite, jenes Schild, auf dem »HOPE (519 Einwohner)« stand. Drei dünne Sonnenstrahlen fielen durch die Kugellöcher.