18
Noch nie in ihrem Leben war Faith etwas so peinlich gewesen. Als sie nach Hause kam, rannte sie hinein und verschloß alle Türen, als ob ihr das die Sache erleichtern würde. Sie konnte sich nur verschwommen an ihre Rückfahrt erinnern, im Gegensatz dazu aber war ihr jeder Schritt auf der Polizeiwache gegenwärtig, wie sie mit gerötetem Gesicht und dicht aneinandergepreßten Schenkeln den Flur entlanggelaufen und bei jedem neugierigen Blick innerlich zusammengezuckt war.
Äußerlich war ihr nichts anzumerken gewesen, und sie hatte stolz ihr Kinn erhoben und so von vornherein verhindert, daß irgend jemand sie ansprach. Der Bluff schien funktioniert zu haben, denn niemand hatte sie aufgehalten.
Sobald Gray sie losgelassen hatte, war sie vom Rand des Waschbeckens heruntergeglitten und hatte sich in eine der Toiletten eingeschlossen. Ein nicht zu kontrollierender Lachanfall überfiel sie, während sie ihre Sachen zu ordnen versuchte. Die Ankunft ihres Höschens, das über die Tür geflogen kam, brachte sie vollends aus der Fassung.
»Wirst du wohl ruhig sein?« hörte sie Gray wütend brummen, aber sie konnte nicht anders als wie verrückt zu kichern. Dann sagte er noch etwas, was sie jedoch nicht verstand. Einen Augenblick später quietschte die Tür, und er war verschwunden. Sie öffnete sich jedoch sofort wieder, und ein paar dunkelblaue Schuhe nahmen in der Kabine neben ihr Platz. Die Trägerin der Schuhe war die Dame mit der schrillen Stimme. Sie war ausgesprochen empört.
»Ich sollte es dem Sheriff melden«, erregte sie sich mit so lauter Stimme, daß Faith sie trotz ihres Gelächters hören konnte. »Es einfach in der Damentoilette zu treiben! Hier kann ja jeder hereinkommen, vielleicht eine Mutter mit ihren Kindern. Stellen Sie sich einmal vor, wenn Kinder so etwas sehen würden. Es ist eine Sünde, und es ist einfach ekelhaft, daß die Leute heutzutage kein Schamgefühl mehr besitzen.«
Sie ließ diese Tirade gleichzeitig mit einem stetigen Urinstrahl in das Becken ab. Offenbar rührte ein Teil ihrer Wut von der Tatsache her, daß sie ganz dringend hatte auf die Toilette gehen müssen. Faith versuchte ihr Kichern zu kontrollieren und nutzte die Beschäftigung der Frau dazu, aus ihrer Kabine zu flüchten. Als sie wieder im Flur war, legte sie ihr ganz normales Benehmen an den Tag und ging so schnell sie konnte zu ihrem Wagen. Gray war nirgendwo zu sehen, aber sie hatte ihn ja auch nicht gesucht. Vermutlich hatte er sich in der Männertoilette versteckt.
Faith ließ sich auf einen Küchenstuhl fallen und bedeckte beschämt ihr Gesicht mit den Händen. Was war nur mit ihr los, daß sie es ihm noch nicht einmal an einem öffentlichen Ort abschlagen konnte? Die Toilette auf der Polizeiwache! Selbst Renee hatte sich diskreter verhalten.
Das Telefon klingelte, aber sie machte keinerlei Anstalten, den Hörer abzunehmen. Der Anrufbeantworter in ihrem Büro schaltete sich ein, und sie hörte Grays tiefe Stimme, die aber zu weit weg war, um sie zu verstehen. Er legte auf. Ein paar Minuten später klingelte wieder das Telefon. Diesmal erkannte Faith Margots Stimme. Sie hätte den Anruf beantworten sollen, tat es aber nicht. Momentan konnte sie ganz einfach keine normale Unterhaltung führen. Ihre Nerven waren noch vollkommen überspannt, und ihr Körper zitterte von den Folgen des Adrenalinstoßes. Sie konnte nicht nachvollziehen, daß manche Menschen von riskanten Abenteuern abhängig wurden, denn sie empfand Abenteuer als erschreckend.
Als sie ihren Knien wieder zutraute, sie zu tragen, stand sie auf und ging ins Badezimmer. Mehr als alles andere brauchte sie jetzt eine Dusche.
Auf der Fahrt in Richtung Faiths Haus schüttelte Gray ungläubig den Kopf. Er war sich sicher, daß er sie dort finden würde, obwohl sie den Telefonhörer nicht abgenommen hatte. Er konnte nicht glauben, was sie getan hatten, doch die Anziehung zwischen ihnen war so stark gewesen, daß es kein Zurück mehr gegeben hatte. Etwas derart Dummes hatte er noch nicht einmal als Teenager getan, obwohl er damals wirklich wild wie ein Stier gewesen war.
Schnaubend unterdrückte er sein Lachen. Verdammtes Weib! Faith hatte sich sofort in einer der Toiletten verkrochen und wie verrückt gelacht, während er mit bis zu den Knien heruntergelassener Hose dastand und mit nur einer Hand die Tür zuhielt. Schnell hatte er sich dagegen gelehnt und seine Hosen hochgezogen. Dann hatte er Faiths Slip aufgehoben und ihr über die Tür geworfen, woraufhin sie, trotz seiner Mahnung, leiser zu sein, noch lauter gelacht hatte. Die alte Hexe draußen rührte sich nicht vom Fleck, sondern trommelte immer lauter gegen die Tür. Zwischen dem Lärm der Hexe und dem von Faith dröhnten ihm die Ohren.
Schließlich hatte er zu Faith gesagt, daß er draußen auf sie warten würde, war sich aber nicht sicher, ob sie ihn inmitten ihres Lachanfalls überhaupt hörte. Es gab keinen anderen Ausweg, als sich der Situation zu stellen. Er kontrollierte, ob sein Reißverschluß geschlossen war, öffnete die Tür und trat hinaus. Sofort blickte er auf eine plumpe Frau mit gerötetem Gesicht hinab, die sich vor lauter Empörung gar nicht mehr beruhigen konnte. Sie überschüttete ihn mit Worten, aber Gray unterbrach sie. »Die Männertoilette war belegt«, schnappte er. »Was erwarten Sie denn von mir, soll ich in den Flur pissen?«
Dann lief er zur Männertoilette hinüber, die gleich nebenan war. Von draußen hörte er die alte Hexe antworten: »Und wo haben Sie hier hineingepißt, ins Waschbecken etwa?« Lautlos lachend ließ er sich gegen die Wand fallen, Himmel noch mal! Wieder mußte er grinsen. Er kannte die alte Hexe, zumindest dem Aussehen nach. Sie arbeitete im Finanzamt. Die Geschichte, daß er sich mit irgendeinem Flittchen in der Damentoilette amüsiert hatte, würde bis zur Mittagszeit in der Wache bereits Allgemeingut sein, und morgen wüßte es die ganze Stadt.
Sein Grinsen erstarb. Faith wäre zu Tode gedemütigt. Vermutlich war sie das auch schon so. Sie hatte draußen nicht auf ihn gewartet, sondern war vermutlich so schnell sie irgend konnte nach Hause gefahren und hatte sich in ihrem Haus verbarrikadiert. Seine kleine Puritanerin war sicherlich fast krank vor Scham.
Als er ihren Wagen in der Auffahrt stehen sah, seufzte er erleichtert. Er fuhr vor, parkte aber nicht hinter ihr. Statt dessen lenkte er sein Auto hinter das Haus zu dem offenen Schuppen, in dem sie ihren Rasenmäher aufbewahrte. Geißblatt wuchs über dem Schuppendach und rankte sich an einem Kabel empor, das zu einem Elektromast führte und so einen schönen Vorhang bildete, hinter dem er sein Auto verstecken konnte. Er fuhr mit dem Jaguar so weit vor, daß sich die Ranken hinter dem Auto wieder schlossen, stieg aus und sah sich um. Die Straße war nicht zu sehen, also konnte man umgekehrt den Wagen von der Straße aus auch nicht sehen. Er fand sein Verhalten zwar etwas lächerlich, aber er hoffte, daß Faith seine Bemühungen ihrem Ansehen zuliebe schätzen würde.
Er ging auf die Küchentür zu und klopfte ungeduldig. Sie öffnete nicht, also klopfte er erneut. »Faith, mach die Tür auf.«
Faith stand auf der Innenseite der Tür, ihre Hand verharrte an dem Vorhang, den sie gerade hatte beiseite ziehen wollen, um nachzusehen, wer an ihre Küchentür klopfte. Sie war zu Tode erschrocken gewesen, als sie ein Auto in ihrer Auffahrt und dann hinter ihrem Haus gehört hatte, und verspürte Erleichterung darüber, daß es Gray war. Aber auf der Liste aller derer, denen sie jetzt nicht gegenübertreten wollte, stand er an oberster Stelle.
»Geh weg«, sagte sie.
Der Türgriff rasselte. »Faith.« Er sprach ihren Namen mit weicher, sanfter Stimme aus. »Mach die Tür auf, Liebling.«
»Warum?«
»Wir müssen ein paar Dinge besprechen.«
Das stimmte zweifellos, aber Faith stand nicht der Sinn danach. Sie wollte sich lieber in der ganzen Sache wie ein Feigling benehmen, bis sie ihre Scham überwunden hatte. »Vielleicht morgen«, wich sie aus.
»Jetzt.« Wieder sprach er mit jener sanften Unnachgiebigkeit, die ihr sagte, er würde die Tür innerhalb der nächsten zehn Sekunden aufbrechen, wenn sie sie nicht selbst öffnete. Unwillig machte sie auf.
Er trat ein und schloß, ohne sie eine Sekunde aus den Augen zu lassen, hinter sich ab. Sie war gerade aus der Dusche gekommen und hatte sich noch nicht wieder angezogen, als sie den Wagen hörte. Sie hatte nach ihrem dünnen Morgenmantel gegriffen und ihn übergestreift. An dem Mantel war nichts Verführerisches, er war aus einfacher, weißer Baumwolle und an der Taille zusammengebunden. Dennoch war sie sich nur zu bewußt, daß sie nichts darunter trug. Sie zog den Kragen über ihren Brüsten zusammen. »Worüber möchtest du denn sprechen?«
Ein unglaublich sanftes Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus, während er auf sie herabblickte. »Das kann warten«, sagte er und hob sie in seine Arme.
Zwei Stunden später lagen sie verschwitzt und erschöpft zwischen den zerwühlten Laken auf ihrem Bett. Die mittägliche Sonne bahnte sich ihren Weg durch die geschlossenen Jalousien und warf feine weiße Streifen auf den Boden. Von der leichten Brise des Deckenventilators überlief Faith eine Gänsehaut. Ihr Körper war so unglaublich sensibilisiert, daß sie jedes Härchen in der Brise zu spüren glaubte. Ihr Herz schlug langsam und kräftig, und ihre Adern pulsierten bei jedem seiner Schläge. Gray lag mit geschlossenen Augen auf dem Rücken. Seine Brust hob und senkte sich, während sie ihren Kopf an seiner Schulter vergrub.
Es dauerte eine Weile, ehe sie sich wieder bewegen konnte. Ihr Körper fühlte sich schwer und kraftlos an, so als ob er überhaupt keine Knochen mehr besäße. In diesen zwei Stunden hatte Gray sie dreimal mit einer solchen Kraft genommen, als ob die Begegnung auf der Wache überhaupt nicht gewesen wäre. Und so fordernd und drängend seine Lust gewesen war, sie hatte darauf mit gleicher Heftigkeit reagiert. Sie hatte sich an ihn geklammert, ihre Fingernägel in seinem Rücken vergraben und ihre Hüften jedem seiner Stöße entgegengestreckt. Ihr Feuer schien seines noch zu beflügeln. Sie konnte nicht mehr sagen, wie oft sie einen Höhepunkt erreicht hatte. Der letzte hatte sich angefühlt wie das lange Schwellen einer Welle, die dann gebrochen war, aber nicht verebben wollte. Trunken vor Lust hatte sie sich davontragen lassen.
Als sein Atem ruhiger geworden war, regte sich Gray, versuchte den Kopf zu heben, ließ ihn aber stöhnend wieder fallen. »Himmel, ich kann mich nicht mehr bewegen.«
»Dann tu es nicht«, murmelte sie und öffnete einen Spalt breit die Augen.
Kurz darauf versuchte er es wieder. Unter großer Anstrengung hob er seinen Kopf und betrachtete das Wirrwarr ihrer nackten Körper auf dem zerwühlten Bett. Sein Blick fiel auf seinen Penis, der weich an seinem Schenkel ruhte. »Du elender Schurke«, bellte er. »Diesmal bleibst du unten!«
Sie kicherte überrascht und vergrub ihr Gesicht an seiner Schulter.
Gray ließ seinen Kopf zurückfallen und zog sie näher zu sich heran. »Du hast gut lachen«, brummte er. »Der verfluchte Kerl versucht mich umzubringen. Von Mäßigung hat er noch nie viel gehalten, aber jetzt wird es langsam lächerlich. Er glaubt wohl, ich sei immer noch sechzehn Jahre alt.«
»Er kann nicht denken«, widersprach sie und kicherte noch mehr.
»Behauptest du. Aber dann könnte man mit ihm vernünftig verhandeln.« Sie lachte immer weiter, und er kitzelte sie, um sich zu rächen. »Hör auf zu lachen«, befahl er ihr, obwohl ein Lächeln auf seinen Lippen lag. »Weißt du überhaupt, wie das ist, wenn ein wichtiger Körperteil weder der Vernunft noch anderen Befehlen gehorcht?«
»Eigentlich nicht. Aber ich kenne das Gefühl, in der Nähe eines solchen Körperteils zu sein.«
Er lachte und strich sich mit der Hand über die Brust. »Weißt du eigentlich, warum Männer ihren Schwänzen Namen geben?«
»Nein, warum?« fragte sie und versuchte, ihr Kichern zu unterdrücken.
»Damit die wichtigsten Entscheidungen ihres Lebens nicht von einem vollkommen Unbekannten gefällt werden.«
Sie lachten wie verrückt. Faith griff nach dem Laken, um sich die Tränen abzutrocknen. Diese verspielte Seite Grays hatte sie bisher nicht gekannt, und sie war unglaublich entzückt davon.
Er stützte sich auf die Ellenbogen und blickte auf ihren Kopf in seiner Armbeuge. »Es ist sowieso alles deine Schuld«, sagte er und strich eine dunkle Haarsträhne aus ihrem Gesicht. Seine Hand wanderte weiter über ihren Hals und die zierliche Kurve ihres Schlüsselbeins und schloß sich über ihrer Brust.
»Meine Schuld?« fragte sie empört.
»Klar.« Er hob ihren Busen etwas an, ließ seinen Daumen über die rosa Schwellung ihrer Knospen streichen und beobachtete fasziniert, wie sie sich augenblicklich aufrichteten und rötlich verfärbten. »Deine Knospen sind wie Himbeeren«, staunte er. Er beugte sich herab, um eine jener besonderen Himbeeren in seinen Mund zu nehmen und sie mit der Zunge zu umkreisen.
Faith bebte in seinen Armen. Ihre sofort aufflammende Leidenschaft erschreckte sie. »Ich kann nicht mehr«, stöhnte sie, merkte aber, daß ihre andere Knospe sich ebenfalls aufgerichtet hatte.
Er zog den Kopf zurück und bewunderte sein Werk. Die rote Brustwarze glitzerte feucht. »Das ist gut so«, bemerkte er leise. »Denn ich für meinen Teil kann ganz sicher nicht mehr.« Faiths porzellanfarbene Brüste glänzten seidig, und ihre Haut war so durchschimmernd, daß man das Netzwerk der darunterliegenden Venen sehen konnte. Ihre Brüste waren fest und aufstrebend, und er konnte seine Hände nicht von ihnen lassen. »Stell dir nur mal vor, wie hübsch die hier sein werden, wenn sie voll Milch sind.«
Sie schlug ihm auf die Schulter. »Ich habe dir doch schon gesagt, ich bin nicht schwanger!«
»Das kannst du nicht wissen«, neckte er sie.
»Doch, ich weiß es.«
»Du könntest dich verrechnet haben.«
»Ich verrechne mich nie.«
»Diesmal vielleicht doch.«
Sie starrte ihn an, dann kam sie auf das zuvor angeschnittene Thema zurück. »Wieso ist es meine Schuld?«
»Muß es sein«, erwiderte er aufgeräumt. »In deiner Nähe bekomme ich jedesmal einen Steifen.«
»Ich tu doch aber gar nichts. Also liegt die Schuld bei dir.«
»Du atmest. Offenbar reicht das bereits aus.« Er ließ sich in das Kissen zurückfallen und zog sie halb auf sich. Seine freie Hand streichelte ihren schmalen Rücken bis zu den Rundungen ihrer Hüften. »Teilweise hat es mit deinem Geruch zu tun, wie Honig und Zimt, süß und gleichzeitig voller Würze.«
Sie hob den Kopf an und blickte ihn erstaunt an. »Mich hat dein Duft auch immer besonders angezogen«, gestand sie ihm. »Sogar als ich noch ein kleines Mädchen war. Du hattest für mich den schönsten Duft auf der ganzen Welt, aber ich habe ihn niemals wirklich in Worte fassen können.«
»Damals warst du schon in mich verliebt?« fragte er zufrieden.
Sie versteckte ihr Gesicht in der Mulde seiner Schulter und atmete den wunderbar männlichen Duft ein, von dem sie gerade gesprochen hatte. »Nein«, sagte sie leise. »Es war kein Verliebtsein.«
Er machte es sich etwas bequemer und legte ihr Bein quer über seine Hüften. Sie spürte, wie sein Penis sich warnend gegen ihren Schenkel drückte, dann jedoch nachließ. »Ich habe mir immer Sorgen um dich gemacht«, sagte er schläfrig. »So ganz allein im Wald herumzurennen.«
Einen Augenblick lang schwieg sie. »Wie oft hast du mich denn gesehen?«
»Mehrmals.«
»Ich habe dich auch gesehen«, sagte sie, indem sie all ihren Mut zusammennahm.
»Im Wald?«
»Im Sommerhaus. Mit Lindsey Partain. Ich habe euch durch das Fenster hindurch beobachtet.«
Er riß die Augen auf. »Du neugieriges kleines Luder!« sagte er und gab ihr einen Klaps. »Ich hatte mir damals schon gedacht, daß du etwas gesehen hast.«
»Ziemlich viel sogar«, stimmte sie ihm zu und rieb sich empört den Hintern. Sie rächte sich, indem sie sein Brusthaar um ihre Finger wand und daran zupfte.
Er rieb sich die Brust. »Aua!«
»Rache ist süß«, sagte sie. »Und sie folgt auf dem Fuß.«
»Das werde ich mir merken«, sagte er und blickte auf seinen Oberkörper herab. »Verflucht, hier ist ja eine kahle Stelle.«
»Das ist nicht wahr.«
Sie rieb ihre Wange an ihm, schloß die Augen und genoß das wunderbare Gefühl seines warmen, starken und vitalen Körpers. Sie hatte sich von dem Moment an, da er sie ins Bett getragen hatte, wie im Paradies gefühlt. Hier mit ihm so entspannt zu liegen, alle Feindseligkeit verflogen und die Lust befriedigt, war mehr, als sie jemals zu hoffen gewagt hatte. Keines ihrer Probleme war bisher gelöst worden, und sie würden sicher wieder auftauchen, im Augenblick aber war sie glücklich.
So glücklich sogar, daß sich nur wenig von ihrer Verletztheit in die Neugier mischte, mit der sie sagte: »Du hast Lindsey auf französisch geliebt.«
Seine Augen hatten sich schläfrig geschlossen, jetzt aber riß er sie wieder auf. »Wie bitte?«
»Ich habe es gehört. Du hast sie auf französisch geliebt. Lauter Liebkosungen und Komplimente.«
Gray war viel zu erfahren, um nicht sofort ihre unausgesprochenen Gefühle zu erkennen. Er sah sie ungläubig an, dann warf er sich ins Kissen zurück und lachte schallend. Faiths Unterlippe zitterte ein wenig, und sie wollte sich abwenden, aber sein Arm hielt sie zurück.
»Himmel«, sagte er und schüttelte sich. Dann riß er sich zusammen und rieb sich mit dem Handrücken die Augen trocken. »Du Unschuldsengel, du. Ich spreche zwar fließend französisch, aber meine Muttersprache ist es nicht.« Das Entsetzen in ihren grünen Augen sagte ihm, daß sie ihn nicht verstand, also erklärte er es ihr. »Liebling, wenn ich noch klar genug denken kann, um französisch zu sprechen, dann bin ich nicht hundertprozentig bei der Sache. Es mag ja nett klingen, aber es bedeutet nichts. Männer unterscheiden sich von Frauen. Je erregter wir sind, desto mehr ähneln wir vorsintflutlichen Höhlenbewohnern. Mit dir konnte ich kaum noch verständlich reden, geschweige denn französisch. Soweit ich mich erinnern kann, hatte sich mein Wortschatz auf wenige überdeutliche Worte reduziert, wovon das Wort 'vögeln' noch das markanteste war.«
Erstaunt beobachtete er, wie sie errötete. Er mußte angesichts dieses weiteren Beweises ihrer Prüderie lächeln. »Schlaf jetzt ein wenig«, murmelte er leise. »Lindsey habe ich noch nicht einmal wiedergetroffen.«
Der Himmel wußte, warum sie das zu beruhigen schien, aber sie beruhigte sich. Von der Liebe erschöpft schlief sie leicht wie ein Kind ein. Als sie wieder aufwachte, liebten sie sich erneut. Er war jetzt nicht mehr ganz so drängend. Sein Blick verriet ein wenig Schalk, als er ihr französische Liebkosungen zuflüsterte, und er mußte ihre Hände abwehren, die sich protestierend in sein Brusthaar klammern wollten. Er lachte schallend über ihre Empörung. Sie verbrachten den Nachmittag schlafend, dann liebten sie sich wieder und murmelten einander zärtliche Dinge ins Ohr. Wenn auch der Sex wahnsinnig aufregend war, so waren es die Gespräche danach, in denen das Fundament für echte Nähe gelegt wurde: der ruhige Austausch von Geheimnissen und Gedanken und das Reden über die Vergangenheit.
»Erzähl mir von den Pflegeeltern, bei denen du warst«, sagte er und war erleichtert, als sie lächelte.
»Die Greshams. Sie haben mir das erste Zuhause meines Lebens gegeben. Ich halte immer noch Kontakt zu ihnen.«
»Wie bist du denn überhaupt zu Pflegeeltern gekommen?«
»Pa hat uns nicht lange nach ... nach dieser Nacht verlassen«, erwiderte sie stockend. »Russ, mein ältester Bruder, machte sich auch bald aus dem Staub. Nicky hat sich sehr angestrengt, uns alle zu ernähren, das muß ich ihm lassen. Aber als die Sozialfürsorge auf uns aufmerksam wurde, war er doch ziemlich erleichtert. Jodie wurde bei einer Pflegefamilie untergebracht, und Scottie und ich bei einer anderen. Es war nicht so einfach, jemanden zu finden, der auch Scottie nehmen wollte. Aber die Greshams haben eingewilligt, wenn ich mich um ihn kümmern würde. Als ob ich ihn hätte zurücklassen können«, sagte sie leise.
»Und was ist aus ihm geworden?«
»Im darauffolgenden Januar ist er gestorben. Immerhin durfte er die letzten sechs Monate seines Lebens glücklich sein. Die Greshams waren so lieb zu ihm. Sie haben ihm Spielzeug gekauft und sich viel mit ihm beschäftigt. Weihnachten hatte er noch so viel Freude, aber danach ist er bald gestorben. Ich habe an seinem Bett gesessen«, sagte sie mit ruhiger Stimme, während sich ihre Augen mit Tränen füllten. »Ich habe seine Hand gehalten, als er starb.« Sie strich sich über die Lider. »Ich habe mich immer gefragt, ob Guy sein Vater gewesen ist.«
Daran hatte Gray noch niemals gedacht. Er blickte sie an. Allein der Gedanke, daß sein Vater noch weitere Kinder gezeugt hatte, entsetzte ihn. Ebenso aber auch die Möglichkeit, daß Guy diese Kinder im Dreck hatte verkommen lassen.
Faith suchte nach seiner Hand. »Ich glaube aber nicht, daß er der Vater war«, sagte sie, um ihn zu trösten. »Er hätte keines seiner Kinder so leben lassen, wie wir gelebt haben. Wenn Scottie sein Sohn gewesen wäre, dann hätte er für ihn gesorgt. Ich weiß zwar nicht, wer Scotties Vater war, aber von Papa war er bestimmt nicht.«
Gray blinzelte, und in seinen Augen glitzerten Tränen. »Ja«, sagte er mit rauher Stimme. »Er hätte für ihn gesorgt.« Etwas später fragte er: »Was ist denn mit dem Rest deiner Familie geschehen?«
»Ich weiß es nicht. Ich glaube, Jodie lebt irgendwo in der Nähe von Jackson, aber ich habe sie, seit sie achtzehn war, nicht mehr gesehen. Und was aus Papa und den Jungs geworden ist, davon habe ich keinen Schimmer.« Sie vermied es sorgfältig, Renees Namen zu erwähnen.
Ihre Familie, soweit man sie überhaupt als solche bezeichnen konnte, war durch seine Handlungen zerschlagen worden. Er umarmte sie fest, als ob er so den Schmerz der Vergangenheit für sie lindern könnte.
»Ich habe meinen Vater gehaßt, eine Zeitlang jedenfalls«, gab er zu. »Mein Gott, als ich herausfand, daß er abgehauen war .. . er war der Fels in der Brandung für unsere Familie gewesen, nicht Mutter. Es hat so weh getan, ich konnte es nicht ertragen.« Faith biß sich auf die Unterlippe. Sie dachte daran, was sie ihm schon sehr bald würde sagen müssen.
»Monica hat versucht, sich umzubringen«, sagte er plötzlich. »Kurz nachdem ich ihr von Papas Verschwinden erzählt habe, hat sie sich die Pulsadern aufgeschnitten. Auf dem Weg zum Krankenhaus wäre sie fast verblutet. Als ich am Abend zur Baracke fuhr, kam ich geradewegs vom Krankenhaus in Baton Rouge.«
Sie merkte, daß er ihr seine Wahnsinnswut damals erklären wollte. Er wollte ihr erklären, warum er damals so gehandelt hatte. Sie küßte seine Schulter, und in der Geste lag Vergebung. Eigentlich hatte sie ihm ja schon vor langer Zeit vergeben, denn sie verstand nur zu gut den Schmerz und das Gefühl des Betrogenseins, das er erlebt haben mußte.
Er blickte zu dem Ventilator an der Zimmerdecke hoch. »Mutter hat sich vollkommen in sich selbst zurückgezogen. Sie hat kein Wort mehr gesagt und sogar nichts mehr zu sich genommen. Zwei Jahre lang hat sie ihr Zimmer nicht verlassen. Sie ist der egozentrischste Mensch, dem ich je begegnet bin«, urteilte er mit brutaler Ehrlichkeit. »Dennoch möchte ich sie nie wieder so erleben.«
Deshalb war er auch so eisern bestrebt, daß weder Monica noch seine Mutter durch Faiths Handlungen oder Worte verletzt wurden. Sie hatte selbst ein wenig von seiner übersteigerten Fürsorglichkeit zu spüren bekommen. In gewisser Hinsicht war er wie der Feudalherrscher Prescotts. Sein Einfluß berührte fast jeden Aspekt des Gemeinwesens, und wie ein Feudalherrscher nahm er seine Pflichten sehr ernst.
Er rollte sich auf sie und drang mit zärtlicher Unnachgiebigkeit in sie ein. Sie hielt den Atem an, denn sie war von den vorherigen Malen noch wund. Er stützte sich auf die Ellenbogen und wiegte ihren Kopf in seinen Händen. »Diese Nacht damals verbindet uns«, flüsterte er. »So häßlich sie auch war, wir teilen unsere Erinnerungen daran. Und es war nicht nur häßlich. In jener Nacht schon habe ich dich begehrt, Faith.« Er bewegte sich langsam in ihr, und sein Blick wurde von der sich allmählich steigernden Lust überschattet. »Du warst erst vierzehn Jahre alt, aber ich begehrte dich. Und als ich dich in dem Motel wiedergesehen habe, da war es so, als ob die zwölf Jahre überhaupt nicht gewesen wären, denn ich begehrte dich noch immer.«
Dann lächelte er. »Soll ich es noch einmal auf französisch wiederholen?« fragte er.
Als Faith das nächste Mal aufwachte, lag sie regungslos und beobachtete Gray im Schlaf. Seine dunklen Wimpern warfen Schatten auf seine Wangenknochen, ein schwarzer Bartwuchs zierte sein Kinn. Seine Lippen waren leicht geöffnet, sein kräftiger Körper entspannt. Seine Schönheit nahm ihr den Atem. Sein langes Haar lag zerzaust auf seinen Schultern. Er sah aus wie ein Pirat, der sich nach langen Schwertkämpfen im Bett seiner Herzensdame erholte. Der winzige Diamant in seinem linken Ohr tat diesem Bild keinen Abbruch.
Um nochmals Sex zu haben, war sie zu wund, aber dennoch zog sein Körper sie an. Er war wunderschön geformt mit seinen langen Gliedern und ausgeprägten Muskeln. Ein Arm hing aus dem Bett heraus, der andere lag locker über seiner Brust. Er hatte große Hände mit wohlgeformten Fingern, aber dennoch war sein kleiner Finger so breit wie ihr Daumen. Die Vorstellung von diesen Händen auf ihrem Körper ließ sie wohlig erzittern.
Sie beugte sich über ihn und atmete den warmen Duft seiner Haut ein, die in Wellen von ihm aufstieg. Es war wirklich Gray. Diese Feststellung überraschte sie immer wieder. Er lag tatsäch lich neben ihr. Sie konnte ihn berühren, ihn küssen, und aII die Dinge tun, von denen sie ein Leben lang geträumt hatte.
Sein Körper zog sie magnetisch an, beschleunigte ihren Atem und erhitzte ihre Haut. Ihre natürliche Sinnlichkeit wurde durch nichts mehr gebremst. Die Freiheit, ihn zu berühren und sich von ihm berühren zu lassen, war berauschend. Sie legte ihre Hand auf seinen Schenkel und spürte den festen Muskel unter den rauhen Haaren. Dann ließ sie ihre Hand verträumt und wohlig dorthin gleiten, wo seine Haut weich und haarlos war. Sein Hodensack hing lose herab, seine Hoden lagen wie zwei kleine Eier in ihrer weichen Hülle, die sie mit der Hand umschloß. Sie fühlten sich kühl und schwer an. Er bewegte sich ein wenig, ließ die Schenkel auseinanderfallen, wachte aber nicht auf. Er war ein wunderbar männliches Tier und er gehörte – im Augenblick jedenfalls – ganz ihr.
Sie lehnte sich noch ein wenig dichter über ihn, und als sie die Spitzen ihrer Brüste über sein lockiges Brusthaar gleiten ließ, stockte ihr der Atem, und ihre Knospen richteten sich auf.
Er öffnete die Augen. »Ummm«, murmelte er zufrieden und streckte sich nach ihr aus, um sie an sich zu ziehen.
Sie schmiegte ihr Gesicht gegen seinen Hals und legte sich ganz auf ihn. Ihr katzenhafter Körper rieb sich wohlig an seinem. »Du fühlst dich so wunderbar an«, flüsterte sie und leckte an seinem Ohrläppchen. »Du hast alle drei H-Faktoren.«
»Was sind denn H-Faktoren?« fragte er. »Oder sollte ich das besser nicht wissen?«
»Heiß, hart und haarig.«
Er gluckste und streckte sich unter ihr aus. Es war ein merkwürdiges Gefühl, wie auf einem Floß, das man ins Meer hinausgestoßen hatte. Sie klammerte sich an seine Schultern, um nicht herunterzufallen.
Sein Haar streifte ihre Finger, und als er sich nicht mehr bewegte, vergrub sie ihre Hände in der schwarzen Masse. Es war dick und seidig und hatte den Ansatz einer Naturkrause. Die meisten Frauen wären zu allem bereit, um solches Haar zu besitzen. »Warum trägst du dein Haar lang?« fragte sie, zupfte an einer Strähne und kitzelte ihn damit an der Nase. »Und warum der Ohrring? Das ist doch ziemlich auffallend für einen Mann, der in mehreren Aufsichtsräten sitzt.«
Er verzog erwartungsgemäß das Gesicht, dann lachte er. »Versprichst du mir, es niemandem zu sagen?«
»Ich verspreche es – es sei denn, jemand hat dir mit einem Bild von Sinéad O'Connor Angst eingejagt. Das würde ich einfach weitererzählen müssen.«
Seine weißen Zähne blitzten, als er sie ein wenig gequält anlächelte. »Fast genauso schlimm. Ich habe Angst vor elektrischen Haarschneidemaschinen.«
Sie war so erstaunt, daß sie von seinem Körper herunterglitt. »Vor Haarschneidemaschinen?« wiederholte sie. Dieser riesige, muskelbepackte Pirat hatte Angst vor Haarschneidemaschinen?
»Ich mag das Geräusch nicht«, erklärte er, legte sich auf die Seite und schob einen Arm unter den Kopf. Seine Augen lachten. »Macht mich einfach irre. Als ich vier oder fünf Jahre alt war, habe ich gebrüllt wie am Spieß, während mein Vater mich stillhielt, damit der alte Herbert Dumas meine Haare schneiden konnte. Daß er mich festgehalten hat, hat meinem Vater das Gefühl gegeben, ein Verräter zu sein. Also versuchte er mich zu überreden, mich anständig zu benehmen. Aber ich habe es einfach nicht über mich gebracht. Allein dieses Geräusch, bzzz, und ich hätte aus der Haut fahren können. Als ich so ungefähr zehn war, hatten wir uns immerhin auf eine Schere geeinigt. Aber je älter ich werde, desto seltener gehe ich hin. Was den Ohrring angeht ...« Er lachte laut auf. »Das ist so eine Art Tarnung. Der Ohrring läßt es so aussehen, als ob ich mein Haar absichtlich lang tragen würde. Eine Frage des Stils eher als der Phobie.«
»Wer schneidet dir denn die Haare?« fragte sie, zu fasziniert, um zu lachen. Sie mußte erst noch damit fertig werden, daß ein erwachsener Mann den Frisiersalon mied wie andere den Zahnarzt.
»Manchmal tue ich es selbst. Manchmal lasse ich es auch in New Orleans machen. Dort hält man sich an die Regel, daß kein Rasierer angeschaltet wird, solange ich im Raum bin. Warum fragst du? Willst du das etwa übernehmen?« Er streichelte ihren Hals und ließ seinen Daumen über ihr Ohrläppchen gleiten. Er lächelte zwar, aber sie merkte, daß es ihm ernst war.
»Würdest du mir denn zutrauen, deine Haare zu schneiden?«
»Natürlich. Würdest du mich denn nicht deine schneiden lassen?«
Ihre Antwort war schnell. »Niemals. Aber ich würde dich meine Beine rasieren lassen.«
»Abgemacht!« antwortete er genauso schnell und zog sie zu sich heran.
Als Gray das nächste Mal aufwachte, dämmerte es schon fast. Er rieb sich stöhnend das Gesicht. »Ich verhungere«, kündigte er mit rauher Stimme an. »Verdammt, ich muß zu Hause anrufen und denen sagen, wo ich bin.«
Faith rollte auf den Rücken und streckte sich vorsichtig. Obwohl sie den größten Teil des Tages im Bett verbracht hatte, fühlte sie sich so müde, als ob sie die ganze Nacht wachgelegen hätte. Mit Gray Rouillard im Bett zu sein hatte nichts Erholsames. Es machte jede Menge Spaß, und aufregend war es auch, aber geruhsam war es nicht.
Nachdem er seinen Hunger erwähnt hatte, spürte auch sie ihren leeren Magen. Beide hatten keinerlei Gedanken an ein Mittagessen verschwendet, und das Frühstück war schon lange her. Sie mußten etwas essen.
Er setzte sich auf die Bettkante und ermöglichte ihr einen wunderbaren Blick auf seine Hüften. Sie streckte sich und streichelte sie, während er nach dem Telefonhörer griff und ihr über die Schulter hinweg zulächelte. »Tu dir keinen Zwang an«, ermutigte er sie und tippte seine eigene Nummer ein. Sein Rücken war genauso schön wie seine Vorderseite, stellte sie träumerisch fest. Seine kräftigen Muskeln wurden von der tiefen Kerbe der Wirbelsäule unterteilt, seine breiten Schultern liefen an der straffen Taille schmal zusammen.
»Hallo«, sagte er in die Telefonmuschel. »Sag Delfina Bescheid, daß ich nicht zum Abendessen komme.«
Faith hörte das unverständliche Gemurmel einer Stimme, die offenbar nach seinem Aufenthaltsort fragte, denn er erwiderte ruhig: »Ich bin bei Faith.«
Die Stimme war immer noch unverständlich, aber um einiges erregter. Sie beobachtete, wie sich seine Rückenmuskeln anspannten, und fühlte sich sofort unwohl, so als ob sie ihn belauschte. Sie sollte das Zimmer verlassen, dachte sie. Sie könnte es nicht ertragen, wenn er sich eine Entschuldigung dafür einfallen ließ, daß er bei ihr war. Sie setzte sich auf, schwang sich aus dem Bett und atmete angesichts der unerwarteten Steifheit ihres Rückens und ihrer Beine scharf ein.
»Moni«, sagte Gray geduldig und seufzte. »Wir müssen reden. Morgen früh bin ich wieder zu Hause. Nein, vorher nicht. Morgen früh. Wenn es irgend etwas Wichtiges gibt, kannst du mich hier erreichen.«
Faith richtete sich mühsam auf. Jeder Muskel ihres Körpers schien sich gegen die Bewegung zu sträuben. Ihre Beine waren ganz schwach, die Muskeln ihrer Schenkel zitterten. Sie wollte schnell das Zimmer verlassen, aber alles widersetzte sich ihr. Sie tat einen schwankenden Schritt, stöhnte vor Schmerz, dann tat sie einen weiteren.
»Ich sagte doch schon, wir reden morgen.« Seine Stimme war fest. Er blickte Faith über die Schulter hinweg an und fixierte sie mit einem Blick wie ein Laserstrahl. »Bis dann«, sagte er abwesend zu Monica und legte den Hörer auf, wobei er sie mitten in ihrem Protest unterbrach. Dann sprang er auf die Füße und kam zu der Bettseite, wo Faith zittrig stand.
»Armer Schatz«, sagte er zärtlich. »Muskelkater?«
Sie sah ihn vorwurfsvoll an.
»Da weiß ich, was man tut«, versprach er, nahm das Laken vom Bett und schüttelte es aus.
»Ich auch. Eine heiße Dusche.«
»Später.« Er wickelte sie in das Laken und hob sie hoch. »Sei einfach ganz still und genieße.«
»Was soll ich denn genießen?«
»Still zu sein, was denn sonst?« erwiderte er unnachgiebig. Sie konnte ihm noch nicht einmal einen Klaps versetzen, weil ihre Arme in dem Laken steckten.
Aber schon bald sollte sie mehr wissen. Er trug sie in die Küche und legte sie vorsichtig auf den Tisch. Dann wickelte er sie so aus dem Laken, so daß es unter ihr lag. »Als ich den Tisch zum ersten Mal gesehen habe, hatte ich bereits ein paar gute Einfälle, was man darauf machen könnte«, sagte er zufrieden.
Erstaunt fragte sie: »Was hast du denn vor?« Sie hatte stundenlang nackt in seinen Armen gelegen, aber auf dem Küchentisch fühlte sie sich unerträglich entblößt, als ob sie ein Menschenopfer auf einem steinernen Altar wäre.
»Massage«, sagte er. »Bleib hier liegen.« Er verließ die Küche. Die harte Oberfläche war unbequem, aber die verlockende Aussicht einer Massage hielt sie zurück. Er kam mit einer Flasche Babyöl und einem Waschlappen zurück. »Leg dich auf den Bauch«, ordnete er an. Er drehte den Heißwasserhahn auf und ließ das Wasser so lange laufen, bis es dampfte. Dann füllte er eine Schüssel und spritzte etwas Babyöl hinein.
Sie gehorchte ihm mit steifen Gliedern. Er hatte kein Licht gemacht, und die Küche war schon etwas schummrig, denn draußen dämmerte es bereits. Die Klimaanlage war angestellt, und obwohl sie sich im Schlafzimmer wohl gefühlt hatte, drang die Kälte durch das Laken hindurch und ließ sie frösteln. Zitternd wünschte sie sich, daß er sich beeilte.
»Schließ die Augen und entspann dich«, sagte er ruhig. »Schlaf einfach ein, wenn du willst.«
Ihre schmerzenden Muskeln gewöhnten sich an die harte Oberfläche, und nach und nach entspannte sie sich. Sie schloß die Augen und konzentrierte sich auf die Geräusche dessen, was er tat. Sie hörte das spritzende Wasser und seufzte in Erwartung des warmen Öls auf ihrer Haut.
Seine Stimme war tief und beruhigend, kaum mehr als ein Murmeln. »Ich werde dich waschen, dann fühlst du dich wohler«, sagte er. Dann spürte sie einen feuchten und sehr heißen Waschlappen zwischen ihren Beinen. Die Hitze fühlte sich auf ihrer wunden, geschwollenen Haut herrlich an. Mit unglaublicher Zärtlichkeit wischte er all die Spuren ihres Liebesspiels sorgfältig weg. Wieder hörte sie das Wasser laufen. »Diesmal wird es kalt sein«, warnte er sie vor. Dann preßte sich das kalte Tuch zwischen ihre Beine. Diesen Vorgang wiederholte er mehrmals und linderte so die Schmerzen. Schließlich griff er nach dem Öl. Er fing bei ihren Schultern an, und seine kräftigen Finger gruben sich tief in ihre Muskeln. Erst verkrampfte sie sich, dann ließ sie locker, und alle Anspannung schien aus ihrem Körper zu entweichen. Seine Hände verteilten das erwärmte Öl auf ihrer Haut und machten sie zart und duftend. Er arbeitete sich beide Arme hinunter, massierte sogar ihre Hände und die Zwischenräume ihrer Finger. Seine Berührungen hinterließen überall entspannte Sehnen, weiche Muskeln und vollkommene Zufriedenheit. Faith schnurrte vor Wonne, als er wieder zu ihrem Rücken zurückkehrte, an ihrer Taille anfing und sich ihre Rippen hinaufarbeitete. Sein kräftiges Streicheln preßte ihre Rippen zusammen und ließ sie bei jedem seiner Handbewegungen laut aufstöhnen. Unermüdlich suchte er jeden angespannten Muskel und knetete ihn solange, bis er unter seinen Händen wieder geschmeidig wurde.
Als nächstes waren ihre Beine an der Reihe. Er knetete ihre Waden, ihre Achillessehne und ihre Fußsohlen. Er ließ ihre Fußgelenke rotieren und preßte seine Daumen gegen ihren Spann, wobei ein überraschend sinnliches Vergnügen ihre Zehen zusammenzog.
»Oh!« stieß sie unfreiwillig hervor.
»Gefällt dir wohl, was?« fragte er leise in der zunehmenden Dunkelheit. Als er die Stelle noch einmal berührte, stöhnte sie auf.
Dann arbeitete er sich ihre Beine hoch, spreizte sie auseinander und massierte die überdehnten, schmerzenden Sehnen an den Innenseiten ihrer Oberschenkel. Diesmal stöhnte sie vor Schmerz, und sie klammerte sich am Tischrand fest. Er murmelte beruhigend und konzentrierte sich auf ihre Hüften. Sie entspannte sich wieder und schloß die Augen. Ihr war mittlerweile nicht nur vom Öl angenehm warm. Seine streichelnden Hände hatten noch einen ganz anderen Effekt. Die Wollust erwachte langsam in ihr und erwärmte nach und nach ihr Blut.
»Jetzt auf den Rücken«, sagte er und half ihr, sich umzudrehen. Er betrachtete interessiert ihre aufgerichteten Brustwarzen und lächelte.
Seine großen, ölglänzenden Hände bedeckten ihre Brüste. Ganz zärtlich massierte er das Öl in die Knospen, die von seinem heftigen Saugen und dem Kratzen seiner Bartstoppeln wund waren. »Deine Haut ist so weich wie die eines Babys«, bemerkte er. »Ich werde mich wohl zweimal am Tag rasieren müssen.«
Faith erwiderte nichts, sie war von seinen Zärtlichkeiten vollkommen gefangen.
Als er mit ihrem Bauch und ihren Schenkeln fertig war, spannte sie sich erwartungsvoll an. Ihr Körper bäumte sich unter seinen Händen auf. Der Raum war jetzt fast vollkommen dunkel, die lavendelfarbenen Schatten der Dämmerung lösten sich in der Nacht auf. Er knipste die Lampe über der Spüle an.
Den schmerzenden Muskeln an den Innenseiten ihrer Schenkel widmete er sich mit großer Ausdauer. Diesmal hörte er nicht eher auf, ehe ihr Stöhnen sich in Schnurren verwandelt hatte. Dann wanderten seine öligen Finger weiter nach oben, streichelten und suchten. Sie bebte vor Lust.
»Gray.« Ihre Stimme war heiser und voller Verlangen. Sie streckte ihm die Arme entgegen. »Bitte.«
»Nein, mein Schatz, für noch eine Runde bist du viel zu wund«, flüsterte er. »Aber ich werde mich schon um dich kümmern.«
Er zog sie samt dem Laken zur Tischkante hin. »Was ...?« begann Faiths Frage, dann fiel sie stöhnend zurück, während er ihre Schenkel über seine Schultern legte. Vorsichtig öffnete er die geschwollenen Falten zwischen ihren Beinen. Sie spürte seinen warmen Atem über sie hinweggleiten. Unwillkürlich hielt sie die Luft an, bevor seine Zunge wie ein Feuer in sie eindrang und sie laut aufschrie. Er war sehr zärtlich und sehr gründlich. Innerhalb weniger Minuten bebte und schrie sie vor Ekstase.
Danach trug er sie ins Badezimmer. Sie stand schläfrig mit ihm unter der Dusche und hatte ihre Arme um seine Taille und ihren Kopf auf seine Brust gelegt. Schmerzen fühlte sie kaum noch, aber jetzt kam sie sich vor wie aus Gummi.
Als das Heißwasser ausging, hob er sein Kinn von ihrem Kopf. »Essen«, murmelte er.
Zögernd ließ sie von ihm ab und stellte das Wasser aus. Sie strich sich die Haare aus dem Gesicht und sah zu ihm auf, wobei Wassertropfen wie Diamanten zwischen ihren Wimpern hingen. Er schien so rücksichtslos und stark, und doch war er so menschlich mit seinen Wünschen und Ängsten und Macken, und für all diese Eigenschaften liebte sie ihn um so mehr. Für eine Weile aber hätte sie ihn sich etwas schroffer und abweisender gewünscht, denn sie konnte das Gespräch über seinen Vater nicht mehr lange hinausschieben.
Doch wenigstens konnte sie ihm vorher etwas zu essen bereiten. Er schlang zwei Schinken- und Tomatensandwiches hinunter, während sie nur eines aß, für das dritte ließ er sich etwas Zeit. Danach erneuerten sie die Bettwäsche, und er ließ sich erschöpft und seufzend auf das Laken fallen. Seine ausgebreiteten Arme und Beine nahmen fast den gesamten Platz ein, aber sie kroch in eine der Nischen und vergrub ihren Kopf an der gewohnten Stelle an seiner Schulter. Sie legte ihre Arme um ihn und drückte ihn fest an sich, als ob sie ihn so vor dem Schmerz schützen könne.
»Ich muß dir etwas sagen«, begann sie leise.