Kapitel 28

Jemand kitzelte sie an der Nase. Als Sophie die Augen öffnete, entdeckte sie, dass es eine Blume war. Dann lächelte sie träge.

»Wie lange habe ich geschlafen?«

»Ungefähr eine Stunde«, sagte Patrick, beugte sich über sie und ließ seine schwarzen Augen zärtlich über ihr Gesicht gleiten.

Sophie streckte sich und spürte die kitzelnden Grashalme an ihren Schulterblättern. Patricks Blick fiel unwillkürlich auf ihre Brüste, als sich diese gegen den weichen Baumwollstoff ihres Kleides pressten. Das Gänseblümchen verließ ihre Wange und strich sanft über ihren Hals und verharrte an ihren Brüsten.

»Diese Kleid benötigt etwas Zierrat«, sagte Patrick mit heiserer Stimme. Geschickte Finger verwandelten das Gänseblümchen in einen weißen Blütenregen, der sanft auf ihr Oberteil niederging.

Sophies Körper überlief ein Schauer und sie blickte zu ihrem Mann hinauf.

Patricks Haar war völlig zerzaust. Er hatte offensichtlich ebenfalls geschlafen. Sie hatten ein elegantes Picknick veranstaltet ... mit kleinen Leckerbissen und einer Flasche Sekt.

Es waren inzwischen zwei Monate vergangen, seit Patrick und Sophie mit kranken Herzen auf dem Herrensitz angekommen waren.

Sie besuchten das Grab ihres Kindes und wählten einen schlichten weißen Grabstein aus. Sie ließen den Namen, Frances, und davor das Wort »geliebte« einmeißeln. Nach einiger Zeit gingen Charlotte und Sophie zum Familienfriedhof und pflanzten unzählige Schneeglöckchen auf das Grab, während Charlottes Gärtner hinter ihnen stand und sich nicht über die Vorstellung beruhigen konnte, dass die Damen sich die Hände schmutzig machten.

Sophie und Patrick kehrten nicht nach London zurück.

Der Gedanke an ihr Stadthaus mit all seinen Erinnerungen an sprachlose Tage und kalte Nächte war beiden unerträglich. Stattdessen suchten sie wie zwei verwundete Vögel in einem der Schlafzimmer des Herrenhauses der Downes Schutz.

Es war eine Zeit des Heilens und Charlotte und Alex gaben ihnen mit ihrem fröhlichen Wesen Halt und Trost. Downes Manor war in der Tat nicht mehr der leere, düstere Ort, den Patrick als Kind gehasst hatte. Das Sommersemester in Harrow war zu Ende und Henri war, sehr zu Pippas Freude, ebenfalls bei ihnen eingetroffen. Nun hallte das Lachen der Kinder und das fröhliche Geplauder der Erwachsenen durch die Flure des Herrenhauses.

Viel wichtiger war jedoch, dass Patrick Sophie keine Minute von der Seite wich. Er war ihr beim Aufstehen behilflich. Er nahm ihr alles ab, was schwerer als ihr Handarbeitsreifen war. Abends entließ er Simone und hingebungsvoll bürstete er mit langsamen verführerischen Strichen Sophies Locken.

Beim Zubettgehen vergrub Patrick das Gesicht an Sophies Hals und sie schliefen ineinander verschlungen ein. Wenn sie nachts von ihm wegrollte, wachte sie davon auf, dass seine Arme sie wieder an seinen Körper zogen. Sogar in seinen Träumen wollte Patrick sie nicht loslassen.

Als nun an diesem Abend einige Gäste zu einer Hausparty erwartet wurden und allgemeiner Aufruhr entstand, weil zehn bis zwölf Schlafzimmer vorbereitet werden mussten, hatte Patrick Sophie gegriffen und sich mit ihr und einem Picknickkorb davon gemacht.

»Wo ist der Kutscher?«, fragte Sophie träge. Sie lagen auf einer Decke, die Patrick auf dem Gras ausgebreitet hatte und neben ihnen befanden sich die Überreste ihres Picknicks, aber die Kutsche war verschwunden.

Patrick blickte nicht einmal auf, sondern beschäftigte sich eifrig mit dem Gänseblümchen. Ach habe ihn nach Hause geschickt«, sagte er geistesabwesend.

»Nach Hause? Aber wie kommen wir zurück zum Haus?«, fragte Sophie. Es war so wunderschön, am Fluss in der warmen Sonne zu liegen, dass sie seine Erwiderung eigentlich nicht sonderlich interessierte.

Patrick gab keine Antwort. Er hatte ein neues Spiel entdeckt. Ihre Decke lag im Schatten einer Geißblatthecke und Patrick zog Blüten heraus und steckte sie in die hellen Locken seiner Frau.

»Patrick?« Sophie lächelte träge und streckte sich erneut. Es gefiel ihr, wie sich die Augen ihre Mannes verdunkelten.

»Ja?«

»Meine Kinderfrau zupfte stets die Blütenblätter eines Gänseblümchens ab, genau wie du es gerade tust«, neckte sie ihn.

»Warum?«

»Man erfährt so, ob man von jemandem geliebt wird«, sagte sie. Plötzlich überfiel sie eine schüchterne Verlegenheit und sie setzte sich auf. Ihre mit Geißblattblüten geschmückten Locken verbargen ihr Gesicht, aber eine starke Hand reichte ihr ein perfekt geformtes Gänseblümchen.

»Er liebt mich«, sagte sie langsam und zupfte ein Blütenblatt ab. Zärtlich schoben seine Finger die hellen Locken beiseite, die Sophies Gesicht verdeckten.

»Er liebt mich nicht«, sagte sie. Seine Zähne knabberten an ihrem Ohr und Sophie zitterte, als sie die das nächste Blütenblatt wählte.

» Er liebt mich.« Plötzlich setzte sich Patrick dicht hinter sie und zog sie blitzschnell auf seinen Schoß.

»Er liebt mich nicht.«

»Er liebt mich.« Seine starken Arme umschlangen sie, und Sophie lehnte sich entspannt gegen Patricks Brust. Sanft liebkosten seine Lippen ihre Stirn. Eine weiteres Blütenblatt fiel aus ihren Fingern.

»Er liebt mich nicht.

Und schließlich: »Er liebt mich.« Das letzte Blatt flatterte zu Boden.

»Er liebt dich«, sagte Patrick und seine tiefe, feste Stimme gab ihr das Versprechen, dass er ihr Leben lang und darüber hinaus für sie da sein würde.

»Weiß du eigentlich, wie sehr ich dich liebe, Patrick Foakes? Ich liebe dich.«

Langsam drangen Sophies sanfte Worte in Patricks Bewusstsein vor. Eine Sekunde lang kam es ihm vor, als würde die ganze Welt den Atem anhalten. In diesem Moment hörte Patrick weder das Zirpen der Grillen noch das Brummen der Bienen. Seine ganze Welt bestand nur noch aus den lebendigen blauen Augen seiner Frau.

Er wollte nichts sagen, was diesen Moment vielleicht zerstört hätte.

»Wirklich?«, krächzte er schließlich heiser. »Du liebst mich?«

Sophies Wangen hatten eine rosige Farbe angenommen, die sich bis zu ihren Brüsten ausdehnte.

Sie drehte sich um und legte die Hände, an seine Wangen. »Natürlich liebe ich dich.« Dann fügte sie hinzu: »Warum siehst du so überrascht aus? Ich dachte, du wüsstest es. Du hast mir doch gesagt, du wüsstest, was ich fühle.«

»Ich dachte ...« Seine Stimme klang immer noch ein wenig heiser. »Ich dachte, du liebst Braddon.«

»Braddon!« Patrick bemerkte benommen, dass Sophie ihn durchdringend, beinah schockiert anstarrte. »Wie kann ich Braddon lieben? Er liebt Madeleine!«

»Das bedeutet nicht, dass du ihn nicht lieben kannst«, beharrte Patrick. Es war an der Zeit, all das zu klären.

Sophie ließ die Hand sinken. »Wie zum Teufel bist du denn auf diese verrückte Idee gekommen?«

»Eine verrückte Idee«, wiederholte ihr Mann mit einem ironischen Unterton in der Stimme. »Braddon sagte, du seist völlig verrückt nach ihm, und du machtest tatsächlich diesen Eindruck. Mein Gott, du hast sogar darauf bestanden, mit ihm durchzugehen. Und als er dann seine Verlobung mit Madeleine bekannt gab, da hast du geweint.«

»Ich habe was?«

Sophie versuchte sich krampfhaft zu erinnern. »Nun, ich kann gar nicht wegen Braddons Verlobung mit Madeleine geweint haben«, sagte sie pragmatisch, »weil es mir offen gesagt völlig egal ist, wen er heiratet.«

Einen Moment lang herrschte Schweigen. »Braddon hat dir gesagt, ich sei völlig verrückt nach ihm?«

Patrick nickte.

Sophies Augen verdunkelten sich und blitzten ihn wütend an. »Dieser aufgeblasene, egoistische Wurm! Ich! Verrückt nach ihm!«

Patrick zog sie wieder auf seinen Schoß. Ein ungeheures Glücksgefühl machte sich in seiner Brust breit. »Lass mich überlegen, ob ich mich richtig erinnere«, sagte er neckend. »Er sagte wortwörtlich, du würdest ihn anbeten.«

»Das wird er mir büßen«, rief Sophie empört. Dann lachte sie. »Ich werde Maddie bitten, für mich Rache zu üben. Sobald sie von ihrer Hochzeitsreise zurückkehren.«

Ach mag Madeleine«, sagte Patrick. »Wo, sagtest du, hast du sie kennen gelernt?«

»Ach«, sagte Sophie ausweichend, »ich glaube, das war auf dem Ball der Cumberlands.«

Patrick schüttelte den Kopf. »Nein, das kann nicht sein, sie hat mir erzählt, dass ihr erster Ball der war, den Lady Commonweal zu Ehren von Sissys Verlobung gab, und dein Abendessen zu Ehren Madeleines fand davor statt.«

Er musterte Sophie, aber sie hatte den Kopf abgewendet. Ihre Gedanken überschlugen sich. Sie hasste es, Patrick anzulügen.

Schließlich entschied sie sich für eine halbe Lüge. »Ich glaube, Braddon hat sie mir vorgestellt, aber ich kann mich nicht mehr erinnern, wo das war.«

»Braddon!« Patrick schwieg einen Moment lang.

Er verfügte über ein ausgezeichnetes Gedächtnis, das sich bei seinen internationalen Geschäftsverhandlungen schon oft als sehr hilfreich herausgestellt hatte. In diesem Moment fiel ihm ein Satz von Braddon wieder ein. »Das mit Madeleine ist etwas Anderes: Sie wird mir gehören.« Braddons neue Geliebte - die Geliebte, die Arabella ablösen sollte. Er wollte sie in Mayfair unterbringen, damit er immer in ihrer Nähe sein konnte ...

Dann traf es ihn wie ein Blitzschlag: Braddon hatte Sophie in einen seiner Streiche hineingezogen, und dieser war, zumindest gesellschaftlich gesehen, sehr gefährlich.

Und endlich die erlösende Erkenntnis: Sophie war an den Donnerstagen bei Braddons Geliebter gewesen. Madeleine. Madeleine war Braddons Geliebte.

»Du hast dem Mädchen beigebracht, wie es seine Handschuhe zu tragen und wann es zu knicksen hat, nicht wahr?«

Sophie kicherte schuldbewusst. »Madeleine benötigte nicht viel Anleitung.«

Patrick holte tief Luft. »Ich dachte, du hättest die ganze Zeit mit Braddon verbracht.«

»Nun, das habe ich auch«, sagte Sophie ein wenig geistesabwesend. Sie dachte immer noch an Madeleine. »Aber meistens mussten wir ihn fortschicken. Braddon benahm sich wie ein junger Welpe und wich Madeleine nicht von der Seite.«

Patrick schlang die Arme noch enger um seine Frau. Was war er doch für ein Idiot gewesen.

»Du hast doch nicht ... Doch, das hast du! Du warst eifersüchtig!«, sagte Sophie vorwurfsvoll und blickte ihm direkt in die Augen.

Einen Augenblick lang wollte Patrick alles abstreiten, aber sie hatten sich versprochen, von nun an ehrlich miteinander zu sein.

Ach war außer mir vor Eifersucht«, gestand er und berührte Sophies Lippen sanft mit den seinen. »Ich kochte regelrecht vor Eifersucht.«

»Aber du - ich dachte, du hättest eine Geliebte,«

»Ich wollte dich schon die ganze Zeit danach fragen«, sagte Patrick neugierig. »Wer war die schwarzhaarige Frau, mit der ich angeblich meine Zeit verbrachte?«

Sophie musste immer noch über Patricks irrationale Eifersucht lachen. »Charlotte meinte, du seist auf Braddon eifersüchtig, aber ich wollte es nicht glauben.« Dann riss sie überrascht die Augen auf. »Charlotte! Oh Patrick, deine Geliebte war ganz sicher Charlotte.«

Patrick lachte. »Das hätte ich doch bemerken müssen.« Er zog seine zauberhafte Frau wieder auf seinen Schoß.

»Versteh doch, Henri hat dich mit einer schönen schwarzhaarigen Frau gesehen -«

»Und Henri hatte Alex gar nicht kennen gelernt, bevor er nach Harrow aufbrach, und so wusste er auch nicht, dass ich einen Zwillingsbruder habe«, beendete Patrick den Satz für sie. »Das wird dich lehren, deinem Ehemann zu misstrauen!«

Er holte tief Luft und legte seine Stirn gegen ihre. »Wir sind schon zwei ausgewachsene Dummköpfe, Sophie. Warum haben wir nicht miteinander geredet?«

Sophie rieb sanft ihre Nase an seiner. »Ich konnte es nicht«, gab sie unumwunden zu. »Ich dachte, du würdest dich wie mein Vater aufführen. Was hätte es da für einen Sinn gemacht, darüber zu reden? Ich war dankbar, dass du die Frau nicht direkt vor meinen Augen im Ballsaal vorgeführt hast. Welches Recht hatte ich, mich zu beschweren?«

»Welches Recht!« Patrick war entsetzt. »Du hattest jedes Recht, dich zu beschweren. Du bist meine Frau, verdammt noch mal!«

»Du hast dich auch nicht über meine Ausflüge mit Braddon beschwert«, erinnerte ihn Sophie sanft. »Braddon befürchtete, dass du wütend werden könntest, aber ich dachte, du hättest es gar nicht bemerkt.«

»Ich konnte es nicht«, sagte Patrick. »Wie hätte ich mich darüber beschweren können, dass du Braddon sehen wolltest? Hätte ich mich nicht so unmöglich verhalten, wärst du nun glücklich mit ihm verheiratet!«

Die bloße Vorstellung versetzte ihm einen heftigen Stich ins Herz. »Sophie«, sagte er plötzlich, »bist du sicher, dass du mich liebst? Alex sagt, Braddon sei sehr liebenswert.«

»Braddon ist tatsächlich sehr liebenswert«, erwiderte Sophie. Sie nahm sein Gesicht in beide Hände und strich sanft mit ihren Lippen über seinen Mund. »Du bist ganz und gar nicht liebenswert. Du bist streitsüchtig und ziehst furchtbar lächerliche Schlüsse. Du hast mich ignoriert und dann tatsächlich behauptet, du hättest an mich gedacht.« Sie senkte die Stimme. »Du erweckst in mir das Verlangen, dich in meinem Bett zu haben, und verlässt mich, ohne einen Grund zu nennen. Du wirst zum Herzog des englischen Königreichs ernannt und vergisst, es mir zu erzählen. Ich verstehe einfach nicht, wie du denkst. Und ich weiß mit Sicherheit nicht, warum ich dich so sehr liebe.«

Zu seinem Entsetzen spürte Patrick, dass ihm Tränen in die Augen traten. Ungestüm schubste er seine Frau nach hinten und presste seinen Mund mit gnadenloser Wildheit auf ihren. Wie üblich flammte heftiges Verlangen zwischen ihnen auf und Sophies ganzer Körper schien zart und weich zu werden. Patrick zügelte seine Leidenschaft und küsste sie sanfter.

»Ich weiß ganz genau, warum ich dich liebe, Sophie. Du bist liebenswert.«

»Hmmm«, erwiderte seine Frau. Sie fuhr mit den Händen durch seine wilden Locken und bog sich ihm zu einem weiteren Kuss entgegen.

In ihrer beider Augen lag ein stummes Versprechen. »Es tut mir Leid«, sagte Patrick mit heiserer Stimme. »Ich war eifersüchtig ... und als du dann schwanger wurdest, da hatte ich solche Angst und ich bin es nicht gewöhnt, Angst zu haben. Ich war wütend auf dich und sorgte mich wahnsinnig um dich. Von dir fernzubleiben erschien mir die einzige Lösung.«

Sophie küsste ihn und ihre Lippen verziehen ihm ohne Worte. Einen Moment lang verharrten sie völlig regungslos, dann umfasste Patrick das zarte Gesicht seiner Frau mit beiden Händen und starrte auf sie hinunter.

Ach werde nie wieder von dir fernbleiben, Sophie.« Dies war der bedeutsamste Schwur in Patricks Leben und er gab ihn aus tiefstem Herzen. »Weder mit meinem Körper, noch mit meinem Geist.«

»Und wenn du es doch tust, werde ich dich anschreien wie ein Fischweib. Was hältst du davon?«

Patrick biss sie sanft in die Unterlippe. Ach gehe das Risiko ein«, sagte er. »Obwohl ich zufälligerweise genau weiß, dass viel zu intelligent bist, um eine angenehme Ehefrau abzugeben.«

Sophie grinste ihn an. »Du warst also eifersüchtig auf meinen Erfolg mit Madeleine? Mein nächstes Projekt«, flüsterte sie an seinen Lippen, »ist der Versuch, den Herzog von Gisle in einen echten Herzog zu verwandeln.«

»Ach ja?« Patrick küsste sie erneut. »Was stimmt denn nicht mit dem jetzigen Herzog von Gisle?«

»Er weiß einfach nicht, welch bedeutende und einflussreiche Person er inzwischen ist«, sagte Sophie. »Seine Kutsche ist mit einfacher blauer Seide ausgeschlagen und trägt nicht einmal ein Wappen. Er ist ganz selten rüde zu seinen Untergebenen und er hat nicht einmal seine eigene Schnupftabakmischting.«

Ach hasse Schnupftabak, Sophie!«

»Das spielt keine Rolle.« Sie lachte. »Alle richtigen Herzöge haben eine eigene Mischung, die in den Läden ausgestellt wird und die niemand sonst kaufen darf.«

Ach glaube, das wahre Problem ist die Herzogin«, sagte Patrick und strich mit der Hand über Sophies Körper. Die Berührung ließ sie erbeben.

Ach habe gehört, dass die Herzogin eine Meisterin der Etikette ist«, flüsterte Sophie. »Mir ist zu Ohren gekommen, dass sie die Tochter eines Pferdehändlers in eine Gräfin verwandelt hat.«

»Das Problem ist, dass die Herzogin ihrem Herzog etwas vorgespielt hat«, sagte Patrick.

In seinen Augen lag eine winzige Spur von Ernst, so dass Sophie sofort auf der Hut war. Sie schüttelte den Kopf. Ach konnte dir nichts über Madeleine erzählen, Patrick.«

»Davon spreche ich doch gar nicht«, erwiderte er, richtete sich auf und fuhr sich mit den Händen durch das Haar, bis es ihm vom Kopf abstand. »Erinnerst du dich, dass du mir von Kotzebues Reisen durch Sibirien erzählt hast, Sophie?«

Sie blickte ihn verwirrt an, während sie sich auf beide Ellenbogen stützte.

»A-n dem Nachmittag in meinem Arbeitszimmer«, erinnerte er sie.

Sophie errötete. »Oh ja.«

»Ich bin zu Water's Buchhandlung gegangen und wollte eine Ausgabe kaufen.«

Der Ausdruck in Sophies Augen wurde augenblicklich misstrauisch.

»Ja, ganz recht, Weib«, sagte Patrick und nickte. »Das einzige Buch, das sie mir anbieten konnten, war Das merkwürdigste Jahr in meinem Leben.«

Sophie errötete bis in die Haarspitzen. »Ich glaube, ein Mann namens Reverend Beresford arbeitet an einer Übersetzung«, sagte sie mit leiser schuldbewusster Stimme.

»Du kannst sie mir ja zu Weihnachten schenken«, sagte Patrick. Er lächelte, obwohl er sich um einen strengen Ton bemühte. »Und ich habe gestern einen Brief von Lord Breksby erhalten, Sophie. Bayrak Mustafa ist kein Türke, obwohl seine Mutter offensichtlich Türkin war. Mustafa ist und bleibt jedoch ein ungebildeter Engländer, der überall als Mole bekannt ist.«

Sophies Augen weiteten sich erschrocken. »Warum hat er uns dann dieses Tintenfass gebracht?«

»Monsieur Foucault und Mr Mole stehen im Dienst von Kaiser Napoleon«, sagte Patrick genüsslich. »Sie hatten vor, Selim III in die Luft zu jagen.«

»Das Tintenfass!«, stieß Sophie atemlos hervor.

»Genau, meine Liebe.« Patrick strich mit dem Finger über Sophies Nasenspitze. »Ganz genau. Offensichtlich dachte Napoleon, dass die Explosion Selim - sollte er sie überleben - dazu bewegen würde, England den Krieg zu erklären. Seine Handlanger wurden jedoch leider durch die Intelligenz meiner Gattin entlarvt.«

Patrick beugte sich über Sophie und blickte ihr direkt in die Augen. »Warum hast du es mir nicht erzählt, Sophie?«

»Meine Mutter«, antwortete Sophie mit erstickter Stimme. »Meine Mutter sagte, du würdest mich verabscheuen, wenn du wüsstest, dass ich ein Blaustrumpf bin. Sie sagte, kein Mann wolle eine Frau, die mehr Sprachen beherrscht als er.«

»Ein Blaustrumpf!« Einen Moment lang blickte Patrick sprachlos auf seine zierliche, wunderschöne Frau hinunter. Sogar nach ihrem Schläfchen und dem Picknick im Freien sah sie aus, als sei die den Seiten von La Belle Assemblée entsprungen.

»Ich war so stolz, als mir klar wurde, dass du Deutsch lesen kannst«, sagte Patrick. »Ich bezweifle, dass es noch einen Mann in London gibt, dessen Frau Französisch, Walisisch, Türkisch und Deutsch beherrscht!«

Es entstand eine kurze Stille; ganz wie in dem Moment, bevor der Stein, der in einen Brunnen gefallen ist, auf der Wasseroberfläche auftrifft.

»0 mein Gott«, sagte Patrick. »ich bin wirklich ein Trottel, nicht wahr? Wie viele Sprachen spricht die Herzogin von Gisle denn nun?«

Sophie errötete noch heftiger. »Nun, Italienisch zählt nicht richtig, weil es dem Französischen so ähnlich ist.«

»Das hätte ich mir denken können«, sagte Patrick resigniert, doch in seinen Augen funkelte es belustigt. »Ich hätte es in dem Moment merken müssen, als du den italienischen Ausdruck für Leghorn kanntest.«

Sophie grinste ihn an.

»Was noch?«, fragte Patrick mit gespieltem Grimm.

»Ich beherrsche ein wenig Portugiesisch und ein wenig Holländisch«, sagte sie schnell.

»Ein wenig?« Er beugte sich über sie und küsste sie hart auf die Lippen. »Heißt das, du sprichst diese Sprachen fließend?«

»Nein«, widersprach Sophie hastig. »Wir konnten keine angemessene Frau finden, mit der ich das Holländische üben konnte ...«

»Ist das jetzt alles?«

»Bist du böse?« Ängstlich betrachtete sie das Gesicht ihres Mannes.

Er erwiderte ihren Blick ehrlich erstaunt. »Warum sollte ich böse sein, Sophie, Liebes? Ich reise für mein Leben gern und du hast ein großes Talent für Sprachen. Du bist ein Schatz und ich finde, dass ich verdammtes Glück mit dir habe. Und vor allem bin ich froh, dass du Türkisch sprichst!«

In Sophies großen Augen lag eine unausgesprochene Frage.

»Hast du nicht gewusst, dass ich dich mitnehmen werde?«

Sie schüttelte den Kopf.

»Ich bin nicht glücklich, wenn du nicht bei mir bist«, sagte Patrick und diesmal war sein Blick ernst. »Ich will nie wieder alleine schlafen. Und das bedeutet, dass wir nächsten Monat gemeinsam in das Osmanische Reich reisen.«

»Oh Patrick«, rief Sophie, »das wird ganz wundervoll.«

»Gut«, erwiderte er ein wenig geistesabwesend. Seine Hände wanderten auf sehr verwirrende Art und Weise über ihren Körper.

Sophie packte seine Handgelenke. »Es macht dir nichts aus, dass ... ich all diese Sprachen spreche und du nicht?«

In Patricks Augen lag ein sündiges Versprechen. Er beugte sich erneut über sie und liebkoste langsam und verführerisch mit seiner Zunge ihre Mundwinkel.

»Du hast so süße Lippen«, sagte er heiser. »Es ist mir egal, in welcher Sprache du mit mir redest, Sophie. Solange -«

»Solange ich was?«, fragte Sophie neckend.

»Solange ich morgens, mittags und abends mit dir tun kann, was ich will.«

»Ist das alles?«

»Und solange du mich ewig lieben wirst.«

»Na gut.« Sie lachte.

»Und du musst mir verzeihen, dass ich dir nicht erklärt habe, was in mir vorging.«

Sie stützte sich auf einen Ellenbogen. »Ich habe doch auch nicht mit dir geredet. Ich hatte Angst. Ich dachte, es wäre das wichtigste, die erbitterten Streitigkeiten zu vermeiden, die meine Eltern hatten. Aber wahrscheinlich ist höfliches Schweigen genauso schlimm.«

Patrick nickte. »Sobald du wieder anfängst, einmal wöchentlich mit Braddon auszufahren, werde ich dir zeigen, wie laut ich sein kann.«

Sophies schaute ihn halb belustigt, halb ernst an. »Und wenn du erst um vier Uhr morgens nach Hause kommst, verwandele ich mich in einen Hausdrachen und werfe den Nachttopf nach dir.«

Ach habe eine weitere Bedingung«, flüsterte Patrick. »Du musst mir mindestens fünf Kinder schenken.«

Einen Moment lang konnte sie nichts erwidern. Tränen füllten ihre Augen. »Meinst du das ernst, Patrick?«

»Ich werde fürchterliche Angst um dich haben«, gab er offen zu. »Ich werde mich wahrscheinlich aufführen wie ein wahrer Höllenhund. Aber ich ... ich liebte die kleine Frances vom ersten Moment, in dem ich sie sah. Ich finde, wir sollten ein zweites Kind bekommen.«

»Ach, mein kleiner Liebling«, sagte er, als Sophie die Tränen über die Wangen liefen. In seine Augen trat ein hinterlistiges Glitzern. »Ich sollte wohl besser versuchen, dich sofort von deinem Kummer abzulenken.« Sanft küsste er ihre Tränen weg, während seine Hand einen weniger unschuldigen Weg nahm und über die weiche Haut ihres Oberschenkels nach oben glitt.

Hoch über ihnen zogen ein paar Wolken am azurblauen Himmel entlang. Irgendwo in ihrer Nähe bauten Bienen einen Stock und ihr Summen gesellte sich zu den Geräuschen der Grillen und der Singvögel. Nach einer Weile schloss sie die Augen und überließ ihren Händen das Sehen. Sie ließ sie über Patricks Muskeln, seine nackte Haut wandern, spürte das sanfte Zittern seines Körpers und krallte sich dann in das krause Haar auf seiner Brust.

02 - Heiße Nächte der Leidenschaft
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