Schlechte Stimmung? Vom guten Umgang mit
Konflikten
Wir brauchen Konflikte!
Konflikte, unterschiedliche Standpunkte, Meinungen
und Sichtweisen gehören zum Alltag. Nicht nur beruflich, sondern
auch privat. Wenn es zu einem Konflikt kommt, dann wird ganz klar
erkennbar, dass es nicht nur einen Blick auf eine Situation gibt,
sondern mehrere. Diese verschiedenen Ansichten können Sie als
Bedrohung oder als Bereicherung erleben. Auch bei Konflikten gibt
es das halbleere oder halbvolle Glas. Die gute Seite bei diesen
anstrengenden Reibereien ist: Konflikte sind ein Merkmal dafür,
dass eine Einrichtung, ein Team »lebt«. Das heißt, es entwickelt
sich weiter und stagniert nicht, denn im Konfliktfall tauschen sich
Menschen aus und rangeln um Standpunkte und verschiedene
Positionen.
Jede Person, die an einem Konflikt beteiligt ist,
hat einen ganz individuellen Blick auf das Geschehen, und jede
empfindet die daraus resultierenden Spannungen anders. Dadurch
erklärt sich, warum Sie in einer Teamsitzung mit einer Kollegin
heftig streiten, während andere die Achseln zucken oder gar leicht
gelangweilt fragen: »Warum regt ihr euch denn so auf?«
Frage
Wie erging es Ihnen beim letzten beruflichen
Konflikt? Können Sie sich noch an den Auslöser, das Gefühl
erinnern, das Sie hatten? Wie haben Sie es geschafft, den Konflikt
zu lösen? Ist etwas von diesem Lösungsweg auf die Lösung anderer
Konflikte übertragbar? Gibt es eine gute Erfahrung, die für Sie der
Gewinn des Konfliktes war?
Typische Konflikte in pädagogischen Teams
entstehen durch
• ungerechte/unklare Verteilung der Arbeit
• Ausfälle durch Krankheit (oft ein
unterschwelliger Konflikt)
• Anforderungen des Trägers, der Leitung
• veränderte Arbeitsbedingungen, wie Änderung der
Öffnungszeiten
• Antipathien einer Kollegin gegenüber
• sich nicht ernst genommen fühlen
• demografischer Wandel, ältere/junge
Erzieherinnen
• Erwartungen der Eltern
• sowie das Problem, die Eltern als Kunden
behandeln zu müssen
Konflikte können ein Motor für die
Weiterentwicklung und Veränderung nicht nur eines Menschen sein,
sondern für alle, die an der »Betriebsstörung« beteiligt
sind.
Das Wort »Konflikt«, aus dem Lateinischen
abgeleitet, bedeutet so viel wie »Zusammenstoß«, also ein kurzer
Ruck. Die Realität gestaltet sich meist heftiger und
langwieriger.
Wenn wir Konflikte mit anderen austragen, bedeutet
dies nicht nur die Auseinandersetzung um eine Sache, eine
Angelegenheit oder einen Vorgang. In der Regel fühlen wir uns auch
oft selbst betroffen. Diese Betroffenheit drückt sich zumeist in
Gefühlen aus und die sind wieder höchst individuell. Bedrücktheit,
Traurigkeit oder Wut werden von jedem Menschen anders empfunden.
Das, was Sie in der Folge zurückhaltend macht, kann einem anderen
Menschen Ansporn sein.
Was hinter einem Konflikt stehen kann
Wir sind alle so verschieden, aber oft genug
wollen wir das nicht wahrhaben. Erlauben wir uns das Wissen, dass
wir nichts oder nur wenig vom anderen wissen?
Selbst die Kinder unserer Gruppe, deren Eltern und
auch unsere langjährigen Kolleginnen bleiben uns zu einem Teil auf
immer fremd. Erinnern Sie sich noch an das Bild von den
»Landkarten« aus dem Kapitel über Teams?
Tritt ein Konflikt auf, so ist an der Oberfläche
meist nur ein Teil dessen sichtbar, worum es eigentlich geht. Es
gibt eine Ausgangssituation, einen Auslöser, aber das ist nur die
Spitze des Eisbergs. Unter dem Wasserspiegel finden sich viele
andere Aspekte, die zur aktuellen Lage beitragen.
In einen Konflikt kann vieles mit hineinspielen,
was vielleicht wenig oder gar nichts mit der akuten Situation zu
tun hat. Das Bild oben zeigt, wie unterschiedlich und vielfältig
die Aspekte sein können, die unser Gegenüber ebenso wie uns selbst
aus der Tiefe heraus beeinflussen.
Manchmal kann allein die Erkenntnis, dass wir alle
einen riesigen »unsichtbaren Eisberg« mit uns durch die Welt
schieben, dazu beitragen, dass wir mit etwas mehr Gelassenheit,
Humor und Mitgefühl für alle Beteiligten auf eine spannungsreiche
Situation schauen.
Konflikte mal aus einer anderen Perspektive gesehen
Als Erzieherin, ich will es mal salopp ausdrücken,
schmoren Sie mit Ihren Kolleginnen ein wenig im eigenen Saft, kann
das sein? Ich kenne viele Teams, in denen manche Kolleginnen schon
seit Jahrzehnten zusammenarbeiten. Einerseits kennt man sich,
andererseits ist es ein wenig so wie mit der Familie: Gelegentlich
wäre man sich auch gerne mal wieder »los«. Die Strukturen sind
eingefahren, neue Kolleginnen bringen »Unruhe« mit, vielleicht
sogar Besserwisserei.
Besonders Frauen suchen eher den Gleichklang, das
Miteinander und die Harmonie, weil das Streben nach Gemeinsamkeiten
und Kooperation in unserer Frauengeschichte verankert ist und so
seit den Anfängen unserer Art zum Überleben der menschlichen Rasse
beigetragen hat. Männer können Disharmonie oft sehr viel besser
aushalten (und Ausnahmen bestätigen auch hier die Regel). Wer hat
das nicht schon einmal in einer Beziehung erlebt, dass der Partner
nach einem Streit sich schnell und scheinbar unbelastet anderen
Aufgaben zuwendet, während man selbst, als Frau, noch über den
Vorwürfen und Streitpunkten kocht und brütet? Ich glaube, dass
weder das eine noch das andere sehr hilfreich ist. Konflikte müssen
bearbeitet werden und das kann auch mit Leichtigkeit
geschehen.
Durch den Mangel an männlichen Erziehern werden
Konflikte in Kitas meist »weiblich« gelöst, also oft nach gleichen
Mustern. Es mangelt an frischem Wind, Herausforderungen und
zuweilen auch an unbequemen Zeiten, wie man sie im Arbeitsteam mit
Männern erlebt. Nun können Sie sich weder einen männlichen Kollegen
basteln noch einen kidnappen, aber es bleibt dennoch die Frage: Wie
können Sie die männliche Sicht und neue Herausforderungen in Ihre
Arbeit und persönliche Weiterentwicklung integrieren? In einem
Interview mit Rainer, 50 Jahre, einem früheren Kollegen im
Heimbereich, der heute als Erzieher im Kindergarten tätig ist, wird
sichtbar, von welchen »männlicheren« Herangehensweisen sich
Erzieherinnen anregen lassen könnten.
Interview
Rainer: »Je kleiner die Kinder, desto weniger
arbeiten Männer mit ihnen. Ich werde also gebraucht!« (lacht)
Christine: »Wie ist die Zusammenarbeit mit deinen
Kolleginnen? Siehst du Unterschiede?«
Rainer: »Frauen müssen alles intensiver
ausdiskutieren. Mir ist das manchmal zu viel. Ich würde das dann
gerne abkürzen, zügiger abwickeln. Mir ist die Zeit dann zu schade,
um noch mal um das Problem zu kreisen. Aber sicher hat es auch
Vorteile, nicht immer so männlich schnell zu sein, sondern sich die
Dinge von allen Seiten zu betrachten. Aber an sich ist unsere
Kommunikation sehr gut. Wie unterstützen uns gegenseitig.«
Christine: »Merkst du einen Unterschied zu deinen
Kolleginnen in Bezug auf die Eltern?«
Rainer: »Ja, die Väter kommen gerne auf mich zu.
Die suchen das Gespräch von Mann zu Mann.«
Christine: »Und bei den Kindern?«
Rainer: »Die Jungs kommen auch eher zu mir. Die
suchen das Reibende, wollen kämpfen, mit mir toben. Die Mädchen
suchen das auch gelegentlich.«
Christine: »Raufen deine Kolleginnen auch mit den
Kindern?« Rainer: »Nein, eher nicht. Obwohl ich diese
Körperlichkeit sehr wichtig finde. Beim Raufen kommt man mit den
Kindern wirklich noch mal neu in Kontakt. Da verändert sich etwas,
kommt in Bewegung. Nicht nur bei den Kindern, auch mir ist das ganz
wichtig. Ich finde, Erzieher, egal ob Männer oder Frauen, die nicht
raufen, verpassen was.«
Christine: »Fällt dir noch ein Unterschied
ein?«
Rainer: »Ja. Manchmal braucht es eine maskuline
Herangehensweise. Ein: ›So wird’s jetzt gemacht. Fertig aus.‹ Es
braucht auch die weibliche, einfühlsame, aber die ist ja in
Kindergärten und Grundschulen meist eh schon
überrepräsentiert.«
Christine: »Hast du dir einen männlichen Bereich
im Kindergarten ausgewählt?«
Rainer: »Ich arbeite in der Holzwerkstatt, aber
das machen Frauen auch. Ein weiterer Schwerpunkt ist das Angebot
naturwissenschaftlicher Experimente. Das ist sehr spannend.«
Christine: »Was findest du an deiner Arbeit
anstrengend?«
Rainer: »Die Lautstärke und die ständige
Verfügbarkeit.«
Christine: »Wie sehen deine Perspektiven
aus?«
Rainer: »Es gibt kaum welche. Ich möchte in keine
Leitungsfunktion und der Tariflohn ist jetzt schon ausgereizt. Die
momentane Situation ist auch so, dass viele Erzieher auf ihren
Stellen bleiben, weil ein Wechsel nur finanzielle
Verschlechterungen mit sich bringt. Ich weiß nicht, wie es bei mir
weitergeht. Mit 65 Jahren noch immer Erzieher im
Kindergarten?«
Christine: »Was hält dich?«
Rainer: »Na, entweder ist der Leidensdruck noch
nicht groß genug, oder ich hab den Beruf einfach zu gern.
Vermutlich ist es Letzteres.« (lacht)
Nun sind Ihre Ideen gefragt.
Was könnte eine andere, »männliche« Sicht auf
Konflikte sein?
Wo gibt es neue Herausforderungen?
Ich selbst habe immer sehr viel von
Weiterbildungen profitiert und dann darauf geachtet, dass die
Teilnehmergruppen (wenn möglich) hälftig aus Männern und Frauen
bestanden. In der Weiterbildung bekomme ich einerseits eine
gehörige Prise frischen Wind um die Nase und kann andererseits auch
einmal von der männlichen Sicht auf Konflikte und Situationen
profitieren.
Es geht nicht darum, es »männlich zu machen«,
sondern um neue Sichtweisen und Perspektiven, die alte Strukturen
und eingefahrene Grundmuster inspirieren können.
Schubladendenken: »Ich weiß schon, wie du bist!«
Wenn wir bereits beschreiben können, wie ein
Mensch ist, ohne dass er bislang viel gesagt hat, ist er in einer
unserer inneren Schubladen gelandet. Tatsächlich sind Schubladen
zunächst wichtig, um sich von einer Situation ein Bild zu machen.
Ist die Schublade aber tendenziell negativ und damit unflexibel,
hat Ihre Kollegin in Konflikten kaum mehr eine Chance.
Verschlossene Schubladen erkennt man an Sätzen wie:
• »Sie wird es sowieso nicht verstehen.«
• »Den brauchst du gar nicht zu fragen, der kennt
sich nur da aus, wo er will.«
• »Die ist so, die bleibt so, die wird immer so
bleiben.«
• »Ich hab schon oft versucht, ihr was zu sagen,
aber sie ändert sich nicht.«
• »Montags ist sie sowieso mies drauf. Danach
kannst du den Kalender stellen.«
Übrigens: Nicht nur einzelne Kolleginnen, auch
ganze Kindergartengruppen kann man in Schubladen pressen. Dann ist
eine Gruppe »immer laut« und eine andere »sehr kreativ« und mit der
nächsten »ist nichts anzufangen«.
Ist man in einer Schublade gelandet, fühlt man sich
schnell beengt. Stefanie beschreibt das so: »Es kam mir so vor, als
wäre ich wie angebunden. Ich wünschte mir nur noch, dass mich
endlich mal jemand fragt, ob ich mich auch so sehe, wie meine
Kollegin mich beschrieben hat.«
Fragen helfen uns, andere Menschen deutlicher
wahrzunehmen und sie in ihren Handlungen zu verstehen. Fragen
signalisieren Interesse. Dadurch kann sichtbar werden, was die
Kollegin sich wünscht oder was sie bedrückt. Bloße Vermutungen
werden so mit Realität unterfüttert. Was sichtbar ist, kann
besprochen werden - so bekommen nicht nur die Kolleginnen, sondern
auch Lösungen eine Chance. Sie haben darüber ja bereits schon
einiges im Kapitel über Zusammenarbeit im Team erfahren.
Was hilft bei einem Konflikt?
Es gibt viele erprobte und sehr hilfreiche Tools,
die Teams in der Weiterentwicklung und Konfliktlösung unterstützen
und die gleichzeitig für Sie selbst eine persönliche Bereicherung
sein werden. Wenn Sie eine Lösung finden, dann wird diese nie
allein nur für Ihre Arbeit als Erzieherin hilfreich sein, sondern
Sie werden sie auch in persönlichen Kontexten verwenden. Insofern
ist gerade das Lösen von Konflikten ganzheitlich wirksam und sehr
wertvoll.
1.) Worum geht es genau? Und was genau können Sie verbessern?
Je differenzierter und sachlicher Sie bei einem
Konflikt werden, desto hilfreicher ist es für die Lösung. Folgen
Sie bloß einer Stimmung, einem Gefühl oder können Sie einen ganz
konkreten Fall benennen? »Konkret« bedeutet, dass Sie nachprüfbare
Fakten ansprechen.
Schon von der ersten Formulierung kann abhängen,
ob sich ein Problem relativ schnell beheben lässt oder ob ein
Streit vom Zaun bricht. Sicher hören Sie den Unterschied selbst:
»Mann, warum achtet niemand außer mir auf solche
Dinge? Immer lasst ihr die Tür auf!«
oder:
»Als ich um 11 Uhr an die Eingangstür ging, war
sie nicht verschlossen.«
Verallgemeinerungen provozieren Rechtfertigungen
und Gegenangriffe. Zu einer sachlichen Lösung (»Wie wollen wir in
Zukunft sicherstellen, dass die Tür verschlossen ist?«) kommen Sie
leichter, wenn Sie sich an schlichte Tatsachen ohne weitere
»Ausschmückungen« halten.
Hier ein Beispiel, wie eine lösungsorientierte
Gesprächsführung aussehen könnte, bei der die Kollegin wohlwollend
miteinbezogen ist.
»In letzter Zeit arbeiten wir nicht mehr so
reibungslos miteinander. Empfindest du das auch so? (Antwort
abwarten) Ich würde gerne wieder an die Zeiten anknüpfen, in denen
wir Hand in Hand gearbeitet haben. Wie wäre das für dich? (Antwort
abwarten) Was haben wir damals besser gemacht als heute? (Liste
erstellen) Gibt es etwas, das auch eine Lösung sein könnte? Wie
wollen wir dafür sorgen, dass wir zukünftig nicht aneinander
vorbeiarbeiten, sondern miteinander? Wie können wir Störungen
benennen und wann ist dafür der beste Zeitpunkt? (Regelmäßige
Teamsitzungen?)«
2.) Üben Sie den Perspektivenwechsel
Wie sieht Ihre Kollegin den Konflikt? Welche
Gründe könnte sie anbringen? Denken Sie sich diesmal in andere
Köpfe und versuchen Sie zu formulieren, was darin vorgehen könnte
und welche Argumente Ihre Kollegin vorbringen würde, wäre sie jetzt
gefragt. Möglicherweise können Sie sogar etwas spüren. Wir
interpretieren oft, dass unser Gegenüber in einem Konflikt stark,
sicher und unnahbar ist. Spüren wir dann hin, so fühlen wir, dass
auch Kollegen nur Menschen sind, die Unsicherheiten und Ängste
haben.
3.) Erzählen Sie von sich
In der Fachliteratur finden Sie viel über
Ich-Botschaften. Diese sind in der Tat gerade bei einem Konflikt
sehr hilfreich. Wenn Sie etwas sagen möchten, dann vermeiden Sie
Schuldzuweisungen, sondern erzählen Sie von sich.
»Ich habe den Eindruck...«
»Bei mir taucht dann das Gefühl auf...«
»Mir ist wichtig...«
»Für mich ist in diesem Punkt
entscheidend...«
4.) Nehmen Sie sich die Zeit, die Sie brauchen
Es kann sein, dass Sie noch mal nachdenken müssen.
Etwas in Ihnen wird Ihnen signalisieren, wenn es für Sie für ein
Fazit noch zu früh ist. Das verfrühte »Beenden« eines Konfliktes
(»Ja, schon in Ordnung, wir können es auch dabei belassen«) kann
einen neuen provozieren. Etwas brodelt dann weiter und nach kurzer
Zeit fängt man schon wieder damit an. »Ich dachte, es wäre gut!«,
sagt unsere Kollegin dann vorwurfsvoll. Nein, es war eben noch
nicht gut und der vorwurfsvolle Blick bringt Sie jetzt vermutlich
erneut auf die Palme. Sie können diese Situationen vermeiden und
Ihre eigenen Nerven schonen, wenn Sie sich gleich noch etwas Zeit
ausbedingen. »Bitte lass mich noch eine Nacht drüber schlafen.
Können wir morgen den
Faden aufgreifen? Ich habe das Gefühl, dass ich vorab noch etwas
für mich klären will, was für die Lösung hilfreich ist.«
5.) Nörgeln Sie nicht an Ihren Kolleginnen herum
Wenn es etwas gibt, das Sie stört, dann bleiben
Sie sachlich und am Thema. Nörgeleien sind oft persönlich. Etwas
»gefällt« uns nicht am anderen. Wir können aber die Struktur
unseres Gegenübers nicht verändern und entsprechende Versuche
wirken eher übergriffig als unterstützend. Fremdes Verhalten liegt
nicht in unserer Macht. Was wir jedoch können, ist
• an unserer eigenen Haltung arbeiten
• unsere Kommunikation schulen
• herausfinden, wie wir für uns sorgen
können
Das hilft, damit wir nicht unter (eigenen oder
fremden) Druck geraten.
Je öfter und kollegialer Sie Missstimmungen im Team
ansprechen, desto mehr Selbstsicherheit ist für Sie drin. Sie
stellen dann bald fest, dass viele Menschen - genauso wie Sie -
froh sind, wenn Spannungen verschwinden. Kein Mensch arbeitet gerne
mit anderen zusammen, wenn der Haussegen schiefhängt. Viele
Menschen wissen einfach gar nicht, was sie sagen sollen oder sind
sehr scheu. Sie sind nun auf einem guten Weg und werden immer
besser darin werden, wenn es darum geht, eine Situation sachlich
und lösungsorientiert zu klären.
6.) Gehen Sie über das Gefühl hinaus
Es ist nahezu unmöglich, einen Konflikt fruchtbar
zu beenden, wenn wir ausschließlich Gefühle als Auslöser
benennen.
• »Mir stinkt es hier schon lange!«
• »Ich fühl mich nicht gut.«
• »Ich hab Frust.«
• »Das geht für mich nicht so weiter.«
• »Die Kollegin ist komisch.«
All das sind Aussagen, bei denen wir zwar eine
Stimmung erahnen können, aber ändern können wir daran nichts. Ihr
Gegenüber kann nicken oder den Kopf schütteln, aber dazu sagen kann
er eigentlich nichts, denn es ist ja Ihr Gefühl. Gut möglich, dass
er ein ganz anderes hat. Bei Gefühlen gibt es kein »Ich habe
Recht!« oder »Nein, ich!«. Gefühle haben immer Recht und zwar für
den, der sie fühlt und verbalisiert. Besser ist es, Sie
beschreiben, welche Sicht Sie auf den Konflikt haben und was Sie
sich wünschen würden.
• »Für mich stellt sich die Sachlage so
dar:...«
• »Wenn ich mein Erleben beschreiben wollte, dann
würde ich sagen...«
• »Meine Wahrnehmung der Situation ist...«
7.)
Zeigen Sie Respekt, Toleranz, Verständnis und dass Sie willens sind, den Konflikt zu lösen
Das ist nicht immer leicht, denn dafür müssen wir
manchmal auch über unseren eigenen Schatten springen oder erkennen,
dass wir einer Kollegin gar kein Feedback geben wollten, sondern
ein »Fiesback«. Auch Sie sind nur ein Mensch und es kann auch Ihnen
passieren, dass Sie ganz einfach eine Sauwut auf eine Kollegin
haben und sich mal richtig Luft verschaffen wollen. Leider bringt
zerschlagenes Porzellan weder Sie noch ein Team weiter. Es gibt nur
Ärger mit den Scherben.
Wenn Sie noch nicht genau wissen, um was es
eigentlich für Sie geht, dann beantworten Sie sich selbst folgende
Fragen:
• Wie wäre meine Arbeitssituation, wenn alles
wunderbar laufen würde?
• Was wäre anders im Unterschied zu der
momentanen Situation?
• Gibt es etwas, das ich mir von meiner Kollegin,
meinem Team wünsche?
• Gibt es etwas, das ich mir für mich wünsche?
Fragen dieser Art führen Sie zur Lösung.
Unterstützung bei schweren Konflikten
Es kann vorkommen, dass Sie - egal ob ein Konflikt
klein oder groß ist - das Gefühl beschleicht, »mit Ihrem Latein am
Ende zu sein«. Sie wissen, was allein falsch zugeschraubte
Zahnpastatuben in Beziehungen anrichten können, es ist daher kein
Wunder, dass sich auch im Beruf Konflikte so massiv anfühlen
können, dass Versöhnung unvorstellbar scheint.
»Petra soll mich nicht schon morgens so dumm
anmachen!«
»Iris hat einen Ton drauf, da mach ich
dicht!«
»Ich möchte hier meine Arbeit tun und ansonsten
sollen mich alle in Ruhe lassen!«
Wenn Sie als Team zusammenarbeiten, dann sind
solche Haltungen auf Dauer nicht lebbar. Menschen sprechen, reden,
verhandeln miteinander. Nur »die Arbeit tun« ist in Ihrem Beruf
nicht drin. Damit Sie Ihre Arbeit gut tun können, brauchen Sie
einander, und Sie brauchen eine Atmosphäre, in der sich auch
konstruktiv zusammenarbeiten lässt.
Manchmal kommt man in schweren oder chronischen
Konflikten alleine nur schwer weiter. In der Regel finden die
Konfliktparteien dann mit Hilfe einer Supervision oder Mediation
wieder zueinander. In Gesprächen wird dann herausgefunden, welche
Anteile und Ansichten die einzelnen Kolleginnen in den Konflikt
einbringen, welche Erwartungen und Wünsche dahinterstehen und was
es braucht, damit alle wieder gerne arbeiten und zusammen sind. Der
»Urknall«, der zuweilen den Konflikt ausgelöst hat, ist übrigens
meistens wirklich nur ein Auslöser. Dahinter steht oft eine
Ursache, ein Schwelbrand, der das ganze Team schon länger betroffen
hat. Insofern stehen am Anfang zwar erst einmal Gespräche mit
einzelnen Kolleginnen, die dann aber bald in eine Teamsupervision
münden.
Scheuen Sie sich also nicht, auch wenn Sie direkt
zu den Konfliktparteien zählen, sich Unterstützung zu holen. Es
lohnt sich und wird sich positiv auf Ihre gemeinsame Arbeit
auswirken. Letztendlich bringt jede Supervisionsstunde nicht nur
dem Team etwas, sondern
auch der persönlichen und beruflichen Reflexion. Das, was Sie
selbst lernen, können Sie in die Arbeit mit den Kindern oder bei
der Anleitung jüngerer Kollegen einfließen lassen. Und private
Zahnpastatuben schrauben sich, als Bonus, häufig auch viel
einfacher zu.
No-Gos im Konflikt
Schuldzuweisungen
»Weil du früher gehen willst, darf ich mal wieder
länger bleiben!«
Du-Botschaften
»Du bist schuld!«
»Weil du auch immer...!«
Opferhaltung
»Lass nur... Ich mach die Küche halt.«
»Ich kenn es ja nicht anders.«
Ausreden
»Ich hätte es ja gemacht, wenn ich da gewesen
wäre!«
»Wenn mein Wecker nicht klingelt, dann klingelt er
nicht!«
Schuldverschiebung
»Moment mal, das hing an den Eltern, dass der
Abend nicht klappte.«
»Die Mutter hatte mich abgelenkt!«
Frechheiten
»Hab ich dich grad etwas gefragt?«
»Halt die Klappe!«
Fiesheiten
»Hast du Probleme daheim, oder warum nörgelst du
an mir herum?«
»Kümmere dich erst mal um dein Gewicht.«
Dominanz
»Also, ich sag jetzt mal, wie wir das
machen.«
»Jetzt seid ihr mal alle ruhig!«
Viele Wahrheiten entdecken
Es gibt nicht die eine Wahrheit. Auch wenn
wir sie zu gerne hätten. Besonders in Konflikten mit anderen
Menschen. Wenn zwei sich streiten, dann haben meistens beide Recht,
weil beide Menschen gute Gründe für ihr Handeln haben. Streit ist
Energie. Wenn die noch vorhanden ist, lässt sich etwas verändern.
Ist die Leidenschaft gestorben, stagniert ein Team. Deswegen sind
Konflikte zwar lästig, tun aber gut.
Wenn wir unser Gegenüber ernst nehmen und
reflektiert von uns erzählen, dann gibt es eine Aussicht, den
Konflikt zu lösen, vorausgesetzt, auch unser Gegenüber entwickelt
ein Interesse an unserer Welt. Zuhören ist gefragt und nicht
Besserwissen. Kein »Ich weiß, was du sagen willst«, denn wir wissen
es ja nicht.
Es gibt viele Wahrheiten, sogar in Ihnen. Denn
heute handeln Sie nach dem einen Muster und morgen bereits nach
einem anderen. Wir entwickeln uns permanent weiter und zeigen an
verschiedenen Tagen unterschiedliche Reaktionen. Deswegen tun
Fragen jetzt so gut. Wir sind von Wahrheiten umgeben und es ist
erleichternd, nicht mehr die eine finden zu müssen, sondern
überraschend viele Wahrheiten zu entdecken.
Annegret arbeitet seit zwanzig Jahren in einem
Berliner Kinderladen. Das Team hat sich in dieser Zeit nur minimal
verändert, obwohl die Konzeption der Einrichtung sich neuen
Bedingungen anpassen musste und auch ganz neue Bereiche daraus
entstanden sind.
Interview
Christine: »Was, glaubst du, habt ihr richtig
gemacht, dass fast alle Kolleginnen noch miteinander
arbeiten?«
Annegret: »Da war die Chemie, die bei uns gleich
stimmte. Ich finde das sehr wichtig. Wir mögen uns, auch
privat.«
Christine: »Und neben der Chemie?«
Annegret: »Wir sind sehr offen zueinander. Wenn
einer etwas auf der Seele brennt, dann sagt sie das gleich. Wir
haben kurze Dienstwege, nehmen einander ernst und versuchen
Konflikte schnell zu lösen.«
Christine: »Seid ihr ehrlich zueinander?«
Annegret: »Unbedingt. Ich kann mich darauf
verlassen, dass meine Kolleginnen die Dinge so meinen, wie sie sie
sagen. Sie tratschen nicht hinter meinem Rücken, sondern sind
direkt.« Christine: »Hattet ihr auch mal eine Kollegin, die nicht
ins Team passte?«
Annegret: »Ja, die verstand unsere Arbeit und ihre
Rolle ganz anders als wir. Das zeigte sich in ihrer Arbeit. Wir
haben erst versucht, mit ihr darüber zu diskutieren, aber sie hatte
einen komplett anderen Ansatz. Als verschiedene Kinder nicht mehr
kommen wollten, weil ihr Stil und unserer einfach so
unterschiedlich waren, da haben wir uns von ihr getrennt.«
Christine: »Was hat sich in den Jahren vom Konzept
her verändert?«
Annegret: »Früher hatten wir Schulkinder, das geht
nun nicht mehr, denn die Horte gehören jetzt zu den Schulen. Also
haben wir eine Gruppe für Einjährige eröffnet. Die leite nun ich.«
Christine: »Und wie erlebst du diese Veränderung?«
Annegret: »Am Anfang war das schrecklich für mich!
Ich dachte mir: Was soll ich denn bloß mit den Kleinen machen? Ich
hatte immer nur Schulkinder betreut.«
Christine: »Was hat dich unterstützt?«
Annegret: »Meine Kolleginnen. Die ließen mich an
ihrer Erfahrung teilhaben, ich besuchte Fortbildungen, die ich mit
ihnen
nachbesprechen konnte, und jetzt ist mir mein neuer Arbeitsbereich
schon sehr vertraut.«
Christine: »Findet ihr schnell einen Konsens? Seid
ihr darum bemüht?«
Annegret: »Nur wenn es der Sache dient und nicht,
um Befindlichkeiten zu schonen oder um Konflikte zu verdecken. Wir
reiben uns auch. Für mich ist das wichtig, damit wir weiter
voneinander lernen. Und manchmal muss man auch etwas ausprobieren,
bei dem Kolleginnen erst einmal skeptisch sind.«