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»Ich weiß so gut wie nichts über Johannes von
Donaustauf«, sagte Ignatius von Loyola. »Seine Anmeldung zum
Unterricht traf als Erste ein, wenige Tage später die seines
jüngeren Bruders Gisbert. Beide kamen vor ungefähr zwei Wochen an,
der dritte Schüler einen Tag später.«
»An jenem Tag seid Ihr Johannes zum ersten Mal
begegnet?«, fragte Sandro.
»Ja. Ich war zufällig hier und begrüßte sie.
Johannes war höflich, demütig, hatte eine deutliche Aussprache und
war ganz offensichtlich theologisch belesen. Er stammte aus guter
Familie, hatte sich aus freien Stücken angemeldet und wäre ein
Vorzeigeschüler geworden. Natürlich fehlte es ihm noch an
Disziplin, dennoch hätte uns etwas Besseres als er für den Anfang
gar nicht passieren können.«
»Dann ist sein Tod ein umso schlimmerer Verlust,
nehme ich an.«
»Jeder Tod eines Menschen ist ein Verlust, Bruder
Carissimi. Ich werde nicht anfangen, die Toten gegeneinander
aufzurechnen, und du solltest das auch nicht tun.«
»Ich knüpfe lediglich an die Worte von Magister
Duré an. Er sagte, dass die Ermordung eines Schülers am
Eröffnungstag einen prächtigen Vorwand für allerlei Anfeindungen
bietet. Und ich füge mit eigenen Worten hinzu: Demnach könnten die
Anfeindungen nicht nur Folge, sondern auch Mordmotiv sein.«
»Du meinst, jemand will dem Orden schaden?«
»Möglicherweise. Dem Orden oder dem Collegium
Germanicum.«
»Das ist dasselbe.«
Es war nicht dasselbe, und Sandro war versucht, den
Pater
General zu korrigieren. Im letzten Moment hielt er sich zurück,
denn Ignatius, nicht der Papst, war eine der am meisten
respektierten Instanzen der Heiligen Römischen Kirche. Er wandte
sich den einfachen Menschen zu, denen, die keine Fürsprecher
hatten, und er schenkte ihnen Hoffnung, indem er ihre Kinder
kostenlos unterrichten ließ, ihre Alten kostenlos speiste, ihre
Kranken ohne Gegenleistung pflegte. Ignatius hätte nachts und
allein jedes schmutzige Viertel der Ewigen Stadt passieren können,
ohne irgendetwas fürchten zu müssen. Würde Julius dasselbe
versuchen, käme er nicht weit. Zumindest würde man ihm dreimal ein
Bein stellen.
Sandro diente beiden, dem Weisen und dem
Vergnügungskönig, der helfenden und der goldenen Hand. Als Jesuit
war er Diener der Menschen, als Privatsekretär und Visitator des
Papstes ein Diener der Macht, und das Drahtseil, auf dem er lief,
schwankte zuweilen. Manchmal drohten ihm seine Position und seine
Erfolge zu Kopf zu steigen, wie ein großer Schluck Branntwein, der
auf nüchternen Magen getrunken wurde, und es brauchte einiges an
Konzentration und Willenskraft, um dem Rausch entgegenzuwirken.
Aber es war ihm bisher immer gelungen, und das würde es auch
weiterhin.
»Habt Ihr zu irgendeinem Zeitpunkt ein längeres
Gespräch mit Johannes von Donaustauf geführt, ehrwürdiger Pater
General?«
»Nein, ich hatte leider keine Zeit dafür - und ein
solches Gespräch war auch nicht vorgesehen gewesen. Ich werde mit
der Führung der Schule nichts zu tun haben. In wenigen Tagen reise
ich ab und kümmere mich um andere Dinge. Darum sollten die Lehrer
Vorgespräche mit den Schülern führen, was sie, soweit ich weiß,
auch getan haben.«
»Dennoch habt Ihr, ohne Johannes näher zu kennen,
gestattet, dass er die erste Lesung hält.«
»Bruder Birnbaum hätte sie halten sollen, bekam
jedoch
Halsschmerzen. Er schlug Johannes als Ersatz vor, und ich hatte
keine Einwände.«
»Damit wäre das geklärt. Womit sind die Schüler in
den letzten beiden Wochen beschäftigt worden?«
»Nun, sie sind erst seit heute Schüler. Abgesehen
von den Vorgesprächen, die ich erwähnte, einer Kleiderprobe für die
Talare, den gemeinsamen Mahlzeiten und einigen Reinigungsarbeiten,
hatten sie frei. Jeder konnte sich die Zeit nach eigenem Ermessen
einteilen.«
Sandro zog die Augenbrauen hoch, was er sogleich
als Verstoß gegen die Regeln wahrnahm. Ignatius, der es zweifellos
gesehen hatte, ging nicht darauf ein. Er hatte seine Mimik perfekt
unter Kontrolle.
»Das war äußerst großzügig, Pater General, bedenkt
man, dass alle drei aus der Provinz kamen und nun eine der - wie
soll ich sagen - aufregendsten Städte der Welt betraten.«
»Du vergisst, Bruder, dass die Konfrontation mit
allen Verlockungen wichtiger Bestandteil der jesuitischen Lehre
ist. Wir haben vorhin darüber gesprochen. Dem Übel darf man nicht
ausweichen, man muss sich ihm stellen.«
»Ich habe es nicht vergessen, Pater General. Wie
alle Jesuiten, so bin auch ich durch die Exerzitien, die
Seelenübungen, gegangen. Vorhin jedoch habt Ihr meine Nähe zu den
Verlockungen des Vatikans kritisiert.«
»Weil du nicht ausreichend gefestigt bist. Du bist
zu jung, zu unerfahren, und die Exerzitien wurden damals noch
unzureichend durchgeführt.«
»Die Schüler sind beträchtlich jünger als ich,
ehrwürdiger Pater General. Gerade erst dem Kindesalter entwachsen.
Und doch stand es ihnen frei, sich zwei Wochen lang in dem Rom des
Lichts und der Schatten zu tummeln?«
»Das Collegium Germanicum ist eine Schule
von Jesuiten, nicht für Jesuiten, Bruder Carissimi.
Die Schüler werden nach
ihrem Abschluss in ihr Land zurückkehren und dort mit ihrem
erworbenen Wissen die unterschiedlichsten Positionen besetzen. Sie
werden heiraten, Kinder haben, angesehene Leute werden, den Glauben
der römischen Kirche in ihren weltlichen Ämtern verteidigen. Es ist
nicht unsere Absicht, sie zu Mitbrüdern zu machen. Sie sind
lediglich Soldaten des Glaubens.«
»Dennoch ist …«
»Die Schüler können die Schönheit unserer Lehre
erst dann voll ermessen, wenn sie den Lärm und Gestank der Welt
kennenlernen. Wir geben ihnen weder Bier noch Wein zu trinken,
sodass sie sich im Zustand größter Nüchternheit den
Herausforderungen stellen. Unser Orden gibt ihnen das Rüstzeug,
doch das Leben müssen sie selbst bestreiten.«
Das Gesicht des Pater Generals war unbewegt, seine
Stimme gelassen, und doch lag eine diffuse Anspannung in der Luft.
Sandro hatte gehört, dass Ignatius von Loyola niemals einen
Gesprächspartner unterbrach, was auch immer zur Diskussion stand.
Wenn das stimmte, war heute ein besonderer Tag.
Sandro hielt es für besser, einen Moment zu
schweigen und dann das Thema zu wechseln. »Kommen wir zu den
Verdäch …« Er korrigierte sich unter dem Blick des Generals. »Den
Mitbrüdern. Gibt es neben denen, die heute beim Abendmahl waren,
noch andere Hausbewohner?«
»Nein, das sind alle.«
»Zwei von ihnen sind Deutsche: der Dicke und der
mit dem energischen Blick, der die Messe gehalten hat.«
Ignatius nickte. »Bruder Königsteiner- der mit dem
energischen Blick, wie du ihn nennst - lehrt Latein, Griechisch,
Theologie und Heilkunde. Er ist einer der besten Lehrer, die ich
kenne.«
»Und einer der Bewerber um den
Rektorenposten.«
Ignatius schwieg zunächst und faltete die Hände.
»Woher hast du diese Information, Bruder Carissimi?«
»Keine Sorge, Pater General, niemand hat mir etwas
über Bruder Königsteiners mögliche Berufung erzählt. Ich habe die
Information durch Beobachtung erhalten. Der andere Bewerber ist
Luis de Soto, wie ich von Seiner Heiligkeit hörte, und als Ihr
vorhin eine Entscheidung bezüglich des künftigen Rektors
angekündigt habt, fiel mir auf, dass beide einen Blick
tauschten.«
Falls Sandro auf eine lobende Erwähnung seiner
Beobachtungsgabe gehofft hatte, wurde er enttäuscht.
Ignatius zögerte eine Antwort hinaus. Schließlich
sagte er: »Ja, in der Tat sind diese beiden Mitbrüder ernst zu
nehmende Bewerber. Mehr möchte ich nicht dazu sagen, weil es, wie
ich finde, für dich nicht von Wichtigkeit sein kann, Bruder.«
Sandro war da anderer Meinung, aber er hatte die
Möglichkeit, sich das, was er wissen musste, von den Bewerbern
selbst erzählen zu lassen. Er freute sich schon jetzt darauf, Luis
zu befragen, den großen de Soto, den Meisterrhetoriker, der jeden
täuschen konnte, nur ihn nicht mehr.
»Und der andere Deutsche ist Bruder Birnbaum, nicht
wahr?« Jetzt, da Sandro an Birnbaum dachte, sah er im Geiste einen
schmatzenden Mund und eine Schale Rettichsalat vor sich.
»Ja«, bestätigte Ignatius. »Bruder Birnbaum ist
genau genommen kein Lehrer. Er wird ein wenig Rechnen und
Buchhaltung unterrichten, denn er war früher für die
Haushaltsführung eines jesuitischen Hauses in Innsbruck
verantwortlich, aber hauptsächlich wird er hausmeisterliche
Tätigkeiten ausüben. Seine wichtigste Bestimmung jedoch ist eine
andere. Ich finde es wichtig, dass die Schüler einen
Ansprechpartner in diesem Haus finden, jemanden außerhalb der
Lehrerschaft, der ihre Muttersprache spricht und ein anheimelndes
Wesen hat. So einer ist Bruder Birnbaum. Einfach ausgedrückt, er
soll ein Freund sein.«
»Und Giovanna eine Mutter.«
»Du kennst sie also schon. Ja, du beschreibst ihre
Funktion trefflich, Bruder Carissimi. Sie hat in der Vergangenheit
am Collegium Romanum gekocht, und nun wechselt sie ins Germanicum.
Sie ist eine gute Seele - und eine gute Köchin. Bruder Birnbaum
wird künftig sonntags deutsche Gerichte kochen, damit unsere
Schüler ihre Heimat nicht allzu sehr vermissen, aber an den anderen
Tagen wird Giovanna Herrin der Küche sein.«
Sandro nickte. »Ich verstehe. Bliebe noch Miguel
Rodrigues. Ehrlich gesagt, hat es mich erstaunt, dass Ihr den
jüngsten Lehrer - der zudem nur der Assistent de Sotos ist - an
Eurer Seite habt sitzen lassen.«
»Das ist leicht erklärt, Bruder. Miguel Rodrigues
ist der Neffe meines alten Weggefährten Simon Rodrigues, des
Provinzials von Coimbra.«
Coimbra. Dieser Name hatte innerhalb der Societas
Jesu einen besonderen, einen exotischen Klang. Die portugiesische
Stadt war nicht nur eine der ersten Niederlassungen der Jesuiten
gewesen, sondern ihr unterstanden auch alle überseeischen
Provinzen: Indien, die Neue Welt, China, alle jesuitischen Enklaven
unter ferner Sonne, in denen mancherorts nur fünf, andernorts
fünfundzwanzig Mitbrüder ein Haus im Wald oder am Strand oder in
Barackendörfern bezogen. Gelegentlich gelangten sie auch an
Fürstenhöfe, wo sie das Wort Christi verkündeten und als
Botschafter des Papstes fungierten. Coimbra war ein Knotenpunkt.
Die Provinz war zwar ebenso arm wie die übrigen Jesuitenprovinzen,
denn die Schätze aus der Neuen Welt und die Handelsgüter aus Indien
strömten ausnahmslos in die Truhen der Könige und Kaiser. Aber in
Coimbra wurden die Exkursionen in entlegene Gegenden koordiniert,
neue Provinzen geplant, Briefe an den chinesischen Kaiser und
indische Großkönige verfasst, kurz, wurde Geschichte und Zukunft
geschrieben.
Allerdings gab es auch immer wieder Gerüchte
innerhalb
des Ordens, dass die Vorstellungen, die ein Ignatius von Loyola
von der Societas Jesu hatte, in Coimbra nicht ganz so viel galten,
und dass es dort eigene Bräuche gab. Irgendwie schien die Provinz
wie ein kapriziöses Kind zu sein.
»Simon Rodrigues«, sagte Loyola, »war einer von den
sechs Gefährten, die gemeinsam mit mir den Orden aus der Taufe
hoben, damals, am Tag unserer Gelübde auf dem Montmartre. Einige
von ihnen sind nicht mehr am Leben, andere - ich muss es leider
sagen - sind meinen Weg nicht mitgegangen. Simon ist mir ein Freund
geblieben. Ich habe ihn viele Jahre nicht gesehen. Sein Neffe, der
in den Dienst de Sotos und dieser Schule getreten ist, ist mir
daher hochwillkommen. Der Platz an meiner Seite war als Tribut an
Miguels Onkel, meinen treuesten Mitstreiter, gedacht.«
Die Erklärung war absolut zufriedenstellend. Es
stellte sich bloß die Frage, wie es dazu kam, dass ein junger
Portugiese aus Coimbra sich in den Dienst eines Rhetorikers in
Italien begab.
Sandro dachte nach und schlug, wie er es häufig
beim Nachdenken tat, die Beine übereinander. Für einen Moment
vergaß er die Anwesenheit des Ordensgenerals; erst als dieser zu
dem kleinen Fenster ging und auf die im nächtlichen Dunkel liegende
Gasse blickte, wurde er sich bewusst, dass er schon wieder eine
Regel verletzt hatte. Er seufzte in sich hinein und stellte seine
Füße nebeneinander.
»Hast du noch Fragen an mich, Bruder?«
»Vorläufig nur eine, ehrwürdiger Pater General. Es
geht um die letzten Stunden, die Zeit vor dem Tod des Schülers.
Doktor Pinetto sagte, das Gift kann maximal zwei Stunden vor Beginn
der Krämpfe verabreicht worden sein, keinesfalls früher. Die
entscheidenden Stunden also, die ich so genau wie möglich
rekonstruieren muss. Ich schätze, der Anfall kam ungefähr eine
halbe Stunde nach Betreten des Speisesaals. Würdet Ihr mir
beipflichten, ehrwürdiger Pater General?«
»Wenn du es wünschst, Bruder.«
Sandro lächelte, was er nicht hätte tun dürfen,
also blickte er sofort wieder ernst.
»Gut. Die Kapelle ist direkt gegenüber dem
Collegium, der Weg in den Speisesaal hat kaum Zeit in Anspruch
genommen. Die Heilige Messe dauerte - korrigiert mich, wenn nötig -
eine Stunde. Bleibt also eine Stunde, von der ich noch nicht weiß,
wo Johannes von Donaustauf sich aufhielt. Könnt Ihr mir hierbei
helfen?«
Ignatius von Loyola ging ein paar Schritte durch
den Raum, wobei seine Bewegungen äußerst langsam waren, so als läge
Baumharz auf dem Boden, das ihn bei jedem Schritt festhielt.
»Ich hatte mich am Mittag in meinem Zimmer zur Ruhe
gelegt, nachmittags ein paar Briefe diktiert und später, etwa um
die vierte Stunde, zusammen mit Magister Duré einen Spaziergang
gemacht, damit die Müdigkeit aus meinen Beinen verschwand. Als wir
zurückkehrten, gingen wir nicht ins Haus, sondern direkt in die
Kapelle. Kurz bevor die Messe begann, sah ich Johannes zum ersten
Mal seit dem Mittag wieder.«
Das war eine sehr ausführliche Antwort, fand
Sandro, vor allem, wenn man berücksichtigte, dass Sandro sich nicht
nach dem Aufenthalt des Pater Generals erkundigt hatte.
»Ich danke Euch«, sagte Sandro.
Antonia war umringt von Huren. Sie saß auf einem
Schemel, hielt eine Lage Papier und einen Kohlestift in Händen und
versuchte, sich zu konzentrieren. Das erwies sich aus mehreren
Gründen als schwierig. Die schweren, aphrodisischen Düfte einiger
Huren vermengten sich mit Stallgerüchen von anderen zu einem im
wahrsten Wortsinn atemberaubenden Gemisch. Antonia hatte alle
Huren, die von dem ominösen Fremden über Carlotta befragt worden
waren, im Teatro, dem Freudenhaus
von Milos Mutter, versammelt, um eine möglichst genaue
Beschreibung des Mannes zu erhalten. Da sich die hygienischen und
auch alle anderen Bedingungen in den Häusern jedoch sehr
voneinander unterschieden, waren die unterschiedlichsten Frauen
zusammengekommen - solche, die reichlich Toilettenartikel
benutzten, und solche, die keinerlei Toilettenartikel benutzten;
solche mit und solche ohne Manieren; solche mit ge übter
Ausdrucksweise und solche, für die Lautstärke ein Ersatz für Wörter
war. Es ging drunter und drüber. Zeichnete Antonia eine Nase nach
der Beschreibung der einen Hure, rief die andere, die Nase sei zu
lang. Die Nächste meinte, der Augenabstand stimme nicht, und eine
weitere hatte etwas an den Wangenknochen auszusetzen. Es kam
mehrmals zum Streit. Die Zwischenrufe und das ständige Hin und Her
erschöpften Antonia, die zudem keinen Fortschritt erkennen konnte.
Einig waren sich alle nur darin, dass der Fremde zwischen
fünfunddreißig und vierzig Jahre alt war und einen kurzen, dunklen
Oberlippen- und Kinnbart trug. Außerdem war er schlank und groß.
Diese Beschreibung traf gewiss auf ein Zehntel der männlichen
Bevölkerung Roms zu.
Immerhin beteiligten sich alle Frauen eifrig. Es
war ein Leichtes für Antonia gewesen, sie zu dieser Versammlung zu
bewegen, jede hatte sofort zugestimmt und auch die Zustimmung der
jeweiligen Vorsteherin problemlos erhalten, obwohl zu dieser Stunde
bereits die ersten Kunden erwartet wurden. Und Milos Mutter,
Signora A, hatte ihr Zimmer im Teatro als Versammlungsort zur
Verfügung gestellt.
Das alles war nicht selbstverständlich, es war
sogar gefährlich. Denn wenn sich am Ende der Ermittlungen
herausstellen sollte, dass der Auftrag für Carlottas Ermordung von
einer einflussreichen Person erteilt worden war, könnte jede
Einzelne der Frauen - und auch die Hurenhäuser, in denen sie
arbeite - ten - Schwierigkeiten bekommen. Auszuschließen war das
nicht.
Wer eine Frau töten ließ, konnte sicher auch ein paar weitere
umbringen oder verschwinden lassen.
Jedes Jahr wurde ein halbes Dutzend Huren auf diese
Weise »bestraft«. Die Motive waren vielfältig. Manche Auftraggeber
waren zuvor von der Hure erpresst worden, andere rächten sich für
irgendetwas, und wieder andere entledigten sich vorsorglich einer
bezahlten Frau, um zu verhindern, dass sie eine gravierende
Schwäche des Mannes herumerzählen konnte. Auch kam es vor, dass
eine Hure sich weigerte, etwas zu tun, was der Mann verlangte. Das
verletzte die Ehre vieler Männer, die anderes gewohnt waren.
Antonia hatte sich immer wieder gefragt, welcher
dieser Gründe zu Carlottas Tod geführt hatte. Die beiden Frauen
hatten sich im letzten Oktober in Trient kennengelernt, und Antonia
war sich sicher, dass Carlotta seitdem mit keinem anderen Mann,
außer mit Antonias Vater, zusammen gewesen war. Wenn sie etwas
hätte herumerzählen wollen, hätte sie das neun Monate lang tun
können. Das war also nicht der Grund. Antonia schloss aus, dass
Carlotta jemanden erpresst hatte, dafür war sie nicht geldgierig
genug gewesen. Und falls sie jemandes »Ehre« verletzt hätte, hätte
derjenige sich sehr viel Zeit gelassen, die Schmach zu tilgen, wenn
er sie erst viele Monate später bestrafte.
Was blieb, war Rache.
Aber wofür? Von wem? Welchem Reichen, Edelmann oder
Prälaten hatte sie etwas derart Gravierendes angetan, dass er sich
ihren Tod gewünscht hatte? Alle Huren von Rom, die Carlotta gekannt
hatten, beschrieben sie als liebenswürdige, hilfsbereite Frau ohne
Neid und Missgunst, wenngleich verschlossen, was ihre Vergangenheit
anging - eine Charakterisierung, die Antonia teilte.
Aus diesem Grund waren die Huren alle hier und
stritten wegen des perfekten Porträts des fremden Mannes. Mit
Carlotta
war eine der Besten umgebracht worden, und dass sie nun dabei
halfen, ihren Mörder zu suchen, war eine Geste des Aufbegehrens.
Lange Zeit waren diese Frauen die schwächsten Glieder der
Gesellschaft gewesen, versteckte und verleugnete Wesen der Nacht,
diejenigen, die von Männern missbraucht, von Damen gehasst, vom
Klerus offiziell verdammt wurden, rechtlose Geschöpfe, weniger
geachtet als Pferde, gleichsam Hunde, die man dressieren, treten
und einsperren durfte, die man gegeneinander aufhetzte, wenn es
einem gefiel, die man peitschte, wenn sie die gewünschte Leistung
nicht erbrachten, und die man verhungern ließ, wenn sie alterten.
Fand man ihre Leichen im Tiber, kümmerten sich die Behörden nicht
darum. Stieß man sie aus Fenstern, war es so, als sei ein Sack
Bohnen aufs Pflaster gestürzt.
Einmal sich aufbäumen, einmal zeigen, dass es eine
Grenze gab - dafür riskierten sie den Unwillen eines Unbekannten.
Sie waren schon Opfer und fürchteten daher nicht, zu Opfern zu
werden.
Das Eintreten von Signora A, der geachteten
Vorsteherin des Teatro, bewirkte eine Veränderung. Die
Signora sprach zunächst kein Wort, allein ihre schlanke Gestalt und
das herbe Gesicht genügten, um Disziplin herzustellen, so wie ein
Abt unter Mönchen Demut hervorrief. Der Enthusiasmus der Huren bei
der Beschreibung des Fremden wurde gezügelt und stattdessen um
Konzentration bereichert. Kleine Rivalitäten waren augenblicklich
vergessen. Keine wollte sich einen Rüffel einhandeln.
Antonia warf Milos Mutter einen dankbaren Blick zu,
den die Signora - stets kühl und spröde, wenn es um Gefühle ging -
geflissentlich übersah.
Langsam entstand ein Gesicht, ein wirkliches,
lebendiges Gesicht, aus Antonias mühsamer Arbeit, so als würde eine
wahre Geschichte entstehen. Die Augen des Mannes bekamen Ausdruck,
die Haare eine Form, der Charakter bekam eine Prägung. Detail
reihte sich an Detail: eine Narbe am Kinn, ein Muttermal am
Hals.
Als niemandem mehr etwas einfiel, begann Antonia,
die durch vielerlei Änderungen unscharfe Zeichnung auf einem neuen
Blatt ins Reine zu übertragen. Dabei geschah es, dass zwei von
Antonia schon vor Wochen benutzte Blätter zu Boden fielen. Als sie
es bemerkte, war es bereits zu spät. Signora A hatte sie aufgehoben
und betrachtete die Zeichnungen.
Die Erste zeigte einen Mann, den die Signora sehr
gut kannte: ihren Sohn Milo. Antonia hatte ihn in lässiger Pose
dargestellt, als jemanden, der sich seiner selbst sicher ist und
mit Leichtigkeit in jeden Kampf geht, auch in der Liebe. Er war
nackt und faszinierend, aber nicht nur wegen der Nacktheit. Milo
hatte etwas von einem Buschräuber an sich, einem Gesetzlosen, einem
Entführer, von dem man sich gern entführen lässt. Er lag seitlich
auf einem Laken, ein Bein war angewinkelt, und alles wirkte so, als
warte er auf eine Frau, die soeben eingetreten war. Das Spiel
seiner Muskeln war nicht übertrieben, es war nur angedeutet, vor
allem sichtbar in dem angewinkelten Bein und dem Arm, mit dem er
sich aufstützte. Jeder Strich des Porträts schien nur dazu gedacht,
die Erotik des Augenblicks zu betonen.
Es bestand kein Zweifel, dass die Szene so oder so
ähnlich stattgefunden hatte und aus der Erinnerung gezeichnet
worden war.
Das zweite Blatt zeigte jemanden, den die Signora
nur flüchtig kannte: Sandro Carissimi. Sie war dabei gewesen, als
er den Mordfall an der Geliebten des Papstes gelöst hatte, aber sie
hatte - sofern Milo es ihr nicht gesagt hatte, was unwahrscheinlich
war - nicht gewusst, in welchem Verhältnis Antonia zu ihm stand.
Nun wusste sie es.
Das Porträt zeigte Sandros nackten Oberkörper. Sein
sanfter
Blick ging - im Gegensatz zu Milos, der die Beobachterin fixierte
- an der Beobachterin vorbei, zu einem Punkt in der Ferne. Dieser
Blick gab nichts preis. Ein Windstoß war dem Porträtierten in die
Haare gefahren und wirbelte sie durcheinander. In seiner schlanken
Unauffälligkeit wirkte der Körper passiv, aber bereit, seine
Unschuld zu verlieren. Es war das Porträt eines stillen
Menschen.
Eine solche Szene hatte es nie gegeben. Eine in
allen Belangen der Liebe und Erotik erfahrene Frau wie Signora A
war sich darüber natürlich im Klaren, und deswegen sagte das
Porträt mehr über die Zeichnerin aus als über den
Gezeichneten.
Antonia und die Signora tauschten einen
Blick.
»Sieh mal, das ist ja der nackte Milo«, rief eine
der Huren, die gesehen hatte, was die Signora in Händen
hielt.
Auf der Stelle scharten sich die Huren um Signora A
herum, und sie ließ es sogar zu, dass man ihr die beiden
Zeichnungen aus der Hand nahm.
Milo war den Huren gut bekannt. Er war im
Teatro geboren worden und aufgewachsen, heutzutage hielt er
es instand. Aber auch den Huren anderer Häuser, ja, fast dem ganzen
Trastevere war er ein Begriff. Das Viertel war sein Revier, dort
hatte er seine Freunde, dort grüßte ihn jeder Dritte, dem er auf
der Straße begegnete. Und nicht nur, weil er der künftige Erbe des
Teatro sein würde, war er der begehrteste Junggeselle des
Trastevere.
Nackt wie auf der Zeichnung hatte ihn jedoch noch
keine der Frauen gesehen, die in diesem Moment sein Porträt
eingehend studierten.
Sie kicherten, sie staunten, sie ließen ein paar
freizügige Bemerkungen fallen.
»Der ist aber auch nicht schlecht«, rief eine der
Huren mit Blick auf Sandros Porträt. »Mit dem würde ich
umsonst.«
»Mit beiden würde ich umsonst«, meinte eine andere,
die sich jedoch sofort einen bösen Blick der Signora einfing.
Antonias Gesicht glühte. Sie zeichnete so schnell
wie möglich, um das Thema wechseln zu können.
Endlich war das Porträt des Fremden fertig.
»Ja, so sah er aus«, sagte eine, und die anderen
stimmten zu.
Antonia betrachtete noch einmal das Gesicht, das
sie entworfen hatte, aber dieses Mal nicht wie eine Zeichnerin,
sondern wie eine Jägerin.
Ein hageres Gesicht. Hohe Stirn, schütteres Haar.
Tiefliegende, wassergraue Augen. Dünne Augenbrauen. Hakennase.
Eingefallene Wangen. Spitzes Kinn. Ein langer Hals.
Dieser Mann hatte Carlottas Leben ausspioniert und
war vielleicht ihr Mörder.
Milo fand, dass Lello das Gesicht eines
verdurstenden Mannes hatte. Ihm fehlte jeder Mut. Er war einer
dieser armen Kerle, die sich ihr Geld mit allerlei kleinen
Schandtaten verdienten, von denen keine gemein genug war, um sich
Respekt zu verschaffen. Im Trastevere galt er wenig, weil
Diebereien und Spitzeltätigkeit schlecht bezahlt wurden. Lello war
der Knecht der Verbrecher.
Wie ein Knecht sah er aus und wohnte auch wie
einer. Die Baracke nahe der halb verfallenen Südmauer stand auf
alten Stelzen, die sich in den Schlick einer kleinen Senke bohrten.
Am Abend kamen die Ratten hervor, überall war ein Trippeln und
Fiepen, überall waren die Geräusche der tierischen Unterwelt der
Stadt zu hören.
Milo beobachtete, wie Lello seine Behausung
verließ. Lello bemerkte ihn nicht, obwohl er sich mehrmals
umschaute. Milo war viel zu geschickt für ihn. Er wartete, bis
Lello die schlickige Senke verlassen hatte, und heftete sich dann
an seine Fersen. Dort, wo das Barackengebiet ins Trastevere
überging,
machte Milo absichtlich ein paar laute Schritte, die sogar einem
minderbemittelten mittelmäßigen Gauner wie Lello auffallen mussten.
Milo wusste genau, was Lello als Nächstes tun würde: um die Ecke
der Via di Genovesi in die Via San Michele biegen, dort die Beine
in die Hand nehmen und in die nächste Seitengasse flüchten, um den
Verfolger abzuschütteln. Dies voraussehend, ging Milo in die
Seitengasse, wartete ein, zwei, drei Atemzüge lang - und Lello lief
ihm geradewegs in die Arme.
»Milo.« Lello erschrak nur kurz, dann schien er
froh, Milo zu sehen. »Milo, du musst mir helfen, ich werde
verfolgt.«
»Das war ich.«
»Nein, Milo, dich meine ich nicht. Du stehst ja
hier.«
Milo tätschelte Lellos Wange. »Es würde zu lange
dauern, dir das zu erklären. Nur so viel: mach dir keine Sorgen.
Siehst du, Lello, zu dir wollte ich. Wir haben etwas zu
besprechen.«
Lellos Augen bekamen den Ausdruck aller armseligen
Gauner, wenn ihnen etwas nicht geheuer ist. Sie ahnen eine
Unbequemlichkeit oder ein Abenteuer, was für solche ängstlichen
Seelen dasselbe ist, und sie wünschten, sie könnten sich in Luft
auflösen.
»Wieso - wieso kommst du nicht morgen in mein
Haus?«
»Nein, Lello, das ist nicht gut.«
»Warum?«
Milo sprach ein bisschen wie zu einem kleinen
Jungen, dem er bedauernd eine Gabe verweigert. »Tja, Lello, in
deinem Haus sind wir nicht ungestört. Du hast vier Cousinen dort
wohnen.« Fast allen im Viertel war bekannt, dass es sich bei diesen
»Cousinen« um Frauen vom Land handelte, die Lello umsorgten,
während er ihnen im Gegenzug Dach und Essen bot. »Außerdem«, fügte
Milo hinzu, »ist meine Sache dringend. Lello, was ist denn los? Ein
Gespräch unter Freunden sollte etwas Erfreuliches sein. Nun
komm.«
Milo legte den Arm um die schmalen Schultern des
Mannes, der gut zehn Jahre älter als Milo war, aber den Schwung
einer Totenklage hatte. Lello ließ sich gezwungenermaßen
mitziehen.
Der Abend war sehr mild. Milo ging barfüßig über
das Pflaster, das die Tageswärme gespeichert hatte; seine ohnehin
nur dreiviertellangen Fischerhosen hatte er hochgeschlagen. Einen
vertrockneten Halm, der aus der Mauerritze eines Hauses
hervorstand, zupfte er ab, schob ihn der Länge nach zwischen die
Zähne und kaute auf ihm herum.
Er wartete, bis eine Streife der Stadtwache und ein
Passant vorübergegangen waren, und sagte dann: »Lello, es gibt
Ärger.«
Hätte er Lello gesagt, dass er vorhabe, ihm die
Kehle durchzuschneiden, hätte dieser nicht wehleidiger aussehen
können.
»Oh, Milo. Und ich dachte, du hast eine Arbeit für
mich, Milo. Ärger. Welchen Ärger denn? Milo, ich brauche Geld.
Meine Cousinen, verstehst du? Sie fressen mir die Haare vom
Kopf.«
Und du knetest sie dafür Nacht für Nacht durch,
dachte Milo. Genau deshalb hatte er vor zwei Monaten auf Lello
zurückgegriffen, um im Auftrag von Massa und dem Papst etwas über
die Hure Carlotta zu erfahren. Lello ging nie zu den Huren. Er
hatte ja seine Cousinen, und das schon seit etlichen Jahren. Im
Gegensatz zu Milo kannte man ihn in den Hurenhäusern nicht.
»Hör zu, Lello, man ist dabei, dich zu suchen. Es
hat mit der Arbeit zu tun, die du für mich erledigt hast: Carlotta,
du erinnerst dich?«
»Ja, Milo, natürlich erinnere ich mich. Was heißt
suchen? Wer? Wieso?«
»Immer mit der Ruhe, alter Knabe. Ein paar Huren
haben ein Bild von dir zeichnen lassen, ich habe es gerade eben
gesehen, und ich muss sagen, es sieht dir verteufelt
ähnlich.«
»Verstehe.« Lello rieb sich das Kinn, aber während
eine solche Geste bei jedem anderen intelligent wirkte, sah sie bei
ihm dümmlich aus. »Aber, Milo, ich habe doch überhaupt nichts
Schlimmes getan. Ich habe nur harmlose Fragen nach der
Vergangenheit dieser Carlotta gestellt, und außerdem war ich nicht
gerade erfolgreich. Das wenige, das ich erfahren habe …« Lello
zuckte mit den Schultern. »Niemand kann mich dafür
bestrafen.«
Milo lehnte sich entspannt an eine Mauer, während
Lello vor ihm von einem Bein auf das andere trat.
Milo ließ ihn nicht aus dem Blick. »Carlotta ist
tot, wusstest du das nicht?«
»Nein. Tot? Damit habe ich nichts … Ich meine, ich
habe nur Fragen gestellt, und wenn sie tot ist, was …«
»Ermordet.«
Lello öffnete den Mund so weit, als wolle er einen
Schrei ausstoßen, aber alles, was heraus kam, war: »Oh.«
Milo sah ihm an, dass er begriffen hatte, dass Milo
der Mörder war. Er spuckte den Halm aus, sodass er vor Lellos Füßen
landete. »Ja, Lello, so ist das. Und du bist daran beteiligt, ob du
willst oder nicht. Du verstehst doch sicher, Lello, dass ich nicht
zulassen kann, dass mir jemand über dich auf die Spur kommt.«
Lello trat einen Schritt zurück, dann noch einen.
Die Nacht senkte sich zwischen sie.
»Milo! Du willst doch damit nicht sagen … Du kannst
doch nicht … Ich - ich werde niemandem etwas verraten.«
»Natürlich nicht.«
»Ich meine, du kannst dich auf mich
verlassen.«
»Das weiß ich doch.«
»Ich - ich werde eine Weile aus Rom fortgehen, wie
wäre das?«
»Wenn du das möchtest.«
»Niemand findet mich.«
»Gut möglich.«
»Und die Huren, die vergessen so etwas schnell, du
kennst sie ja, du weißt, dass sie anderes im Kopf haben, als Männer
zu jagen.« Lello lachte nervös auf. »Na ja, jedenfalls jagen sie
sie nicht, um sie zu bestrafen.«
»Wie recht du hast. Es schadet allerdings nicht,
sicherzugehen. Das begreifst du doch, oder?«
Lello hatte inzwischen vier, fünf Schritte zwischen
sich und Milo gebracht, und nun wich er zwei weitere zurück. Kaum,
dass sie einander noch sahen.
Lello wandte sich um und begann zu laufen, aber er
war ein schlechter Läufer. Milo hatte ihn im Nu eingeholt und
presste ihn gegen eine Wand.
»Warum rennst du denn weg, Lello?«
»Tu mir nichts, Milo, ich bitte dich. Tu mir
nichts.« Lello fing an, zu weinen.
»Was ist denn nur, Lello? Warum sollte ich dir
etwas tun?«
»Weil - weil du nicht willst, dass man dir auf die
Spur kommt.«
»Das stimmt. Aber deswegen würde ich dir doch
niemals etwas tun. Sieh doch, ich bin noch nicht einmal bewaffnet.«
Milo breitete seine Arme aus.
»Ich weiß, dass du immer ein Messer am Gurt trägst.
Man sieht es nur nicht, weil dein Hemd darüberhängt.«
Milo lachte leise. »Du bist nicht dumm, Lello, das
muss ich dir lassen. Ja, ich habe ein Messer. Aber ich werde es
heute nicht benutzen.«
»Nicht?«
»Nein, Lello, und weißt du, warum? Weil ich eine
Arbeit für dich habe. Sie ist ganz leicht. Hast du schon einmal
jemanden umgebracht?«
Lello riss die Augen auf. »Nein. Nein, Milo.«
»Tja, dann wird es Zeit.«
Lello zögerte. »Töten - das kann ich gar
nicht.«
»Es ist kinderleicht. Ich helfe dir dabei, du musst
fast nichts tun. Und wenn die Arbeit erledigt ist, brauchst du dir
keine Sorgen mehr um die Huren zu machen.«
Die Erleichterung breitete sich auf Lellos Gesicht
aus, die Erleichterung, weiterzuleben und noch einen Tag der
Gaunereien, des Saufens, des Würfelspielens, des Flüchtens vor sich
zu haben, und einen Tag mit vier Cousinen.
Milo umklammerte erneut Lellos Schulter. »Und jetzt
zum Wesentlichen: Es gibt da einen Jesuiten …«