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Manche sagen, die Vorfreude auf etwas sei besser als die Sache selbst. Meiner Ansicht nach ist das völliger Unsinn. Jeder Dummkopf kann sich etwas Großes wünschen. Ich strebe nach greifbaren Dingen.
Hasimir Fenring, Briefe von Arrakis
Die vertrauliche Botschaft gelangte auf verschlungenen Wegen in die Residenz von Arrakeen – von einem Kurier zum nächsten, von einem Heighliner zum nächsten, als hätte sich Forschungsmeister Hidar Fen Ajidica alle Mühe gegeben, Hasimir Fenring die Nachricht so lange wie möglich vorzuenthalten.
Eine seltsame Geschichte, da sich die Tleilaxu bereits zwanzig Jahre Zeit gelassen hatten.
Fenring eilte in sein privates Arbeitszimmer im obersten Stockwerk seines Anwesens. Er konnte es kaum erwarten, die Nachricht zu lesen, und plante bereits verschiedene Strafaktionen, falls Ajidica es wagen sollte, weitere Entschuldigungen vorzuschieben.
Welche Lügen wird mir der erbärmliche Gnom diesmal vorsetzen?
Hinter schimmernden Schildfenstern, die das grelle Sonnenlicht dämpften, machte sich Fenring an die mühsame Arbeit, die Botschaft zu decodieren. Er summte die ganze Zeit vor sich hin. Der Zylinder war genetisch präpariert und öffnete sich nur auf seinen persönlichen Fingerdruck. Die Technik war so hoch entwickelt, dass er sich fragte, ob die Tleilaxu ihn mit ihren Fähigkeiten beeindrucken wollten. Die kleinen Leute waren keinesfalls inkompetent ... sondern nur ärgerlich. Er rechnete damit, dass sie lediglich weiteres Arbeitsmaterial anforderten oder weitere leere Versprechungen abgaben.
Auch nach der Entzifferung ergaben die Worte keinen Sinn, und Fenring erkannte, dass es eine zweite Verschlüsselungsebene gab. Er wurde ungeduldig und verlor noch einmal zehn Minuten, bevor er die Nachricht lesen konnte.
Als schließlich die wahre Botschaft zum Vorschein kam, starrte Fenring mit seinen übergroßen Augen darauf. Er blinzelte zweimal und las Ajidicas Brief noch einmal durch. Erstaunlich.
Wachhauptmann Willowbrook erschien im Eingang zu seinem Zimmer und schien sich für den Inhalt der wichtigen Sendung zu interessieren. Er wusste von den zahlreichen Intrigen des Grafen und seiner geheimen Arbeit für Shaddam IV., aber er wusste auch, dass er nicht zu viele Fragen stellen durfte. »Möchten Sie eine leichte Mittagsmahlzeit bestellen, Herr?«
»Gehen Sie!«, sagte Fenring, ohne sich zu ihm umzublicken. »Sonst lasse ich sie nach Carthag ins Harkonnen-Hauptquartier versetzen.«
Willowbrook entfernte sich unverzüglich.
Fenring lehnte sich zurück, prägte sich jedes Wort der Botschaft ein und zerstörte dann das raue Papier. Er freute sich schon darauf, die Neuigkeiten an den Imperator weiterzugeben. Endlich. Seine dünnen Lippen verzogen sich zu einem Lächeln.
Dieser Plan war noch vor dem Tod von Shaddams Vater in die Wege geleitet worden. Und nun, Jahrzehnte später, trug die Arbeit endlich Früchte.
Graf Fenring, wir freuen uns, Ihnen berichten zu dürfen, dass die letzte Entwicklungssequenz unseren Erwartungen zu entsprechen scheint. Wir sind zuversichtlich, dass das Projekt Amal erfolgreich abgeschlossen werden kann. Die folgenden rigorosen Tests werden es beweisen. Wir rechnen damit, innerhalb weniger Monate mit der großmaßstäblichen Produktion beginnen zu können.
Bald wird der Imperator über eine kostengünstige und unerschöpfliche Melangequelle verfügen. Dieses neue Monopol wird ihm die volle Macht über die großen Kräfte des Imperiums geben. Die Gewürzernte auf Arrakis wird in Zukunft bedeutungslos sein.
Fenring versuchte sein befriedigtes Grinsen zu unterdrücken und trat ans Fenster, um auf die staubigen Straßen von Arrakeen hinauszuschauen. Inmitten der Menschenmassen entdeckte er blau uniformierte Harkonnen-Truppen, bunt gekleidete Wasserhändler und schmutzige Gewürzarbeiter, hochmütige Prediger und zerlumpte Bettler. Und die gesamte Ökonomie dieser unglaublich heißen und trockenen Welt basierte nur auf einer einzigen Ware. Dem Gewürz.
Bald würde all das keine Rolle mehr spielen. Arrakis und die natürlich vorkommende Melange wären nur noch eine historische Kuriosität. Dieser Wüstenplanet würde völlig uninteressant werden ... und er konnte sich wieder anderen, wichtigeren Dingen zuwenden.
Fenring nahm einen tiefen Atemzug. Er freute sich schon darauf, endlich diesen Staubklumpen verlassen zu können.