13

DIE UNHEILVOLLE PREDIGT des Pfarrers war gnädigerweise kurz, und er beendete den Gottesdienst so rasch, wie es die Schicklichkeit erlaubte. Danach stand er nicht wie sonst am Kirchenportal, um mit der herausströmenden Schar ein paar freundliche Worte zu wechseln, sondern strebte leicht wankend auf das Pfarrhaus zu, als müsste er mit seinen Kräften haushalten, um den nächsten Gottesdienst zu überstehen.

Die Kirchenbesucher gingen aufgeregt schnatternd über den Kirchhof und tauschten sich über die Katastrophe aus, die Finch heimgesucht hatte. Erstaunlich viele Dorfbewohner hatten die Frühmesse besucht. Ich fragte mich, wie viele von ihnen gekommen waren, um sich eine Starthilfe für den anschließenden Kirmesbesuch zu holen, und wie viele sich seelischen Beistand erhofften, nachdem sie die Bescherung auf dem Dorfanger gesehen hatten.

Während die Zwillinge davonsprangen, um zwischen den Grabsteinen Verstecken zu spielen, schlossen Bill und ich uns einer im Kreis stehenden Gruppe an, darunter Emma und Derek Harris, Lilian Bunting, Mr Barlow, Grant Tavistock, Charles Bellingham, Christine Peacock und Sally Pyne. Sally machte gerade ihrem Ärger Luft, als wir hinzutraten.

»Was soll aus der Welt werden, wenn sich Erwachsene aufführen wie eine Herde amoklaufender Wasserbüffel?«, fragte sie. »Was für ein Beispiel geben sie ihren Kindern? Sie sollten sich schämen, jeder einzelne von ihnen. Wenn ich dabei gewesen wäre, hätten sie was zu hören bekommen, und nicht nur das, ich hätte ihnen eigenhändig den Hintern versohlt.«

»Wenn ich dabei gewesen wäre, hätte ich ein paar Schädel eingeschlagen«, grummelte Mr Barlow.

»George Wetherhead traut sich gar nicht mehr aus seinem Haus«, sagte Christine Peacock. »Er ist mit den Nerven völlig am Ende.«

»Teddy ist ebenfalls am Boden zerstört«, sagte Lilian und warf einen ängstlichen Blick zum Pfarrhaus. »Er hatte eigentlich gedacht, die Hooligans hinter sich zu lassen, als er London den Rücken kehrte.«

»Was ist eigentlich passiert?«, fragte ich. »Wer ist verantwortlich für dieses Chaos?«

»Mistkerle«, sagte Mr Barlow.

»Wilde«, meinte Sally Pyne.

»Barbaren«, sagte Grant Tavistock.

»Kirmesbesucher«, sagte Lilian. »Eine ganze Horde fegte durch das Dorf auf dem Weg zur oder von der Kirmes nach Hause. Sie stürmten die Geschäfte, verwüsteten den Dorfanger und verschwanden wieder wie ein Heuschreckenschwarm.«

»Heuschrecken sind eine Naturgewalt«, hob Emma hervor. »Dieses Desaster ist definitiv von Menschenhand gemacht.«

»Ging es die ganze Nacht hindurch?«, fragte ich und blickte in ihre blassen Gesichter.

»Nein«, antwortete Lilian, »aber die meisten von uns waren nach dem Kirmesbesuch ziemlich erschöpft und mit der Situation völlig überfordert.«

»Ich war bis in die frühen Morgenstunden auf, um Peggys neues Mieder fertig zu nähen«, sagte Sally. »Das wird sie eine Stange kosten, dass sie mich um meine Nachtruhe gebracht hat.«

»Warum musstest du es über Nacht fertig machen?«, fragte Emma.

In Sallys Augen blitzte es schelmisch auf. »Sie hat von den aufreizenden Bauernmädels und den Bauchtänzerinnen gehört. Ich habe das Gefühl, dass sich Jasper von nun an um das Kaufhaus kümmern muss, während Peggy den Kirmesstand übernimmt.«

»Falls sie jetzt noch hingeht«, fügte Lilian bedeutungsschwer hinzu. »Ich fürchte, dass die gestrigen Ereignisse ihrer Antipathie gegenüber der Kirmes neue Nahrung geben werden.«

»Ich habe im Moment auch keine große Lust auf die Kirmes«, sagte Derek. »Die Menschen haben ihren Abfall einfach aus dem Autofenster geschmissen, als sie durch Finch fuhren. Wir können von Glück sagen, dass niemand verletzt wurde.«

»O ja«, sagte Grant. »Um ein Haar wäre Charles von einer Bierflasche am Kopf getroffen worden.«

Wir drehten uns alle zu Charles, um ihm unser Mitgefühl auszudrücken und sicherzugehen, dass er auch wirklich keinen Schaden genommen hatte.

»Nichts passiert«, sagte er leichthin. »Ich muss sagen, als Grant und ich das Crabtree Cottage kauften, haben wir nicht erwartet, uns inmitten einer Kriegszone wiederzufinden. Gestern hatten wir Angst, vor unsere eigene Haustür zu treten.«

»Finch ist normalerweise keine Kriegszone«, versicherte Lilian ihm.

»Normalerweise ist es das friedlichste Dorf auf der Welt«, fügte ich ernst hinzu.

»Gestern war es das nicht«, sagte Christine Peacock. »Dick musste mit der Sodaspritzflasche gegen einen Kerl einschreiten, der an unserem Pubschild schaukelte. Danach hat er zwei der Sciaparelli-Jungen als Türhüter engagiert, um zu verhindern, dass Betrunkene ins Pub kamen. Die Hälfte der Leute, die durchs Dorf fuhren, waren bereits angetrunken, ehe sie hier eintrafen.«

»Die Nüchternen waren nicht viel besser«, sagte Sally Pyne. »Meine Nichte hat für mich in der Teestube die Stellung gehalten, während ich auf der Kirmes war. Als ihr die Scones ausgingen, brach beinahe ein Aufstand aus. Als es dann auch keine Törtchen mehr gab, machte sie die Teestube zu und schloss sich vor Angst in der Küche ein, bis ich zurückkam.«

»Teddy hat versucht, den Eindringlingen ins Gewissen zu reden«, sagte Lilian, »aber die hörten gar nicht auf ihn, sondern ignorierten ihn einfach. Peggy Taxman war so mit der Kassenabrechnung beschäftigt, dass sie gar nicht auf die Idee kam, ihre Autorität geltend zu machen, und alle anderen, die Teddy hätten zur Seite springen können, waren auf der Kirmes.« Sie beugte reuevoll den Kopf. »Ich kann euch gar nicht sagen, wie schuldig ich mich fühle. Während ich Zauberern und Rittern zugeschaut habe, wurde mein armer Mann belagert.«

»Wenn du schuldig bist, sind wir alle schuldig«, sagte Bill und legte ihr tröstend eine Hand auf die Schulter. »Wir haben die zerstörerische Kraft von gewissenlosen Tagesausflüglern unterschätzt.«

Als er seine Hand zurückzog, sah ich, wie er kurz auf seine Uhr sah, dann den Blick zu den Jungen wandern ließ, die gerade zwischen den Grabsteinen einen actiongeladenen Schwertkampf mit Weidenruten austrugen.

»Geht nur«, sagte ich zu ihm. »Lass den Rover hier stehen. Ihr drei könnt ja mit Emma und Derek zur Kirmes fahren.«

»Sollen wir nicht lieber beim Aufräumen helfen?«, fragte er.

»Nein, das sollt ihr nicht«, sagte ich. »Wir haben noch reichlich Gelegenheit, unseren Söhnen staatsbürgerliches Verantwortungsbewusstsein beizubringen. Im Moment haben sie Verantwortung gegenüber ihren Freunden. Wenn sie hierbleiben, lassen sie Alison und Billy im Stich.«

»Was meinst du, Emma?«, fragte Bill.

»Ich finde, Lori hat recht. Die Show muss weitergehen.«

»Da stimme ich zu«, sagte Lilian mit fester Überzeugung. »Rob und Will haben sich ihren Augenblick im Rampenlicht verdient. Wir dürfen ein paar schwarzen Schafen mit ihren unüberlegten Aktionen nicht erlauben, sie dessen zu berauben.«

»Hört, hört«, sagte ich.

»Emma kann mich auf dem Weg zur Kirmes zu Hause absetzen«, sagte Derek. »Ich werde ein paar Reitschüler und Pferdepfleger zusammentrommeln und mit ihnen herkommen. Wir werden die Aufräumarbeiten auch ohne dich schaffen, Bill.«

»Nun«, sagte dieser widerstrebend, »wenn ihr meint …«

»Gut, Antrag angenommen«, sagte Emma. »Dann lasst uns lieber gehen. Es ist schon halb zehn. Ich will sicherstellen, dass die Ponys gut versorgt wurden. Außerdem sollen die Kinder das Tragen der Flaggen üben, ehe sie heute Nachmittag wieder beim Festzug des Königs mitreiten.«

»Dann fang ich mal die Zwillinge ein«, sagte ich.

»Inzwischen hole ich unsere Gewänder aus dem Wagen«, sagte Bill.

Als Emma mit meinen Männern abfuhr, blickte ich ihnen einen Augenblick nach und spürte einen Anflug des Bedauerns, aber wirklich nur einen Anflug. Obwohl ich meine Nachforschungen nur ungern aufschob, waren meine Prioritäten klar. Mein Dorf brauchte mich. Ich hätte meinen Nachbarn nicht mehr in die Augen blicken können, wäre ich zur Kirmes gegangen, während sie sich mit der Beseitigung des Abfalls abplagten.

»Was ist mit dem Schaufenster vom Emporium passiert?«, fragte ich, nachdem ich zu meinen Freunden zurückgekehrt war.

»Es wurde von einer fliegenden Mango getroffen«, antwortete Charles. »Einige dieser unerzogenen kleinen Schätzchen veranstalteten vor dem Kaufhaus eine Schlacht, und zwar mit allen möglichen Gemüse- und Obstsorten, die sie aus den Körben vor dem Gemüseladen geklaut hatten.«

»Ihre Eltern haben zwar für die Lebensmittel und den Schaden an Peggys Fenster bezahlt«, erzählte Mr Barlow, »aber die Schweinerei wieder aufzuräumen, hielten sie wohl nicht für nötig.«

»Ich fürchte, diese Aufgabe fällt nun uns zu«, sagte Lilian.

»Meine Damen und Herren, wenn ich um Ihre Aufmerksamkeit bitten dürfte?«

Die Stimme war laut genug, um Tote wiederauferstehen zu lassen, doch die regten sich nicht. Dafür drehten sich alle lebendigen Wesen auf dem Friedhof abrupt in die Richtung, aus der sie erklang. Peggy stand auf den Kirchenstufen, die Hände in die Hüften gestemmt, und ihre stattliche Brust hob und senkte sich vor rechtschaffener Entrüstung. Die Morgensonne, die sich auf ihrer strassbesetzten Brille spiegelte, erweckte den Eindruck, als würden ihre Augen Funken sprühen.

»Vor einem Monat habe ich euch gesagt, dass es ein Fehler ist, Calvin Malvern zu gestatten, in unserer Gemeinde seine Vorhaben zu verwirklichen«, sagte sie mit donnernder Stimme. »Ich habe euch gesagt, dass es zu nichts Gutem führen wird. Ich habe Chaos und Unheil vorausgesagt …«

»Und Profit fürs Emporium«, murmelte Sally, nur für uns hörbar.

»… und Ruin für unser Dorf, aber wer hat auf mich gehört? Ihr jedenfalls nicht. Einige von euch waren so dumm, diese unerwünschten Subjekte in unserem Dorf willkommen zu heißen.«

»Wage es ja nicht, meinen Zauberer zu beschuldigen!«, rief Sally und stampfte ärgerlich mit dem Fuß auf. »Magus Silveroak ist ein Gentleman, wie er im Buche steht.« Sie wandte sich kurz zu unserer Gruppe und erklärte: »Auf seiner Kreditkarte steht Gary Pelham, aber er möchte mit seinem Zauberernamen angesprochen werden. Das hilft ihm, in seiner Rolle zu bleiben.«

»Das Gleiche kann ich von Merlot sagen«, verkündete Christine. »Der Name auf seiner Kreditkarte lautet Albert Moysey, aber er reagiert nur auf Merlot. Ich will kein böses Wort über unseren Magier oder unsere Jongleure hören«, fuhr sie mit erhobener Stimme fort. »Sie haben nichts mit dem zu tun, was gestern passierte.«

Normalerweise behielten die Neuankömmlinge im Dorf ihre Meinung in Peggys Gegenwart für sich. Doch Grant Tavistock schaffte einen Präzedenzfall, indem er die Stimme für den Gast erhob, den er und Charles im Crabtree Cottage beherbergten.

»Unseren Pantomimen kannst du ebenfalls außen vor lassen«, rief er. »Simon war am Boden zerstört, als er gestern Nacht von der Kirmes zurückkehrte und sah, in welchem Zustand das Dorf war.« Er las die Frage in unseren Augen und fügte schnell hinzu: »Sein Name ist Simon Maris, doch weil er ein Pantomime ist, beantwortet er freilich keine Fragen.«

Wir nickten, unsere Neugier war gestillt, und wandten unsere Aufmerksamkeit Peggy Taxman zu, die unseren Kreis von Dissidenten mit Blicken durchbohrte.

»Ihr habt das Wesentliche nicht begriffen«, sagte sie donnernd. »Die Kirmes ist es, die diesen Pesthauch in unser Dorf gebracht hat. Wenn es die Kirmes nicht gäbe, wäre Finch noch immer ein Hort des Friedens und der Ruhe. Die Kirmes hat vielen von uns die Chance verdorben, einen Preis im Wettbewerb ›Wer hat das schönste Cottage‹ zu gewinnen.«

Das erschrockene Einatmen, das hörbar durch die Reihen ging, sagte mir, dass ich nicht die Einzige war, die den Wettbewerb vergessen hatte.

»Heute Nachmittag sollte ja die Beurteilung stattfinden«, murmelte Lilian.

»Wir werden den Termin absagen müssen«, sagte Sally. »Die Hälfte der Cottages ist unter einem Müllberg begraben.«

»Bis heute Nachmittag werden wir kaum Ordnung geschafft haben«, meinte Mr Barlow finster.

»Die Kirmes hat eine altehrwürdige Dorftradition unterbrochen«, fuhr Peggy fort. »Unser Leben wird durch sie zutiefst beeinträchtigt. Hätten wir bei der Maiversammlung ein wenig Rückgrat bewiesen, hätten wir verhindern können …« Plötzlich verstummte sie und blickte zum Dorfanger.

Jeder Kopf, der in der Lage war, sich zu drehen, wandte sich in die gleiche Richtung.

»Musik …?«, fragte ich zögernd.

»Es hört sich wie Trommeln und … Dudelsack an.« Mr Barlow hielt eine Hand hinter sein Ohr und horchte in Richtung des Dorfangers.

»Das sind tatsächlich Dudelsäcke«, sagte Lilian.

»Kommt mit.« Entschlossen ging ich auf das Friedhofstor zu. »Lasst uns sehen, was da los ist.«

»Ihr könnt jetzt nicht gehen!«, schrie Peggy, als ihre Zuhörerschaft mir über den Kirchplatz und hinaus auf die Straße folgte. »Ihr habt euch meine Pläne noch nicht angehört.«

»Ich weiß nicht, warum sie sich Sorgen macht«, murmelte Sally. »Auch wenn sie hier stehen bleibt, werden wir sie auf dem Dorfanger hören.«

Lilian und ich unterdrückten ein unbarmherziges Kichern und gingen weiter. Als wir beim Anger ankamen, waren dort schon beinahe alle Dorfbewohner eingetroffen, die nicht die Frühmesse besucht hatten. Einer von den wenigen, die in Morgenmänteln und Hausschuhen dahertrotteten, brummte, er hätte sich nicht die Mühe gemacht, den Wecker zu stellen, hätte er gewusst, dass eine Invasion der Schotten bevorstehe.

Miranda Morrow, die nie in die Kirche ging, kniete bereits beim Kriegsdenkmal auf der Erde, um die niedergetrampelten Blumenbeete neu zu bepflanzen. Sie winkte uns mit einer erdigen Pflanzkelle zu.

»Wir haben Besuch!«, rief sie frohgelaunt.

Ihre Ankündigung wäre nicht unbedingt nötig gewesen, hätten wir die Besucher doch gar nicht übersehen können, selbst wenn wir gewollt hätten. Vierzig Männer von der Kirmestruppe standen in mehreren Reihen am Fuße der Buckelbrücke. Die erste Reihe bestand aus Fußsoldaten in Lederwams, die zweite aus Höflingen in Samt und Seide. Die letzten beiden Reihen waren eine kunterbunte Mischung aus Piraten, Wikingern, Mönchen, Bettlern und Barden.

Die meisten sahen verschlafen aus, als hätten sie die vergangene Nacht durchgezecht. Ich konnte mir nicht vorstellen, wie sie den langen Fußweg vom Bishop’s Wood ins Dorf geschafft hatten, doch dann erblickte ich zwei von Horace Malverns Farmlastwagen, die vor der Teestube parkten. Sie hatten sich also moderner Transportmittel bedient, sagte ich mir.

Sechs Trommler standen vor den versammelten Männern und schlugen auf ihren um die Hüfte geschlungenen Marschtrommeln einen mitreißenden Rhythmus.

»Man nennt sie Tabors«, klärte mich Lilian auf.

»Was denn?«, fragte ich.

»Die Trommeln.«

Die Trommler wurden von je einem Dudelsackbläser flankiert, die Kilts in gedämpften Grau- und Brauntönen trugen. Ihre Sackpfeifen waren kleiner und primitiver als diejenigen, die ich in Schottland gesehen hatte, und der Klang, den sie produzierten, war nicht gar so ohrenbetäubend.

Vor den Trommlern stand, uns zugewandt, ein kleiner, dickbäuchiger Mann. Wie die Soldaten trug auch er ein Lederwams, doch sein schwarzer Umhang und die schwarze Straußenfeder an seinem Barett ließen vermuten, dass er den Aufzug anführte. Er wartete, bis wir leicht verdattert vor dem Kriegsdenkmal stehen blieben, dann hob er die Hand, um das Musikstück zu beenden, ehe er zu uns herüberkam und uns begrüßte.

»Ich bin Sir James der Siegreiche, Ritter des Südlichen Kreuzes und der Feldmarschall des Königs«, verkündete er. »Ich bin gekommen, um mit Eurem Herrscher zu reden.«

Die Bewohner wichen automatisch zur Seite, um Peggy Taxman durchzulassen. Sie trat vor und blickte den Feldmarschall ohne mit der Wimper zu zucken an.

»Mylady.« Sir James lüpfte sein gefiedertes Barett und entblößte ein kahlköpfiges Haupt. »Ich komme im Auftrag Seiner Königlichen Hoheit, König Wilfred dem Guten, um Euch unsere Dienste anzubieten. Mein Lehnsherr hat uns befohlen, Euren liebreizenden Weiler wieder in seinen ursprünglichen, unversehrten Zustand zurückzuversetzen. Ich warte ergebenst auf Eure Erlaubnis, damit beginnen zu dürfen.«

Peggy musterte ihn von Kopf bis Fuß, dann sagte sie im Befehlston: »Nun, warum stehen Sie dann noch dumm herum? Machen Sie sich an die Arbeit!«

Die Mundwinkel von Sir James zuckten, als fände er Peggy eher komisch als einschüchternd. Der Mann war jedoch klug genug, seine Belustigung zu unterdrücken. Er drehte sich auf dem Absatz zu seinen Männern um, hob den rechten Arm und ließ ihn in abgehackter Bewegung wieder sinken.

Wir, die wir um das Kriegsdenkmal versammelt waren, sahen in fassungslosem Erstaunen, wie die Kirmesdarsteller dem Befehl des Feldmarschalls gehorchten. Sie lösten die Linien auf, strömten in einzelnen Gruppen zu den Farmlastwagen, holten dort Müllsäcke und Kehrutensilien, um dann ins Dorfzentrum auszuschwärmen und Abfall einzusammeln.

Es war, als wäre ein Trupp bärtiger, verkaterter Putzfrauen erschienen, um Finch zu säubern und zu polieren, bis es glänzte. Einer der Putztrupps tat nichts anderes, als Limonadendosen aufzusammeln. Ein anderer hob Bierflaschen auf. Wieder ein anderer Papierreste, und die Piraten nahmen sich des restlichen Mülls an. Ein mit Eimer und Wischlappen bewaffneter Barde putzte die Eingangsstufen zur Teestube, während ein Wikinger die Schultür sauber schrubbte. Ein Bettlerduo nahm Maß am zersplitterten Schaufenster des Kaufhauses.

»Ich geh mal Kaffee kochen«, sagte Christine Peacock ruhig. »Die Jungs sehen aus, als könnten sie einen vertragen.«

»Eine Tasse Tee ist auch nie verkehrt«, bemerkte Sally Pyne. »Außerdem glaube ich, dass sie nichts gegen einen Imbiss einzuwenden haben, wenn sie mit ihrer Arbeit fertig sind.«

In weniger als zehn Minuten waren Lilian Bunting, Peggy Taxman und ich die einzigen Dorfbewohner, die noch am Dorfanger standen. Alle übrigen – sogar diejenigen im Bademantel – waren losgezogen, um etwas zu dem Büfett beizusteuern, das im Schulhaus für die schwer arbeitenden Trupps aufgebaut wurde.

»Huch«, sagte ich. »Ich weiß nicht, wen ich in diesem Moment mehr liebe – König Wilfreds Männer oder meine Nachbarn.«

Peggy Taxman schnaubte abfällig. »Was ist denn so wunderbar an den Männern des Königs? Sie tun nur das, was ihre Pflicht ist. Was unsere Nachbarn anbelangt … ich kann nur hoffen, dass nun auch noch der Letzte begriffen hat, was wir von nun an jedes Wochenende durchmachen werden, bis die Kirmes zu Ende ist.«

Die Fahrertür eines der beiden Lastwagen ging auf, und Horace Malvern kletterte aus dem Fahrerhaus, ein Handy am Ohr. Während er auf uns zueilte, steckte er es in seine Jackentasche.

»Lori, Lilian, Peggy«, sagte er und nickte jeder von uns einzeln zu. Seine Stirn war gerunzelt, und sein Gesicht war noch röter als gewöhnlich. »Es tut mir leid wegen dem hier. Ich hätte es kommen sehen müssen.«

»Ich habe es kommen sehen«, sagte Peggy.

»Das hast du.« Mr Malvern hielt inne, um einen Blick auf seine Uhr zu werfen, dann sah er in Richtung seiner Farm und legte die Stirn noch mehr in Falten.

»Stimmt etwas nicht, Mr Malvern?«, fragte ich, mit einem Mal hellhörig geworden.

»Es ist schon fünf nach halb zehn«, sagte er. »Inzwischen hätte die Kanonensalve ertönen müssen.«

»Ich wusste gar nicht, dass man sie hier hören kann«, sagte Lilian.

»Gestern hab ich sie gehört«, sagte Peggy. »Und ich war drinnen hinter der Ladentheke.«

Während ich Mr Malverns Blick folgte, beschlich mich ein mulmiges Gefühl, doch ich ermahnte mich sogleich, nicht so misstrauisch zu sein. Ich hatte keinen Grund, mir wegen einer schweigenden Waffe Sorgen zu machen. Wenn jemand versucht hätte, König Wilfred mit der Kanone zu töten, hätte man einen lauten Knall gehört.

»Na ja, ich habe um mehr Rücksicht gebeten«, sagte Mr Malvern mit einem Schulterzucken, als wollte er seine Besorgnis abschütteln. »Außerdem habe ich ein paar Vorkehrungen getroffen, die das Dorf von nun an besser schützen sollten, damit es nicht wieder überrannt wird.«

»Was für Vorkehrungen?«, fragte Peggy kalt.

»Die Polizei wird an zwei Stellen Alkoholkontrollen durchführen«, antwortete er. »Am Parkplatz der Kirmes und hier im Dorf. Sie werden jeden blasen lassen, der aussieht, als hätte er die Promillegrenze überschritten. Außerdem hat die zuständige Behörde des Countys beschlossen, die Straße zu Ihrem Haus instand setzen zu lassen, Lori.«

»Unsere Straße muss doch gar nicht instand gesetzt werden«, sagte ich.

»Das weiß ich«, sagte Mr Malvern geduldig, »aber die Hinweisschilder auf Bauarbeiten werden die meisten Autofahrer davon abhalten, sie als Durchgangsstraße zu benutzen.«

»Brillant!« Ich strahlte ihn an.

Mr Malvern kratzte sich am Nacken und seufzte. »Sie werden trotzdem zusätzlichen Verkehr haben. Es wird uns zwar nicht gelingen, alle Kirmesbesucher von Finch fernzuhalten …«

»Das wollen wir auch gar nicht«, fiel Peggy ihm ins Wort. »Die anständigen sind gut fürs Geschäft.«

»… aber wenigstens den Großteil der Rowdys«, beendete Mr Malvern seinen Satz. »Nichts schreckt die Menschen so sehr davor ab, den rechten Weg zu verlassen, wie der Anblick von einigen Polizisten.«

»Wenn in Finch Medaillen für kreative Problemlösung verliehen würden«, sagte Lilian, »hätten Sie eine verdient, Horace. Ich gehe sofort heim, um Teddy zu beruhigen. Bestimmt will er unsere fleißigen Helfer und unseren freundlichen, aufmerksamen Freund in seine Fürbitten einschließen.« Sie tätschelte Mr Malvern die Schulter und wandte sich zum Gehen.

»Wenn ihr mich entschuldigen wollt, ich muss mich noch um andere Dinge kümmern«, sagte Peggy hochmütig. »Ich gratuliere dir erst, Horace, wenn wir uns davon überzeugt haben, dass dein Plan aufgegangen ist.«

»Was anderes hätte ich auch nicht von ihr erwartet«, sagte Mr Malvern, nachdem sie im Kaufhaus verschwunden war. »Ebenso wenig würde ich von ihr erwarten, dass sie Magus Silveroak dankt, weil er meinen Neffen gestern Nacht von der Teestube aus angerufen hat, um ihm zu sagen, dass das Dorf zugemüllt wurde. Und ganz bestimmt würde ich von ihr auch keinen Dank erwarten dafür, dass Cal seine Männer zum Aufräumen hergeschickt hat.«

»Das war Calvins Idee?«, fragte ich und machte eine ausladende Bewegung zu den Aufräumtrupps.

»Er hat seine Kumpel drum gebeten, und die haben sich bereit erklärt, zu helfen.«

»Ganz ohne Zwang?«, fragte ich.

Mr Malvern sah mich ungläubig von der Seite an. »Zwang würde bei Jungs wie diesen nichts bewirken, Lori. Wenn sie etwas nicht tun wollen, tun sie es auch nicht. Wenn man sie drängt, sind sie auf und davon. Nein, Cal hat nur mit ihnen gesprochen, ihnen seinen Standpunkt dargelegt. Er ist hier aufgewachsen, Finch bedeutet ihm viel. Und er will Peggy weiterhin auf seiner Seite wissen. Wenn sie sich an die Presse wendet und sich beschwert, würde das der Kirmes schaden.«

»Er kümmert sich also nicht nur um seine Interessen, sondern auch um die von Finch«, sagte ich.

»Tja, er hat nun mal ein gutes Herz, unser Cal.«

»Genau wie Sie. In meinen Augen sind Sie ein edler Ritter, Mr Malvern.«

»Ich bin Bauer«, sagte er. »Sehen wir uns heute auf der Kirmes, oder boykottieren Sie sie?«

»Ich komme auf jeden Fall. Ich muss nur rasch nach Hause, um mir mein Kostüm anzuziehen.«

»Ich bleibe hier, bis die Männer fertig sind«, sagte er, »aber wir sehen uns später.«

Ich verabschiedete mich von ihm und eilte zum Range Rover.

Nach meiner Unterhaltung mit Mr Malvern war ich überzeugt, dass der Saboteur Calvin Malvern aus persönlichen Gründen und nicht aus beruflichen etwas antun wollte. Calvin mochte den Laden im Griff haben, aber offensichtlich qua seiner Überzeugungskraft und nicht, weil er hart durchgriff. Wie es aussah, hatte er gar keine andere Wahl, denn straffe Führungsstrategien waren bei Mittelalterfesten fehl am Platz. Wenn die Darsteller einen Arbeitgeber nicht mochten, zogen sie einfach weiter zum nächsten Fest.

Und deshalb war der Saboteur kein verärgerter Mitarbeiter. Es war jemand, der eine private Fehde mit dem König hatte. Edmond Deland, ein junger Mann, der vor Eifersucht und Rachsucht kochte und sich wegen unerwiderter Liebe verzehrte, passte besser zum Profil des Saboteurs. Er würde keine Ruhe geben, bis er seinen Nebenbuhler ausgeschaltet hatte.

Und ich würde keine Ruhe geben, bis ich ihm das Handwerk gelegt hatte. Ich nickte grimmig, stieg in den Wagen und fuhr nach Hause. Ich brannte darauf, zur Kirmes zu kommen und mich endlich unter den Besitzern der Imbissstände umzuhören. Dank Sir James dem Siegreichen und seiner kunterbunt zusammengewürfelten Truppe konnte ich meine Nachforschungen mit gutem Gewissen fortsetzen.