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Geheimnis Nr. 5: Ihr Antivirenprogramm macht Sie krank
Die meisten von uns haben auf ihrem Computer ein Antivirenprogramm installiert, und genauso ist es auch mit unserer menschlichen Festplatte, mit unserem Bewusstsein und unserem Unbewussten. Und auch mit dem, was ich unser Herz nenne (das Unbewusste + das Gewissen + die Seele). Wir werden mit einem Antivirenprogramm geboren, das uns sowohl vor körperlichem als auch seelischem Schaden bewahren soll, indem es dafür sorgt, dass wir schmerzhafte Erfahrungen meiden. Während wir mehr und mehr negative Erfahrungen sammeln, ergänzt sich das Programm um mehr und mehr «Virusdefinitionen», genau wie Ihr Antivirenprogramm, wenn ein neuer Virus auftaucht.
Das Antivirenprogramm auf der menschlichen Festplatte ist ein Reiz-Reaktions-Programm. Prinzipiell liegt ihm der Instinkt zugrunde, nach Lust zu streben und Schmerz zu vermeiden, und es wird um immer mehr Virusdefinitionen erweitert, während wir leben und lernen. Kinder denken noch nicht so logisch, wie es Erwachsene tun; sie orientieren sich eher an einem Schmerz-Lust-Maßstab. Wenn ein Erwachsener sehr freundlich zu einem Kleinkind ist, sanft spricht und lächelt, ist das eine angenehme Erfahrung, und das Kleinkind wird sich tendenziell zu ihm hingezogen fühlen. Wenn Sie es ein wenig Eiscreme lecken lassen, wird es ein Gesicht machen, das zu sagen scheint: «Was ist das denn? Davon will ich mehr!» Wir alle besitzen frühe Erinnerungen wie diese. Das trifft auch für das Gegenteil zu, ob der Schmerz nun darin besteht, dass wir etwas nicht bekommen, das wir uns wünschen (das Eis), oder ob es sich dabei tatsächlich um Schmerz handelt (etwa beim Berühren einer heißen Pfanne). Kinder lernen durch Lust und Schmerz, ob sie sich um etwas bemühen oder es meiden.
Wir Erwachsene wissen, dass die Reaktionen eines Kindes nicht notwendigerweise logisch schlüssig sein müssen. Kinder suchen vielleicht den Lustgewinn – Eis oder Süßigkeiten –, bis ihnen schlecht wird. Oder sie vermeiden Schmerzen so konsequent, dass sie sich nicht mehr am Leben freuen können, weil sie so große Angst vor einem Käfer haben, der sie einmal gebissen hat. Als Erwachsene erkennen wir vielleicht ebenfalls, dass auch unsere Reaktionen nicht immer schlüssig sind. Was wir vielleicht nicht sehen: Dass auch wir stets nach dem Reiz-Reaktions- bzw. dem Lustgewinn-Schmerzvermeidungs-System handeln.
Die versteckten Wurzeln unserer Reaktionen
Wir können unsere Verhaltensweisen nicht immer als Reaktionen identifizieren, weil wir den Reiz, der sie verursacht, gar nicht bewusst wahrnehmen. Der Reiz ist zwar stets eine Erinnerung; es gibt jedoch drei Formen von Erinnerungen, die in unsere Datenbanken (auf der Festplatte) eingeschrieben sind und die wir uns nicht bewusst ins Gedächtnis rufen können. Und selbst wenn wir das können, erscheint uns unsere Reaktion nicht immer logisch.
Ererbte Erinnerungen, vorsprachliche und vor dem Erwerb des logischen Denkens liegende Erinnerungen sowie Erinnerungen an Traumata formieren sich im Laufe der Zeit zu einem schützenden, uns programmierenden Reiz-Reaktions-Glaubenssystem.
Lassen Sie uns zunächst einen Blick auf diese drei Erinnerungsformen werfen.
Ererbte Erinnerungen
Wir alle erben Zellerinnerungen von unseren Eltern, ähnlich wie jemand bei der Transplantation die Zellerinnerungen von seinem Organspender erbt. Ich (Ben) glaube, dass diese Zellerinnerungen in der DNA jeder einzelnen Zelle abgespeichert sind. Wenn eine Samen- und eine Eizelle bei der Empfängnis verschmelzen, entsteht aus ihnen eine Zelle, die den wunderbaren, harmonischen Zusammenklang von Mann und Frau abbildet. Dies geschieht vor allem auf einer körperlichen Ebene, ja, aber auch auf einer nicht körperlichen Ebene. Ebenso, wie Johnny DNA empfängt, die ihm die Augen seiner Mutter und das Kinn seines Vaters weitergibt, erhält er auch Zellerinnerungen von beiden Elternteilen.
Der gesunde Menschenverstand sagt Ihnen nun, dass dasselbe auch schon passierte, als Johnnys Mutter und Vater gezeugt wurden. Heißt das also, dass der kleine Einzeller Johnny auch Zellerinnerungen von Oma und Uropa und Ururururoma erbt? Absolut. Tatsächlich glaube ich (Ben), dass solche Zellerinnerungen vor allem über die DNA der weißen Blutkörperchen weitergegeben werden. Einzeller-Johnny hat jetzt also alles in sich, was ihn eines Tages zu dem gut aussehenden, an seinem Hochzeitstag 25 Jahre alten Mann heranwachsen lassen wird. Den körperlichen Aspekt können wir mühelos nachvollziehen; weniger vertraut ist uns allerdings die Sache mit den Zellerinnerungen.
Unter den Zellerinnerungen gibt es gute, schlechte, hässliche – und alles dazwischen. Die Antwort auf die Millionenfrage, die Sie nun vielleicht stellen, lautet: Ja. Die Zellerinnerungen meiner Ururururoma können auch in mir aktiv werden und unerwünschte Gedanken, Gefühle, Verhaltensweisen und physiologischen Stress erzeugen.
Lassen Sie den Kopf nicht hängen. Wenn Sie nun meinen, Sie müssten sich von Willensfreiheit und sämtlichen Möglichkeiten der Einflussnahme auf den Verlauf Ihres Lebens verabschieden, dann lassen Sie sich gesagt sein, dass es durchaus noch Hoffnung gibt. Ererbte Zellerinnerungen können wie alle anderen auch durch die Healing Codes geheilt werden, wie wir später noch genauer sehen werden. Ich will jedoch nicht versäumen, darauf hinzuweisen, dass dies ohne Healing Codes ein frustrierendes und manchmal kaum zu schaffendes Unterfangen werden könnte. Die Tatsache, dass die Gedanken, Glaubenssätze und Verhaltensweisen eines Menschen einer Quelle entspringen können, die außerhalb seines eigenen Lebens zu suchen ist, mag im besten Fall irritierend sein und kann schlimmstenfalls in Hoffnungslosigkeit, Verzweiflung und Krankheit münden. Wir glauben, dass darin der Grund zu suchen ist, warum sich Beratung und Therapie über die Jahre für einen großen Prozentsatz an Klienten als weitgehend erfolglos erwiesen haben. Man kann kein Problem bewältigen, von dem man nicht einmal weiß, dass es existiert. Zum Glück haben wir eine Möglichkeit entwickelt, wie sich diese Erinnerungen aufspüren lassen, selbst wenn sie nicht bewusst erinnert werden.
Vorsprachliche und vor dem Erwerb des logischen Denkens liegende Erinnerungen
Bevor wir in der Lage waren, rational und logisch zu denken oder uns gewandt auszudrücken, war schon vieles in unserem Leben geschehen. All diese Erinnerungen wurden wie jede andere Erinnerung auch aufgezeichnet, aber sie wurden auf dem geistigen Entwicklungsstand aufgezeichnet, auf dem wir uns zur Zeit des Erlebnisses befanden.
Die ersten sechs Lebensjahre leben wir im Delta-Theta-Hirnwellen-Stadium. Das bedeutet, dass unsere Erfahrungen direkt in unserem Gehirn «verdrahtet» werden, ohne durch das rationale, bewusste Urteilsvermögen gefiltert zu werden, das wir erst später entwickeln.
Sobald ein Baby nachts in einer nassen, kalten, vollen Windel aufwacht, wird es so laut zu schreien beginnen, wie es kann, um das unangenehme Gefühl loszuwerden. Falls seine Mutter aber grob und ärgerlich wird und ihm vielleicht sogar wehtut, immer wenn es sie aufweckt, wird das Baby nach einer Weile vermeiden wollen, dass es so schlecht behandelt wird. Es weiß nicht, dass die Mutter hart arbeitet und unendlich müde und frustriert ist, weil es zu klein ist, um diese Worte zu verstehen oder sich überhaupt einen Begriff davon zu machen. Es weiß nur eines: Wenn es die eine unangenehme Empfindung vermeiden will (die nasse Windel), wird es dafür eine andere unangenehme Empfindung erleben (eine wütende Mutter). Es wird auch spüren, dass es das Recht hat, sauber und trocken zu sein und von seiner Mutter liebevoll behandelt zu werden, aber es wird diese Emotionen nicht verstehen, da es auch dafür weder Worte noch Vorstellungen hat. Diese chaotische Erfahrung wird nun als vorsprachliche Erinnerung abgespeichert, um im späteren Leben schließlich immer wieder dann abgerufen zu werden, wenn der Junge bzw. Mann eigentlich in der Lage sein sollte, um die Erfüllung seiner körperlichen Bedürfnisse zu bitten. Oder wenn er Trost und Liebe bei einer Frau sucht. Oder wenn er mitten in der Nacht erwacht, besonders da er diese negative Situation so oft erlebt hat.
Eis-am-Stiel-Erinnerungen
Ich hatte einmal eine Klientin, die einen Intelligenzquotienten von 180 besaß, an einer Eliteuniversität einen Abschluss mit Auszeichnung gemacht und die besten Aussichten hatte, es an der Wall Street weit zu bringen. Sie sagte, sie habe keine gesundheitlichen Probleme, wohl aber Probleme mit Erfolg: «Ich kann einfach nicht aufhören, meinen beruflichen Aufstieg zu sabotieren. Alle sagen, dass ich das Zeug dazu habe, an der Wall Street Karriere zu machen, aber jedes Mal, wenn sich eine Aufstiegsmöglichkeit abzeichnet, finde ich einen Weg, es zu vermasseln.» Bei der Arbeit mit dem Healing Code entdeckte sie, dass sich all das auf ein Erlebnis zurückführen ließ, das sie im Alter von fünf oder sechs Jahren hatte. Es war ein Sommertag, und ihre Mutter hatte ihrer Schwester ein Eis am Stiel gegeben; ihr aber wollte sie keines geben.
Sie würden nun vielleicht erwarten, dass es zum Streit kam. Ihr flog das Eis am Stiel an den Kopf, sie fiel hin, verletzte sich und musste in die Notaufnahme. Aber nein – nichts von alldem. Das ist die ganze Geschichte: Ihre Mutter gab ihrer Schwester ein Eis am Stiel, nicht aber ihr. Ihre Mutter sagte sogar: «Deine Schwester hat brav aufgegessen. Wenn du auch brav aufisst, bekommst du auch ein Eis am Stiel.» Was hatte die Mutter also falsch gemacht? Absolut nichts. Aber diese Erinnerung wurde mit dem Verstand, den Augen und der Denkweise einer Fünfjährigen kodiert – vergessen Sie nicht, sie befand sich damals noch immer im Delta-Theta-Stadium. Und auf diesem Niveau bleibt ihr die Erinnerung erhalten. Sie wird ein Leben lang aus der Sicht einer Fünfjährigen mit dem Unbewussten verdrahtet, bis sie verändert wird oder heilt.
Derartige vorsprachliche oder vor dem Erwerb des logischen Denkens liegende Erinnerungen können wie Schreckgespenster durch unser ganzes Leben geistern. Und wir haben Tausende davon. Wie viel von dem, was wir über die Welt wissen, haben wir in den ersten vier oder fünf Jahren unseres Lebens gelernt? Jede Menge, und all das haben wir in der Perspektive unseres damaligen Entwicklungsstandes abgespeichert. All das haben wir in jenem Delta-Theta-Hirnwellen-Stadium verschlüsselt, ohne die Unterstützung des logischen Denkvermögens.
Sooft diese Erinnerungen reaktiviert werden, werden wir zurückkatapultiert ins Alter von fünf Monaten oder fünf Jahren und können nicht wie ein Erwachsener rational darauf blicken und reagieren.
Traumaerinnerungen
Diese Erinnerungen prägen sich uns natürlich unser ganzes Leben über ein, sooft sich eben ein Trauma ereignet. Wir können Traumaerinnerungen aber auch erben.
Das Interessante an Traumaerinnerungen ist, dass unser rationales Denkvermögen zu einem gewissen Grad «abgeklemmt» wird, wenn wir ein Trauma erleben. Warum? Weil wir in einen Schockzustand geraten. Wenn Sie schon einmal jemanden gesehen haben, der unter Schock stand (und sei es nur im Fernsehen), werden Sie sich vielleicht daran erinnern, dass er nicht in der Lage war zu sprechen oder nicht wusste, wo er sich befand oder was gerade geschehen war. Lassen Sie mich an meinem eigenen Beispiel erklären, was dabei vor sich geht: Vor vier Jahren bekam ich einen Strafzettel wegen zu schnellen Fahrens und beschloss, lieber zur Nachschulung zu gehen, statt die Verwarnung auf meinem Konto stehenzulassen. An jenem Abend hielt der Schulungspolizist zur Begrüßung eine kleine Ansprache. Etwas von dem, was er sagte, werde ich nie vergessen: Wenn wir nachts bei normalen Straßenverhältnissen und in ausreichendem Abstand hinter jemandem herfahren, der vor einem plötzlich auftauchenden Tier bremsen muss, dann haben wir nicht mehr genug Zeit zu denken: «Oh, das Auto da vorn macht eine Vollbremsung. Ich nehme wohl besser den Fuß vom Gas und bremse auch, sonst fahre ich noch auf.» Wir haben einfach nicht genug Zeit dazu, das zu denken und einen Unfall zu verhindern. Zum Glück, meinte der Polizist, verfügen wir aber über einen Mechanismus, der all das automatisch veranlasst. Wenn wir die Bremslichter vor uns aufleuchten sehen, wird unter Umgehung des logischen Denkens der reaktive Verstand eingeschaltet. Unser reaktiver Verstand reagiert, unmittelbar und viel schneller, als wir denken könnten. Wir treten auf die Bremse und bauen keinen Unfall.
Ich weiß nicht, ob dieser Polizist jemals einen Psychologiekurs besucht hat, aber er hatte absolut recht. Das, was er sagte, trifft besonders auch auf alles zu, was von unserem Verstand als Trauma abgelegt wird. Dass das fünfjährige Mädchen kein Eis von seiner Mutter bekam, war definitiv ein Trauma für die Kleine. Es mag auf einer rationalen Ebene wenig Sinn für uns ergeben – schließlich machte die Mutter nichts falsch, sie schimpfte oder schrie nicht, sie wurde nicht handgreiflich, das Mädchen verlor sein Zuhause nicht und musste auch nicht umziehen … Nichts von alldem geschah, was wir üblicherweise mit einem Trauma assoziieren.
Was geschah und vom Entwicklungsstand einer Fünfjährigen her gesehen abgespeichert wurde, ist Folgendes: «Mama hat meiner Schwester ein Eis gegeben, aber mir nicht. Das muss heißen, dass sie meine Schwester lieber hat als mich. Wenn sie aber meine Schwester lieber hat als mich, muss das heißen, dass mit mir etwas nicht stimmt. Wenn ich also andere Leute treffe, dann werden sie mich auch nicht liebhaben, weil sie schnell merken werden, dass mit mir etwas nicht stimmt.» Das wurde zu einem tief in ihr verwurzelten Glaubenssatz – und zu einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung. Es wurde zu einem Programm auf der Festplatte. «Ich werde nicht geliebt, ich habe keinen Erfolg, weil mit mir etwas nicht stimmt.» Und wissen Sie was? Das ist die Erfahrung, die sie ihr ganzes Leben lang wieder und wieder machte, bis sie mit Hilfe der Healing Codes zurückkehren und jene Erinnerung heilen konnte.
Sobald meine Klientin ihre Eis-am-Stiel-Erinnerung geheilt hatte, erhielt sie die Beförderung, die ihr bis dahin versagt geblieben war, und ging an der Wall Street ihren Weg. Die Beziehung zu ihrer Mutter – die immer belastet gewesen war, auch wenn niemand (sie selbst eingeschlossen) wusste, warum – heilte, und sie kamen sich näher als je zuvor. Alles in ihrem Leben wandte sich zum Besseren, denn jetzt gab es nichts mehr, das sie noch aufhalten konnte.
Jene Eis-am-Stiel-Erinnerung war ein Trauma für sie. Oder jedenfalls für das kleine Mädchen, das sie mit fünf Jahren gewesen war. Wenn etwas in ihrem Leben geschah, das Assoziationen zu dieser Erinnerung weckte, fühlte, dachte und handelte sie nach ihrem Trauma. Was aber weckte Assoziationen zu der Eis-am-Stiel-Erinnerung und reaktivierte sie damit? Die Gesellschaft anderer Menschen, Beziehungen, Gedanken oder Gespräche über Erfolg und Misserfolg, Selbstwert- und Minderwertigkeitskomplexe, jede erdenkliche Form von Konkurrenz, Essen und Trinken, Situationen, in denen sie jemanden um etwas bitten musste. In der Tat fiel es ihr schwer, etwas zu finden, das nichts damit zu tun zu haben schien. Wenn eine Traumaerinnerung reaktiviert wird, tut sie das, was dieser Schulungspolizist damals zu uns gesagt hatte: Sie umgeht das logische Denken und aktiviert den reaktiven Verstand.
Wenn das Unbewusste die Führung übernimmt
Wie nennt man diesen Vorgang? Stressreaktion! Genau das meinte Dr. Lipton, als er sagte, dass viele Menschen trotzdem Angst haben, auch in Situationen, in denen sie eigentlich keine Angst haben müssten. Die Stressreaktion hält uns davon ab, das zu leisten, was wir eigentlich zu leisten imstande wären. Sie hält uns davon ab, liebevolle Beziehungen zu unterhalten, wie wir sie uns wünschen. Sie verschließt unsere Zellen und verursacht am Ende sogar gesundheitliche Probleme.
Sooft eine solche Traumaerinnerung reaktiviert wird, wird der bewusst denkende Verstand umgangen. Das Unbewusste tritt an seine Stelle und tut, was es für richtig hält, und das ist gewöhnlich, die Stressreaktion des Körpers zu aktivieren. Deshalb sagen oder tun wir so oft Dinge, die dem, was wir uns für unser Leben wünschen, genau entgegengesetzt sind, und wir tun es wieder und wieder und wissen nicht, warum wir es tun.
Derartige Erinnerungen – vorsprachliche, vor dem Erwerb des logischen Denkens liegende und Traumaerinnerungen – werden zu einem uns programmierenden Reiz-Reaktions-System.
Dieses System will uns schützen. Was heißt das? Die Kontrollsysteme des Körpers räumen den schmerzlichen Erinnerungen größere Priorität ein. Sooft eine dieser vorsprachlichen, ererbten oder Traumaerinnerungen, die mit Schmerz verknüpft ist, in einer Situation reaktiviert wird, erleben wir sie wieder, während unser logisches Denkvermögen in den Hintergrund tritt. Aber was kann eine Erinnerung wie diese reaktivieren?
In dem Sommer, als unser jüngster Sohn George ein Jahr alt war, hatten wir das heftigste Gewitter, das man sich vorstellen kann. Orkanböen wirbelten Gegenstände mit über 100 Stundenkilometern durch die Luft. Alles in unserem Garten, was nicht niet- und nagelfest war, wurde einfach fortgeblasen. Hagel, gewaltige Donnerschläge und überall Blitze – es war eines dieser Gewitter, die auch einem Erwachsenen einen Heidenschrecken einjagen. Das Schlimmste daran war, dass uns der Sturm überraschte, als wir draußen waren. Als wir uns ins Haus gerettet hatten, fuhr der Blitz in einen Transformator, und der Strom fiel aus. George fühlte sich also ganz und gar nicht in Sicherheit, als wir wieder an dem Ort waren, an dem er sich eigentlich hätte sicher fühlen sollen. Diese Erfahrung löste ein Trauma bei George aus, und dies ist genau die Art und Weise, auf die der Verstand eines Einjährigen auch reagieren soll. Warum? Damit er nicht draußen in diesem (oder dem nächsten) Sturm bleibt und womöglich eine Verletzung davonträgt. Das Unwetter jagt ihm Angst ein, und er läuft los, um sich in Sicherheit zu bringen. Wenn der Sturm vorüber ist, wird die Erinnerung als Trauma abgespeichert, sodass George auch dem nächsten Sturm zu entkommen versuchen wird, bevor er ihm Schaden zufügen kann.
Mindestens eineinhalb Jahre lang wurde George schon ängstlich und begann sogar manchmal zu weinen, wenn nur Wolken am Himmel aufzogen, wenn der Wind auffrischte, wenn es regnete, wenn es ein wenig donnerte. Sooft ein Begleitumstand des Gewitters eintrat, das George eineinhalb Jahre zuvor traumatisiert hatte, begann er zu weinen und zu schreien. War das logisch und vernünftig, wenn es einfach nur regnete oder donnerte? Nein, aber George empfand noch immer so, wie er sich im Alter von einem Jahr bei dem Gewitter gefühlt hatte.
So arbeitet dieses schützende Programmierungssystem. Sooft uns etwas begegnet, das unser Bewusstsein mit einem Trauma assoziiert, wird das ursprüngliche Trauma reaktiviert. Unser Unbewusstes arbeitet mit Assoziationen.
Ich habe Ihnen soeben ein Geheimnis verraten, das kaum jemand kennt. Wenn Sie etwas tun, das Sie gar nicht tun wollen, etwas denken, das Sie nicht denken wollen, und etwas fühlen, das Sie ganz sicher nicht fühlen wollen, liegt eine Erinnerung vor, die gerade reaktiviert wird. Ihr schützendes Programmierungssystem beschließt, dass die Sachlage, die gerade eingetreten ist, in irgendeinem Zusammenhang mit einem Trauma steht – und zwar höchstwahrscheinlich zu Ihrer ganz persönlichen Eis-am-Stiel-Erinnerung.
Das Herz kennt nur den gegenwärtigen Moment
Dies sind die Probleme des Herzens – und für Ihr Herz liegen sie nicht in der Vergangenheit, sondern stellen sich genau jetzt, in diesem Augenblick. Das Herz befindet sich im 360-Grad-Dolby-Surround-Gegenwartsmodus – zu jeder Zeit. Wenn also eine schmerz- oder lustvolle Erinnerung reaktiviert wird, haben Sie es nicht mit etwas zu tun, das vor 10, 20 oder 30 Jahren passiert ist, sondern etwas, das genau jetzt da ist. Und fühlt es sich nicht auch ganz genauso an? Ja, in der Tat! Das Einzige, was keinen Sinn ergibt, ist der Umstand, dass es nicht zu der aktuellen Situation zu passen scheint. Deshalb geraten Sie in einen Zustand der Verwirrung und des Konflikts. Was Sie fühlen, ist sehr stark und erfordert Ihre ganze Aufmerksamkeit, aber es ist ganz offensichtlich Ihrer jetzigen Situation nicht angemessen.
Wenn wir das erfahren, suchen wir für gewöhnlich nach einer rationalen Erklärung. Die Frau in der Eis-am-Stiel-Geschichte hatte keine Ahnung, warum sie sich immer wieder selbst sabotierte. Sie dachte, sie könne sich einfach nicht genug durchsetzen – also belegte sie entsprechende Kurse. Das funktionierte nicht. So suchte sie nach anderen Erklärungen, warum sie sich selbst daran hinderte, Erfolg zu haben.
Wenn wir so etwas tun, schaffen wir ein ganz neues Problem. Wir haben in unserem gegenwärtigen Leben etwas vergeigt, das normalerweise überhaupt kein Problem gewesen wäre, und fühlen uns deshalb schuldig. Und noch schlimmer: Wir glauben nun an eine Lüge, was die Wurzel allen Übels ist. Genau das macht jedes Problem des Herzens überhaupt erst zu einem Problem.
Der letzte Punkt dieses Geheimnisses besteht darin, dass Ihr schützendes Programmierungssystem ein Glaubenssystem ist. Dieses Glaubenssystem enthält, wenn Sie acht oder neun Jahre alt sind, tief eingeprägte Glaubenssätze, die auf Erinnerungen an so ungefähr jedes Thema basieren, das man sich vorstellen kann: Eltern, Beziehungen, Identität, wie bedrohlich Fremde sind, wie gut Sie was können, ob Ihnen Dinge glücken oder ob Sie versagen, ob Sie ein guter Mensch sind oder nicht, ob Sie ein wertvoller Mensch sind oder nicht, ob Sie Geborgenheit empfinden, ob Sie Angst haben müssen oder Ihr Leben in Liebe, Freude und Frieden leben können.
Dieses schützende Programmierungssystem kann einen gewaltigen Einfluss auf unser Leben haben. Warum? Weil es nicht auf rationalen Überlegungen beruht.
Unter Umgehung des gesunden Menschenverstandes
Wenn derartige Traumaerinnerungen wirksam werden, wird der gesunde Menschenverstand ausgebremst und die automatische Reaktion ausgelöst, die mit Schmerz und Stress einhergeht. Wenn derartige Erinnerungen reaktiviert werden, kommt unser bewusstes, rationales Denkvermögen gar nicht mehr oder nur noch sehr eingeschränkt zum Zug. Wenn wir also 20, 40 oder 60 Jahre alt sind und diese Eis-am-Stiel-Erinnerung (an ein Ereignis, bei dem wir fünf Jahre alt waren) von irgendetwas reaktiviert wird, das sich heute ereignet, können wir mit der gegenwärtigen Situation nicht rational umgehen. Das passiert vielen Menschen Tag für Tag. Unsere Fähigkeit, etwas logisch zu durchdenken und dann das zu tun, was nötig ist, wird entweder völlig ausgeschaltet oder erheblich beeinträchtigt. Viele Menschen, die nicht das Leben leben, das sie sich wünschen, befinden sich in einem konstanten Zustand der Verwirrung, weil ihr gesunder Menschenverstand nicht mehr wie gewohnt arbeitet, nachdem alte Traumaerinnerungen durch die gegenwärtigen Umstände reaktiviert wurden. Diese Erinnerungen und dieses Glaubenssystem werden zu Programmen auf der Festplatte unseres menschlichen Computers. Denn wie gesagt: Schmerzlichen Erinnerungen wird vor allen anderen Erinnerungen Priorität eingeräumt, damit wir überleben und heranwachsen können.
Je größer der Schmerz war, als das auslösende Ereignis stattfand, desto mehr Adrenalin wird ausgeschüttet und desto entschlossener sind wir, Situationen im späteren Leben in einem ähnlichen Licht zu deuten. Mit anderen Worten: Je größer das Trauma, wenn es sich ereignet, desto wahrscheinlicher wird es später von einer umso größeren Anzahl an Assoziationen reaktiviert.
Ein Beispiel: Bei einem meiner Klienten wurde hartnäckig immer wieder eine alte Traumaerinnerung reaktiviert, und wir fanden heraus, dass bei dem ursprünglichen Trauma jemand zugegen gewesen war, der eine gelbe Krawatte trug. Er hatte nichts mit dem Trauma zu tun. Er trug nur eine gelbe Krawatte. Sooft mein Klient im späteren Leben – während das Trauma weiterhin wirksam war – die Farbe Gelb sah, geriet er in Panik, war ängstlich, depressiv, verwirrt und wollte sich verkriechen oder jemanden verprügeln. Stellen Sie sich vor, wie oft er wohl tagtäglich die Farbe Gelb sehen musste!
Verkehrsschilder oder Ampeln, Papier, Post-it-Zettel … überall Gelb. Kaum eine Stunde am Tag vergeht, ohne dass man diese Farbe irgendwo zu Gesicht bekommt. Das Trauma war so stark, dass die Psyche dieses Klienten beschlossen hatte, alles, was auch nur entfernt an das schmerzliche Ereignis erinnerte, müsse das Trauma reaktivieren, damit er stets in Alarmbereitschaft war. Denn wenn so etwas noch einmal passierte, konnte es gut sein, dass er es diesmal nicht überleben würde.
Hierbei handelt es sich um eine Überreaktion der Psyche. In diesem Fall macht das Antivirenprogramm die betroffene Person krank. Aber der Fall der «gelben Krawatte» ist ganz und gar nicht ungewöhnlich. Ich bin überzeugt, dass so etwas den meisten von uns ständig passiert und wir nicht einmal wissen, dass es passiert.
Verborgene Erinnerungen aufspüren – ganz ohne Schmerz
Wie aber können wir derartige Erinnerungen heilen? Der traditionelle Weg besteht darin, darüber zu sprechen. Aber ich glaube nicht, dass das funktioniert. Außerdem legen zahlreiche neuere Forschungsarbeiten aus der Medizin und der Psychologie nahe, dass das Sprechen über solche Erinnerungen sie nur sehr selten heilt und sie oft sogar noch schlimmer macht. Überdies sind viele Erinnerungen dem Bewusstsein gar nicht zugänglich.
Ob es sich nun um eine bewusste Erinnerung handelt oder nicht, die meisten Menschen lernen damit umzugehen. Ich hatte eine Klientin, die mich anrief und sagte: «Mein ganzes Leben bricht auseinander. Sie sind meine letzte Zuflucht. Ein Freund von mir wurde von ein paar körperlichen Leiden geheilt, nachdem er mit Ihnen gearbeitet hatte.» Sie fuhr unverblümt fort: «Ich glaube ja nicht, dass das funktionieren wird. Vor drei Jahren wurde ich vergewaltigt, und seitdem befinde ich mich in psychologischer Behandlung. Als es passierte, war ich gesund und glücklich. Heute nehme ich alle möglichen Medikamente, werde ständig krank, bin dabei, meinen Mann und meine Kinder zu verlieren, die Scheidung läuft, und die meiste Zeit über kann ich es gar nicht ertragen, wenn jemand um mich ist. Ich kann nicht mehr Liebe geben und empfangen, wie es eigentlich sein sollte, nicht einmal meinen Kindern gegenüber.» Diese Frau sprach seit drei Jahren über diese Erinnerung mit spezialisierten Fachkräften, und ich will damit keineswegs andeuten, dass sie etwas Falsches taten. Ich sage nur, dass die meisten Ansätze, Traumata zu bearbeiten, einfach nicht funktionieren. Sie haben nicht die Macht, etwas so Wirksames wie ein Trauma zu heilen.
Warum? Weil unsere Psyche unsere Traumaerinnerungen davor schützt, geheilt zu werden. Lassen Sie mich das wiederholen: Unser Unbewusstes schützt unsere Traumaerinnerungen – von denen viele vorsprachlich oder ererbt sind – tatsächlich davor, geheilt zu werden. Aber warum in aller Welt sollte es das tun? Es ist ganz einfach. Das Unbewusste sträubt sich so sehr dagegen, dass diese Erinnerungen geheilt werden, weil es «glaubt», dies sei mit Gefahren für uns verbunden. Denn der Zweck der Erinnerung besteht ja schließlich darin, die betroffene Person vor Schaden zu bewahren.
Im Falle der vergewaltigten Frau hatten großartige Therapeuten alles versucht, und trotzdem hatte sich keine Besserung eingestellt. Stattdessen war sie drauf und dran, alles zu verlieren, was ihr wichtig war, auch ihre Gesundheit und ihre Familie. Sie begann mit den Healing Codes zu arbeiten, und in etwas mehr als einer Woche war die Erinnerung vollkommen geheilt. Zunächst wollte sie nichts davon wissen, als ich ihr einen Healing Code gab: Es würde nicht funktionieren, es war albern, viel zu simpel und so weiter. Dann machte sie sich doch an die Arbeit. Nach drei Tagen rief sie mich an: Es habe sich keinerlei Veränderung eingestellt. Ich gab ihr den nächsten Healing Code für ihr Problem, und nach drei weiteren Tagen rief sie mich wieder an. Keine Veränderung, alles war wie immer. Ich sagte zu ihr: «Ich möchte nicht, dass Sie an die Erinnerung denken, wenn Sie den Healing Code üben. Aber wenn sich eine Veränderung einstellt – und das werden Sie merken –, dann lassen Sie es mich wissen. Dies ist keine Psychotherapie, wir wollen nicht einmal, dass Sie in diese Richtung denken. Die Healing Codes werden die Erinnerung automatisch heilen.» Später am selben Tag rief sie noch einmal an. Sie weinte nur, sie weinte so, dass sie um Luft ringen musste, weil sie so sehr schluchzte. Als sie endlich wieder ein wenig sprechen konnte, brachte sie nur heraus: «Sie hat sich verändert, sie hat sich verändert!»
Während sie sich weiter zu beruhigen versuchte, sagte ich: «Ich glaube, Sie wollen mir sagen, dass sich die Erinnerung verändert hat.» Sie antwortete: «Ja, das hat sie.» Auf meine Frage, wie sie sich verändert hätte, gab sie zurück: «Heute Morgen führte ich den Healing Code durch, und ganz plötzlich erinnerte ich mich an die Vergewaltigung. Zum ersten Mal sah ich auf den Mann, der mich vergewaltigt hatte, und ich spürte so etwas wie Verzeihen, und dann waren die ganze Wut und Raserei und Bitterkeit und Feindseligkeit weg.» An ihre Stelle waren Vergebung und Mitgefühl getreten. Die Erinnerung war vollkommen geheilt. Sie versöhnte sich mit ihrem Mann, ihre gesundheitlichen Probleme verschwanden, sie setzte alle Medikamente ab, und meines Wissens geht es ihr bis zum heutigen Tag wunderbar.
Ihr Unbewusstes hatte sich mit aller Macht gegen die Heilung dieser Traumaerinnerung gesträubt, weil diese so schmerzlich für sie war, dass sie es vielleicht nicht überlebt hätte, wenn sich etwas Ähnliches noch einmal ereignet hätte. Sie hätte möglicherweise Selbstmord begangen oder sich eine schreckliche Krankheit «zugelegt».
Sich um Widerstand und Täuschung «herummogeln»
Wenn sich die Psyche aber gegen die Heilung solcher Erinnerungen wehrt, wie soll eine Heilung dann überhaupt möglich sein? Die Eisam-Stiel-Geschichte war für das fünfjährige Mädchen ungefähr genauso schlimm wie die Vergewaltigung für die erwachsene Frau. Nun sagen Sie sicher: «Loyd, Sie spinnen doch! Wie in aller Welt können Sie die Eis-am-Stiel-Geschichte mit der Vergewaltigung in einen Topf werfen?!» Ich tue das, weil sie so abgespeichert wurde, wie die Psyche und der Verstand einer Fünfjährigen sie erlebten. Und die Glaubenssätze, die Teil dieser Erinnerung wurden – «Ich bin nicht liebenswert, mit mir stimmt etwas nicht, und wenn ich später mit anderen Leuten zusammen sein werde, werden sie mich auch nicht lieb haben, und ich werde immer eine Versagerin bleiben, weil ja etwas mit mir nicht stimmt» –, erwiesen sich für das zur Frau herangewachsene Mädchen als ebenso zerstörerisch wie die Vergewaltigungserinnerung für die Ehefrau und Mutter.
Dies sind sehr unterschiedliche Ereignisse: Das eine würden wir durchaus als Trauma bezeichnen, das andere nicht. Aber alle beide wurden als Trauma kodiert, und bei beiden sträubte sich die Psyche gegen eine Heilung, weil die Erinnerungen dazu da waren, diese Frauen davor zu schützen, dass so etwas noch einmal passierte.
Eine letzte wichtige Bemerkung zu diesem Geheimnis: Wenn diese Erinnerungen – und ihre schützenden Reiz-Reaktions-Programmierungen – reaktiviert werden, sind wir geneigt, die seelische Reaktion, die wir gerade erleben, mit der augenblicklichen Situation zu erklären. Lassen Sie mich Ihnen ein Beispiel geben. Obwohl die Frau mit der Eis-am-Stiel-Erinnerung am Telefon zu mir sagte: «Ich finde immer einen Weg, mich selbst zu sabotieren», rasselte sie eine ganze Liste mit den Namen all jener herunter, die ihr Leben verpfuscht hatten und ihrer Meinung nach der Grund dafür waren, dass sie keinen Erfolg hatte. Ganz tief drinnen wusste sie, dass das nicht stimmte; aber auch wenn sie keine Beweise vorzuweisen hatte, brachte sie trotzdem immer gute Gründe vor, warum die anderen schuld waren: «Sie behandeln mich schlecht … sie lassen mich zu viel arbeiten … diese Person hatte es von Anfang an auf mich abgesehen …»
Die Frau, die vergewaltigt worden war, stand ihr darin in nichts nach: «Ich kann nicht mehr mit meinem Mann schlafen, weil er mir nicht ehrlich sagt, was er jetzt von mir hält.» Ich sprach mit ihm, und er hielt große Stücke auf sie. Er sah in ihr seine Frau, der etwas Schreckliches zugestoßen war, aber er wollte, dass sie das nun hinter sich ließen und dass sie wieder miteinander schliefen. Und doch war sie felsenfest davon überzeugt, dass er sie als mit einem Makel behaftet betrachtete und in Wahrheit nichts mehr mit ihr zu tun haben wollte. Nichts von alldem war auf die gegenwärtige Situation zurückzuführen. Es rührte von ihrer Vergewaltigungserinnerung her, aber sie schrieb es der momentanen Situation mit ihrem Mann zu. Kurz gesagt, entdeckten beide Frauen in den aktuellen Umständen etwas, dem sie die Schuld an ihrer eigenen Reaktion geben konnten, obwohl es in Wahrheit von den Geschehnissen vor drei oder sogar 25 oder 30 Jahren herrührte.
Lassen Sie uns nun kurz dieses Geheimnis zusammenfassen:
Geheimnis Nr. 5:
Ererbte, vorsprachliche, vor dem Erwerb des logischen Denkens liegende sowie Traumaerinnerungen werden zu einem programmierenden Reiz-Reaktions-Glaubenssystem. Dieses Reiz-Reaktions-System wird aktiviert, wenn in der Gegenwart Situationen auftreten, die einer Traumaerinnerung ähneln. Die Bandbreite dessen, was als «ähnlich» empfunden wird, hängt davon ab, wie schmerzlich die ursprüngliche Zellerinnerung war.
Wenn das Reiz-Reaktions-System aktiviert wird, durchlebt die betroffene Person erneut Momente, die sie an das ursprüngliche Ereignis erinnern. Sie durchlebt dieselben Gedanken, Gefühle und sehr wahrscheinlich auch Verhaltensweisen. Im Fall des Vergewaltigungsopfers spürt sie wieder wie damals Zorn, Schrecken und Angst. Sie wird auch denken: «Das ist ekelhaft, schrecklich, ich bin in Gefahr …» Und sie wird sich ähnlich verhalten: «Ich will weg von hier … Ich werde kämpfen, um von hier wegzukommen.» Die betroffene Person wird all diese Reaktionen der gegenwärtigen Situation zuschreiben wollen, selbst wenn das nach logischen Maßstäben gar keinen Sinn ergibt. Sie wird eine Entschuldigung finden, eine Möglichkeit, das, was gerade geschieht, so zu verdrehen, dass sie damit ihre Reaktion begründen kann. Selbst wenn das ganze Umfeld der betroffenen Person, wenn sogar sie selbst weiß, dass ihre Reaktion unsinnig ist, wird sie es trotzdem tun. Sie wird es tun, weil sie nicht weiß, woher es kommt. Sie weiß nicht, dass diese mächtigen Gefühle und Impulse von früheren Erinnerungen herrühren. Oder wenn sie es weiß, dann nicht, von welchen. Der Traumatisierte braucht einen Grund, oder er wird verrückt – oder fühlt sich zumindest so.
Mit anderen Worten: Ihr Antivirenprogramm funktioniert reibungslos, wenn es Sie davon abhält, in ein heftiges Gewitter hinauszugehen. Doch eine Umprogrammierung wird dann nötig, wenn es Sie an einem sonnigen Tag ins Haus stürzen lässt, sobald sich nur ein paar Schäfchenwolken am Himmel zeigen.
Dies ist genau der Grund, warum so viele Menschen viel Geld und Jahrzehnte ihres Lebens aufwenden, um ihre alten Programme umzuschreiben und das Leben zu führen, das sie sich wünschen. Doch dazu wird es fast nie kommen, wenn ihnen nur Willenskraft zur Verfügung steht, um die Symptome zu verändern. Man muss an die Wurzel gehen: die Probleme des Herzens.