41
Wir sind naiv, wenn wir glauben, wir hätten eine wertvolle Ware unter Kontrolle. Nur durch List und Misstrauen können wir verhindern, dass sie unseren Konkurrenten in die Hände fällt.
Interner Bericht der Raumgilde
Edrik entfernte sich mit seinem Heighliner von den Ruinen von Rakis. Der Tleilaxu-Meister interessierte ihn nicht mehr. Waff hatte seinen Zweck erfüllt.
Viel wichtiger war, dass das Orakel der Zeit alle überlebenden Navigatoren gerufen hatte und Edrik ihnen die frohe Botschaft überbringen konnte. Nachdem die Ansiedlung der Seewürmer auf Buzzell offensichtlich erfolgreich verlaufen war, stand ihnen jetzt jede Menge Ultramelange zur Verfügung. Die ungewöhnlich konzentrierte Form war dem ursprünglichen Gewürz vielleicht sogar überlegen – eine erschreckend wirksame Melange, die die Navigatoren am Leben hielt, ohne dass sie auf die selbstsüchtigen, gierigen Administratoren oder die Hexen von Ordensburg angewiesen waren.
Freiheit!
Es hatte ihn amüsiert, wie Waff seine letzten Würmer nach Rakis mitgenommen hatte, in der Hoffnung, einen neuen Gewürzzyklus in Gang zu setzen. Edrik glaubte nicht, dass der kleine Forscher dort viel erreichen würde, aber eine alternative Melangequelle wäre natürlich von Vorteil. Trotzdem würden die Navigatoren jetzt nie wieder zu Opfern von Machtkämpfen werden. Die vier Gildenmänner, die Edrik dem Tleilaxu als Begleiter mitgegeben hatte, waren Spione und würden geheime Berichte über Waffs Arbeit abliefern.
In seinem Tank lächelte Edrik in sich hinein, zufrieden, dass er alle Eventualitäten bedacht hatte. Nachdem das erste Paket mit der Ultramelange von Buzzell sicher an Bord verstaut war, führte der Navigator den Heighliner hinaus in die Leere des Weltraums. Sogar das Orakel würde ihm zu dieser bemerkenswerten Neuigkeit gratulieren.
Doch bevor er zum geplanten Treffen reisen konnte, wellte sich die Leere um ihn herum. Als Edrik die Verzerrungen studierte, erkannte er, worum es sich handelte. Wenige Augenblicke später erschienen Dutzende von Gildenschiffen im All, als sie durch den Faltraum traten und den Heighliner von allen Seiten umgaben.
Edrik sendete auf einer Frequenz, die nur seine Navigatorkollegen hätten empfangen dürfen. »Erklärt eure Anwesenheit.«
Aber keiner der aufdringlichen Neuankömmlinge antwortete ihm. Als er die Glyphen und Kartuschen an den Seiten der riesigen Hüllen musterte, erkannte er, dass es neue Gildenschiffe waren, die von ixianischen mathematischen Kompilatoren gesteuert wurden.
Die automatisch navigierten Schiffe kamen näher. Edrik, der die Gefahr spürte, sendete mit größerer Beunruhigung: »Mit welcher Rechtfertigung seid ihr hier?«
Die Gildenschiffe schlossen sich zu einer erdrückenden Hülle um seinen Heighliner. Ihr Schweigen wirkte bedrohlicher als ein ausgesprochenes Ultimatum. Ihre Nähe verzerrte seine Holtzman-Felder und hinderte ihn daran, den Raum zu falten.
Schließlich meldete sich eine Stimme, in monotonem, schwerfälligem Tonfall, aber mit beunruhigendem Selbstbewusstsein. »Wir fordern Ihre Ladung aus Seewurmgewürz. Wir werden an Bord Ihres Schiffes gehen und eine Inspektion durchführen.«
Edrik versuchte, die Gegner einzuschätzen, und sein Geist ging ein Labyrinth von Möglichkeiten durch. Die Schiffe gehörten zur Fraktion der Administratoren. Sie arbeiteten mit ixianischer Technik, was bedeutete, dass sie weder Navigatoren noch Melange benötigten. Warum wollten sie dann die Ultramelange konfiszieren? Um die Navigatoren daran zu hindern, sie zu konsumieren? Um zu gewährleisten, dass die Gilde vollständig von den ixianischen Navigationsmaschinen abhängig wurde?
Oder handelte es sich hier um einen ganz anderen Feind? Waren diese Schiffe mit Piraten der MAFEA bemannt, die hofften, ein wertvolles Vermögen in die Hände zu bekommen? Hexen von Ordensburg, die das Melangemonopol der Schwesternschaft sichern wollten?
Woher wussten Außenstehende überhaupt von der Existenz der Ultramelange?
Während Edriks Heighliner hilflos im Raum hing, schleusten die Gildenschiffe kleine Abfangjäger aus. Ihm blieb keine andere Wahl, als ihnen zu erlauben, sein Schiff zu entern.
Obwohl Edrik ihn nicht wiedererkannte, marschierte ein Mann mit den korrekten Insignien der Gilde über die Decks und stieg zum isolierten Bereich hinauf, wobei er sämtliche Sicherheitssperren überwand. Sechs kräftig gebaute Männer begleiteten ihn. Der Anführer lächelte herablassend, als er vor dem Tank des Navigators stand und hineinblickte. »Ihr neues Gewürz hat faszinierende Eigenschaften. Wir wollen es von Ihnen haben.«
Edriks Stimme dröhnte aus seiner Kammer, da er unabsichtlich das Lautsprechersystem auf volle Lautstärke hochgefahren hatte. »Gehen Sie nach Buzzell, und holen Sie sich selber welches.«
»Es ist keine Bitte, die wir äußern«, sagte der Mann mit ausdruckslosem Gesicht. »Wir haben von der intensiven Wirkung dieser Substanz erfahren und glauben, dass sie uns helfen könnte, unsere schwierige Situation zu beheben. Wir werden sie ins Herz des Imperiums der Denkmaschinen bringen.«
Denkmaschinen? Was hatte die Fraktion der Administratoren mit dem Feind zu schaffen? »Sie werden die Substanz nicht bekommen«, wiederholte Edrik, als hätte er in dieser Hinsicht etwas zu sagen.
Der Gildenmann winkte seinen stämmigen Leibwächtern, die daraufhin eisenbeschlagene Hämmer unter ihren grauen Gewändern hervorzogen. Der Anführer nickte ihnen ruhig und wie selbstverständlich zu.
Edrik geriet in Panik und schwamm in seinem Tank zurück, aber für ihn gab es keinen Fluchtweg. Den muskulösen Leibwächtern war es gleichgültig, dass er sich im Behälter befand und dass er in normaler Atemluft nicht überleben würde. Mit kräftigen Armen holten sie aus und schlugen die schweren Hämmer gegen die dicken Plazwände.
Risse breiteten sich sternförmig aus, und konzentriertes orangefarbenes Gewürzgas entwich zischend. Die Leibwächter reagierten nicht auf die Melange, die ihnen ins Gesicht strömte, obwohl ein normaler Mensch bei einer solchen Konzentration Schwierigkeiten bekommen hätte. Der Anführer mit dem ausdruckslosen Gesicht sah zu wie jemand, der einen aufziehenden Sturm bemerkt, während Edriks Luftgemisch nach draußen drang.
Als der Luftdruck so weit abgefallen war, dass der Navigator keinen Auftrieb mehr hatte, brach er am Boden seines Tanks zusammen. Matt hob er die mit Schwimmhäuten versehenen Hände und verlangte mit einer Stimme, die kaum mehr als ein Keuchen war, nach einer Erklärung. Doch der Gildenmann und seine Begleiter gaben keine Antwort.
Leidend lag Edrik am Boden. Er streckte einen gummiartigen Arm aus und versuchte wegzukriechen, aber nachdem sich das Gewürzgas größtenteils verflüchtigt hatte, war die Luft zu dünn für ihn geworden. Er konnte nicht mehr atmen und sich kaum noch bewegen. Trotzdem war es ein langer Todeskampf.
Der Mann mit dem ausdruckslosen Gesicht trat näher an die zertrümmerten Plazscheiben heran, und seine Züge verwandelten sich. Khrone wandte sich an die anderen Gestaltwandler. »Holt das konzentrierte Gewürz. Mit dieser Substanz wird es Omnius gelingen, seinen Kwisatz Haderach zu erwecken.«
Die anderen gingen, um die Decks zu durchsuchen, bis sie das Lager mit der modifizierten Melange gefunden hatten. Als die getarnten Leibwächter zu den Abfangjägern zurückkehrten, hielt Khrone eins der schweren Pakete in den Armen. Er atmete tief ein. »Exzellent! Holt all unsere Leute aus diesem Heighliner. Wenn sie in Sicherheit sind, vernichtet das Schiff und jeden, der sich noch darin aufhält.«
Er blickte auf den sterbenden Edrik. Nur noch ein paar rostrote Gasschlieren drangen aus Rissen im Tank. »Du hast deinen Zweck erfüllt, Navigator. Tröste dich damit.« Der Gestaltwandler stolzierte davon.
Edrik schnappte immer noch nach Luft, aber es war kaum mehr als ein leichter Melangegeruch übrig. Als sich die maschinengesteuerten Gildenschiffe im Weltraum neu formierten, war er fast nicht mehr in der Lage, bei Bewusstsein zu bleiben.
Die feindlichen Schiffe eröffneten das Feuer. Edriks Heighliner explodierte, bevor er die Zeit fand, einen Fluch auszustoßen.