Kapitel 22

Anfang Mai kehrte der Adel in Scharen nach London zurück. Klopfer tauchten an den prächtigen Eichentüren auf und Staubbezüge wurden von den damastenen Polstern entfernt. Haushälterinnen überprüften eilig die Anzahl der Wachskerzen und den Zustand des Leinens.

Die Butler beschwerten sich untereinander über die Unverantwortlichkeit der Jugend und verschickten verzweifelte Anfragen an die Agenturen für Dienstpersonal. »Lady Fiddlesticks benötigt dringend bis nächste Woche vier erfahrene Lakaien.« »Ohne zwei gute Hausmädchen - wir bevorzugen selbstverständlich Mädchen vom Land - wird Baron Piddlesfords Haushälterin ganz bestimmt den Verstand verlieren.« »Lady Brimticky sucht nach zwei Lakaien von gleicher Größe, gleichem Gewicht und gleicher Haarfarbe, die in Livree hinter ihrer Kutsche stehen. Sie würde dunkles Haar vorziehen; rothaarige Bewerber sind nicht erwünscht.«

Die Saison würde bald beginnen. Nachdem sie die vergangenen Monate damit zugebracht hatten, die Bilder in La Belle Assemblée zu studieren, bestellten die Damen nun die Umhangschneider ihrer Wahl ins Haus und verbrachten unbehagliche Stunden damit zu, sich von Nadeln pieksen zu lassen.

Gentlemen suchten ihre Schneider auf oder kauften neue Husarenstiefel, die so auf Hochglanz poliert waren, dass sich die Herren darin spiegeln und ihre komplizierten Halsbinden richten konnten. Die unerschrockenen, oder wohl eher die eitlen unter ihnen, probierten die neusten Bein- und Schulterpolster aus, die sie von ihren Dienern unter höchster Geheimhaltung erwerben ließen. Mit Waden, die dem modischen Umfang entsprachen, schlenderten sie dann bei White's vorbei oder suchten das Oberhaus auf.

Nach einer Woche blockierten bereits unzählige Kutschen Piccadilly Circus und die Straße vor dem Royal Exchange. Hohe Phaetons rollten durch den Hyde Park und gelegentlich stiegen die Passagiere aus und spazierten über das feuchte Gras. Die Früchtehändler von Covent Garden wurden fröhlicher; Lavendelverkäufer spazierten wieder über die Straßen in Mayfair und um den Hanover Square und boten mit heiserer Stimme duftende Sträußchen feil.

Henri wurde, ausgestattet mit einer neuen Garderobe und einem Fundus an englischen Flüchen, die er von Patricks Stallburschen gelernt hatte, nach Harrow gebracht. Er trat die Reise mit glänzenden Augen an; dank der zähen Widerstandskraft der Jugend hatte Henri das Trauma des Krieges abgestreift und war bereit für die aufregende Schulzeit eines Gentleman. Sophie und Madeleines Lektionen näherten sich ebenfalls ihrem Ende. Madeleine war weitaus mehr als eine >einfache< Dame geworden. Sie hatte das Wissen wie ein Schwamm aufgesogen. Nach nur einem Nachmittag mit Debrett's Peerage, dem einschlägigen Adelsführer, wusste Madeleine mehr über die adligen Familien Englands, als sich Sophie je die Mühe gemacht hatte zu erlernen.

Sogar die schwierigsten Aspekte des Lebens einer Dame fielen Madeleine wie von selber zu. Sie wusste haargenau, wie sie einen anmaßenden Diener abkanzeln musste und sie benutzte ihren Fächer wie eine gefährliche, aber dennoch zierliche Waffe. Das Tanzen erlernte sie wie eine Ente das Schwimmen. Nach der neusten französischen Mode gekleidet sah sie aus wie ein Mitglied der königlichen Familie, und ganz und gar nicht wie die Tochter eines Pferdehändlers.

Warum bin ich dann nicht glücklich?, fragte sich Sophie. Ihr Projekt war ein voller Erfolg. Nach Sophies Einschätzung würde Madeleine eine perfekte Gräfin abgeben. An diesem Abend hatten Sophie und Patrick zu einem Dinner eingeladen, bei dem Sophie Madeleine in die feine Gesellschaft einführen wollte.

Aber Patrick ... Patrick sprach nie von dem Kind. Nicht ein einziges Mal, seit er ihr den Namen des Arztes genannt hatte.

»Er heißt Lambeth«, hatte er gesagt. »Er wird dich morgen aufsuchen.«

Sophie hatte ihren Mann wie betäubt angesehen. Ach dachte, wir könnten Charlottes Arzt konsultieren.«

»Charlottes Arzt? Bist du verrückt? Charlotte ist bei der Geburt von Sarah beinah gestorben.«

Sophie zuckte angesichts Patricks Bemerkung zusammen und erwiderte nichts. Wenn sie sich recht erinnerte, war es nicht die Schuld des Arztes gewesen, dass Charlotte Probleme bei Sarahs Geburt gehabt hatte, aber was nützte es, darüber zu streiten? Es spielte für sie im Grunde keine Rolle, welchen Arzt sie konsultierte.

»Wie bist du auf Doktor Lambeth gekommen?«

»Gar nicht. Mein Anwalt hat die Todesrate bei Müttern überprüft. Lambeth schneidet in dieser Hinsicht sehr gut ab.«

Sophie fröstelte und sagte nichts weiter.

Nachdem Dr. Lambeth sie aufgesucht hatte, berichtete sie Patrick gehorsam, dass der Arzt keinen Grund zur Besorgnis sah. Er nickte und erwiderte nichts.

Sie aßen gemeinsam zu Abend, sie frühstückten gemeinsam - aber sie sprachen nie über das Kind, das Sophie unter dem Herzen trug. Bei ein oder zwei Gelegenheiten wusste Sophie ganz genau, dass Patrick über das Baby nachdachte, denn er umspannte plötzlich ihre wachsende Taille mit

den Händen, so als wolle er sie messen. Er sagte jedoch nichts und jedes Mal, wenn sie ihren Zustand ansprach, wechselte er das Thema oder verließ den Raum.

»Er will unser Kind nicht«, flüsterte Sophie leise und in ihren Augen lag ein ängstlicher Ausdruck. Sie verschränkte die Hände über ihrem Bauch. Das war nichts Neues. Patrick hatte ihr vor langer Zeit seine Gefühle hinsichtlich Kindern deutlich gemacht.

Vielleicht ärgert ihn die Tatsache, dass wir uns nicht lieben können, dachte Sophie hoffnungsvoll. Ihre Mutter hatte ihr gesagt, dass eine Frau in diesem Zustand keinen ehelichen Verkehr haben durfte. Als sie dies Patrick gegenüber erwähnte, hatte er nur genickt und sie von diesem Tag an kaum berührt. Sophie wusste nicht, wie sie ihm beichten sollte, dass sie gar nicht vorgehabt hatte, den Rat ihrer Mutter zu befolgen. Zumindest fand sie, dass sie Dr. Lambeth dazu befragen sollten.

Aber sie war zu schüchtern, das Thema anzuschneiden. Also kehrten sie wieder zu dem Zustand zurück, der nach ihrer Rückkehr aus Wales geherrscht hatte. Patrick nahm auf dem Weg zum Abendessen ihren Arm. Er geleitete sie die Treppe hinauf Er blickte sie bewundernd, aber ohne Verlangen an. Und jeden Abend wünschten sie sich an Sophies Schlafzimmertür höflich eine gute Nacht.

Was Sophie anging, so verzehrte sie sich nach ihrem Mann. Häufig blickte sie verstohlen auf seine langen Beine und sehnte sich danach, seinen Rücken zu berühren. Sie träumte von seinen Küssen, von der Art, wie er ihren Körper mit schmetterlingsgleichen Berührungen liebkoste. Sophie war jedoch zu scheu, den ersten Schritt zu tun. Schließlich war sie es gewesen, die die Meinung ihrer Mutter über den ehelichen Kontakt während einer Schwangerschaft vorgetragen hatte. Und Patrick schien ihr gegenüber so uninteressiert wie das letzte Mal, als sie aufgehört hatten, miteinander zu schlafen. Er war sicherlich in die Arme seiner schwarzhaarigen Geliebten zurückgekehrt; zwei oder drei Mal die Woche kehrte er erst in den frühen Morgenstunden in sein Zimmer zurück.

Vielleicht, dachte Sophie unglücklich, vielleicht missfällt Patrick die Tatsache, dass ich dicker werde. Einen Moment lang betrachtete sie sich im Spiegel und entdeckte überall Anzeichen dafür, dass sie zugenommen hatte ... an den Brüsten, den Wangen und am Bauch. Angewidert ließ sie die Hände sinken und wandte sich von ihrem Spiegelbild ab.

Im Park gesellten sich die Kutschen der teuren Kurtisanen zu denen der Aristokratie. Sophie betrachtete die Gesichter der Schwarzhaarigen unter ihnen und verglich deren schlanke Körper mit ihren eigenen rundlichen Formen, verglich deren dunkle Schönheit mit ihrer faden Blondheit.

Aber ich bin klug, sagte Sophie sich tapfer in Momenten der Verzweiflung und der Scham. Ich bin nicht dumm.

Resolut nutzte sie ihre beträchtliche Intelligenz, um die abendlichen Mahlzeiten mit ihrem Gatten interessant zu gestalten. Sie las die Times und die Morning Post, sie las die Theaterstücke und die satirischen Balladen, die man an den Straßenecken kaufen konnte. Sie verwandelte das Abendessen in ein interessantes und fesselndes Zusammentreffen, bei dem sie und Patrick kleine Kämpfe wegen der erfolgreichen militärischen Kampagnen Napoleons im Osten ausfochten oder Diskussionen über die Moral von neuen Arbeitergesetzen führten, die Lehrlinge in den Fabriken schützten. Sie besprachen Patricks Importe und in der Nacht träumte Sophie von hochmastigen Schiffen, die von den West India Docks in London ablegten.

Das einzige, worüber sie nicht sprachen, waren Kinder und den Klatsch, über den auf den Seiten der Morning Post berichtet wurde. Die Zeitung schien besessen von ehebrecherischen Paaren. Sophie las diese Seiten nur, um herauszufinden, wohin Patricks des Nachts ging. Sein Name wurde nie erwähnt, was bedeutete, dass er viel diskreter als ihr Vater war.

Sophie hegte keinerlei Illusionen darüber, was er tat. Ihr Mann mochte die Nächte mit seiner Geliebten verbringen, aber sie wollte dafür sorgen, dass er wenigsten abends zum Essen nach Hause kam.

Da Sophie London erst gar nicht verlassen hatte, musste sie keine Vorbereitungen für die neue Saison treffen. Madame Carême hatte bereits eine Anzahl von eleganten Schwangerschaftskleidern geliefert, die so geschnitten waren, dass das Kind verborgen blieb, das in ihrem Leib heranwuchs. Aber dank Sophies zierlicher Gestalt und ihrem schnell wachsenden Bauch konnten nicht einmal mehr Madame Carême Kleider ihren Zustand verbergen.

Charlotte jedenfalls wusste es sofort, als sie Sophie erblickte. »Sophie!«, rief sie begeistert. »Schau dich an! Warum hast du mir nichts davon geschrieben?«

Ihre groß gewachsene, schöne Freundin nahm sie liebevoll in die Arme. Einen Augenblick später schlenderte Alex in den Raum und entdeckte seine Frau auf einem schmalen Diwan, wo sie ohne Unterlass auf ihre Schwägerin einredete. Einen Blick auf Sophie, und er wirbelte her-um und trat zu seinem Zwillingsbruder hinüber.

Unwillkürlich verzog sich Patricks Mund zu einem Grinsen, als er Alex' Blick begegnete. Er wollte sich wegen des Babys nicht freuen, aber nun konnte er einen Anflug von Stolz nicht unterdrücken.

Alex umarmte seinen Bruder raubeinig. »Hat sich die Situation wieder eingerenkt?«

»Wir schlafen immer noch nicht im selben Raum«, sagte Patrick begleitet von einem Achselzucken. »Aber nun liegt es an Sophies Zustand, und das ist immerhin eine Verbesserung.«

Alex blickte ihn entsetzt an. »Klingt in meinem Ohren nach einem unerträglichen Zustand. Was sagt dein Arzt dazu?«

»Ich habe ihn nicht gefragt«, erwiderte Patrick. »Aber immerhin ist Sophie schwanger. Wenn sie nicht will, kann ich sie nicht zwingen.« Patricks Stimme klang so angespannt, dass Alex' Magen sich zusammenzog.

»Ich halte das für ein Ammenmärchen«, sagte Alex. »Wie heißt der Arzt? Ich bin verdammt sicher, dass andere Paare nicht so handeln.«

»David Lambeth«, erwiderte Patrick. »Er soll angeblich der beste in London sein.«

»Verstehe ich das richtig?«, fragte Alex resigniert. »Letzten Monat habt ihr nicht das Bett miteinander geteilt. Nun scheinst du wegen ihrer Schwangerschaft einen Moralischen zu haben. Mein Gott, Patrick, ich hatte den Eindruck, dass deine Ehe kurz davor stand, in die Brüche zu gehen.«

Alex zögerte. »Wenn ein Mann und eine Frau nicht miteinander schlafen, dann kann sie das entfremden. Wenn du mich fragst, ist diese Regel Unsinn.«

»Es ist Sophies Vorrecht«, sagte Patrick kurz angebunden. »Jedenfalls wird dies unser einziges Kind bleiben. Ich werde ihr nicht erlauben, das alles ein zweites Mal durchzumachen.«

»Sophie ist eine gesunde junge Frau. Ich bin sicher, sie wird das Kind ohne Probleme auf die Welt bringen.«

»So wie Charlotte?«

Alex' Körper versteifte sich. Patrick wusste ebenso gut wie er, dass Charlottes gefährliche Geburt ihrer Tochter nichts mit ihrer Größe oder ihrem Körperbau zu tun hatte.

»Ich sage doch nur«, fuhr Patrick fort, »dass sogar große Frauen wie Charlotte in ernster Gefahr schweben, wenn sie ein Kind erwarten. Sophie ist ein Winzling... wie Mutter.«

Alex blickte zu seiner liebreizenden, schlanken Frau hinüber und musste beinah lächeln angesichts der Worte Patricks. »Große Frauen wie Charlotte«? Aber er hielt sich zurück. Er wusste besser als jeder andere, wie sehr Patrick unter dem Tod ihrer Mutter glitten hatte.

»Sophie ist nicht Mutter«, sagte er entschieden. »Erinnerst du dich nicht, wie zerbrechlich Mutter immer wirkte? Sophie ist zwar klein, aber nicht zerbrechlich.« Patrick setzte zu einer Antwort an, aber in diesem Moment erschien Clemens in der Tür zum Salon und verkündete die Ankunft des Marquis' und der Marquise von Brandenburg.

»Maman!« Sophie eilte auf die Tür zu.

Eloise empfing sie mit einem französischen Wortschwall; ihr Vater lächelte nur liebevoll und schlenderte auf die andere Seite des Zimmers. Obwohl Eloise ihre Tochter erst zwei Tage zuvor gesehen hatte, war sie voller Ermahnungen und guter Ratschläge.

»Oh Maman«, sagte Sophie belustigt. »Ein Milchbad? Puh!«

Eloise verfiel ins Englische. »Ein Milchbad ist unabdingbar für die Konstitution einer Frau, und du musst auf dich achten, während du enceinte bist. Denk an Marie Antoinette! Sie hat jede Woche in Milch gebadet.«

»Ich möchte gar nicht an diese arme Frau denken«, sagte Sophie mit einem Frösteln und verdrängte den Gedanken an die Gattin von Louis XVI. »Und ich möchte auch nicht in Milch baden, Maman. Das klingt furchtbar klebrig. Außerdem bin ich überzeugt, dass Marie Antoinette diese Bäder nur wegen ihrer Haut und nicht wegen ihrer Gesundheit genommen hat.«

Clemens erschien erneut im Türrahmen. »Lady Skiffing; Lady Madeleine Corneille, Tochter des Marquis de Flammarion, und Mrs Trevelyan; Mr Sylvester Bredbeck; Mister Erskine und Peter Dewland.«

Sophies Herz schlug ein wenig schneller. Es war ein unglücklicher Umstand, dass Madeleine zufällig gleichzeitig mit anderen Gästen ankam. Sophie hatte gehofft, sie Eloise ohne Zuschauer vorstellen zu können. Aber Sylvester Bredbeck war einer von Eloises liebsten Freunden, und so begrüßte Eloise die neue Freundin ihrer Tochter hastig und plauderte dann angeregt mit Sylvester.

Madeleine für ihren Teil verspürte nichts als Dankbarkeit, als die angsteinflößende Marquise sie mit einem freundlichen Lächeln entließ. Sie wandte sich um und begrüßte den Gentleman an ihrer Seite, aber der Ausdruck in ihren braunen Augen wurde sofort weicher, als sie sah, dass Erskine - Quill - das Stehen schwer fiel.

Mit ihrer ganzen angeborenen Vornehmheit brach sie sofort eine der Regeln, die sie von Sophie gelernt hatte. Eine junge Dame bat nie darum, Platz nehmen zu dürfen, solange ältere Personen noch standen. Doch Madeleine verkündete, dass sie nach der Kutschfahrt ein wenig müde sei, und wenige Sekunden später saßen sie und ihre Anstandsdame. Quill ließ sich mit einem erleichterten Seufzen in einen Sessel sinken.

»Das ist ein wohlerzogenes Mädchen«, sagte ihr Vater zu Sophie, als er an ihr vorbeiging. »Ich habe gesehen, was sie für den älteren Dewland-Burschen getan hat. Den mit dem albernen Spitznamen - Quill, nicht wahr?« Er schnaubte. »Wenn du mich fragst, sollte ein Mann nicht nach einem Schreibgegenstand benannt werden. Sehr wohlerzogen, und auch noch hübsch dazu. Viele junge Mädchen haben heutzutage kein Fleisch mehr auf den Rippen.«

Sophie warf ihm einen scharfen Blick zu. Ihr Papa würde doch wohl nicht versuchen, mit Madeleine eine Tändelei anzufangen! Aber George lächelte Madeleine mit väterlicher Anerkennung an. Sophie schickte ein stilles Dankgebet zum Himmel. Ein amouröses Interesse von Seiten ihres Vaters wäre ein Desaster für Sophies Pläne. Denn dann würde ihre Mutter die arme Madeleine ganz bestimmt ablehnen.

»Habe noch nie von dem Marquis de Flammarion gehört, Sie?« Der Ehrenwerte Sylvester Bredbeck hatte gerade ein delikates Gerücht über eine gemeinsame Bekannte erzählt und blickte sich nun im Raum um. Er war ein kleiner, geschäftiger Mann mit einem knirschenden Korsett und einer heißen Vorliebe für Klatsch.

»Selbstverständlich habe ich das«, erwiderte Eloise entschieden. Sie war stolz auf ihr umfangreiches Wissen über die französische Aristokratie. »Der Marquis führte ein recht zurückgezogenes Leben. Ich bin ihm persönlich nie begegnet.« Sie runzelte die Stirn. »Ich kann nicht genau sagen, wo seine Besitztümer lagen. Im Limousin vielleicht.«

»Man kann heutzutage nicht vorsichtig genug sein«, sagte Sylvester.

Eloise warf beleidigt den Kopf in den Nacken. Sylvester hatte beinah angedeutet, dass ihre eigene Tochter eine Hochstaplerin in ihr Haus geladen hatte. Sylvester bemerkte ihren Blick und verzagte.

»Es lag mir natürlich völlig fern, so etwas über die Tochter des Marquis anzudeuten«, sagte er hastig. »Wo sie doch eine besondere Freundin Ihrer Familie ist.«

»Nicht nur aus diesem Grund«,, fuhr Eloise ihn an. »Lady Madeleine ist von Kopf bis Fuß eine echte französische Aristokratin, Sir. Das sieht man auf den ersten Blick. Ich wäre ganz bestimmt in der Lage, sofort zu erkennen, wenn sie eine Hochstaplerin wäre, und das ist sie ganz bestimmt nicht.«

Sylvester nickte energisch. Er hatte nicht den Wunsch, mit Eloise die Waffen zu kreuzen (um ehrlich züi sein, fürchtete er sich regelrecht vor ihr) und außerdem wirkte das Mädchen in der Tat reizend.

»Sie haben mich missverstanden, teure Dame«, sagte er und versuchte die Wogen zu glätten. »Ich hatte nie beabsichtigt, einen Verdacht über Lady Madeleines Herkunft zu äußern. Ich sprach nur ganz allgemein. Jemand mit Ihrem scharfen Auge muss doch bemerkt haben, dass sich in London mehr französische Aristokraten aufhalten als in Paris während der Regentschaft von Louis XVI.«

Eloise beruhigte sich. An dieser Hinsicht haben Sie völlig Recht, Mr Bredbeck.« Sie senkte die Stimme. »Haben Sie von dem so genannten Comte de Vissale gehört, der sich als französischer Niemand entpuppte? Madame de Meneval hat mir sogar erzählt, dass sie den Verdacht hegt, er sei nichts weiter als der Musikerzieher der Kinder des echten Comtes gewesen.«

Sylvesters Augen begannen zu funkeln. »Du meine Güte«, sagte er. »Und dabei hatte ich gerade erst vergangene Woche das Vergnügen, mit dem Comte zu plaudern - oder besser gesagt mit dem falschen Comte.« Er kicherte vergnügt.

Sophie trat neben ihre Mutter. »Maman, nun, da unsere Gäste vollzählig sind, würde ich vorschlagen, dass wir uns zu Tisch begeben.«

Eloise warf einen Blick in Richtung Tür. Sophie hatte bereits den Grafen und die Gräfin von Sheffield und Downes, Patricks Bruder und Schwägerin, zusammengetrieben.

Aber Sylvester hatte noch eine andere Frage. »Und wo ist der ehemalige Comte nun? Vielleicht bewirbt er sich ja an der Musikakademie.«

»Madame de Meneval hat mir berichtet, dass er außer Landes geflohen ist«, erwiderte Eloise. »Wahrscheinlich ist er nach Amerika geflüchtet. Ich habe gehört, dass dort alle Arten von Dieben und Betrügern leben.«

»Meine Güte«, sagte Sophie leichthin. »Wovon um alles in der Welt redet ihr da?«

Sylvester wandte sich an sie. »Ihre Mutter ist sehr gut mit Madame de Meneval befreundet und hat mir gerade amüsante Anekdoten über falsche Franzosen erzählt. Kennen Sie Madame?«

Sophie schüttelte den Kopf. »Wer ist sie?«

Eloise mischte sich ungeduldig in die Unterhaltung ein. »Du meine Güte, Sophie. Ich habe dir doch letzte Woche von Madame erzählt. Du hast mir wahrscheinlich nicht zugehört. Sie war ein angesehener Gast am Hofe Louis XVI, und sie kannte jedes Mitglied der französischen Aristokratie persönlich. Nun ist sie in London, und eine ihrer weniger angenehmen Aufgaben ist es, die große Anzahl von Betrügern zu entlarven, die unsere Straßen bevölkern und vorgeben, französische Aristokraten zu sein!«

Sophies Augen weiteten sich vor Schreck. Madame de Meneval war eindeutig eine Person, die Madeleine um jeden Preis meiden musste. Aber Eloise wandte sich ab und gesellte sich zu ihrem Mann, der bereits an der Tür stand.

Sophie hatte Madeleine zwischen Quill und Reginald Petersham platziert. Quill würde niemals etwas tun, was eine Dame aus der Fassung brachte, während Reginald Madeleine bestenfalls mit ein paar langatmigen Galanterien zu Tode langweilen würde und ebenfalls keine Gefahr darstellte.

Braddon war nicht eingeladen. Sophie hatte die Befürchtung gehegt, dass er sich bestimmt vergessen und Madeleine vertraulich anlächeln würde. Obwohl sie zugeben musste, dass Braddon diesen Plan todernst nahm. Er war es gewesen, der darauf bestand, dass Madeleine eine Anstandsdame bekam, die aus den höchsten Kreisen der englischen Gesellschaft stammte. Mrs Trevelyan war eine hoch angesehen Witwe, die früher mit einem Bischof verheiratet gewesen war, der wiederum der jüngere Sohn eines Herzogs war.

Da sie nun in bescheidenen Umständen lebte, hatte sie freudig zugestimmt, eine mutterlosejunge Französin zu begleiten, die eine liebe Freundin von Lady Sophie Foakes war. Sophie erkannte, dass Mrs Trevelyan Madeleine ungeheure Respektabilität verlieh. Braddon hatte Recht gehabt, eine vornehme Engländerin auszuwählen, statt eine der vielen Französinnen, die überall in ganz London anzutreffen waren.

Als jeder an seinem Platz saß, war Sophie zu nervös, ihren Hummer auch nur anzurühren. Sie blickte an den vier Kerzenhaltern vorbei, die zwischen ihr und Patrick standen, der am anderen Ende des Tisches saß. Er lehnte sich leicht zu linken Seite und unterhielt sich mit Lady Skiffing.

Sophie hatte so viele Klatschmäuler wie möglich eingeladen, ohne dass ihre Absichten zu offensichtlich wurden. Sie wollte damit erreichen, dass ihre Gäste Madeleine in Sophies Haus und unter dem strengen Blick der Marquise von Brandenburg kennen lernten. So würden sie Madeleines Herkunft nicht so schnell in Frage stellen.

Der Plan schien aufzugehen. Lady Skiffing lächelte glücklich über jede Bemerkung, die Patrick machte. Lady Prestlefield dozierte mit schriller Stimme und berichtete in allen Einzelheiten von den neusten Schandtaten des Prinzen von Wales, der den Gerüchten zufolge siebentausend Pfund Schulden gemacht hatte. Keiner der drei schien einen Verdacht gegen Madeleine zu hegen.

Madeleine selber spielte die Rolle der jungen Frau, die in die obersten Kreise der französischen Gesellschaft hineingeboren worden war, ohne sich auch nur das Geringste anmerken zu lassen. Sie hatte nicht einmal besondere Angst. Sie war viel zu sehr damit beschäftigt, an all die Regeln zu denken, die Sophie ihr eingetrichtert hatte. just in diesem Moment zählte sie innerlich. Neun Minuten, zehn Minuten ... es war an der Zeit, Lord Petersham freundlich anzulächeln, den Kopf nach links zu wenden und sich mit Erskine Dewland zu unterhalten.

Oh, welch eine Überraschung, Mr Dewland hatte gerade seine Unterhaltung mit Chloe Holland beendet, die zu seiner Linken saß. Wir müssen aussehen wie eine Tanztruppe, dachte Madeleine und kicherte innerlich in sich hinein. Alle drehen ihre Köpfe genau zur selben Zeit hin und her.

»Darf ich fragen«, erkundigte sich Quill, »was Sie gerade in diesem Moment denken, Lady Madeleine? Ich muss Ihnen sagen, dass englische Dinners sehr ernste Angelegenheiten sind und dabei nur selten jemand lacht.«

Madeleine lächelte ihn an. »Ich dachte gerade, dass wir einem choreografierten Ballett ähneln. Ich habe als junges Mädchen in Frankreich mal eines gesehen. Alle Tänzer balancierten auf den Zehenspitzen und drehten ihre Köpfe zuerst in die eine und dann wieder in die andere Richtung. Hier sitzen wir nun alle an einem Tisch und wenden genau zeitgleich die Köpfe.«

In Quills grünen Augen tauchte ein amüsierte Funkeln auf »So wie Sie das beschreiben, klingt es viel mehr nach einem Pausenfüller an der Bankside.«

Madeleine blickte ihn fragend an.

»Ein Puppenspiel«, erklärte Quill.

Madeleine schenkte ihm ein kleines Lächeln. »Sir, ich würde es niemals wagen, so unhöflich zu sein und die Creme der englischen Gesellschaft als Marionetten zu bezeichnen.«

Daraufhin lachte Quill laut auf und zog damit die Aufmerksamkeit von Lady Skiffing, Lady Prestlefield und dem Ehrenwerten Sylvester Bredbeck auf sich.

Lady Skiffing runzelte leicht die Stirn. »Lady Madeleine könnte eine viel bessere Partie machen als Erskine Dewland«, sagte sie zu Patrick. »Es stimmt zwar, dass er eines Tages ein Viscount wird, aber man muss sich doch fragen, ob er dem auch gewachsen ist. Obwohl er sich beinah vollständig von seinem Unfall erholt zu haben scheint, so ist mir zu Ohren gekommen, dass sein Vater den jüngeren Sohn mit einer indischen Erbin verheiraten wird. Die Familie muss also etwas wissen, das uns nicht bekannt ist.«

Patrick widerstand dem Impuls, seine Tischnachbarin streng zurechtzuweisen. Sophie hatte sich so um den Erfolg der Abendgesellschaft gesorgt, dass er keine Störung verursachen und ihre Gäste abkanzeln wollte, aber Lady Skiffing war in der Tat eine bockige alte Hexe.

Also gab er sich großmütig und blickte sie mit unbeweglich freundlicher Miene an. »Quill ist ein guter Freund von mir. Ich versichere Ihnen, dass Lady Madeleine es nicht besser treffen könnte, als seinen Antrag zu akzeptieren, sollte er ihr einen machen.«

Lady Skiffing rümpfte missbilligend die Nase. Sie verbrachte den ganzen Tag damit, Gerüchte mit leisen Untertönen zu würzen und zarte Andeutungen über Verfehlungen oder lobenswerte Eigenschaften zu machen. Daher war sie eine Meisterin in der Sprache der feinen Nuancen.

Sie lächelte huldvoll und neigte den Kopf »Sie beschämen mich, mein lieber Herr«, säuselte sie. »Man sollte natürlich nicht vergessen, dass viele Leute glaubten, Sie würden den Titel Ihres Bruders erben, als er so lange im Ausland war, und sehen Sie, was aus Ihnen beiden geworden ist.« Sie lächelte Patrick fröhlich an und wandet sich dann dem Marquis von Brandenburg zu, der zu ihrer Linken saß.

Touché!, dachte Patrick anerkennend. Es ist ihr gelungen, mich daran zu erinnern, dass ich der jüngere Sohn bin und keinen Titel habe.

Und er fragte sich zum tausendsten Male, warum Sophie zu ihrer ersten gemeinsamen Abendgesellschaft so eine merkwürdige Mischung von Gästen eingeladen hatte. Quill schien ganz zufrieden, sich mit Sophies Freundin Madeleine zu unterhalten, und das war wunderbar, wenn man bedachte, dass Quill selten das Haus verließ. Es war eine Freude, Will Holland und seine reizende Frau Chloe zu sehen. Und wenigstens zählte Braddon nicht zu den Gästen.

Aber warum zum Teufel hatte Sophie diese alte vertrocknete Ziege Lady Skiffing eingeladen? Und warum in Gottes Namen war Lady Sarah Prestlefield dabei, die sie beim Ball der Cumberlands beim Küssen erwischt hatte?

Mit einem Seufzer wandte er sich Sophies Mutter zu. Eloise stocherte unzufrieden in ihrem gefüllten Kapaun herum.

Patrick neigte sich zu ihr hinüber. »Soll ich einen Lakaien herbeirufen, der Ihren Kapaun abräumt?«

Eloise zuckte ein wenig zusammen. Eine echte Dame erschrak natürlich niemals, denn sie war nie in Gedanken versunken. Ihre Aufmerksamkeit galt stets ihren Tischnachbarn.

»Ich habe über Sophies Baby nachgedacht«, sagte Eloise freimütig.

Nun war es an Patrick, überrascht zu sein. Er und Sophie hatten zu einer Art friedlichem Gleichgewicht gefunden. Sie sprachen nie über das Thema und manchmal gab es Tage, an denen er glatt vergaß, dass seine Frau ein Kind erwartete. An diesem Abend hatte er ganz bestimmt nicht daran gedacht. Sophie saß am anderen Ende des Tischs und strahlte wie der Stern auf der Spitze eines Weihnachtsbaums. Sie sah nicht schwanger aus. Sie sah so köstlich aus wie Zuckerwatte.

Eloise sprach weiter. »Ich bin nicht überzeugt, dass Sophie einen korrekten Nahrungsplan befolgt.«

»Sie scheint regelmäßig zu essen«, erwiderte Patrick matt.

»Ich bin der Meinung, dass ein Milchbad ihre Konstitution stärken würde.« Eloise blickte Patrick an und in ihren Augen entdeckte er einen besorgten Ausdruck. »Sie weigert sich, diesen Rat zu befolgen. Und als ich ihr empfahl, Orangen in ihren Speiseplan aufzunehmen -Orangen beruhigen nämlich den Magen -, da hat sie sich diesbezüglich ebenfalls geweigert.«

»Aber sie hat doch keine Probleme mit dem Magen, oder?«, fragte Patrick beiläufig. Es war ihm ein wenig peinlich, dass er nicht wusste, ob seine Frau unpässlich war.

»Ich glaube nicht«, sagte Eloise. »Aber ich wünschte dennoch, sie würde jeden Tag eine Orange essen, und vielleichtjede Woche ein Glas Magenbitter trinken.«

»Magenbitter?«

»Magenbitter ist äußerst gut für die Gesundheit. Er stärkt das Blut.«

»Das wusste ich nicht«, erwiderte Patrick ernsthaft.

Es entstand eine kurze Gesprächspause, so dass der Lärm der sechzehn anderen Gäste, die sich über dies oder das unterhielten, umso lauter an Patricks Ohr drang. Dann teilte die Marquise ihm mit, dass sie Sophie außerdem geraten habe, regelmäßig Rebhuhn zu essen. Patrick blickte zu seiner Frau hinüber.

An diesem Abend sah Sophie äußerst elegant und vornehm aus, so gar nicht wie der sinnliche, kleine Kobold, der auf der Lark mit ihm das Bett geteilt hatte. An den Ohren und um den Hals trug sie Diamanten, deren kaltes Glitzern perfekt zu dem schimmernden Stoff ihres Kleids passte.

Von der Decke hing ein Kronleuchter herunter, den Patrick aus Italien importiert hatte, lange bevor Napoleon sich das Land einverleibt hatte. Die funkelnden Kristallscherben, die hoch über ihren Köpfen hingen, schaukelten und drehten sich im Luftzug, den die Lakaien durch ihr Kommen und Gehen verursachten. Immer wieder blitzten sie im flackernden Schein der Kerzen auf und verstärkten das Glitzern von Sophies Diamanten.

Aber der Schmuck ließ seine Frau nicht kalt und unnahbar wirken. Im Gegenteil; die weiß glitzernden Steine ließen die rosige, makellose Haut ihres Busens noch wärmer, weicher und köstlicher erscheinen.

Patrick schluckte. Eine Sache durfte ein Gentleman niemals tun, ganz besonders nicht bei seiner eigenen Dinnerparty; er durfte niemals seine Frau anstarren, bis ihm die Hosen eng wurden.

Patrick gab sich Mühe, seine Frau ganz unbeteiligt zu betrachten. Warum hatte er sich noch nie danach erkundigt, ob sich Sophie durch ihren Zustand unpässlich fühlte? Offensichtlich kam dies sehr häufig vor. Warum hatten sie nie von dem Kind gesprochen, das sie unter dem Herzen trug?

Einen Augenblick konzentrierte er sich wieder auf Eloises Monolog. Sie schien wieder zu den Vorzügen von Milchbädern zurückgekehrt zu sein.

»Ich werde es Sophie empfehlen«, sagte er mit ernster Miene und ließ dann wieder seine Gedanken abschweifen.

Er war sich der wachsenden Distanz zwischen sich und seiner Frau sehr wohl bewusst aber er war in einen Teufelskreis geraten. Blind vor Furcht wollte er nicht über das Baby nachdenken, da er sich dann auch mit seiner Geburt auseinander setzen musste. Blind vor Eifersucht wollte er nicht darüber nachdenken, was Sophie bei ihren langen Nachmittagsausflügen mit Braddon tat, und dennoch konnte er nicht aufhören, den ganzen Tag an Braddon zu denken. Also marschierte er nachts stundenlang durch die Straßen und kämpfte gegen seine ärgsten Feinde an: seine Angst und seine Eifersucht.

Sein Verstand wusste, dass Sophie und Braddon keine Affäre miteinander hatten, obwohl er sich manchmal das Gegenteil einredete. Denn seine Frau begrüßte Braddon stets mit einem liebevollen Lächeln, wenn sie ihn trafen. Sie schienen diesem Mistkerl einfach überall über den Weg zu laufen. Wenn sie ins Theater gingen, war er da. Wenn sie in die Oper gingen, konnte man sicher sein, dass der Graf von Slaslow ebenfalls dort auftauchte. Patricks einzige Erklärung war, dass Sophie Braddon über ihre Pläne informierte.

Warum? Damit sie ihren ehemaligen Verlobten mit diesem unerträglich vertraulichen Lächeln begrüßen konnte? Damit Braddon sich in ihrer Nähe aufhalten und ihr die Hand auf den Arm legen konnte, bis Patrick am liebsten vor Wut platzen würde? Seine Ohren glühten regelrecht vor Zorn, wenn er daran dachte und er zwang sich zur Ruhe. Wenn Gentlemen während eines Dinners nicht lüstern ihre Frauen anstarren durften, dann durften sie sich auch nicht wegen unlösbarer Fragen in Rage bringen.

Er wandte seine Aufmerksamkeit wieder seiner Schwiegermutter zu, doch ihre zehn Minuten waren bereits um und sie unterhielt sich angeregt mit Peter Dewland. Zerknirscht wandte er sich an Lady Skiffing, die so gütig war, ihm seine Unaufmerksamkeit zu verzeihen.

»Ihre Frau sieht in Anbetracht ihres Zustands ausgesprochen gut aus«, bemerkte Lady Skiffing.

Patrick stöhnte innerlich.

»Ich nehme an, sie wird sich bald aus der Öffentlichkeit zurückziehen«, fuhr Lady Skiffing fort. »Ich muss schon sagen, es ist sehr ungewöhnlich, dass eine Dame in ihrem Zustand eine Dinnerparty gibt. Zu meiner Zeit ruhten wir uns mindestens sechs Monate auf einer Couch aus. Aber heutzutage scheinen sich die jungen Frauen auf den Straßen herumzutreiben, so lange es ihnen beliebt.«

Patrick nickte. Er hatte völlig vergessen, dass Frauen sich die letzten Monate der Schwangerschaft vom gesellschaftlichen Leben zurückzogen. Wieder blickte er zu seiner Frau hinüber. Zufällig sah Sophie ihn im gleichen Moment ebenfalls an.

Eine sanfte Röte schoss ihr in die Wangen, als ihre klaren blauen Augen über das gestärkte Leinentischtuch hinweg seinen schwarzen begegneten. Stumm hob Patrick sein Weinglas und prostete ihr zu. Sie war seine Frau; sie trug sein Kind; sie war unerträglich schön.

Ein winziges Lächeln umspielte Sophies Lippen und sie erhob ebenfalls das Glas. Patrick betrachtete sie mit dem gleichen bedeutsamen Lächeln, das er ihr immer geschenkt hatte, bevor ihre Mutter verkündet hatte, dass Sex während der Schwangerschaft tabu war.

In solchen Momenten hatten sie beim Essen zusammengesessen und sich unschuldig über den Krieg in Frankreich unterhalten, während Patricks Augen träge über ihr Gesicht und über ihre Schultern glitten und schließlich auf ihren Brüsten verharrten, bis Sophie sich vorkam wie ein Feuerwerkskörper, der jeden Moment explodieren konnte. jeder Nerv ihres Körpers vibrierte, als Patrick sich schließlich von seinem Stuhl erhob und ihr den Arm hinhielt, um sie aus dem Speisezimmer zu führen.

Bei dem Gedanken an diese Abende setzte Sophie abrupt ihr Weinglas ab und riss ihren Blick von Patricks Gestalt los. Dies war nicht der richtige Moment für verführerische Spiele. Sie wandte sich entschlossen Patricks Bruder Alex zu, der zu ihrer Rechten saß und sie amüsiert angrinste. Sophie errötete erneut. Offensichtlich hatte er Patricks Blick bemerkt.

»Wissen Sie«, sagte Alex im Plauderton und beugte sich näher zu ihr herüber, »ich bin sehr froh, dass Sie meinen Bruder geheiratet haben, Lady Sophie.«

»Danke sehr«, erwiderte sie zögernd.

Viel später waren Patrick und Sophie endlich allein. Sophie ließ sich mit einem erschöpften Seufzer in einen der Sessel im Salon sinken.

Patrick stand einen Moment lang da und blickte auf sie hinunter. »Es war ein großer Erfolg, Sophie«, sagte er ruhig.

Sie blickte auf und lächelte ihn an. »Danke. Ich fand, dass Madeleine sich sehr gut gehalten hat, du nicht?«

Patrick wirkte ein wenig überrascht. »Natürlich. Sie ist eine bezaubernde junge Frau.«

Sophie konnte ihm nicht erklären, warum sie so stolz war, dass Madeleine alles genau richtig gemacht hatte. Sophie wollte wetten, dass kein einziger Gast auf der Party auch nur im Entferntesten in Betracht zog, dass Madeleine nicht in die französische Aristokratie hineingeboren worden war.

»Hast du Probleme mit dem Magen, Sophie?«

Nun war es an Sophie, überrascht zu sein. »Nein, überhaupt nicht.« Dann grinste sie. »Ach ja, ich habe dich neben meine Mutter gesetzt. Hat sie zufälligerweise Milchbäder erwähnt?« Und als Patrick zu grinsen begann, fragte sie weiter: »Und Magenbitter?« Sophie tat so, als würde sie sich angeekelt schütteln. »Ich hasse Magenbitter.«

Patrick lachte und streckte ihr die Hand entgegen, um ihr hochzuhelfen. »Es war Lady Skiffing, die sagte, du solltest dich häufiger ausruhen.«

Sophie blickte ihn mitfühlend an. »Das klingt, als hätten sie dir den ganzen Abend in den Ohren gelegen. Und auch noch zu einem Thema, das dir gar nicht behagt. Es tut mir Leid.«

Patrick schaute seine Frau nachdenklich an, nahm dann ihren Arm und führte sie zur Treppe. »Zeit fürs Bett.«

Seine Stimme klang sanft, beinah verführerisch, aber als Sophie ihn ansah, war seine Miene unergründlich.

An ihrer Schlafzimmertür blieb sie stehen und drehte sich zu ihm um. »Gute Nacht, Patrick«, sagte sie unsicher.

Aus heiterem Himmel schenkte Patrick ihr ein bedeutungsvolles, liebevolles Lächeln.

Sophie war so überrascht, dass sie beinah zusammengezuckt wäre.

»Warum spiele ich heute Abend nicht deine Zofe?«

Sophie wollte etwas erwidern, aber es fiel ihr nichts ein. Patrick ging auf sie zu und blieb so dicht vor ihr stehen, dass sie die Hitze seines Körpers spüren konnte.

»Aber Mama ...«, flüstere Sophie.

»Sie hat nicht gesagt, dass wir uns nicht küssen dürfen«, erwiderte Patrick. Er senkte den Kopf und presste mit einem wilden Hunger seine Lippen auf ihre. Er drängte sie rückwärts in ihr Schlafzimmer, bevor er seinen Mund von ihrem löste, Sophie sanft auf den Hocker vor der Frisierkommode setzte und Simone mit einem Nicken entließ.

Sophies Haar war zu einem schlichten, glatten Knoten aufgesteckt. Patrick suchte das Ende, das Simone so geschickt verborgen hatte, und zog es heraus. Dann schüttelte er energisch ihr Haar. Goldfarbene Haarnadeln flogen in alle Richtungen, fielen mit einem Klirren gegen den Frisierspiegel, verschwanden in dem dicken Teppich und landeten in ihrem Schoß.

Sie lachte. »Ich komme mir vor wie ein Pony, dem du den Schweif schüttelst.«

Patricks Augen verdunkelten sich, als er im Spiegel Sophies Blick begegnete. Er ließ eine Hand sinken und liebkoste sanft ihren Nacken. Ein Zittern lief durch ihren Körper. »Wenn du mein Pony wärst«, flüsterte er mit samtweicher Stimme, »dann würden wir jetzt einen Ausritt machen.«

Ein rosiger Schimmer stieg ihr in die Wangen. Patricks Blick glitt zu ihrem tiefen Ausschnitt hinunter, und er hätte beinah laut aufgestöhnt.

»0 Gott, Sophie, ich weiß nicht, ob ich das aushalte.« Eine Hand schob sich in ihr Oberteil und legte sich um die sanfte Rundung ihrer Brust.

Sophie musste unwillkürlich lächeln. Es war wunderbar zu entdecken, dass sie Patrick während der letzten Wochen nicht gleichgültig gewesen war.

»Dann stört es dich nicht, dass ich so dick geworden bin?«, fragte sie ein wenig besorgt.

»Dick? Du hast genau an den Stellen zugenommen, die einen Mann um den Verstand bringen können, Sophie.« Patricks andere Hand umfasste ihre zweite Brust.

Sophie betrachtete sich und ihren Mann einen Moment lang im Spiegel und warf dann wollüstig den Kopf in den Nacken.

»Küss mich, Patrick. Bitte.« Ihre Stimme kam wie ein raues Murmeln tief aus der Kehle.

Er ließ sich neben dem Hocker auf die Knie sinken, zog ihr Gesicht näher an seines heran und presste seine Lippen auf die ihren. Sie schlang ihre Arme um seinen Hals.

Sehr viel später löste sich Patrick von Sophie, hob sie von seinem Schoß, auf dem sie plötzlich saß, zurück auf ihren Hocker. Seine Augen waren tiefschwarz und voller ungezügeltem, wilden Verlangen und das Herz pochte ihm ungestüm in der Kehle.

Einen Augenblick lang starrten sich Mann und Frau nur an.

»Wahrscheinlich sterbe ich, bevor das alles vorbei ist«, sagte Patrick im Plauderton und versuchte, die Fassung wiederzugewinnen.

Sophie nagte mit ihren kleinen, weißen Zähnen an ihrer Unterlippe und schaute ihn besorgt an. »Es tut mir Leid, Patrick, aber Mama war diesbezüglich sehr beharrlich.« Sie schwieg einen Moment. »Vielleicht können wir mit diesem Ratschlag genauso verfahren wie mit den Milchbädern und dem Magenbitter?«

Einen Moment lang diktierte ihm sein wild pochendes Herz ein freudiges ja. »Besser nicht«, sagte er betrübt. »Schließlich ist es nur das eine Mal. Ich werde es schon noch überleben.«

Sophie biss sich auf die Lippe, um ihm nicht einzugestehen, dass dies bei ihr nicht der Fall war.

»Nun«, sagte Patrick mit einem Seufzen, »dann gehe ich mal hinüber in mein einsames Bett.«

Sophie erhob sich so hastig, dass sie beinah den Hocker umgestoßen hätte. »Würdest du - vielleicht könntest du hier schlafen«, sagte sie hastig. »Wir könnten einfach nebeneinander liegen.« Als Patrick nicht sofort antwortete, stieg ihr eine heiße Schamesröte in die Wangen.

Er trat einen Schritt näher. »Sophie«, sagte er, »du verstehst es nicht, oder?«

Sie schüttelte den Kopf.

»Sophie, Geliebte, schau dir einen Moment lang die Vorderseite meiner Hosen an.«

Gehorsam folgte Sophie seiner Aufforderung. Er trug die hautengen Hosen, die dem Modediktat entsprachen. Verlegen senkte sie den Blick zu Boden und errötete heftig.

»Ich kann nicht neben dir schlafen, Sophie, denn ich würde kein Auge zutun. Stattdessen liege ich lieber dort drüben« - er wies mit dem Kopf auf die Verbindungstür zwischen ihren Zimmern - »und kämpfe gegen den Drang an, die Tür niederzutreten. Wenn ich neben dir schliefe, würde ich dich wahrscheinlich im Schlaf nehmen, so sehr will ich dich.«

Sophie grinste. Es machte ihr nichts, dass Patrick manche Abende mit seiner Geliebten verbrachte. Wie es schien, langweilte ihn ihr eigener Körper noch lange nicht.

»0 Gott«, flüsterte Patrick und betrachtete das honigfarbene seidige Haar, das ihr unordentlich auf die Schultern hinunterhing, das erotische Lächeln in ihren Augen und ihr rosiges, wunderschönes Antlitz. Ach gehe jetzt besser.« Er machte hastig auf dem Absatz kehrt und knallte die Tür hinter sich zu.

Alleine in ihrem Schlafgemach fing Sophie an zu kichern. Sie schlang die Arme um ihren runden Bauch und drehte sich um die eigene Achse. Er wollte sie! Er wollte sie immer noch!

Als Zofe ließ Patrick einiges zu wünschen übrig. Zwar hatte er ihr Haar gelöst, aber die Haken und Ösen auf dem Rücken ihres Kleides waren immer noch geschlossen. Schwindelig vor Seligkeit klingelte Sophie nach Simone.

Unten in der Küche registrierte Simone das Klingeln mit einem missbilligenden Stirnrunzeln. Sie würde die Adeligen wohl nie verstehen. Rein ins Bett, raus aus dem Bett. jede Woche etwas Anderes. Seufzend stapfte sie die Hintertreppe hinauf.

02 - Heiße Nächte der Leidenschaft
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