Wir leben das Leben in wachsenden Ringen: Älter werden

Wann fängt man an, »älter« zu werden?

Manchmal fühlte ich mich mit 30 Jahren schon steinalt. Mit 40 war ich kurzzeitig irritiert, mit 45 packte ich neue Herausforderungen an, und nun werde ich in wenigen Monaten 50 Jahre alt. Das ist schon »älter«, ich kann es nicht verleugnen.
Meine Themen haben sich in den letzten Jahren verändert, sowohl beruflich wie privat. Eine Freundin beschrieb die jetzige Lebensphase bei sich mit »Pubertät rückwärts«. Mir geht es ähnlich. Auch ich rolle scheinbar alles noch einmal auf und gleichzeitig ist mein Blick nach vorne gerichtet.
Mein Lebensgefühl ist kraftvoll, ich will noch vieles anpacken und bewegen. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass das geht, weil ich immer auf gezielte Weiterentwicklung in meinem Leben bestanden habe. Für mich ist Lernen so etwas wie ein Grundnahrungsmittel. Ich, die als Jugendliche zweimal aus Faulheit eine Klasse wiederholen musste, bin neugierig und will so viel lernen, wie es geht. Wenn möglich bis ins hohe Alter.
Katharina, eine frühere Kollegin von mir, die heute noch als Erzieherin im Kindergarten arbeitet, sieht ihr Leben nicht ganz so enthusiastisch. »Es gibt so viele ähnliche Abläufe, und die permanente Unruhe macht mir mehr und mehr zu schaffen.« Wenn ich sie im Kindergarten besuche, kann ich das verstehen. Ein Raum, eher klein als groß, täglicher Aufenthaltsort für zwei Erzieherinnen und zehn Kinder. Katharina, die Erzieherin, und ich unterhalten uns - am Kindertisch, meine Knie befinden sich direkt unter meinem Kinn. Die jüngere Kollegin, die mit Katharina arbeitet, hockt vor einem Buchregal auf der Erde. Nach meiner Schätzung dürfte sie etwa Mitte 20 sein. Der Boden ist aus Linoleum - klar, bei so vielen Kinderfüßen sind Teppiche verständlicherweise unhygienisch. Die junge Kollegin steht leichten Fußes auf, als vom Flur aus jemand nach ihr ruft. Katharina und ich schauen uns lächelnd an. Ja, das war mal so. Auch wir können zwar heute noch aus dem Schneidersitz aufstehen, aber es sieht nicht mehr ganz so anmutig und geschmeidig aus. »Ich brauche jetzt eine Lesebrille«, erzählt mir Katharina. Die trage ich schon lange auf der Nase. »Außerdem bin ich manchmal echt vergesslich.« »Das kann auch durch die Hektik kommen«, erwidere ich. Nicht jede Vergesslichkeit ist gleich ein Symptom von Alter. Katharina liebt ihren Beruf, dennoch wünscht sie sich Anreize und Verbesserungen.
Das Alter bringt eine Menge mit sich: Erleichterungen ebenso wie Ärger. Wer hat als Frau schon gerne Cellulitis oder Krähenfüße? Und welche Frau berührt es nicht, wenn sie sich umschaut und leise mitzählt, wie viele frühere Klassenkameraden inzwischen wesentlich jüngere Geliebte oder Partnerinnen haben? Der Trend geht zur Zweitfamilie. Zwischen den Kindern der beiden Familien liegen zuweilen 20 Jahre Altersunterschied.
Auch im Beruf ist älter zu werden nicht gerade ein Zuckerschlecken. Es gibt nur wenige Angebote für die Mitarbeiter »40 plus«, und die Karriereentwicklung spricht bei Mitarbeitergesprächen keiner an. Bislang. Nach und nach wird sich das ändern. Der demographische Wandel macht sich bemerkbar und immer mehr Personalentwicklungsabteilungen wissen: die jungen Mitarbeiter gilt es zu gewinnen, die älteren Mitarbeiter zu pflegen. Ohne uns Ältere geht es nicht, in keinem Bereich. Auch nicht bei Ihnen im Kindergarten.

Altersgerechtes Arbeiten im Kindergarten

Erst langsam beginnen sich die Träger damit zu beschäftigen, welche Themen der demographische Wandel uns in den kommenden Jahren bringt. Würde man auf der Straße jemand nach dem durchschnittlichen Alter von Erzieherinnen fragen, bekäme man wohl zu hören: »So um die 20.« Die Realität sieht jedoch heute anders aus. Der Altersdurchschnitt unter Erzieherinnen liegt meist um Einiges höher. Während in früheren Generationen viele Erzieherinnen nach einigen Jahren in der Kita aus familiären Gründen aus dem Beruf ausstiegen, wollen oder müssen die meisten heute länger berufstätig bleiben. Die TBS, eine Beratungsstelle des Deutschen Gewerkschaftsbunds NRW, schreibt:
»Der Altersdurchschnitt liegt meist über 40 Jahren. Jüngere Erzieherinnen und Erzieher sind oft nur mit Zeitverträgen beschäftigt und gehören zu den ersten, die bei Personalabbau wieder ausscheiden. Damit entsprechen Erzieherinnen zumindest nicht dem bisher verbreiteten Bild dieses Berufs und sind z.B. oft älter als die Mütter der Kinder, die sie betreuen.«
Die beruflichen Anforderungen für Erzieherinnen steigen durch den gesellschaftlichen Wandel (Krippenausbau, berufstätige Mütter, »späte« Eltern, Patchwork-Familien, multikulturelle Gesellschaft, steigende Anforderungen an Bildungsvorbereitung, Entwicklung weg von Horten zu Offenen Ganztagsschulen), und immer mehr Ausund Fortbildungen sind erforderlich, um speziellen Anforderungen genügen zu können. So ergeben sich zwar zusätzliche Perspektiven und Felder, um persönliche Kompetenzen einzubringen, gleichzeitig steigen aber auch Druck und Belastung der Erzieherinnen. Dazu noch einmal die TBS: »Für die Einrichtungen und ihre Träger ergibt sich die Problemlage, dass sie ihre Aufgaben mit begrenzten Mitteln und einer älter werdenden Belegschaft bewältigen müssen, für die Beschäftigten, dass sie bei ständig steigenden bzw. sich verändernden Anforderungen ihre Perspektiven und Potentiale erkennen und bewusst in der betrieblichen Organisation einsetzen« müssen.
In einem Modellprojekt zur Beschäftigungs- und Zukunftsfähigkeit in Kitas, die sich durch eine veränderte Altersstruktur ergibt, wurden folgende Gestaltungsziele benannt:
• Neue Aufgabenverteilung
• Neue Perspektiven und Herausforderungen für ältere Erzieherinnen
• Gesundheitsmanagement
• Mitarbeiterschulungen hinsichtlich »Wir arbeiten zusammen: Alt und Jung«
• Potentialanalyse für ältere Mitarbeiterinnen
• Wandel in der Arbeits- und Zeitorganisation
• neue Strukturen
Was bedeutet das nun aber für Sie persönlich? Es gibt eine Reihe von Befragungen, die sich mit der Arbeitswelt von Berufstätigen über 40 beschäftigen. Bestimmte Themenfelder werden dabei immer wieder benannt:
• Gesundheit (Wie gesund ist, empfinde ich meinen Arbeitsplatz?)
• Kompetenz (Kann ich meine Fähigkeiten einbringen?)
• Perspektiven (Welche beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten werden angeboten?)
• Netzwerk (privat und beruflich)
• Selbstmanagement (Zeitmanagement)
• Eigenverantwortung (Gestaltungsfreiraum)
• Mentoring (Wem gebe ich mein Wissen weiter?)
Vielleicht möchten Sie sich zu jedem Thema ein paar Notizen machen? Wie gesund fühlen Sie sich, zum Beispiel? Es ist erwiesen, dass ältere Mitarbeiter mehr Pausen benötigen und schneller durch Lärm und Hektik unter Druck geraten. Dafür halten sie seelische Belastungen besser aus, da sie über weit mehr erprobte Lösungswege verfügen als jüngere Kolleginnen.
Und was ist mit den Perspektiven? »Ich will nicht noch weitere 15 Jahre im Kindergarten arbeiten«, erklärte mir Katharina. Allerdings muss Katharina berufstätig bleiben, schon allein aus finanziellen Gründen. Wie könnte also ihr Berufsalltag sich in den nächsten Jahren wieder hin zu mehr Engagement wandeln? Gibt es Schritte, die dabei zu beachten sind, und überhaupt: Wo geht denn die Reise hin? Haben Sie selbst sich darüber schon einmal Gedanken gemacht?
Wo möchten Sie in den nächsten 5, 10, 15 Jahren stehen? Welche Art von beruflicher Tätigkeit üben Sie wohl mit 63 Jahren aus?
Katharina möchte in die Elternbildung. Sie weiß, dass sie sich in kleine Kinder gut hineinfühlen kann und möchte jungen Eltern von diesem Wissen etwas weitergeben. Eine ausgezeichnete Idee, denn junge Eltern brauchen das Erziehungswissen der älteren Generation, noch besser, wenn es sich dabei um Profis handelt. Insofern ist diese Planung von Katharina goldrichtig.
Und? Sind Sie bereits inspiriert? Wie könnte Ihre Perspektive sein?
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Ihre Perspektive
Mit... Jahren werde ich...
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Der Gewinn des Älterwerdens im Beruf

Älter geworden im Kindergarten- wer kann das schon von sich behaupten? Als älter werdende Erzieherin arbeiten Sie in einem jungen Bereich. Sie haben es mit Kindern zu tun, jungen Eltern, jungen Kolleginnen. Das kann Ihnen viele Impulse geben, Sie anspornen, aufheitern und flexibel machen. Alltagstrott kommt da nicht auf. Jeder Tag bringt neue Stimmungen mit. Aber es ist laut. Als junge Frau liebte ich laute Musik. Dröhnen musste es und beim Einkaufen wollte ich Menschen, Musik und bunte Lichter. Jetzt lege ich mehr Wert auf Qualität, auch in den Eindrücken und der Beschallung. Mein Leben hat sich verändert, es sind neue Ringe dazugekommen. Ich habe Zwänge abgelegt und gebe meinen Bedürfnissen Raum. Vieles muss ich nicht mehr. Ich muss z.B. keinen Lebenslauf mehr schreiben. Welch eine Erleichterung, auf Bewerbungsfotos sah ich schon immer schrecklich aus. Manch ein Zeugnis hat gar keine Bewandtnis mehr. Habe ich einst darüber geheult, heute liest es niemand mehr. Ich weiß und akzeptiere, dass ich niemals ein Supermodel werde. Und ich bin auch zu alt für den Bildschirm und brauche mich in meiner Fernsehredaktion deswegen gar nicht mehr zu melden.
Dafür werde ich ernster genommen. Man hört mir zu und lässt sich von mir beraten. Ich gehe auf diese Fragen gerne ein, weil ich mich sicher fühle. Die Sicherheit hat auch etwas mit meinem Alter zu tun. »Sie sind so gelassen«, sagen Menschen zu mir und ich lächle dazu gütig, obwohl ich weiß, dass es nicht stimmt. Aber in dem Moment, das glaube ich schon, kann ich sehr gelassen wirken. Meine Jahre haben mich gelehrt, mehrere Facetten meiner selbst zu leben. Das ist der Gewinn des Älterwerdens. Ich weiß, dass ich nicht nur eine Christine bin, sondern viele Seiten habe. Deswegen muss ich mich auch nicht mehr verändern, wie ich das als junge Frau immer wieder versuchte. Ich darf die sein, die ich bin. Mit all der Vielfalt. Für die einen eine gelassene Frau, für die anderen ein Paradiesvogel und für die nächsten ein verrücktes Huhn. Es irritiert mich nicht, wenn mich Menschen unterschiedlich beschreiben. Dank meiner Lebenserfahrung weiß ich, dass das genau der Reichtum des Alters ist, von dem mir früher ältere Frauen freudvoll erzählten.
Interview
Meine Freundin Cornelie ist etwa so alt wie ich und arbeitet, mit einer Unterbrechung, seit unserer gemeinsamen Ausbildung als Erzieherin. Für sie spielt das Älterwerden im Kindergarten nur eine untergeordnete Rolle. Die kleinen Stühlchen beeinträchtigen sie nicht und die langjährige Zusammenarbeit mit den Kolleginnen hat für sie einen besonderen Vorteil, findet sie: »Wir werden zusammen älter und wir merken es gar nicht so.«
 
Christine: »Wie geht es dir mit der Arbeit?«
Cornelie: »Ich habe noch einmal gewechselt und arbeite jetzt mit den Minis, den Kindern unter drei Jahren. Dieser Wechsel war sehr wichtig für mich. Ich habe gespürt, dass ich flexibel bin, und die Beschäftigung mit den neuen Aufgaben war wie eine Erfrischung.«
Christine: »Wie ist die Zusammenarbeit mit den jüngeren Kolleginnen?«
Cornelie: »Für mich eine Selbstverständlichkeit. Wir kommunizieren gut miteinander. Die Älteren mit den Jungen und umgekehrt. Vielleicht liegt das auch daran, dass wir ein offenes Kindergartenkonzept haben. Jeder arbeitet mal mit jedem, man muss sich immer wieder neu einstellen und es gibt keinen Trott. Bei uns werden nicht zwei Erzieherinnen miteinander in einer Gruppe alt. Wir hören alle einander gerne zu und profitieren wechselseitig.«
Christine: »Welche Perspektiven hast du?«
Cornelie: »Es gibt Weiterbildungen, aber ansonsten komme ich mit Erzieherinnen aus anderen Kindergärten wenig zusammen. Eine Vernetzung wäre gut, das würde auch den Alltag beleben, weil man sich mit anderen Kolleginnen und anderen Konzepten auseinandersetzen würde.«
Christine: »So etwas wie ein Jobtausch? Zwei Erzieherinnen tauschen für einen Monat oder länger den Arbeitsplatz?«
Cornelie: »Das gibt es nicht, aber ich habe schon in anderen Einrichtungen hospitiert, und das war für mich jedes Mal beruflich eine große Bereicherung.«
Christine: »Was täte dir noch gut?«
Cornelie: »Die Möglichkeit, meine Arbeitszeit so zu gestalten, dass ich Zeiten ansammeln kann und mir Auszeiten nehmen. Auszeiten bringen so viel Inspiration. Ich bin mir ganz sicher, dass ich mit vielen neuen Ideen und großer Energie in meine Arbeit zurückkäme.«
Christine: »Was wäre noch wertvoll?«
Cornelie: »Wenn mein Arbeitsplatz so wäre, dass ich auch immer wieder zu mir finden könnte. Der Lärm und die Unruhe um mich herum strengen mich schon sehr an.«
Christine: »Habt ihr einen Personalraum?«
Cornelie: »Ja, aber da hört man ja auch die Kinder. Ich verlasse die Einrichtung lieber in der Pause und komme dann erholt zurück.«
Christine: »Hast du Perspektiven?«
Cornelie: »Ja, wir Erzieherinnen überlegen immer wieder, was es noch an ganz neuen und flexiblen Angeboten gäbe.«
Christine: »Was könnte das sein?«
Cornelie: »Eine Kinderkrippe auf die Bedürfnisse der Kinder zugeschnitten und nicht nur auf die der elterlichen Arbeitszeiten. Ein Kindergarten, der den Kindern gut tut, mit kleinen Gruppen. Wenn die Gruppen kleiner sind, dann geht es nämlich nicht nur den Erzieherinnen besser, sondern vor allem den Kindern. Sie spielen ganz anders und kommen mehr in die Ruhe.«
Christine: »Was ist der Gewinn deines Alters?«
Cornelie: »Dass ich viel gelassener geworden bin.«
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Frage an die Älteren unter Ihnen
Welches ist der Gewinn Ihrer Jahre und was schätzen Sie an der Zusammenarbeit im Team?
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Sicher reichen die wenigen Zeilen gar nicht aus.

Mentoring: Wie Alt und Jung voneinander profitieren

Mein Lieblingsthema in diesem Zusammenhang ist Mentoring. Nach meinen Recherchen und Umfragen werden bislang noch wenige (keine) Mentoringprogramme im pädagogischen Bereich angeboten, obwohl der Begriff »Mentoring« sich doch gerade aus diesem Beziehungsfeld ableitet.
 
In Deutschland wird Mentoring eher mit »Bildung« als mit »Erziehung« in Zusammenhang gebracht. Bildung meint den ganzheitlichen Entwicklungsprozess von Individuen über lebenslanges Lernen innerhalb von Beziehungen. Menschen, die bereits einen langjährigen beruflichen Erfahrungshintergrund erworben haben, erklären sich bereit, dieses Wissen anderen zur Verfügung zu stellen. Man könnte auch von einer Art »Patenschaft« sprechen. Mentoring ist nicht nur ein individuelles, frei gestaltbares Weiterbildungstool, sondern auch ein überaus wirksames Personalentwicklungsinstrument für berufliche Förderung. Darüber hinaus ist ein Charaktermerkmal von Mentoring so etwas wie »Freundschaft« im Sinne von vereinbarter Begleitung und Unterstützung.
Was ist Mentoring?
In der Odyssee von Homer war Mentor der Erzieher, Hauslehrer und Beschützer von Odysseus’ Sohn Telemachos. Sie erinnern sich, Odysseus war ziemlich häufig außer Haus, also vertraute er Telemachos Mentor an. Heute würden wir sagen, Mentor war der Vaterersatz, ein väterlicher Freund. Telemachos konnte sich vertrauensvoll an ihn wenden, bekam Zusammenhänge erklärt und Wissen vermittelt. Die Beziehung zwischen Mentor und Telemachos war von Zuneigung, Achtung, Vertrauen und gegenseitigem Respekt geprägt.
Der Begriff »Mentor« wurde damit zum Synonym für einen geachteten und gebildeten Menschen, der bereit ist, einen Jüngeren an seinem Wissen und seinen Verbindungen teilhaben zu lassen. Dabei spricht man von einem Mentor, wenn es sich dabei um einen Mann handelt, von Mentorin bei einer Frau. Aus Telemachos ist englisch ausgesprochen der oder die »Mentee« geworden.
Die Mentorin nimmt Anteil, hört zu, spiegelt Stärken wieder und macht auf Schwächen liebevoll aufmerksam. Sie kennt und berücksichtigt im besten Fall die Feedback-Regeln. Insofern ist eine gute Mentorin ein Vorbild - auch in der Hinsicht, dass die Mentee später selbst einmal Mentorin werden soll.
Im Unterschied etwa zum Coaching nimmt der Mentor keine neutrale Position gegenüber der zu beratenden Person ein, sondern zeichnet sich durch besonderes Engagement und Wohlwollen aus. Zudem gibt es in einer Mentor-Mentee-Beziehung keinen finanziellen Ausgleich. Für den Mentor ist die Unterstützung eine Ehre, für die oder den Mentee ein großes, achtungswürdiges Geschenk.
Heute werden Mentoring-Programme besonders zur Förderung des weiblichen Nachwuchsmanagements eingesetzt, wobei sich die Idee auf alle hierarchischen Ebenen übertragen lässt. Für mich ist Mentoring so wertvoll, weil verschiedene Bedürfnisse mit diesen Programmen gestillt werden.
 
Vorteile für Sie als ältere Erzieherin
• Sie geben Ihr Wissen weiter.
• Ihr Erfahrungsschatz ist gefragt.
• Ihre langjährige Arbeit wird gewürdigt.
• Ihre Kompetenz wird anerkannt.
• Ihr Engagement als Mentorin trägt zu Nachhaltigkeit von Konzepten bei.
• In Seminaren tauschen Sie sich mit anderen Mentorinnen aus und erarbeiten neue Wirkungsfelder.
Gleichzeitig kommen Sie in einen neuen Kontakt mit jüngeren Kolleginnen, erfahren von deren Erleben und Gedankenwelt und profitieren von deren Weiterentwicklung.
 
Vorteile für Sie als jüngere Erzieherin
• Sie erhalten persönliches und wohlwollendes Feedback, Unterstützung, Beratung und Förderung.
• Sie können in einem vertrauensvollen Miteinander über Herausforderungen und Perspektiven sprechen und Ziele für sich erarbeiten.
• Und, das ist mir ganz wichtig: Sie erfahren, wie wertvoll und wertschätzend es ist, wenn eine erfahrene Kollegin Sie von ihrem Wissen profitieren lässt. Die beste Voraussetzung dafür, Sie irgendwann später als Mentorin begrüßen zu dürfen!
Fragen, mit denen sich Mentorinnen auseinandersetzen
• Wie gebe ich mein Wissen weiter?
• Wie ist ein beratendes Gespräch strukturiert?
• Wie erkenne ich Grenzen?
• Wie motiviere ich einen erwachsenen Menschen?
• Wie lasse ich die Verantwortung bei meiner Mentee?
• Wie öffne ich Türen?
Für mich gibt es kaum eine andere Maßnahme, von der so viele Menschen gleichzeitig profitieren. In wirtschaftlichen Kontexten spricht man von der »Sichtbarmachung« weiblicher Mitarbeiter. Das ist im Kindergartenbereich nicht vordergründig. Wichtig jedoch ist das Signal »Wir wollen uns entwickeln« und »Es gibt einen Bedarf an speziellen Angeboten«.

Was können Sie tun, um ein Mentoring-Programm zu etablieren?

In der Regel werden Mentoringprogramme von der Führungsspitze initiiert. Sie können aber auch selbst aktiv werden, indem Sie Ihren Arbeitgeber dafür interessieren oder mit Verbänden und Gewerkschaften zusammenarbeiten. Darüber hinaus können auch Vereine Mentoring anbieten, oder Sie überlegen, wie Sie und andere Interessierte solch ein Programm ins Leben rufen.
Wichtig dabei ist nur, dass Mentorin und Mentee nicht in der gleichen Einrichtung arbeiten und einen inhaltlichen Abstand zueinander haben. In der Wirtschaft ist die Mentorin üblicherweise zwei Stufen weiter als ihre Mentee. Programme sind jedoch dafür da, dass wir sie den eigenen Bedürfnissen anpassen und entsprechend modellieren. Lassen Sie sich nicht von festen Konzepten abschrecken. Lassen Sie sich überhaupt nie abschrecken, sondern werden Sie lieber kreativ! Wie finden ältere und jüngere Erzieherinnen zusammen? Wie können Sie mitgestaltend sein? Projekte sind eine lebendige Abwechslung im Arbeitsalltag. Durch die Projektgestaltung werden Sie mit neuen Gedanken und Bereichen vertraut, das lockert Routine auf und gibt Ihnen neue Anreize.

»Sie haben mir gar nichts zu sagen!« Kommunikation zwischen älteren und jüngeren Kolleginnen

Vor zwei Jahren gestaltete ich in einer Redaktion ein Projekt mit. Meine Kollegin Nina war zu diesem Zeitpunkt gerade 30, überaus flink und wach. Wenn sie mir etwas erklären wollte, sprach sie unglaublich schnell, und wenn sie mir am Computer etwas zeigte, flogen ihre Finger nur so über die Tastatur. Manchmal kam ich kaum mit. Während mich andere Teile des Projektes weit mehr beschäftigten als Nina, fand sie meine Einwände manchmal schwer nachvollziehbar.
»Weißt du, Nina«, erklärte ich ihr eines Tages, »ich bin 17 Jahre älter als du.«
»Was soll das heißen?«, entgegnete sie irritiert.
Ich erinnere mich noch, dass mit einem Mal ein Gefühl von »Angriff« im Raum stand, so als wolle ich als Ältere auf mein Recht pochen oder mich lustig machen nach dem Motto: »Werd du erst mal trocken hinter den Ohren!« Aber so war es nicht gemeint. Es ging mir viel eher um Verständnis füreinander. Ich war zu diesem Zeitpunkt 17 Jahre älter als Nina. Das sind 17 mal 365 Tage mal 24 Stunden. Ein Haufen Leben. Tausende von Situationen, Erfahrungen und Eindrücken, die ich schon mehr gesammelt hatte. Ich war in einer anderen Lebens- und Berufsphase als Nina. Benutzte andere Bilder und andere Begriffe. Ich sage z.B. nicht »krass«, und ich verkürze Beschreibungen auch nicht mit »bla«: »Und dann kam er und wollte mir erklären, wie das geht - bla -, auf jeden Fall kamen wir dann darauf...«
Für Nina und mich wurde mein Satz bald eine sehr vergnügliche Einleitung, wenn wir der anderen etwas aus der eigenen Erlebenswelt mitteilen wollten: »Weißt du, Christine, ich bin 17 Jahre jünger als du. Würdest mir noch mal erklären, wie du darauf kommst?«
Wenn Alt und Jung aufeinandertreffen, dann ist Neugier und Wohlwollen wichtig und zwar von beiden Seiten. Ein Wissenwollen, wie die andere denkt, ein vorurteilsfreies Prüfen, welche Vorschläge passen, und ein Nachfragen, um besser zu verstehen. Alt und Jung können viel voneinander lernen und sehr viel Freude miteinander haben. Wenn wir ein solches Zusammentreffen wertschätzen, wird es zu einer wunderbaren Bereicherung, denn jedes Lebensalter hat besondere Juwelen. Gemeinsam sind sie alle ein großer Schatz!
Ich lebe mein Leben in wachsenden Ringen,
die sich über die Dinge ziehn.
Ich werde den letzten vielleicht nicht vollbringen,
aber versuchen will ich ihn.
Ich kreise um Gott, um den uralten Turm,
und ich kreise jahrtausende lang;
und ich weiß noch nicht:
bin ich ein Falke, ein Sturm
oder ein großer Gesang.
Rainer Maria Rilke