Kapitel 2 – Wenn andere Sie gern anders hätten

Oft genug ist man mit sich selbst ganz zufrieden, aber dummerweise die anderen nicht. Andere Menschen geben dann Rückmeldungen und Kommentare, was sie an einem für seltsam, merkwürdig, störend oder verbesserungswürdig halten. Manchmal kommen die Kommentare erbeten, häufig aber ohne, dass wir um ein Feedback gebeten hätten. Seit wir auf der Welt sind, kommentieren Menschen unser Sein, unser Auftreten, unsere Art (und stellen ihre Bedingungen, unter denen sie uns lieben würden!). Wo man hinschmeckt, jede Menge unerbetener Senf:

»Du bist so leise!«

»Du bist zu laut!«

»Sei doch mal ein bisschen rücksichtsvoller!«

»Hör endlich auf, immer so rücksichtsvoll zu sein.«

»Du bist halt nicht du selbst.«

Ist eine Rückmeldung positiv und charmant, dann sind wir erfreut und fühlen uns erkannt. Hagelt es Kritik, dann sind viele Menschen erst einmal getroffen. »Wie? Was? So sehe ich mich nicht. Das habe ich doch gar nicht gesagt!« Kritik von außen irritiert, ganz besonders dann, wenn wir sie nicht nachvollziehen können oder wenn der Mensch, der uns etwas rückmeldet eine Respektsperson für uns ist. Viele Rückmeldungen, die Menschen beispielsweise einst von ihren Lehrern erhielten, sitzen bis heute tief.

»Du kannst nicht singen.«

»Was, schreiben willst du? Bei den Fehlern, die du machst?«

»Wer deine Eltern kennt, weiß warum du komisch bist.«

»Aus dir wird nichts!«

»Ich könnte heulen, wenn ich seh, wie blöd du bist.«

Die schlimmen Kommentare und Rückmeldungen aus der Kindheit, Jugend und auch im Erwachsenenleben, sie wirken nach und deswegen tun Sie gut daran, diesen Sätzen nachzugehen. Ich habe jenen Rückmeldungen, die bis heute »Lähmungserscheinungen« auslösen, ein ganzes Kapitel gewidmet. Es handelt sich dabei um das große Gebiet der Glaubenssätze, das Sie im Kapitel »Was Sie prägt und steuert« finden.

Kommentare erzählen eine Menge über den Menschen, der sich zu dieser Äußerung bemüßigt. Das ist keine neuzeitliche Psychologie, sondern altes Bibelwissen: »Aber was siehst du den Splitter, der im Auge deines Bruders ist, aber den Balken, der in deinem eigenen Auge ist, nimmst du nicht wahr?« Das gilt natürlich nicht nur für andere, sondern auch für uns. Verfolgen Sie mal Ihre eigenen Gedanken, wie oft Sie zum Beispiel über einen Kollegen denken, dass er »nicht normal« und »komplett bescheuert« ist. Denken Sie nur an den Verkehr in unseren Straßen. Wie oft findet man, dass einem anderen Autofahrer »der Lappen entzogen« werden sollte oder fragt sich, warum jemand so langsam oder so schnell fährt. Regionen stehen dafür, ob man ein guter oder schlechter Autofahrer ist: »Natürlich … ein Heppenheimer!« Man selbst weiß es in diesem Moment selbstverständlich besser.

Oft ärgern wir uns über etwas bei anderen, das wir selbst in uns tragen, oder das wir gerne hätten. Wahrscheinlich kennen Sie Situationen wie auf einer Party, auf der eine Frau laut und leicht überdreht, wild gestikulierend eine Geschichte erzählt. Automatisch richten sich alle Blicke auf sie und sie wird zum Mittelpunkt des Partygeschehenes, ohne Rücksicht, ob andere davon genervt sind und sich an den Rand gedrückt fühlen. Bevor Sie sich das nächste Mal nur maßlos ärgern, hilft es ungemein, sich unmittelbar und neutral zu fragen: »Will ich das auch haben?« oder »Habe ich es bereits?« So merken Sie schnell, ob Sie sich ärgern, weil Sie auch gerne mal im Mittelpunkt stehen würden oder weil Sie feststellen, wie ungut sich solch ein Verhalten für andere anfühlen kann. Eine solche Situation kann also, statt einfach nur zu verärgern, eine Menge dazu beitragen, dass man sich selbst besser kennenlernt. Indem wir uns selbst mit freundlicher Neugierde beobachten, können wir viel über uns lernen, was uns weiterbringt und Inspirationen für Veränderungen gibt.

Ähnliche Situationen kommen täglich in allen möglichen Kontexten vor: Sie beobachten eine Kollegin und stellen fest, dass sie etwas in ihrem Wesen hat, das Sie auf die Palme bringt. »Will ich das auch haben?« oder »Habe ich es bereits?« Sie blättern eine Zeitschrift durch und denken sich dabei: Also wie diese Models sich zeigen, das ist ja skandalös! »Will ich das auch haben?« oder »Habe ich es bereits?«

ente.tifEs ist leicht, aus einem anderen Verhalten einen Gewinn zu ziehen, wenn wir Selbstbeobachtung, Humor und Freude zulassen.

Negative Rückmeldungen

Unangenehme Rückmeldungen, die man empfängt, können sehr verunsichernd sein. Besonders dann, wenn man sie schluckt, ohne vorher gut zu kauen. Sehr oft sind Menschen nämlich von negativen Rückmeldungen derart beeindruckt, dass es ihnen gar nicht in den Sinn kommt, diese Rückmeldung erst einmal auf ihre Richtigkeit hin zu überprüfen. Auf einmal steht ein Veränderungswunsch im Raum, der nur darauf abzielt, dass die schmerzvollen Kommentare endlich verstummen.

Gab es unangenehme Bemerkungen, die Ihnen jetzt einfallen? Wenn ja, dann geben Sie diese gleich hier in den Kompost: Deckel auf, Kommentar rein, Deckel zu. Mal sehen, was im Verlauf der Lektüre daraus wird.

Negative Rückmeldungen haben viele Gesichter. Sie kommen als Vorwurf, Bitte, Vorschlag, Diskussion und Flehen daher. Manchmal sogar als Bitte um einen Liebesbeweis: »Wenn du mich wirklich lieben würdest, dann würdest du das für mich tun!« Hinter allen Worten steht jedoch ein indirekter Vorwurf: Man ist in einem Punkt nicht gut so, wie man ist. Die meisten Menschen bleiben bei den Erwartungshaltungen des anderen hängen und fühlen sich unzulänglich, nicht passend, statt die Erwartungshaltung des anderen zu überprüfen. Sie erinnern sich an das erste Kapitel: Wir wünschen uns von anderen Menschen vor allem Anerkennung und Liebe. Kommentare – mögen sie noch so schmerzvoll sein – erscheinen erst einmal wie ein Weg. »Wenn ich es so mache, dann liebt sie mich!« Oder wir gehen davon aus, dass es ein anderer gut mit uns meint, weil er es vielleicht sogar noch betont. »Ich will dir mal was sagen, denn ich meine es gut mit dir. Hör mal auf, dich so in den Vordergrund zu drängeln, und lass dem Volker dieses Projekt. Du brauchst das doch gar nicht für deine Karriere!« Manche Menschen meinen es »gut« mit uns, die uns häufig gar nicht wirklich kennen. Wenn Sie im Angestelltenverhältnis berufstätig sind, dann ereilt Sie diese Rückmeldung regelmäßig im sogenannten »Mitarbeitergespräch«. Natürlich soll es in diesem Gespräch nicht nur um Kritikpunkte, sondern vor allem auch um Förderung gehen, aber ich bin mir nicht sicher, ob alle Führungskräfte das auch wissen. Sehr häufig bekommen Menschen in diesen Gesprächen gesagt, wie sie anders und damit besser sein sollen. Aber geht es wirklich um den Menschen, oder um den Profit einer Abteilung, den Zugewinn für das Unternehmen? Dann, so finde ich, sollte das auch so gesagt werden. Es macht einen Unterschied, ob man in einem Bewertungsgespräch gesagt bekommt: »Also, ich finde Sie können mehr und ich möchte das in der Vorlage so festhalten, dass Sie hier zusichern, mit allen Ressourcen den angestrebten Umsatz zu erreichen.« Oder ob man hört: »Wir müssen mehr Umsatz generieren, davon sind auch Sie betroffen. Was Sie bis jetzt abgeliefert haben, reicht der Unternehmensleitung nicht. Wie sieht’s aus, wollen Sie noch mitspielen und wenn ja, wie hoch? Wir müssen eine Zahl notieren.«

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Ich möchte Sie auch mit einer ganz besonderen Tücke bekannt machen, die ich aus Zielvereinbarungsgesprächen immer wieder zugetragen bekomme, und Ihnen dafür die Geschichte von Zoé erzählen. Zoé ist 25 Jahre alt und eine hochbegabte und sehr engagierte junge Frau. Ich kenne sie aus einem Mentoringprogramm. Obwohl sie noch sehr jung ist, betreut sie bereits ein kleines Team in ihrem Unternehmen. Nun wird das Unternehmen umstrukturiert und Zoé soll mit ihrem Chef und ihrer Aufgabe in ein anderes Fachgebiet, Controlling, umziehen. Das will sie nicht, also hat sie in einem Mitarbeitergespräch darauf hingewiesen und um eine Tätigkeit in einem anderen Bereich gebeten. Ihr Chef wurde sehr schnell mürrisch. »So wird aus Ihnen nichts!«, meinte er. »Sie sind ja viel zu emotional und dadurch richtig unflexibel! Arbeiten Sie an sich, damit Sie sich nicht Ihre beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten verbauen.« Zoé kam zu mir, bat um ein Coaching. Sie wollte anders werden, an sich arbeiten, weil sie die Rückmeldung ihres Chefs, da Respektsperson, sehr ernst nahm. »Ich bin zu emotional!«, meinte sie. »Zu unflexibel!« Zoé glaubte ihrem Chef und ging davon aus, dass er es, da wesentlich älter als sie und irgendwie auch väterlich, gut mit ihr meinen würde. Das stimmt so aber nicht. Viele Rückmeldungen kommen aus einer sehr egoistischen Ecke und dienen weniger dazu, einen Mitarbeiter zu fördern, als es sich selbst leichter zu machen. Lange sprachen Zoé und ich über ihre Situation und sehr schnell wurde ihr klar, dass sie als so begabte Frau gut daran tat, nach einem beruflichen Umfeld zu schauen, in dem sie alle ihre Talente zeigen darf. Sie ist nicht zu emotional und nicht unflexibel, sondern sie übernimmt Verantwortung für ihr Leben und das ist genau richtig. »Aber warum sagt mein Chef dann so etwas?«, fragte sie mich ratlos. Vielleicht, weil es eine erfolgreiche Strategie ist, Menschen zu kritisieren, da sie sich dann erst einmal mit sich selbst beschäftigen, sich fehlerhaft, unreif und klein fühlen und sich mit dieser inneren Haltung sicher nicht woanders bewerben. »Dein Chef will dich vermutlich behalten! Und für die Zeit eines Coachings hat er das ganz sicher geschafft. Würde er auf dein Talent und deine Bedürfnisse eingehen, dann müsste er dich weiterempfehlen. So bleibst du ihm und seinem Team erhalten und er weiß, dass er mit deinem vollen Einsatz rechnen kann.«

Wenn andere Menschen Ihnen also eine Rückmeldung geben, ihren Senf auf den Teller drücken, dann heißt das nicht immer, dass Sie wirklich in einem Punkt falsch gepolt sind oder der Impuls zu Ihrem Wohle ist, auch wenn Letzteres oft betont wird. Wie gesagt: Oft genug geht es einem Gegenüber mehr um sich selbst, mal bewusst, mal unbewusst. Sie können nicht in andere Köpfe schauen, aber Sie können lernen, Aussagen anderer Menschen auf ihren Wert hin zu überprüfen. Erkundigen Sie sich nach Beispielen, fragen Sie, wann und wo das Verhalten bemerkt wurde und wie eine Lösungsidee aussehen könnte. Vielleicht mögen Sie die Idee ja nicht und dann kommt diese Form der Lösung nicht infrage. Gibt es Alternativen? Benötigen Sie eine Form von Begleitung oder Unterstützung? Rückmeldungen sollten verantwortungsbewusst formuliert und aufgenommen werden. Das bedeutet, dass nicht nur der, der die Rückmeldung gibt, die Verantwortung trägt, sondern auch Sie ein Teil von dieser Schleife sind. Sie müssen prüfen und entscheiden, ob die Rückmeldung Ihnen etwas bringt und was Sie benötigen, damit der Output noch wertvoller wird. Wenn Rückmeldungen durchdacht und wohlwollend sind, haben sie nämlich eine überaus große Kraft und einen Gewinn. Menschen wissen nach einer reflektierten und ernst gemeinten Feedbackrunde, wo ihre Potenziale liegen und wie sie diese noch besser leben können – zum eigenen Nutzen und dem eines Unternehmens.

Sie verleihen der Rückmeldung Wert und Nutzen

Was jemand über uns sagt, ist im Grunde nicht das Wesentliche. Spannender ist, wie wir das Gesagte bewerten. Erst durch die Bewertung kommt es zu einer Reaktion von uns – oder nicht. Sie können beispielsweise zu mir kopfschüttelnd sagen: »Na, du und deine verrückten Ideen!«, und ich zucke daraufhin nur lächelnd mit den Achseln. Ist doch mir egal, denke ich, was manche Menschen zu meiner Kreativität sagen, oder wie sie diese empfinden.

Wichtig ist, wer etwas zu mir sagt, erst dann kann ich die Rückmeldung für mich einordnen. So klingt hinsichtlich der Kreativität bei mir nicht viel an, wenn es von Menschen kommt, die in ganz anderen Kontexten leben. Für eine Bekannte, die Bilanzbuchhalterin ist, bin ich beispielsweise schon megakreativ, wenn ich ein paar Bildchen male. Wer sagt also was? Wenn hingegen Menschen aus dem Verlagswesen etwas dazu sagen, höre ich genau hin, wäge ab, baue ab und um. Eines Tages meinte so ein Verleger zu mir: »Na, Frau Weiner, toll, dass Sie so kreativ sind, aber dieses eruptive Schreiben, das sollten Sie mal überdenken.« Auweia, aua, iiieeeh! Das saß, das zwickte und ich nahm die Botschaft ernst. Seitdem überprüfe ich genauer, wann und wie ich schreibe. Er hat damit nämlich recht und ich nahm sein Feedback zum Anlass, über meine Art des Schreibens nachzudenken. Das bedeutet aber nicht, dass ich nicht zwischendrin weiter als kleiner Vulkan mein Buchstabenfeuer spucke.

Äußerungen zu Ihrer Person können interessant sein oder beleidigend. Es kommt darauf an, welches Wertesystem Sie zugrunde legen. Wenn zwei Männer sich treffen und zueinander in der Umarmung sagen: »Na, du alter Depp! Auch wieder hier?«, kann das durchaus freundlich gemeint sein. Und das, was sehr hochwertig klingt, ist in Wirklichkeit fies gemeint. Ich denke dabei zum Beispiel an die Rückmeldungen, die ich in Kunstkreisen höre. Einer fragt: »Wie findest du den Song?«, und bekommt zur Antwort: »Sehr interessant!«. Fehlt nur noch die arrogante hochgezogene Augenbraue, dann ist der Schlag perfekt. Natürlich gibt es handfeste Beleidigungen, aber die meisten Rückmeldungen können Sie erst einmal neutral annehmen. Damit meine ich auch die positiven. Eine Kollegin von mir war einmal ganz aus dem Häuschen, weil man sie in einer Zeitung als charismatisch beschrieben hatte. Die Frage ist aber doch: Wer hat es gesagt und was versteht dieser Mensch darunter? Einen Menschen mit Tiefe, einem Wertesystem, Demut und Einfühlungssystem, oder bedeutet charismatisch, dass ich gut auf mich aufmerksam machen kann, also über eine prima Selbst-PR-Strategie verfüge? Erst wenn geklärt ist, was unter einem Begriff zu verstehen ist, wenn ich das Bewertungssystem kenne, weiß ich, ob ich mich freuen will oder nicht. Bis dahin zaubert ein Lob bei mir erst einmal nur ein Lächeln aufs Gesicht, aber es berührt mich nicht, denn Senf bleibt Senf – egal ob positiv oder negativ formuliert. Wie Sie sich mit einer wunderbaren Übung statt Senf ein konstruktives Feedback einholen können, erfahren Sie in Kapitel 3 auf den Seiten 78–81.

Rückmeldungen müssen also nicht nur kritisch sein. Sie können einen auch überraschen und erfreuen. Indem Sie eine Rückmeldung in einen neuen Kontext stellen, können Sie ihr damit Ihre ganz persönliche Bewertung verleihen. Das geschieht im sogenannten Refraiming. Man gibt einem alten Bild einen neuen Rahmen und erschafft damit ein neues Bild. Diese kleinen kreativen Arbeiten sind, wie ich finde, ein ganz besonderes Vergnügen.

Welcher Rahmen darf’s denn sein?

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Vor einiger Zeit war ich des Öfteren von der Situation genervt, dass an meinem Äußeren häufig etwas unstimmig war – ein besseres Wort fällt mir hierfür nicht ein. Gemeint ist, dass Menschen, mit denen ich mich unterhielt, im Gespräch Fussel, Krümel, Falten bei mir bemerkten. Das ist auch heute noch so. Regelmäßig hängt aus meinem Pulli das Schildchen am Rücken raus, ein Faden schlüpft aus der Weste, etwas ist verdreht, unordentlich, muss gerichtet werden. »Ich mach mal eben …«, das ist der Beginn des Satzes und schon fingern fremde Hände an mir herum. Darüber war ich eine ziemlich lange Zeit genervt. Warum konnte ich nicht so ordentlich wie andere Menschen sein und »Warum habe immer ich Krümel auf der Bluse?«, schimpfte ich mich selbst. Andere Menschen liefen ja auch nicht wie Krümelmonster durch die Welt. Mein Ärger dauerte so lange, bis ich dem Geschehen einen anderen Rahmen und damit eine neue Bedeutung gab. Fortan begann ich in dem »Ich mach mal eben …« den Wunsch anderer Menschen zu entdecken, mich zu berühren, mir nahe sein zu wollen. Warum auch immer, sagte ich mir, sie fassen mich gerne an. Dafür braucht es aber einen Grund. Mein Gegenüber muss also das »Haar auf meinem Pullover finden«, sonst ist die Berührung für ihn nicht möglich. Mit einem Mal wendete sich das Blatt, und das, was ich vorher beschämt als Zurechtweisung empfunden hatte, entpuppte sich als zärtliche Geste. Seitdem gönne ich den Menschen um mich herum meine Krümel und erfreue mich, wenn sie sagen: »Ich muss mal eben grad!« Aber gerne, natürlich, bitte greifen Sie zu!

Dieses Beispiel aber nur mal als Spaß am Rande oder als kleine Anregung für Sie. Das Umdichten klappt übrigens auch bei unbeeinflussbaren Prozessen. Etwa, wenn es einen auf die Palme bringt, dass manche Menschen häufig niesen. Das ist ein weitverbreitetes Phänomen.

Kleiner Tipp, sollten auch Sie dazu gehören: Deuten Sie die Nieserei um – etwa in: »Mit jedem Niesen wünscht mir jemand Glück!« Ich denke dabei noch die Worte »Fortuna! Fortuna!«, und schon geht es mir gut. Das Glück ist Ihnen da hold, wo Sie es sehen. Im Herbst, Winter und zur Pollenzeit ist für dieses Glück übrigens eine besonders gute Zeit.

Oder: Ein Kollege geht regelmäßig grußlos auf dem Flur an Ihnen vorbei und Sie finden das unmöglich? Denken Sie: »Oooh, er mag mich so, dass er sich nicht traut, mich anzusprechen.«

Oder: Ihre Mutter nörgelt wiederholt an Ihnen herum. Dichten Sie es um in ein »Aahh, das ist die Opernszene aus der Königin der Nacht.«

Oder: Ihr Partner ist verstockt und es bahnt sich ein Streit an? Setzen Sie sich beide eine rote Clownsnase dabei auf und mal sehen, was diese mit dem Streit und dem Verstockten macht.

ente.tifSie können Rückmeldungen annehmen oder ablehnen. Sie bewerten die Aussage einer Rückmeldung. Sie steuern deren Energie. Und Sie ziehen einen besonderen Gewinn daraus, wenn Sie möchten.

Sie sind die Herrin, der Herr über eine Rahmengroßhandlung. Was immer Ihnen gesagt wird und Sie über sich selber denken, Sie können es barock einrahmen, streng in Metall oder Sie wählen den Rahmen mit der Blümchenwiese. Es gibt übrigens auch Klapprahmen beziehungsweise einen Haken. Wenn Ihnen das Bild gar nicht gefällt, dann drehen Sie es um!

Im Übrigen könnten Sie sich auch selbst einmal eine wohlwollende Rückmeldung geben. Es ist erstaunlich, wie wenig Positives wir zu uns selber sagen. Da man dies nicht genug üben kann, finden Sie für Ihre eigene Lobeshymne hier ein wenig Platz (mit dem Gedanken im Kopf, dies großflächig auf Tafeln, Tapeten und Schildern fortzuführen).

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Allein darüber nachzudenken, wie man sich selbst optimal aufbauen und bestärken könnte, oder mit welchen Worten das die beste Freundin, der beste Freund wohl täten, ist ein bisschen wie Kreise um sich selbst ziehen und sich dabei immer ein wenig näher kommen, bis man schließlich ganz nah am Kern ist. Aber Vorsicht: Wickeln Sie sich dabei selbst nicht ein!

Umgang mit miesem Senf

Ich habe es ja schon angesprochen: Jeder Kommentar, den ein anderer über uns abgibt, sagt weitaus mehr über den Sprecher aus als über uns. Deshalb: Glauben Sie erst einmal gar nichts von dem, was jemand ungebeten über Sie sagt. Stellen Sie es rundweg infrage. Und das meine ich wortwörtlich: Menschen, die zu allem und jedem ihren Senf abgeben, rechnen nämlich nicht damit, dass man diesen prüft. Erinnern Sie sich an Zoé: Ihr Chef ließ ein paar Sätze vom Stapel und gab Zoé damit was zu Kauen. Er beschäftigte sie damit. Zoé war leider viel zu perplex und eingeschüchtert, sodass sie gar nicht dazu kam nachzufragen. Fragen, Notizen oder gar schriftliche Rückmeldungen stören diesen Effekt. Meine Empfehlung: Fragen Sie nach, wie Ihr Gegenüber das meint. Bitten Sie um Beispiele, in welcher konkreten Situation Sie zu leise, zu laut, zu zurückhaltend, zu exaltiert – oder was auch immer Ihr Gesprächspartner behauptet – gewesen sein sollen.

Wenn Ihr Gegenüber zurückrudert und meint: »Ach, so war das ja nun auch nicht gemeint«, dann wissen Sie, dass Ihr Gesprächspartner mehr von sich als von Ihnen gesprochen hat und die Vorwürfe werden entkräftet. Kann er tatsächlich Beispiele vorlegen, können Sie anhand derer prüfen, ob Sie ihm zustimmen – oder auch nicht.

ente.tifHinterfragen Sie ungebetene Rückmeldungen und diese werden sich reduzieren.

Vorsicht Fiesback

Nicht jeder, der bekundet, er wolle Ihnen ein Feedback geben, tut dies auch. In der Mehrzahl der Fälle handelt es sich sogar um ein »Fiesback«. Fiesbacks sind eine Art von Retourkutsche oder Machtgehabe. Sie sind fies, weil sie im Mäntelchen des Feedbacks daherkommen, aber keine sind. Auf die Eingangsfrage »Darf ich dir mal ein Feedback geben?«, gibt es zumeist keine Gelegenheit zu einer Antwort, sondern es folgt sofort der Hammer: »Deine neue Haarfarbe steht dir nicht.« Bleibt einem dann die Luft weg, sagt das Gegenüber oft entrüstet: »Eeeeentschuldigung!« (mit den Händen wird jetzt gern abgewehrt). »Ich wollte dich nicht beleidigen, sondern nur ein Feedback geben!« Und wenn Sie dann schlucken: »Gott, dir kann man aber auch wirklich gar nichts sagen. Also ehrlich. In Zukunft bin ich eben ruhig.« Super Idee! Bitte zukünftig dran halten!

Fiesbacks sind verletzend gemeint, und genau das weiß der Mensch auch, der Ihnen ein Fiesback geben will. Was sie so fies macht, ist die Tatsache, dass hier ein Begriff, nämlich der des Feedbacks, falsch benutzt wird. Merken Sie sich, dass echte Feedbacks immer wohlwollend, respektvoll und lösungsorientiert sind. Es geht um wirkliche Unterstützung und nicht um verbale Magenerleichterung.

ente.tifEin echtes Feedback wird erbeten. Ein Fiesback kommt von allein.

Im privaten Bereich trifft man unangenehme und unangemessene Rückmeldungen oft in der Familie. Mütter meckern an Töchtern herum, Söhne fühlen sich bevormundet, Frauen übergangen, Männer gegängelt. Familiäre Beziehungen können durch leichtfertige, flapsige oder zynische Rückmeldungen stark belastet werden. Fiesbacks aus der Familie hängen den meisten Menschen lange nach, denn ist es nicht gerade die Familie, in der wir Fürsorge, Vertrauen und Verständnis suchen? Böse Rückmeldungen bewirken genau das Gegenteil.

Falls es Sie trifft: Wie kommt man durch ein Fiesback heil durch? Nutzen Sie es, indem Sie nachdenken, ob das Fiese irgendwie kompostierbar und damit verwertbar ist. Dafür ist es wichtig, dass Sie nicht sofort »zurückballern«, sondern eher durch schlaue Fragen versuchen herauszufinden, um was es genau geht, und dass Ihnen, wenn Sie es geschafft haben, die Kritik in irgendeiner Art nützt oder Sie anregt.

Stellen Sie Fragen wie:

) Ich würde gerne mehr darüber erfahren, wann hast du Zeit?

) Wann ist dir das aufgefallen?

) Wie kommst du darauf, dass ich ein Feedback wollte?

) Wie würdest du nun an meiner Stelle reagieren?

) Kannst du mir Beispiele nennen?

) Was berührt dich an meinem Verhalten so heftig?

Sich selbst zu akzeptieren und sein Selbstbewusstsein zu trainieren, heißt, nicht mehr in alle Schuhe zu steigen, die man vor die Füße gestellt bekommt. Sie entscheiden, welchen Schuh Sie sich anziehen wollen, sprich: Wessen Rückmeldung Sie als wertvoll annehmen wollen. Fragen Sie sich also auch:

) Wer sagt das zu mir?

) Hat dieser Mensch eine Ahnung von mir und meiner Arbeit?

) Hat er Kenntnis und Wissen über die Sachlage?

Je selbstbewusster Sie sind und je besser Sie sich kennen, desto leichter fällt es Ihnen, eine hingeworfene Kritik oder ein überschäumendes Lob freundlich zu registrieren und dann damit zu machen, was Ihnen sinnvoll erscheint.

Drücken Sie den Schwamm aus! – unpräzise Rückmeldungen

Oft sind Rückmeldungen aber gar nicht so bestimmend oder fordernd, sondern unklar, schwammig und damit alles andere als eindeutig. Jemand beschreibt nicht, welches Verhalten er sich wünscht, sondern beklagt eher eine Lücke, etwas, das angeblich fehlt oder nicht stimmt.

) »Ich weiß auch nicht, du bist eben anstrengend!«

) »Ich finde halt, dass du nicht wirklich motiviert bist.«

) »Ich kann mit deiner Art nicht umgehen.«

ente.tifSie können nur dann über ein Verhalten oder eine Eigenschaft reflektieren, wenn Sie wissen, um was es GENAU geht. Fragen Sie nach und lassen Sie sich Beispiele geben!

005.tifFiese oder ungenaue Rückmeldungen beziehen sich nicht immer nur auf vermeintliche Schwächen. Erfolg kann genauso kritisiert werden wie Misserfolg. Erinnern Sie sich an die Schule. Die Einserschülerin war genauso wenig akzeptiert wie der »Klassendoofie«. Verbale Ohrfeigen hagelte es für beide. Aber wenn wir uns hineinfühlen, dann wissen wir, dass auch Kommentare wie »Also gut, Carmen, Frau Schlauschlau, tu ein wenig klugscheißen. Leg schon los!« blaue Flecken auf der Seele hinterlassen. Unbedachte Rückmeldungen oder gezielt platzierte Fiesbacks schwächen – auch den Mut zum Erfolg.

Hier ist schon mal eine Tonne für die Rückmeldungen, die für Sie ohne Wert sind.

Was bringt Sie weiter?

Wenn schon Rückmeldung, dann erbeten, wohlwollend und genau. Der wichtigste Geber von Rückmeldungen sind aber Sie selbst. Wie sprechen Sie mit sich? Welche Qualität haben Ihre Rückmeldungen? Gehen Sie wohlwollend, unterstützend und aufbauend mit sich um? Und wenn ja, oder wenn es ab jetzt so sein soll, wie könnte Ihr Veränderungswunsch dann klingen? Ohne unsinniges Vergleichen, ohne den Wunsch nach einer Liebe, die wir vielleicht gar nicht wollen – sondern nur auf uns bezogen, ruhig, ehrlich, machbar und zukunftsorientiert.

Möchten Sie ein Beispiel? Wenn ich meine wohlwollenden Phasen wie gerade eben habe, dann sage ich mir: »Schätzchen, weißte, du machst doch vieles schon ganz gut. Denk mal an diese süße Weihnachtsgeschichte, die du geschrieben hast oder an den letzten Vortrag. Dass du so wild in deinem jetzigen Manuskript rumfuhrwerkst, das ist doch nur, weil du so unter Druck stehst. Was könntest du denn gegen den Druck tun – vielleicht kommt dann deine Gelassenheit wieder zurück. Komm wir sammeln mal Ideen.«

Wie Sie sehen, spreche ich mich direkt an. Es ist der weise, wohlwollende Teil in mir, der auf das hysterische Huhn blickt, das hektisch durch die Seiten eines Manuskriptes hastet. Früher hätte ich mich beschimpft. Ich brauche Ihnen dafür kein Beispiel zu geben, denn ich vermute mal, Sie kennen das von sich selbst ganz gut. Wir schimpfen alle viel zu viel mit uns, obwohl wir uns in diesen Momenten oft sowieso schon ganz klein fühlen. Kein Erwachsener würde so hart mit einem Kind schimpfen, wie wir das mit uns tun. Und wenn doch, dann würden wir eingreifen oder ihn beim Jugendamt anzeigen.

ente.tifMachen Sie sich nicht durch unüberlegtes, vorschnelles Urteilen selber klein. Und lassen Sie sich von fiesen Rückmeldungen nicht erschrecken, nötigen oder drangsalieren. Damit geben Sie einem anderen Menschen Macht. Sofern Sie es klären können – klären Sie es. Geht das nicht, holen Sie sich Unterstützung. Sind Sie frei genug: Verwandeln Sie die miese Bemerkung in eine schöne Übung, sich spielerisch mit sich selbst auseinanderzusetzen. Sie werden daran erstarken!

Der wichtigste Punkt in diesem Kapitel ist, dass Sie lernen, Rückmeldungen qualitativ zu unterscheiden. Welche sind wichtig, welche nicht? Sie haben die Wahl, Sie verleihen den Wert und Sie entscheiden, welchen Veränderungsimpuls eine Rückmeldung bewirkt.

Wenn Veränderung, wenn anders werden, dann weil Sie das möchten und nicht um des lieben Friedens willen, der ohnehin nicht eintritt. Menschen, die etwas an Ihnen bemängeln WOLLEN, werden immer etwas finden.

Die Guten ins Töpfchen, die Schlechten ins Kröpfchen.

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Und wenn wir uns doch einmal für andere ändern müssen?

Das kann passieren. Es gibt Situationen, da ist es sinnvoll, dass wir uns ändern, obwohl jemand anderes dies von uns verlangt, uns darum bittet oder uns dazu einlädt.

Wenn unser Arzt uns beispielsweise nahelegt, unseren Lebensstil zu ändern, weil wir unsere Gesundheit nachhaltig schädigen.

Wenn wir eine Familie gründen wollen, dann zieht das nach sich, dass wir nicht mehr alleine im Mittelpunkt unseres Lebens stehen, sondern sich unsere Aufmerksamkeit auf mehrere Leben verteilt.

Oder wenn wir unseren Job unbedingt behalten wollen, müssen wir vielleicht lernen, unsere Interessen stärker durchzusetzen und uns besser zu präsentieren, obwohl wir von Natur eher scheu sind.

Wir haben natürlich auch in diesen Fällen die Wahl, ob wir der Empfehlung folgen wollen oder nicht: Nur, wenn wir gesund bleiben oder werden wollen, sollten wir unsere Gewohnheiten ändern. Nur, wenn wir unseren Job wirklich behalten wollen, dürfen wir unser Licht nicht unter den Scheffel stellen.

Es kann in solchen Situationen sinnvoll sein, in den sauren Apfel zu beißen und eine Veränderung anzustreben, die wir uns nicht selbst ausgesucht haben. Stehen Sie vor einer solchen Entscheidung, dann schauen Sie auf die Vorteile, die Sie durch die Veränderung Ihres Verhaltens gewinnen: In dem Moment, in dem Sie einsehen, dass Sie besser leben und langfristig glücklicher sind, wenn Sie mit dem Rauchen aufhören oder ein bestimmtes Verhalten verändern, erkennen Sie schon, dass Sie dies eigentlich für sich selbst tun. Die Veränderung kommt Ihnen zugute, sie ermöglicht Ihnen ein besseres Leben. Letztlich sind Sie die- oder derjenige, der beziehungsweise die davon profitiert. Locken Sie also Ihre innere Stimme, falls Sie sich dagegen wendet. Wenn Sie Ihrem inneren Unwillen ein paar gute Argumente aufzeigen, wer weiß, vielleicht sitzt die Motivation schon bald mit im Boot.

Indem Sie sich selbst motivieren, das Positive aufzeigen und den Sinn im scheinbaren Unsinn finden, können Sie Ihrem Ziel näher kommen.

ente.tifDer wichtigste Faktor für Veränderung ist Selbstakzeptanz und Liebe. Oft genug verwandeln Menschen viel zu schnell eine Veränderung in eine anstrengende Hausaufgabe. Das hemmt die Lust und Freude am Lernen und an der Veränderung. Deswegen: Verlieben Sie sich in sich und das dauerhaft und immer wieder.