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Ganz gleich, wohin ich gehe oder was ich zurücklasse, meine Vergangenheit ist immer bei mir, wie ein Schatten.
Duncan Idaho,
Eintrag ins Schiffslogbuch
Liet-Kynes und Stilgar kehrten kurz in die Ithaka zurück, um Informationsmaterial und Ausrüstung zu holen, die sie benötigten, um den Klimawandel auf Qelso zu überwachen. Liet baute ein paar überzählige Sensorbojen zu Wettersatelliten um, die das Nicht-Schiff im Orbit aussetzte.
Er verabschiedete sich von den anderen Ghola-Kindern, die mit ihm aufgewachsen waren – Paul Atreides, Jessica, Leto II. und seine Tochter Chani. Von Emotionen überwältigt griff Liet nach der Hand der jungen Frau, die körperlich fast drei Jahre älter war als er. Er sah sie lächelnd an. »Chani, eines Tages wirst du dich an mich erinnern, wie ich auf Arrakis war – wie ich von einem Sietch zum anderen zog, als Imperialer Planetologe oder als Schlichter arbeitete, um den Traum fortzusetzen, den mein Vater für die Fremen und für den Wüstenplaneten gesehen hatte.«
Ihr Gesichtsausdruck war angespannt, als wollte sie ein flüchtig aus ihrem Gedächtnis aufgetauchtes Bild festhalten, während sie ihm zuhörte. Er ließ ihre Hand los, berührte ihre Stirn und ihr dunkelrotes Haar. »Vielleicht war ich ein starker Anführer, aber ich fürchte, ich war kein guter Vater. Also will ich, bevor ich gehe, dir sagen, dass ich dich liebe. Damals wie jetzt. Wenn du dich erinnerst, erinnere dich an alles, was uns miteinander verbunden hat.«
»Das werde ich. Wenn ich mich jetzt an alles erinnern würde, hätte ich wahrscheinlich den Wunsch, mit dir in die Wüste zurückzukehren. Genauso würde Usul empfinden.«
Paul, der neben ihnen stand, schüttelte den Kopf. »Mein Platz ist hier. Bei unserem Kampf geht es um mehr als nur eine Wüste.«
Stilgar nahm seinen Freund am Arm und drängte Liet zum Gehen. »Dieser Planet ist groß genug für uns. Ich spüre es in meiner Seele, dass dies der Grund ist, warum Liet und ich zurückgeholt wurden, ob es Sheeana nun bewusst ist oder nicht. Vielleicht werden wir, auch wenn es jetzt noch nicht so aussieht, eines Tages erkennen, dass alles ein Teil des größeren Kampfes ist.«
In der Zwischenzeit hatte der Rabbi zu seinen zweiundfünfzig enthusiastischen Getreuen gesprochen. Isaac und Levi hatten viele Pflichten des alten Mannes übernommen, und auf sein Zeichen wiesen sie die Juden an, ihre Sachen zu packen und Fertigunterkünfte aus den großen Lagerhallen an Bord der Ithaka zu holen. Bald waren alle in Shuttles zur Oberfläche gebracht worden, wo sie ausstiegen und damit begannen, unter Isaacs Anleitung die gelandeten Frachtschiffe zu entladen.
Am Boden überwachte Var all die Aktivitäten und dirigierte seine Leute. Er warf begehrliche Blicke auf einige der Fahrzeuge, mit denen Duncan während seiner Machtdemonstration gelandet war. »Diese Bergbaushuttles wären eine große Hilfe für uns, um Vorräte und Wasser über den Kontinent zu transportieren.«
Sheeana schüttelte den Kopf. »Diese Schiffe gehören zur Ithaka. Wir brauchen sie.«
Var sah sie mit finsterem Blick an. »Es wäre eine kleine Entschädigung für den Tod einer ganzen Welt, würde ich meinen.«
»Ich bin nicht für den Tod Ihrer Welt verantwortlich. Sie dagegen haben Stuka kaltblütig getötet, bevor ...«
Teg ging schnell in den Mentatenmodus und erstellte ein Inventar der Vorräte und Ausrüstungsgegenstände, die sich im Nicht-Schiff befanden. Dann murmelte er Sheeana zu: »Obwohl wir nichts mit dem Schaden zu tun haben, der auf dieser Welt angerichtet wurde, konnten wir unser Schiff hier mit neuen Reserven versorgen, und viele von unseren Leuten bleiben als Siedler hier. Eine symbolische Entschädigung wäre nicht unvernünftig.« Als sie nickte, wandte sich Teg an Var. »Wir können zwei Shuttles entbehren. Aber nicht mehr.«
»Und zwei Wüstenexperten«, warf Liet ein. »Stilgar und mich.«
»Ganz zu schweigen von den leistungsfähigen Arbeitskräften. Sie werden noch froh sein, dass Ihnen hier die Juden zur Seite stehen.« Teg hatte bemerkt, wie fleißig die Leute des Rabbi waren. Er rechnete damit, dass sie sich gut auf dieser Welt einleben würden, auch wenn das Klima unwirtlicher wurde. Eines Tages jedoch würden sie vielleicht erkennen, dass Qelso doch nicht ihr gelobtes Land war.
* * *
Es war keine Überraschung, dass auch Garimi und ihre konservativen Anhänger das Nicht-Schiff auf Dauer verlassen wollten. Über einhundert Schwestern baten darum, aus der Gemeinschaft an Bord der Ithaka entlassen zu werden, um sich auf Qelso anzusiedeln, obwohl sich der Planet in eine Wüstenwelt verwandelte. Sie wollten dort den Grundstock ihres neuen Ordens legen. Im Nicht-Schiff sprach Garimi mit Sheeana, aber nicht, um zu diskutieren, sondern um ihre Entscheidung bekannt zu geben.
Doch die Bewohner von Qelso waren anderer Ansicht. Sie empfingen das gelandete Shuttle der Schwestern mit gezogenen Waffen. Var stand mit verschränkten Armen da. »Wir akzeptieren Liet-Kynes und Stilgar auf unserer Welt, genauso wie die Juden. Aber die Bene Gesserit sind hier nicht willkommen.«
»Keine Hexen!«, riefen andere Qelsaner mit mordlustigen Mienen. »Wir werden sie alle töten!«
Sheeana, die die Schwestern begleitete, um sich von ihnen zu verabschieden, ergriff das Wort und setzte sich für Garimi ein. »Wir könnten sie auf die andere Seite des Kontinents bringen. Ihr hättet keinen Kontakt mit ihrer Siedlung. Ich verspreche euch, dass sie keine Schwierigkeiten machen werden.«
Aber die wütenden Qelsaner ließen sich nicht so leicht beschwichtigen, und Var meldete sich erneut zu Wort. »Ihr handelt ausschließlich zum Wohl der Schwesternschaft. Einst haben wir sie mit offenen Armen empfangen, was uns teuer zu stehen kam. Jetzt setzen sich die Qelsaner für das Wohl von Qelso ein. Kein Mitglied der Schwesternschaft ist auf unserer Welt willkommen. Deutlicher kann ich mich nicht ausdrücken, solange ich meinen Standpunkt nicht mit Gewalt klar mache.«
Der Rabbi wirbelte mit jedem Schritt eine Staubwolke auf, als er an den Zelten und Fertighäusern vorbei zum Shuttle eilte. Er wischte sich den Schweiß von der Stirn und trat vor Teg und Sheeana. Sein Blick ging unbehaglich zwischen beiden hin und her. »Ich glaube, mein Volk wird hier glücklich sein, so Gott es will.« Er trat mit dem Schuh in den trockenen Boden. »Es war uns bestimmt, wieder festen Boden unter den Füßen zu haben.«
»Sie scheinen sich Sorgen zu machen, Rabbi«, bemerkte Sheeana.
»Ich bin nicht besorgt, sondern traurig.« Auf Teg wirkte er niedergeschlagen, und seine wässrigen alten Augen schienen stärker als sonst gerötet zu sein, als hätte er geweint. »Ich werde nicht bei ihnen bleiben. Ich kann das Nicht-Schiff nicht verlassen.«
Der schwarzbärtige Isaac legte dem älteren Mann tröstend einen Arm um die Schulter. »Dies wird für uns das neue Israel sein, Rabbi, unter meiner Führung. Willst du es dir nicht noch einmal überlegen?«
»Warum wollen Sie nicht bei Ihrem Volk bleiben?«, fragte Teg.
Der Rabbi senkte den Blick, und Tränen fielen auf den festgetrampelten Boden. »Ich habe eine höhere Verpflichtung gegenüber einem Mitglied meiner Schar, das ich nicht retten konnte.«
Isaac wandte sich mit leiser Stimme an Teg und Sheeana. »Er möchte bei Rebecca bleiben. Obwohl sie jetzt ein Axolotl-Tank ist, weigert er sich, sie zu verlassen.«
»Ich werde für den Rest meiner Tage über sie wachen. Meine Juden sind hier in guten Händen. Isaac und Levi sind ihre Zukunft, während ich die Vergangenheit repräsentiere.«
Die übrigen Juden scharten sich um den Rabbi, um sich von ihm zu verabschieden und ihm alles Gute zu wünschen. Dann ging der weinende alte Mann zu Teg, Sheeana und den anderen, die vor dem Shuttle warteten, das sie wenig später zum Nicht-Schiff zurückbrachte.