Verjüngungsstrategie Bewegung
Wollen Sie wissen, welche Anti-Aging-Strategie wirklich zum Ziel führt? Auch hier hilft der Blick auf den Neandertaler weiter. Er hatte nämlich einen Körper, der optimal an seine Umwelt angepasst war.
Wer die Energie aus der Nahrung am besten speichern und nutzen konnte und wessen Bewegungsabläufe am besten funktionierten, der hatte einen Überlebensvorteil. So hat sich unser Genmuster über mehrere 10 000 Generationen herausentwickelt.
Eine besondere Bedeutung hatte dabei die Optimierung der Bewegungsabläufe. So waren diejenigen Vorfahren des Menschen im Vorteil, die sich koordiniert, schnell und ausdauernd fortbewegen konnten. Sie waren den anderen bei der Nahrungssuche und bei der Jagd überlegen.
Sie zeichneten sich aus durch optimale:
- Sauerstoffversorgung (Lungenkapazität, Sauerstofftransport)
- Herzfunktion
- Gefäßreaktion (Endothelfunktion)
- Funktion der Nervenleitgeschwindigkeit und Verdrahtung mit der Muskulatur
- Energiespeicherung in Leber und Fettgewebe
- Verwertung von gespeicherter Energie für schnelle und ausdauernde Muskelaktivität (Verteilung der Muskelfasertypen und -speicherung)
- Koordination (Kleinhirn und Gleichgewichtsorgane).
All diese Funktionen beeinflussen den Sauerstofftransport aus der Einatemluft bis in die Kraftwerke der Zellen, die Mitochondrien. Dort werden Glukose und Fette nach Zuführung von Sauerstoff verbrannt und Energie zur Zellarbeit produziert.
Dies sind auch die Besonderheiten, die einen Sporttreibenden von einem Untrainierten unterscheiden. So weisen insbesondere Ausdauersportler ein größeres Herzvolumen, eine bessere Gefäßreaktion und effizientere Muskelfunktion auf.
Gute Gene?
Unterschiede, was diese genetische Ausstattung angeht, mögen auch dem Neandertaler zum Verhängnis geworden sein. Als er vor ca. 65 000 bis 90 000 Jahren aus dem Norden Europas kommend dem Homo sapiens von der afrikanischen Landmasse begegnete, zeigte sich, dass der Neandertaler hinsichtlich dieser Komponenten unterlegen war. Am Ende konnte sich der flinkere und koordinativere Homo sapiens durchsetzen. Noch heute zeichnen wir uns genetisch durch diese Vorteile aus.16
Allerdings ist der Mensch in den westlichen Ländern heute nicht mehr auf diese Fähigkeiten angewiesen. Der Supermarkt und das Auto haben die
Quelle: TK und FAZ Institut 2008
Nahrungssuche und die dafür notwendige körperliche Aktivität überflüssig gemacht.
Doch die Gene sind die gleichen und beeinflussen uns noch unzählige Generationen, bis sich auch diese den geänderten Lebensumständen angepasst haben werden.
Aktiv bleiben
Doch nicht allein die Gene, also die Hardware unseres Körpers, sondern auch die Software, die Art und Weise, wie die genetische Information abgelesen und umgesetzt wird, sind entscheidend. Am Ende hängt das Resultat unserer Bemühungen von der Schnelligkeit der Eiweißproduktion unseres Körpers ab. Deshalb gilt es zu beachten:
Natürlich werden die Gene für die Struktur von Herz, Lunge, Gefäßen, Nerven und Muskulatur genauso vererbt wie die Anpassungsfähigkeit an die Umwelt.
Wird allerdings ein Organ nicht ständig beansprucht, gefordert oder aktiviert, so wird die Funktion langsam herunterreguliert.
Dies gilt für die Muskulatur ebenso wie für das Gehirn, den Stoffwechsel oder die Gefäße. So verliert ein Muskel, der nach einem Unfall, beispielsweise einem Beinbruch, durch einen Gips zur
Ruhe gezwungen wurde, innerhalb von ein bis zwei Wochen deutlich an Masse. Die Gefäße verengen sich, und in kürzester Zeit ist die Funktion des Beins stark eingeschränkt. Die Muskeln müssen unter Anstrengungen wieder gefordert werden.
Umgekehrt passen sich die Organe an, wenn sie gefordert werden. Sie können also Ihren Körper, und damit auch Ihre Organe, aktivieren, wenn Sie sie ausreichend fordern. So passt sich bei Ausdauersportlern die Herzgröße an und hat nach einiger Zeit des Trainings um 20 Prozent mehr Masse als die des Untrainierten. Ein durch Krafttraining trainierter Muskel wird im Querschnitt bald 20 bis 50 Prozent stärker sein. Und auch die Arterie im Schlagarm eines Profitennisspielers wird im Vergleich zu der des anderen Arms im Durchmesser deutlich größer.
Zum Teil wird diese Anpassung auch durch Gene bestimmt. Das wird allein anhand der Tatsache klar, dass nicht jeder Mensch durch Training zum Leistungssportler oder gar Medaillengewinner werden kann. Es muss eine grundsätzliche Eignung vorliegen. Doch die körperliche Bewegung ist ein Muss und über unsere Gene festgeschrieben. Die Aufforderung zur Bewegung ist also sehr tief in unserer Existenz verankert.
Wenn wir uns nicht genug bewegen, führt das nicht nur sehr schnell zu reduzierter Leistungsfähigkeit und schlechter körperlicher Fitness, sondern der Körper wird in seinen Funktionen nachhaltig geschädigt.
Folgen der Trägheit
An untrainierten und übergewichtigen Menschen lassen sich die Folgen für die Gesundheit deutlich ablesen: Sie haben eine geringere Muskelmasse und eine verminderte Funktion der Organe, zeigen Stoffwechselstörungen insbesondere beim Energiehaushalt, und zwar durch erhöhten Blutzucker und hohe Blutfettwerte. Hinzu kommt hoher Blutdruck – ein untrügliches Zeichen für eine Fehlfunktion der Gefäße.
Körperliche Inaktivität fördert die Herz-Kreislauf-Risikofaktoren – die Alterungsfaktoren – und beschleunigt darüber den Prozess der Arteriosklerose bis hin zum Gefäßverschluss.
Inaktivität und mangelnde Fitness sind also ein bedeutsamer Risikofaktor für die unterschiedlichsten Erkrankungen. Wissenschaftliche Studien aus den letzten 60 Jahren haben das übereinstimmend gezeigt.
Eine der ersten großen Untersuchungen zu dem Thema wurde bereits 1953 in der bedeutenden wissenschaftlichen Zeitschrift The Lancet von Professor Jerry Morris publiziert; er war der spätere Inhaber des Lehrstuhls für Public Health am University College der London Medical School. Seit den Vierzigerjahren hatte er den Gesundheitszustand von Angestellten öffentlicher Verkehrsbetriebe untersucht und herausgefunden, dass die Busfahrer im Gegensatz zu den Kontrolleuren trotz des identischen sozioökonomischen Hintergrunds eine deutlich höhere Herzinfarktrate aufwiesen. Die Kontrolleure, die den Passagieren in den Doppeldeckerbussen die Fahrscheine entwerteten, mussten täglich nach jeder Bushaltestelle die Treppen im Bus hoch- und runterlaufen, waren also körperlich ständig überaus aktiv, während die Fahrer sich beim Steuern des Busses vergleichsweise wenig bewegten.17
Quelle: JW Vaupel, Nature (2010) 464: 536–542
Große Bevölkerungsstudien auf unterschiedlichen Kontinenten 18, 19 konnten übereinstimmend belegen:
Regelmäßige körperliche Aktivität führt zu einem deutlich reduzierten Herz-Kreislauf-Risiko.
Eine Studie aus Finnland verglich den positiven Effekt von Bewegung mit dem Wirkungsgrad anderer Lebensstilfaktoren. Schlechte körperliche Fitness zeigte sich dabei als vergleichbar ungünstig wie das Rauchen. Der Konsum von einer Schachtel Zigaretten pro Tag hatte bedeutendere Auswirkungen auf die Gefäße als Bluthochdruck oder sogar Übergewicht 21.
Bewegung ist Medizin
- Interessanterweise ist Bewegung auch ein wirksames Mittel, um Krankheiten zu bekämpfen, wenn sie schon ausgebrochen sind.20
- Egal, ob es um Diabetes, Herzinfarkt, Herzmuskelschwäche oder gar Brust- und Darmkrebserkrankungen, Depressionen oder Osteoporose geht – die Patienten profitieren von gezieltem Training.
- Auch Demenz und Alzheimer scheinen günstiger zu verlaufen, wenn die betroffenen Patienten körperlich aktiv sind.
Die gute Nachricht aber war auch in diesen Fällen: Durch regelmäßiges körperliches Training und das konsequente Verbessern der Fitnessparameter können die Auswirkungen eines ungesunden Lebensstils, auch wenn ihm über die Jahre gefrönt wurde, halbiert werden.
So liegt das Gefäßrisiko für einen aktiven Übergewichtigen um 50 Prozent niedriger als bei einem inaktiven Übergewichtigen. 22 Dies hat Professor Steve Blair, renommierter Epidemiologe aus South Carolina, der in den letzten 30 Jahren bahnbrechende Publikationen zur Bedeutung von Fitness als schützendem Faktor veröffentlicht und einen Senior Fellowship an der TU München innehat, zu dem Slogan Anlass gegeben:
»Better fat and fit than lean and unfit.« (Zu Deutsch: Besser fett, aber fit als dünn und unfit.)
E-Zellen auf dem Fahrrad
Denken Sie immer daran, wenn Sie als Nordic Walker oder Jogger unterwegs sind oder bei jedem Tritt in die Pedale: Bewegung macht Ihre Endothelschicht geschmeidig.
Und das geht so: Mit jeder sportlichen Anstrengung beschleunigt sich die Herzfrequenz. Der erste, der systolische, Blutdruckwert steigt an, das Blut zirkuliert mit mehr Tempo durch das Gefäßleitungssystem.
Durch die erhöhte Strömungsgeschwindigkeit entstehen sogenannte Scherkräfte an den Gefäßwänden, die mechanisch Druck auf die E-Zellen ausüben. 23 Hinzu kommt die Pulswelle: Die durch die Kontraktion des Herzmuskels bei Austritt des Bluts aus der Herzkammer ausgelöste Dehnungswelle der Gefäße, die Pulswelle, klopft im entsprechenden Takt bei den E-Zellen an und dehnt diese unter Belastung in schnellem Rhythmus. Diese physikalischen Reize sind das Signal für die E-Zelle, den Botenstoff NO (den E-Faktor) zu produzieren und an ihre Umgebung weiterzugeben.24
Man kann sich den Prozess in etwa so vorstellen, als wäre der durch die Scherkräfte ausgelöste Reiz der Weckruf für die E-Zelle: »Jetzt geht es los mit körperlicher Bewegung! Stellt euch schon mal drauf ein, seid aktiv!« Diese Information hat zwei Effekte: Es weitet sich der Gefäßdurchmesser und die Blutversorgung wird besser, gleichzeitig schützt sich die E-Zelle so vor dem erhöhten Blutdruck unter Belastung.
Das NO verteilt sich nun unmittelbar in die darunter liegenden Gefäßschichten, wodurch sich deren glatte Muskelschicht entspannt und sich das ganze Gefäß automatisch weitet.
Auf einer dreispurigen Autobahn kann eben mehr Verkehr fließen als auf einer einzigen Bahn. Genauso kann durch die erweiterten Gefäßdurchmesser entsprechend mehr Blut zu den Organen – und hier besonders zur Muskulatur – gelangen.
Die optimal mit Sauerstoff versorgten Organe können jetzt leistungsstark, effektiv und ökonomisch arbeiten.
Nebeneffekte
Die reflektorische Ausschüttung des chemischen E-Faktors auf den physikalischen Schlüsselreiz »Bewegung« sorgt allerdings nicht nur für eine Weitung des Gefäßes, sondern setzt gleichzeitig eine ganze Reihe weiterer gefäßschützender Prozesse in Gang, die allesamt gefäßverjüngend wirken.
So wird unterm Strich weniger Cholesterin in die Arterienwand eingelagert, weil das Abräumen und Ausschleusen von Cholesterin zurück in das Gefäßsystem besser funktioniert und die schädlichen Entzündungsprozesse mit geringerer Aktivität ablaufen.
Trainierte Gefäße bleiben jung
Je regelmäßiger die Gefäße durch die Schwerkräfte beansprucht werden, desto besser passen sich die Gefäßwände an, die Elastizität verbessert sich. Es stellt sich ein regelrechter Trainingseffekt ein, der das gesamte Leitungssystem bis ins hohe Alter in einem flexiblen Zustand hält. So kann der Arteriosklerose und den damit verbundenen Alterungsprozessen erfolgreich entgegengewirkt werden.
Drei Beispiele sollen verdeutlichen, wie es bereits früh zur Endothelfunktionsstörung kommen kann und welche Möglichkeiten es gibt, sie auch noch in höherem Alter wieder zu beheben.
Beispiel 1
Der Prozess der Arteriosklerose ist bereits früh bei übergewichtigen Teenagern zu beobachten. Sie zeigen durch Cholesterineinlagerungen in den Gefäßen eine deutliche Fehlfunktion der E-Zelle. Diese sind beispielsweise an den Halsgefäßen zu beobachten.
Ultraschalluntersuchungen dieser Kinder zeigen, dass bereits eine beschleunigte Alterung der Blutgefäße vorliegt. Sie sind in einem Zustand, wie man ihn normalerweise erst ab dem 30. Lebensjahr beobachten kann.
Erfreulicherweise kann diese Entwicklung schon nach wenigen Monaten wieder behoben werden, wenn die Betroffenen ihren Lebensstil verändern. Die Arteriosklerose ist hier also reversibel.
Beginnen die Jugendlichen regelmäßig, und zwar dreimal pro Woche, 60 Minuten lang Ausdauersport zu treiben, führt dies bereits innerhalb von Monaten zu einer Verbesserung der Gefäßfunktion um 125 Prozent.25
Quelle: de Souza et al. Circulation (2000) 102: 1351–1357
Beispiel 2
Auch Patienten mit einer bereits deutlich ausgeprägten Arteriosklerose an den Herzkranzgefäßen sprechen ausgesprochen gut auf ein regelmäßiges Training an.
So zeigt eine Studie der Arbeitsgruppe um Rainer Hambrecht aus Leipzig, jetzt in Bremen, dass ein vierwöchiges Training auf einem Fahrrad-Ergometer von sechs mal zehn Minuten pro Tag mit 80 Prozent der maximalen Herzfrequenz die Endothelfunktion um den Faktor zwei verbessert.26
Beispiel 3
Am eindrucksvollsten zeigt sich der Zusammenhang von Bewegung und Erhalt der Elastizität der Gefäße in einer Studie der Forschergruppe von Christopher DeSouza, einem Physiologen der University of Colorado in Boulder. Er publizierte bereits im Jahr 2000 die beeindruckenden Ergebnisse von Funktionsuntersuchungen an Gefäßen.
Der Studie lag das Datenmaterial von zwei Gruppen von Männern unterschiedlichen Alters und Trainingszustands 27 zugrunde. Um die Elastizität der Gefäße zu bestimmen, injizierte er die gefäßerweiternde Substanz Acetylcholin in steigender Konzentration in das Gefäß.
Das Ergebnis: Die Gefäße der Jüngeren reagierten deutlich stärker als die der 30 Jahre älteren Probanden, doch traf dies nur auf die Untrainierten zu. Bei älteren Probanden (60 bis 70 Jahre alt), die eine gute körperliche Fitness aufwiesen, war die klare Beziehung aufgehoben. Die trainierten Älteren hatten die gleiche Gefäßreaktion, und damit Gefäßsteifigkeit, wie die Jüngeren.
Fazit: Wird durch Bewegung regelmäßig ein Reiz auf das Endothel ausgeübt, kann dies den schleichend fortschreitenden Alterungsprozessen entgegenwirken. 60-jährige Sportler haben ein biologisches Gefäßalter von 30-Jährigen.
Anders ausgedrückt: Durch Sport können die Gefäße über 30 Jahre lang 30 Jahre jung bleiben.
Das Herz trainiert mit
Diese Befunde sind nicht auf das Gefäßsystem beschränkt, sondern schließen das Herz als Teil des Herz-Kreislauf-Systems mit ein. Auch die Elastizität des Herzmuskels – ebenso durch Alterungsfaktoren beeinflusst – kann durch körperliches Training innerhalb weniger Monate verbessert werden.
Quelle: Chakravarty et al. Arch Int Med. 2008; 168 (15): 1638
So zeigen aktuelle Studien meiner Forschergruppe mit Kollegen aus Göttingen, Berlin und Graz, dass eine altersbedingte eingeschränkte Elastizität des Herzens ebenso wie die der Gefäße zu einem bestimmten Maß reversibel ist. Bei einer Untersuchung durch körperliches Training an drei Tagen in der Woche, bestehend aus Ausdauer- und Krafttraining, konnte bei der überwiegenden Mehrzahl der Teilnehmer die Steifigkeit des Herzens innerhalb von drei Monaten deutlich verbessert werden.28
Risikofaktoren einfach wegstrampeln
Sie dürfen also als gesichertes Wissen mitnehmen, dass körperliche Bewegung die Gesundheit der Gefäße direkt über physikalische Reize am Endothel verbessert. Doch das ist noch nicht alles. Ihre allgemeine Situation verbessert sich zudem dadurch, dass es zu einer Eindämmung der Herz-Kreislauf-Risiken wie Fettstoffwechselstörung, Diabetes, Entzündungsreaktion und erhöhter Blutdruck kommt und die Gefäßalterung in ihrem Tempo gebremst wird.
Ausdauer zahlt sich aus
Ausdauersportarten wie Fahrradfahren, zügiges Gehen, Nordic Walking oder Joggen verbessern den Stoffwechsel. Sie verbrauchen Energie in Form von Fettsäuren oder Glukose in der Muskulatur. Gleichzeitig passt sich die Muskelzelle an, indem sie die Insulinrezeptoren (die Schleusen der Muskelzellmembran) empfindlicher macht. Die Wirkung: eine Verbesserung der Insulinresistenz.
Die Glukosetransporter werden so über physikalische Reize auf Signalwegen aus Speichern im Inneren der Zellen an die Oberfläche verlagert. Diese Glukose-4-Transporter erleichtern den Transport von Glukose in das Zellinnere und weiter in die Energiekraftwerke, die Mitochondrien, um dort in Energie umgewandelt zu werden.
Das alles kann auch ohne die Mithilfe von Insulin passieren und ist somit ein ganz spezifisches Resultat der Muskelfaserkontraktion. Dadurch sinkt – selbst bei Diabetikern mit erhöhtem Blutzuckerspiegel – der Zuckerwert innerhalb von 10 bis 20 Minuten ab.
Auch dynamisches Krafttraining (das bedeutet: viele Wiederholungen mit eher leichteren Gewichten und mäßigem Ausführungstempo) zeigt vergleichbare Effekte, eine Kombination aus beiden ist allerdings am effektivsten.
Quelle: Blair et al. JAMA (1995) 273: 1093–1098
Die besten Ausdauersportarten
Laufen
Laufen heißt nicht immer gleich »Joggen«, sondern kann auch langsamer z. B. als »Tripp-Trab-Laufen« durchgeführt werden. Dies Tempo ist dann für Einsteiger und weniger gut Trainierte optimal. Bei dieser langsameren Geschwindigkeit trainieren aber auch Marathonläufer, allerdings über mehrere Stunden. Ihr Ziel ist es, insbesondere den Fettstoffwechsel zu optimieren, denn der wird bei langen Belastungen für die Energiegewinnung im Muskel benötigt. Beim Laufen kann natürlich auch der Zuckerstoffwechsel trainiert werden. Dazu sind intensivere Belastungen notwendig, wie z. B. beim Intervalltraining.
Somit ist Laufen bei unterschiedlichem Tempo eine optimale Belastungsform, die für Einsteiger wie auch Trainierte genutzt werden kann. Allerdings müssen die Knie orthopädisch intakt sein.
Eine Alternative für Übergewichtige und solche mit Knieproblemen ist »Aqua-Jogging«. Durch einen Schaumstoffgürtel erfährt der Körper im Wasser Auftrieb, und Belastungen der Gelenke werden wesentlich vermindert. Das Wasser sollte aber nicht wärmer als 26 Grad sein, da dann die Herz-Kreislauf-Belastung deutlich zunimmt.
Nordic Walking
Im Vergleich zum normalen zügigen Gehen verfolgt der Körper beim Nordic Walking eine »Hoch-Tief-Bewegung« mit gleichzeitigem Einsatz der Stöcke, die dies unterstützen. Dadurch werden die Muskeln des Oberkörpers und der Oberarme mitbelastet und deshalb 20 Prozent mehr Kalorien verbraucht.
Weil häufig Muskelverspannungen im Schulterbereich bei sitzender Berufstätigkeit vorliegen, ist diese Belastungsvariante optimal. Auch werden die Kniegelenke durch den Stockeinsatz weniger belastet. Allerdings ist Nordic Walking komplizierter, als es aussieht – eine Einführung in einem Kurs ist sinnvoll.
Radfahren
Eine Trainingseinheit, die auch für Übergewichtige geeignet ist, da die Knie nicht durch das Körpergewicht belastet werden. Auch die Führung über die Pedale und die Kräftigung der Oberschenkel entlastet die Kniegelenke. Für Anfänger und solche mit Rückenproblemen ist eher eine aufrechte Sitzhaltung zu empfehlen. Eine Sportart, die besonders gut in Ihren Alltag integrierbar ist und auch täglich z. B. zum Einkaufen oder zur Arbeit genutzt werden kann.
Schwimmen
Ein ganzheitliches Training, das Kondition und Muskelaufbau fördert und dabei die Gelenke schont. Vor allem bei Übergewicht, denn der Auftrieb im Wasser macht jeden leicht! Trotzdem sind die Herz-Kreislauf-Belastungen nicht zu unterschätzen, gerade wenn es an der Technik mangelt. Deshalb sollten die verschiedenen Schwimmstile richtig erlernt sein.
Brustschwimmen ist von der Atemtechnik am einfachsten, kann aber Rückenbeschwerden verstärken, weil das Hohlkreuz verstärkt und die Knie beim Scherenschlag belastet werden.
Beim Rückenschwimmen ist der Rücken komplett entlastet, und die Bauchmuskulatur wird angespannt und trainiert.
Fett und Zucker
Menschen mit einer Zuckerstoffwechselstörung, wie Diabetiker, haben häufig auch mit Störungen beim Fettstoffwechsel zu kämpfen. Bei ihnen ist ein erhöhter Triglycerid- und Fettsäurespiegel im Blut festzustellen, denn diese Stoffe werden vermindert abgebaut und zirkulieren dadurch besonders nach einer Mahlzeit länger als gewöhnlich im Blut. Gleichzeitig sind die Werte des guten HDL-Cholesterins niedriger.
Wie beim Blutzucker kommt es durch vermehrten Verbrauch von Fettsäuren im Muskel während körperlicher Belastung zu einer Abnahme im Blut. Triglyceride sind eine Verbindung aus drei Fettsäuren mit Glycerin. Um Fettsäuren für den Muskel bereitzustellen, werden diese aus sehr triglyceridreichen Partikeln, den VLD-Lipoproteinen, unter Belastung nach und nach aus diesen Transporteuren herausgelöst. Das Zusammenspiel dieser Partikel mit Fettspaltern (Enzymen) des Fettstoffwechsels führt zu einem regen Austausch von Fetten (Fettsäuren und Cholesterin) zwischen den Transporteuren (Lipoproteine).
Das Resultat: eine erhöhte HDL-Cholesterinkonzentration. Dies bedeutet eine Verbesserung des Rücktransports von Cholesterin aus den Arterienwänden zurück zur Leber. Durch die Muskelaktivität wird zusätzlich eine Funktionsverbesserung erzielt, die zu einem niedrigeren Blutzuckerspiegel führt.
Wichtig: Krafttraining hat auf diese Art von Stoffwechselstörungen wenig Einfluss. Verbesserungen sind in erster Linie durch längere Ausdauerbelastungen jenseits von 20 bis 30 Minuten zu erwarten.
Die Beeinflussung von beiden Komponenten – Fettstoffwechsel und Zuckerstoffwechsel – ist so wichtig, weil sich ihre zellschädigende Wirkung dadurch mehr als halbiert.
Übergewicht und Entzündung
Wie schon erwähnt, ist bei Übergewichtigen eine erhöhte Entzündungsneigung im Blut zu beobachten. Sie wird durch bestimmte Faktoren im Fettgewebe angefacht, die die Insulinresistenz verstärken. Dies geschieht durch eine Inaktivierung des Insulinrezeptors in der Muskulatur.
Mithilfe von körperlichem Training und durch eine gleichzeitige Gewichtsreduktion kann die Konzentration der im Blut zirkulierenden Entzündungsfaktoren vermindert und dadurch die Insulinsensitivität – also das Ansprechen des Insulinrezeptors beim Andocken von Insulin – verbessert werden.
Mäuse im Fitnessstudio
Die Wissenschaft begnügt sich nicht damit, klinische Daten am Menschen zu analysieren. Um der Physiologie und Pathophysiologie auf den Grund zu gehen und die Vorgänge im Körper besser zu verstehen, bedarf es einer detaillierten Analyse von Blutparametern, Gefäßfunktion und Gewebestrukturen nach einer Intervention, in diesem Fall nach körperlichem Training.
In der Herz-Kreislauf-Forschung werden dazu mit einer bestimmen Mäuseart Versuche gemacht. Die Tiere wurden genetisch so verändert, dass sie frühzeitig Arteriosklerose entwickeln. Diese Mäuse haben im Vergleich zu sogenannten Wildtyp-Stämmen aus der Natur um das Fünffache erhöhte Cholesterinwerte, weil sie das Cholesterin aufgrund fehlender Rezeptoren oder Schleusen in der Leber dort nicht binden können und es deshalb in der Blutzirkulation bleibt. Das führt zum frühen Schaden der Endothelzellen und zu baldiger Arteriosklerose.
Auch die Forschergruppe um Stavros Konstantinidis vormals an der Universitätsklinik in Göttingen, an der ich beteiligt war, konnte anhand von Mäusen belegen, wie Cholesterinablagerungen, Alterungsprozesse und Bewegung als »Anti-Aging« für Gefäße zusammenhängen.29
Die Idee
Es war einer dieser Einfälle, die zunächst im Übermut, nicht ganz ernst gemeint entstehen und später zu unerwarteten Resultaten führen. Konstantinidis und ich waren Oberärzte in der Kardiologie und hatten uns überlegt, seine Arteriosklerose-Mäuse zu trainieren.
Es war nicht einfach, ein Trainingsgerät für Mäuse zu organisieren, aber fündig wurden wir in den USA, wo es Laufbänder für Mäuse im Internet zu bestellen gab.
Das optimale Studiendesign war schnell gefunden, denn hochwissenschaftlich sollte es sein: Randomisierend in Interventions- und Kontrollgruppe, d. h. zufällige Verteilung in zwei gleich große Kollektive.
Das Experiment
Die eine Mäuse-Gruppe lief täglich 60 Minuten auf einem Laufband bei moderater Geschwindigkeit.
Die Mäuse aus der Kontrollgruppe durften nicht aufs Laufband, sondern blieben im Käfig.
Nach einem sechswöchigen Trainingsprogramm wurden verschiedene Blutparameter und feinste Strukturen der Halsschlagader der Tiere untersucht.
Das Ergebnis
Die sportlichen Mäuse zeigten deutlich weniger Arteriosklerose der Gefäßwände als die Kontrolltiere. Als Erklärung zeigte sich bei entsprechender Färbung der Gefäßwände eine deutlich verminderte Entzündungsreaktionen um 30 Prozent im Vergleich zu den Kontrolltieren (vgl. Abb.). Charakteristischerweise zeigte das Anfärben für die Produktion von NO in den Endothelzellen unter dem Mikroskop eine markante Braunfärbung, ein Zeichen für einen Anstieg der NO-Produktion in den Endothelzellen, induziert durch körperliche Aktivität.
Die enge Verbindung von Bewegung, NO und Anti-Aging der Gefäße war belegt.
Quelle: Pynn M., Schäfer K., Konstantinides S., Halle M., Circulation (2004) 109: 386–392
Vorsicht Blutdruck
Bei der Aktivierung der Muskulatur wird auch das Gefäßstrombett durch den erhöhten Blutfluss beeinflusst. Enzyme des Fettstoffwechsels, die an dem Endothel der Gefäße hängen und in den Blutstrom hineinragen, werden aktiviert. Dieses geschieht sowohl in der Leber (Rohstofflieferant) als auch in der Muskulatur (Energieproduzent).
Gleichzeitig kommt es durch den gesteigerten Blutfluss zu einer Aktivierung der Endothelzellen. Die Gefäße weiten sich. Diese Reaktion ist entscheidend für den Blutdruckabfall unter Belastung.
Dieser Effekt hält über einen ganzen Tag an, sodass dann bis zum nächsten Tag niedrigere Blutdruckwerte festzustellen sind.
Bitte denken Sie daran: Bei erhöhtem Blutdruck ist es besonders wichtig, dass es – vor allem zu Beginn eines Trainingsprogramms – zu keinen zu hohen Belastungsintensitäten kommt.
Diese werden von Ihrem Körper als purer Stress empfunden; der untrainierte Organismus reagiert ganz empfindlich darauf. Das kann zu Blutdruckspitzen führen, die in Ruhe selten vorkommen, aber durch die körperlichen Belastungen sofort provoziert würden.
Leiden Sie unter erhöhtem Blutdruck, kommen Sie um ein Medikament – zumindest in der Anfangsphase – nicht herum. Zusätzlich gilt es, die Belastung mit niedriger Intensität zu starten und langsam zu steigern: zunächst den Umfang, später, nach etwa drei bis vier Wochen, auch die Intensität.
Stammzellen als Jungbrunnen
Alterungs- und Regenerationsprozesse müssen in einem steten Gleichgewicht gehalten werden. Risikofaktoren wie erhöhter Blutdruck, niedrige HDL-Cholesterinwerte und erhöhte Blutzuckerwerte sowie ganz besonders das Rauchen fördern das Absterben der Endothelschicht. Die Stammzellen sorgen dafür, dass eine Regeneration möglich wird.
Wie bereits dargestellt, ist das effektivste Mittel, um den Alterungsprozessen der Gefäße entgegenzuwirken, die Bewegung. Wenn Sie es schaffen, die Gefäßrisikofaktoren möglichst auszuschalten, stärken Sie die Regenerationskraft der E-Zellen.
Für diese Regenerationsprozesse spielen die Stammzellen eine entscheidende Rolle. Sie sind in der Lage, geschädigte Endothelzellen direkt vor Ort zu ersetzen und die Unversehrtheit der Endothel-Zellschicht wiederherzustellen.
Die Generalisten
Stammzellen werden im Knochenmark gebildet. Es handelt sich dabei um eine Art Materiallieferant der Biologie für alle Organe und Körperzellen. Diese Zellen sind nicht ausdifferenziert, sondern Urzellen, aus denen theoretisch jede andere Zellart hervorgehen könnte, je nachdem, welche Reize aus der Umgebung kommen. So bildet sich die Stammzelle beispielsweise erst als Herzmuskelzelle aus, wenn sie am Zielorgan, dem Herzen, angelangt ist.
Ist die Endothelschicht geschädigt oder zerstört, kann sie durch das Einwandern und Anlagern von Stammzellen regenerieren. Dieser Vorgang ist praktisch mit einer Wundheilung der Endothelschicht vergleichbar.
Auch diese Regeneration kann durch körperliche Aktivität und Training gefördert werden.
Sowohl regelmäßige Bewegung als auch akute Belastung wirken als Initialzündung für den Körper, Stammzellen im Knochenmark zu produzieren und an die Blutzirkulation abzugeben.
Regeneration durch Belastung
Wissenschaftler konnten in Studien belegen, dass ein einmonatiges Fitnesstraining die Anzahl der im Blut zirkulierenden Stammzellen bei Patienten mit Gefäßvorschädigungen wieder vermehren und sogar verdoppeln kann (vgl. Abb.).
Quelle: U. Laufs et al. Circulation (2004) 109: 220–226
Gerade intensivere Belastungen bei 80 Prozent der Maximalleistung führen nach 30 Minuten zu höheren Werten als niedrigere Belastungen bei 60 Prozent der Maximalleistung.
Überlastungen, wie sie beim Marathonlaufen entstehen, stellen allerdings eine Überdosis dar. Die zirkulierenden Stammzellen fallen fast bis auf den absoluten Tiefpunkt und sind kaum mehr messbar. Dieser Effekt hält allerdings nur wenige Tage an.
Es ist nie zu spät
Zusammenfassend wird verständlich, wie einerseits die Gene und andererseits die Herz-Kreislauf-Risikofaktoren als Alterungsbeschleuniger die Endothelfunktion bzw. Gefäßalterung verstärken und wie körperliche Aktivität und Training diesen Prozess beeinflussen können. Die Botschaft an Sie lautet:
Sorgen Sie so bald wie möglich für regelmäßige Bewegung und gute Fitness, denn damit können Sie den Alterungsprozess entscheidend beeinflussen. So können Sie Ihre Gefäße für 30 Jahre auf demselben Niveau halten.
Ist das nicht ein Versprechen, das Sie motivieren könnte, Ihren inneren Schweinehund zu überwinden und mit dem E-Zellen-Training zu beginnen? Es gibt viele Menschen, die das mit großem Erfolg geschafft haben.
Dass es nie zu spät ist, zeigt das Beispiel von Fauja Singh, der erst mit 89 Jahren mit seinem Marathontraining begonnen hat und noch enorme Trainingserfolge erzielen konnte. Als 100-Jähriger nahm er 2011 in London noch am Wettkampf teil und beendete ihn mit einer Zeit unter sieben Stunden.
Aber es muss definitiv nicht Joggen – und schon gar nicht Marathonlaufen – sein: Die positiven Effekte treten schon nach täglich 15 Minuten Walken ein.