33
Milosevic und Brogan hatten sich nebeneinander auf der hinteren Sitzbank des Air-Force-Helikopters angeschnallt. McGrath, Johnson und der Adjutant des Generals zwängten sich in die mittlere Sitzreihe. Die Crew saß Schulter an Schulter vorn. Sie starteten in Silver Bow und ratterten nach Nordwesten über die Stadt Butte davon, die Nase gesenkt, auf niedriger Flughöhe und um maximale Fluggeschwindigkeit bemüht. Der Helikopter war ein alter Bell, den man mit einem neuen Antriebsaggregat ausgerüstet hatte, und flog beinahe hundertzwanzig Meilen die Stunde, weshalb das Kabinengeräusch ziemlich laut war. Demzufolge schrien McGrath und Johnson in ihre Funkmikrophone, um sich einigermaßen verstehen zu können.
McGrath war zum Hoover Building durchgeschaltet. Er versuchte mit Harland Webster zu sprechen.
Er hielt eine Hand über das Mikro und presste sich mit der anderen die Kopfhörer gegen die Ohren. Er redete über die Raketeneinheit. Er wusste nicht, ob Webster ihn hörte. Also wiederholte er das, was er zu sagen hatte, immer wieder, tat das, so laut er konnte. Dann legte er den Schalter um und riss sich die Kopfhörer herunter. Warf sie nach vorn zum Kopiloten.
Johnson redete mit Peterson. Der Funkkontakt war noch nicht wieder hergestellt worden. Er beschränkte sich darauf, einen neuesten Bericht über sichere Kabelleitung direkt zu der mobilen Kommandostation zu bestellen. In zwei Stunden. Die Antwort war unverständlich. Er nahm die Kopfhörer ab und sah McGrath fragend an. McGrath reagierte darauf mit einem Schulterzucken. Der Hubschrauber ratterte weiter.
Harland Webster hörte, wie der schrille Lärm plötzlich aufhörte. Er legte den Hörer auf, beugte sich vor und drückte den Summer für seine Sekretärin.
»Wagen«, sagte er.
Er ging zum Fahrstuhl und fuhr in die Garage hinunter. Ging zu seiner Limousine. Sein Fahrer hielt ihm die Tür auf.
»Weißes Haus«, sagte er.
Diesmal antwortete der Fahrer nicht. Gab nur Gas und fuhr aus der Garage. Reihte sich draußen in den dichten Nachmittagsverkehr ein. Kroch die sechzehnhundert Meter in westlicher Richtung, ohne ein Wort zu sagen. Webster wurde in den weiß getünchten Raum gewiesen. Dort wartete er eine Dreiviertelstunde. Dann kam Dexter herein. War sichtlich nicht sehr erfreut darüber, ihn nach so kurzer Zeit schon wieder zu sehen.
»Die haben Raketen gestohlen«, sagte Webster.
»Was für Raketen?«, fragte Dexter.
Er beschrieb ihm alles, so gut er konnte. Dexter hörte zu. Nickte nicht. Stellte keinerlei Fragen. Reagierte nicht. Sagte ihm nur, dass er in dem Zimmer warten solle.
Der Bell-Helikopter landete auf einer mit Kies bedeckten Abzweigung zweihundert Meter südlich der Stelle, wo die nach Yorke führende Straße enger wurde und in die Hügel anstieg. Der Pilot ließ den Motor laufen, und die fünf Passagiere stiegen gebückt aus und rannten in dieser Haltung weiter, bis sie außer Reichweite der Rotoren waren. Auf der Straße vor ihnen standen Fahrzeuge. Eine Reihe von Militärfahrzeugen kroch über den Asphalt. Eines davon machte langsam auf der Straße kehrt. Es wendete auf dem engen Raum zwischen den Felswänden und kam näher. In fünfzig Meter Entfernung verlangsamte es seine Fahrt und hielt an. General Johnson trat jetzt auf die Straße, sodass man ihn sehen konnte. Der Wagen rollte weiter und hielt vor ihm an. Es war ein neuer Chevrolet, der in einem stumpfen Oliv lackiert war. Auf der Motorhaube und an den Türen waren in Schablonenschrift weiße Buchstaben und Ziffern aufgemalt. Ein Offizier stieg aus. Er machte eine Ehrenbezeigung vor dem General und öffnete dann die drei anderen Türen. Die fünf Männer quetschten sich hinein, und der Wagen wendete wieder und rollte die zweihundert Meter nach Norden zu den dort wartenden Fahrzeugen.
»Der Kommandoposten ist unterwegs, Sir«, sagte der Offizier. »Die sollten in vierzig Minuten hier sein. Die Satelliten-LKWs sind eine Stunde weiter hinten. Ich schlage vor, Sie warten im Wagen. Draußen fängt es an kalt zu werden.«
»Irgendwelche Nachrichten von der Raketeneinheit?«, fragte Johnson.
Der Offizier schüttelte im Halbdunkel den Kopf.
»Kein Ton, Sir«, sagte er.
Webster wartete beinahe eine Stunde. Dann öffnete sich die Tür des kleinen, weiß getünchten Zimmers einen Spalt. Ein Agent vom Geheimdienst stand da. Blauer Anzug, Draht, der aus seinem Kragen zu seinem Ohrhörer führte.
»Bitte folgen Sie mir, Sir«, sagte der Agent.
Webster stand auf, und der Mann hob die Hand und sagte etwas zu seiner Manschette. Webster folgte ihm durch einen lautlosen Korridor in einen Aufzug. Der Aufzug war klein und langsam. Er brachte sie ins Erdgeschoss hinunter. Sie gingen durch einen weiteren Korridor und hielten dann vor einer weißen Tür inne. Der Agent klopfte einmal und öffnete sie dann.
Der Präsident saß auf seinem Sessel hinter seinem Schreibtisch. Der Stuhl war so gedreht, dass er dem Raum den Rücken zuwandte. Er starrte durch die kugelsicheren Fensterscheiben auf die Dunkelheit hinaus, die sich gerade über den Garten herabsenkte. Dexter saß auf einem Armsessel. Keiner von beiden forderte ihn auf, Platz zu nehmen. Der Präsident drehte sich nicht um. In dem Augenblick, in dem er hörte, wie sich die Tür schloss, fing er zu reden an.
»Angenommen, ich wäre ein Richter«, sagte er. »Und angenommen, Sie wären ein Polizist und zu mir gekommen, um sich einen Haftbefehl zu holen.«
Webster konnte das Gesicht des Präsidenten in dem dicken Glas sehen. Es war bloß ein rosa Schimmer.
»Okay, Sir, was ist, wenn ich einer wäre?«, sagte er.
»Was haben Sie denn in der Hand?«, fragte ihn der Präsident. »Und was haben Sie nicht in der Hand? Sie wissen nicht einmal mit Sicherheit, dass Holly überhaupt dort ist. Sie haben einen verdeckten Ermittler dort, und der hat es Ihnen nicht bestätigt. Sie vermuten das lediglich, sonst nichts. Und diese Raketengeschosse? Die Army hat den Funkkontakt verloren. Das könnte kurzfristig sein. Dafür könnte es alle möglichen Gründe geben. Ihr verdeckter Ermittler hat nichts davon erwähnt.«
»Er könnte Schwierigkeiten haben, Sir«, sagte Webster. »Und man hat ihn aufgefordert, vorsichtig zu sein. Er hängt nicht ständig an der Leitung und erstattet Bericht. Er arbeitet verdeckt, oder? Er kann nicht jederzeit, wenn ihm danach ist, einfach in den Wald verschwinden.«
Der Präsident nickte. Der rosa Schimmer auf der Glasscheibe bewegte sich auf und ab. Da war etwas Mitgefühl.
»Das ist uns klar, Harland«, sagte er. »Wirklich. Aber wir müssen doch davon ausgehen, dass er sich bei Dingen dieser Größenordnung besonders anstrengt, oder nicht? Aber Sie haben nichts gehört. Sie liefern uns also lediglich Spekulationen.«
Webster spreizte die Hände. Sprach jetzt direkt zum Hinterkopf des Präsidenten.
»Sir, das ist eine große Sache«, sagte er. »Die bewaffnen sich, die haben eine Geisel genommen, die reden davon, sich von den Vereinigten Staaten loszusagen.«
Der Präsident nickte.
»Verstehen Sie denn nicht, dass genau das das Problem ist?«, sagte er. »Wenn es hier um drei Spinner ginge, die sich mit einer Bombe in einer Hütte im Wald verkrochen haben, würden wir Sie sofort hinschicken. Aber das ist nicht der Fall. Das hier könnte zu der größten Verfassungskrise seit 1860 führen.«
»Dann sind Sie also meiner Ansicht«, meinte Webster. »Sie nehmen die Leute ernst.«
Der Präsident schüttelte den Kopf. Die Geste wirkte traurig, so als ob er verärgert, aber nicht überrascht wäre. Webster begriff nicht.
»Nein«, sagte er. »Wir nehmen sie nicht ernst. Genau das ist es, was diese ganze Geschichte so verdammt schwierig macht. Die sind eine Bande irregeleiteter Idioten, die überall ein Komplott oder eine Verschwörung sehen und etwas von Unabhängigkeit für ihr armseliges kleines Stückchen wertloses Land faseln. Aber die eigentliche Frage ist die: Wie sollte eine reife demokratische Nation darauf reagieren? Sollte man sie alle massakrieren, Harland? Ist das die Reaktion einer reifen Nation? Sollte sie tödliche Gewalt gegen ein paar irregeleitete Idioten einsetzen? Wir haben eine ganze Generation lang die Sowjets dafür verdammt, dass sie das getan haben. Werden wir jetzt dasselbe tun?«
»Es sind Verbrecher, Sir«, sagte Webster.
»Ja, das sind sie«, pflichtete ihm der Präsident geduldig bei. »Sie sind Fälscher, sie sind im Besitz illegaler Waffen, sie bezahlen keine Bundessteuern, sie schüren Rassenhass, vielleicht haben sie sogar einen gepanzerten Geldtransport ausgeraubt. Aber das sind alles Details, Harland. Aus der nationalen Perspektive sind es einfach unzufriedene Bürger. Und wie reagieren wir darauf? Wir ermuntern unzufriedene Bürger in Osteuropa dazu, sich auf die Hinterbeine zu stellen und ihre nationale Unabhängigkeit zu erklären, stimmt’s? Und wie gehen wir mit unseren eigenen unzufriedenen Bürgern um, Harland? Erklären wir ihnen den Krieg?«
Harland biß die Zähne zusammen. Er hatte das Gefühl zu schweben. So, als würden die flauschigen Teppiche und die dezente Farbe und die fremdartige, leicht parfümiert wirkende Luft im Oval Office ihn ersticken.
»Es sind Verbrecher«, wiederholte er. Etwas anderes fiel ihm im Augenblick nicht ein.
Der Präsident nickte. Da war immer noch gewisses Mitgefühl.
»Ja, das sind sie«, pflichtete er Webster erneut bei. »Aber sehen Sie das Bild doch aus der nationalen Perspektive, Harland. Sehen Sie, was ihr entscheidendes Vergehen ist. Ihr entscheidendes Vergehen ist, dass sie ihre Regierung hassen. Wenn wir darauf zu schroff reagieren, könnten wir eine Krise auslösen. Wie schon gesagt, es gibt vielleicht sechzig Millionen Amerikaner, die jederzeit abkippen könnten. Das ist dieser Administration sehr wohl bewusst, Harland. Diese Regierung wird äußerst vorsichtig auftreten.«
»Aber was ist mit Holly?«, fragte er. »Sie können sie doch nicht einfach opfern.«
Ein langes Schweigen trat ein. Der Präsident drehte seinen Sessel immer noch nicht herum, wandte ihm den Rücken.
»Ich kann auch ihretwegen nicht reagieren«, sagte er dann ruhig. »Ich darf mir einfach nicht erlauben, das persönlich zu nehmen. Können Sie das denn nicht begreifen? Eine persönliche, emotionale zornige Reaktion wäre falsch. Das wäre ein schlimmer Fehler. Ich muss abwarten und nachdenken. Ich habe mit dem General darüber gesprochen. Stundenlang haben wir darüber geredet. Offen gestanden, Harland, er ist sauer auf mich, und, um auch das offen zu sagen, ich kann es ihm nicht verübeln. Er ist so ziemlich der älteste Freund, den ich habe, und er ist sauer auf mich. Reden Sie also hier nicht von Opfer, Harland. Denn dieses Amt hier verlangt ständig Opfer von einem. Man muss ständig dem Wohl der ganzen Nation den Vorrang vor Freundschaft geben, vor all den eigenen Interessen, die man hat. Ständig muss man das. Genau das bedeutet es, Präsident zu sein.«
Dann herrschte wieder langes Schweigen.
»Und was haben Sie mir jetzt zu sagen, Mr. President?«, fragte Webster.
Wieder ein langes Schweigen.
»Ich sage Ihnen gar nichts«, erklärte der Präsident. »Ich sage, dass Sie persönlich die Kommandogewalt über diese Situation haben. Ich sage, kommen Sie am Montagmorgen zu Mr. Dexter, wenn es dann immer noch ein Problem gibt.«
Niemand wartete im Wagen. Dafür waren alle zu unruhig. Sie stiegen aus und gingen ziel- und planlos in der kühlen Bergluft herum. Johnson und sein Adjutant schlenderten mit dem Fahrer ein Stück nach Norden und betrachteten die Stelle, die für den Kommandoposten vorgesehen war. McGrath, Brogan und Milosevic hielten sich als Dreiergruppe von den anderen abseits. McGrath rauchte, tief in Gedanken. Hie und da ging er zu dem Chevrolet und benutzte das Autotelefon. Er sprach mit der Montana State Police, der Elektrizitätsgesellschaft, der Telefongesellschaft und der Forstverwaltung.
Brogan und Milosevic gingen zu einem gepanzerten Fahrzeug. Keinem Panzer, eher einem Mannschaftswagen. Der Offizier, der ihnen mit dem Wagen entgegengekommen war, und vielleicht acht Soldaten hielten sich in der Umgebung des Fahrzeugs auf. Große wortkarge Männer, die im Windschatten der Felsen Zelte aufschlugen. Brogan und Milosevic nickten ihnen grüßend zu und schlenderten dann wieder zurück. Sie traten zu McGrath und warteten.
Als vielleicht vierzig Minuten vergangen waren, hörten sie alle weit im Süden das schwache Dröhnen schwerer Dieselmotoren. Das Geräusch wurde lauter und kam dann um die Kurve herum. Es handelte sich um einen kleinen LKW-Konvoi. Große, schwerfällig wirkende Fahrzeuge auf überdimensionierten Fahrgestellen mit riesigen Rädern und gewaltigen Reifen, die sich mit mahlendem Geräusch bewegten. Sie kamen näher, bewegten sich langsam im niedrigen Gang. Der Offizier aus dem Wagen eilte ihnen entgegen. Zeigte ihnen, wo sie hinfahren sollten. Sie dröhnten langsam vorbei und hielten dann in Zweierreihen an der Stelle an, wo die Straße eine Art Pass zwischen den Felsen bildete.
Es waren vier Fahrzeuge. Schwarze und grüne Tarnbemalung, Netzrollen an den Seiten, in Schablonenschrift aufgetragene Ziffern und große weiße Sterne. Die zwei vorderen Fahrzeuge starrten vor Antennen und kleinen Schüsseln. Die hinteren beiden dienten als Unterkunft. Jedes Fahrzeug hatte an den vier Ecken Hydraulikstützen. Die Fahrer ließen die Stützen herunter, so dass das Gewicht sich von den Reifen auf sie verlagerte. Die Stützen pressten sich gegen die geneigte Straße und bewegten sich so lange, bis die Fahrzeuge waagrecht standen. Dann wurden die Motoren ausgeschaltet, und das Dröhnen der Dieselmotoren erstarb, machte dem Schweigen der Berge Platz.
Die vier Fahrer kletterten heraus. Sie rannten zur Hinterseite ihrer Fahrzeuge und öffneten die Türen. Holten kurze Aluminiumleitern heraus und klappten sie aus. Gingen hinein und legten Schalter um. Grünes Licht erfüllte die Innenräume. Dann kamen die Fahrer wieder heraus. Gruppierten sich und machten dem Offizier eine Ehrenbezeigung.
»Die gehören jetzt Ihnen, Sir«, sagte der Mann ganz vorn.
Der Offizier nickte. Deutete auf den Chevy.
»Fahren Sie damit zurück«, sagte er. »Und vergessen Sie, dass Sie je hier waren.«
Der Mann machte erneut eine Ehrenbezeigung.
»Verstanden, Sir«, sagte er.
Die vier Fahrer gingen zu dem Chevy. Ihre Stiefel hallten laut in der Stille der Bergwelt. Sie stiegen ein und schalteten den Motor ein. Wendeten auf der Straße und verschwanden in südlicher Richtung.
Als Webster in sein Büro zurückkehrte, fand er dort auf seinem Schreibtisch das Profil Borkens sowie einen Besucher, der ihn erwartete. Grüne Uniform unter einem khakifarbenen Trenchcoat, sechzig, vielleicht auch fünfundsechzig Jahre alt, eisgraue Stoppeln, die einen Teil seines Schädels bedeckten, abgewetzte braune Lederaktentasche unter dem Arm, abgewetzter Segeltuchkleidersack auf dem Boden zu seinen Füßen.
»Ich höre, Sie möchten mit mir reden«, sagte der Mann. »Ich bin General Garber. Ich war ein paar Jahre lang Jack Reachers Vorgesetzter.«
Webster nickte.
»Ich gehe nach Montana«, sagte er. »Sie können dort mit mir reden.«
»Das haben wir erwartet«, sagte Garber. »Wenn das FBI uns nach Kalispell fliegen kann, wird uns die Air Force den Rest der Strecke einen Helikopter zur Verfügung stellen.«
Webster nickte erneut. Drückte den Summer für seine Sekretärin. Sie war bereits nach Hause gegangen.
»Scheiße«, sagte Webster.
»Mein Fahrer wartet«, erklärte Garber. »Er wird uns nach Andrews bringen.«
Webster rief vom Wagen aus an, und der Lear-Jet des FBI war startbereit, als sie dort eintrafen. Zwanzig Minuten nachdem Webster das Weiße Haus verlassen hatte, befand er sich bereits in westlicher Richtung über der Stadtmitte in der Luft. Er fragte sich, ob der Präsident wohl durch sein dickes, schusssicheres Glas das Brausen der Motoren hören konnte.
Die Air-Force-Techniker trafen mit den Satelliten-LKWs, eine Stunde nachdem die Kommandostation eingerichtet worden war, ein. Ihr Konvoi umfasste zwei Fahrzeuge. Das erste ähnelte dem Kommandoposten selbst: groß, hoch, schwerfällig wirkend, Hydraulikstützen an allen vier Ecken, kurze Aluminiumleiter am hinteren Ende. Das zweite Fahrzeug war ein langer Sattelschlepper mit einer großen Satellitenschüssel, die ganz oben auf einem beweglichen Mechanismus befestigt war. Sobald der Schlepper abgestellt war sprang der Mechanismus an und schwang die Schüssel in eine Position, wo sie die in sieben Meilen Höhe kreisenden Aufklärungsflugzeuge am inzwischen dunkler gewordenen Himmel anpeilen konnte. Ein ständiges Motorengeräusch war zu hören, während die Schüssel einen Bogen beschrieb, freilich viel zu langsam, als dass das Auge es hätte feststellen können. Die Techniker brachten ein Kabel von der Dicke eines jungen Baumschößlings zum Vorschein und befestigten es an einer speziellen Steckdose an der Seitenwand des geschlossenen LKWs. Dann hasteten sie ins Innere des Fahrzeugs und schalteten die Monitore und die Recorder ein.
McGrath ließ sich von den Soldaten in dem gepanzerten Truppentransporter mitnehmen. Sie polterten eine Meile weit nach Süden und trafen sich dort mit einem wartenden Streifenwagen der Montana State Police. Der Polizist führte ein kurzes Gespräch mit McGrath und klappte dann den Deckel seines Kofferraums auf. Er zog eine Schachtel mit roten Warnfackeln und einer Anzahl provisorischer Verkehrszeichen heraus. Die Soldaten rannten im Laufschritt nach Süden und brachten beiderseits einer Tafel mit der Aufschrift »Achtung, Straße nicht befahrbar« Fackeln an. Dann kehrten sie zurück und bauten in der Straßenmitte eine Tafel mit der Aufschrift »Brücke nicht befahrbar« und drei Fackeln auf. Fünfzig Meter weiter nördlich sperrten sie die Straße über die gesamte Breite mit weiteren Fackeln ab. Hinter sich verteilten sie Tafeln mit der Aufschrift »Straße gesperrt«. Als der State Trooper sich auf Slalomkurs in südlicher Richtung entfernt hatte und verschwunden war, holten die Soldaten Äxte aus ihrem Fahrzeug und fingen an Bäume zu fällen. Der gepanzerte Truppentransporter schob sie mit laut dröhnendem Motor und quietschenden Reifen auf die Straße und ordnete sie dort im Zickzack an. Ein Fahrzeug konnte da durchkommen, aber nur, wenn es ganz langsam und vorsichtig fuhr. Zwei Soldaten wurden am Straßenrand als Posten aufgestellt. Die anderen sechs fuhren mit McGrath zurück.
Johnson befand sich im Kommandofahrzeug. Er stand in Funkkontakt mit Peterson. Die Nachrichten waren schlecht. Mit der Raketeneinheit hatte es seit mehr als acht Stunden keinen Funkkontakt mehr gegeben. Johnson hatte dafür eine Daumenregel. Diese Regel hatte er sich in den Dschungeln von Vietnam durch bittere Erfahrung zu Eigen gemacht. Die Daumenregel besagte: Wenn man mit einer Einheit den Funkkontakt mehr als acht Stunden lang verloren hat, schreibt man diese Einheit als Totalverlust ab.
Während des Fluges redeten Webster und Garber nicht miteinander. Das war Websters Entscheidung. Er war als Bürokrat erfahren genug, um zu wissen, dass er alles, was er jetzt von Garber hörte, sich noch einmal würde anhören müssen, wenn schließlich das ganze Team zusammen war. Also saß er stumm im lauten Pfeifen der Turbinen und las das Borken-Profil, das man ihm aus Quantico hatte zukommen lassen. Garber sah ihn die ganze Zeit fragend an, aber Webster ignorierte seine Blicke. Wenn er das jetzt Garber erklärte, würde er es später für McGrath und Johnson nur noch einmal tun müssen.
In Kalispell war es kalt und grau, als sie durch den Flughafenlärm über die Asphaltfläche zu dem Bell-Hubschrauber hinübergingen. Garber identifizierte sich bei dem Kopiloten, worauf dieser eine kurze Leiter auf die Piste hinunterließ. Garber und Webster kletterten in die Maschine und setzten sich auf die ihnen zugewiesenen Plätze. Der Kopilot bedeutete ihnen gestikulierend mit beiden Händen, dass sie sich anschnallen sollten und dass der Flug etwa fünfundzwanzig Minuten in Anspruch nehmen würde. Webster nickte und lauschte dann dem gleichmäßigen Klappern der Rotorflügel, als sie aufstiegen.
General Johnson hatte gerade wieder einmal ein langes Gespräch mit dem Weißen Haus beendet, als er hörte, wie der Hubschrauber sich ratternd näherte. Er stand in der Tür der Kommandostation und sah zu, wie die Maschine auf dem kiesbedeckten Randstreifen zweihundert Meter südlich von ihm aufsetzte. Er sah zwei Gestalten aussteigen und geduckt auf ihn zu kommen. Dann hob der Hubschrauber wieder ab und flog in südlicher Richtung davon.
Er ging den beiden entgegen, erreichte sie auf halbem Wege. Nickte Garber zu und zog Webster beiseite.
»Etwas Neues?«, fragte er.
Webster schüttelte den Kopf.
»Unverändert«, sagte er. »Das Weiße Haus geht auf Nummer sicher. Bei Ihnen?«
»Nichts«, erklärte Johnson.
Webster nickte. Mehr gab es nicht zu sagen.
»Was haben wir hier?«, fragte er.
»Der Präsident weiß offiziell von nichts«, erklärte Johnson. »Wir haben zwei Kameraflugzeuge in der Luft. Das ist ein Übungseinsatz. Wir haben acht Marines und ein Panzerfahrzeug. Ebenfalls ein Übungseinsatz. Ihre Vorgesetzten wissen, wo sie sind, aber sie wissen nicht genau, weshalb sie hier sind, und stellen keine Fragen.«
»Sie haben die Straße abgesperrt?«, fragte Webster.
Johnson nickte.
»Wir sind hier oben ganz auf uns allein gestellt«, erklärte er.