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Die FBI-Maschine tankte in Fargo nach und flog dann auf Südwestkurs nach Kalifornien. McGrath hatte sich noch einmal dafür ausgesprochen, gleich nach Montana zu fliegen, aber Webster hatte ihn überstimmt. Eins nach dem anderen, war Websters geduldiges Motto, und deshalb würden sie zuerst in Kalifornien Erkundigungen über Beau Borken einziehen und anschließend zum PetersonLuftwaffenstützpunkt in Colorado fliegen, um sich dort mit General Johnson zu treffen. McGrath war so ziemlich der einzige lebende Mitarbeiter des FBI, der es fertigbrachte, Webster anzubrüllen, und hatte das auch getan, aber streiten und sich durchsetzen sind zwei Paar Stiefel, und so flogen sie jetzt alle zuerst nach Mojave. McGrath, Webster, Brogan und Milosevic saßen übermüdet, beunruhigt und finster blickend in der überhitzten, lauten Kabine.

»Ich brauche sämtliches Hintergrundmaterial, das ich bekommen kann«, sagte Webster. »Man hat mir die persönliche Verantwortung übertragen, und diesen Typen kann ich nicht mit vagen Erklärungen kommen, oder?«

McGrath funkelte ihn böse an und dachte: Sparen Sie sich doch Ihre albernen Hauptstadtspielchen, Webster, schließlich geht es um Hollys Leben. Aber er sagte nichts. Saß einfach bloß da, bis die kleine Maschine sich schließlich auf den Flugplatz am Rande der Wüste hinabsenkte.

Kurz nach zwei Uhr morgens Westküstenzeit waren sie gelandet. Der Agent-in-Charge von Mojave erwartete sie in seinem Privatwagen auf der Piste. Er fuhr sie in südlicher Richtung durch die schlafende Ortschaft.

»Die Borkens waren eine Familie aus Kendall«, sagte er. »Ein kleines Kaff, fünfzig Meilen von hier. Lebt hauptsächlich vom Anbau von Zitrusfrüchten. Eine Ein-Mann-Polizeibehörde. Der Sheriff erwartet uns.«

»Weiß er etwas?«, fragte McGrath.

Der Mann am Steuer zuckte die Schultern.

»Vielleicht«, sagte er. »Kleines Kaff, ja?«

Die fünfzig Meilen quer durch die nächtliche Wüste nahmen bei fünfundachtzig Meilen die Stunde gerade sechsunddreißig Minuten in Anspruch. Kendall war eine kleine Ansammlung von Häusern mitten in einem Meer von Zitrushainen. Es gab eine Tankstelle, einen General Store, eine Farmergenossenschaft und einen flachen Betonbau mit ein paar Peitschenantennen auf dem Dach. Auf dem Parkplatz davor stand ein blitzblank gewienerter schwarzweiß lackierter Streifenwagen mit der Aufschrift Kendall County Sheriff. In dem Bürofenster hinter dem Wagen brannte eine einzelne Lampe.

Die fünf Agenten streckten sich, gähnten in der trockenen Nachtluft und trotteten dann hintereinander in den Betonbau. Der Sheriff von Kendall County war ein Mann um die sechzig, kräftig gebaut, grau. Er wirkte verlässlich. Webster bedeutete ihm, er solle Platz behalten, und dann legte McGrath die vier Hochglanzfotos vor ihm auf den Schreibtisch.

»Kennen Sie diese Typen?«, fragte er.

Der Sheriff zog die Fotos näher heran und sah sie sich der Reihe nach an. Dann hob er sie auf und sortierte sie neu. Legte sie wieder vor sich auf die Schreibtischplatte, als würde er ein Spiel riesiger Karten ausbreiten. Schließlich nickte er und zog eine Schreibtischschublade auf. Entnahm ihr drei beigefarbene Aktendeckel. Er legte sie unter drei der Fotos und tippte mit einem dicken Stummelfinger auf das erste Gesicht.

»Peter Wayne Bell«, sagte er. »Stammt aus Mojave, war aber oft hier. Kein besonders netter Junge, wie Sie ja vermutlich wissen.«

Er deutete mit einer Kopfbewegung auf den Bildschirm seines Computers, der neben seinem Schreibtisch auf einem Computerwagen stand. Man konnte auf dem Bildschirm eine Seite aus der Datenbank des National Crime Center erkennen. Es handelte sich um den Bericht der Polizei von North Dakota hinsichtlich der Identität der Leiche, die sie in einem Graben gefunden hatten. Die Identität und die Vorgeschichte.

Der Sheriff hob die Hand und legte den Finger auf das nächste Foto. Es zeigte den Mann mit der Pistole, der Holly Johnson auf den Rücksitz des Lexus gestoßen hatte.

»Steven Stewart«, sagte er. »Genannt Stevie oder Little Stevie. Ein Farmerjunge, bei dem ein paar Schrauben locker sind, wenn Sie wissen, was ich meine. Nervös, aufgeregt, ein übler Typ.«

»Was gibt es in seiner Akte?«, fragte Webster.

Der Sheriff zuckte die Schultern.

»Nichts Ernsthaftes«, meinte er. »Der Junge war bloß dämlicher, als für ihn gut ist. Jedes Mal dasselbe – da ziehen ein paar Jungs aus und richten Unheil an, und wer steht noch da, wenn ich auftauche? Little Stevie. Ich hab ihn wohl ein Dutzendmal eingelocht, aber er hat nie etwas angestellt, womit er ernsthaft in Schwierigkeiten kommen könnte.«

McGrath nickte und deutete auf das Foto des Mannes, der vorne rechts in den Lexus eingestiegen war.

»Und der hier?«, fragte er.

Der Sheriff legte seinen Finger auf den Hals des Mannes.

»Tony Loder«, sagte er. »Das ist ein ziemlich übler Typ. Schlauer als Stevie, dümmer als Sie oder ich. Ich gebe Ihnen die Akte. Vielleicht wird sie Ihnen nicht gerade schlaflose Nächte bereiten, aber Sie werden auch nicht besser damit schlafen, als Sie das ohnehin getan hätten.«

»Und was ist mit diesem großen Typen da?«, fragte Webster.

Der Sheriff ließ seinen Finger an den Fotos entlang wandern und schüttelte dann sein graues Haupt.

»Den habe ich noch nie gesehen«, sagte er. »Das steht fest, und ich würde mich bestimmt an ihn erinnern.«

»Wir denken, dass er vielleicht Ausländer ist«, sagte Webster. »Europäer vielleicht. Möglicherweise spricht er mit Akzent. Klingelt’s jetzt irgendwo?«

Der Sheriff fuhr bloß fort, den Kopf zu schütteln.

»Noch nie gesehen«, erklärte er erneut. »Ich würde mich erinnern.«

»Okay«, sagte McGrath. »Bell, Little Steve Stewart, Tony Loder und der geheimnisvolle Fremde. Was haben die mit diesem Borken-Typen zu tun?«

Der Sheriff hob die Schultern.

»Der alte Dutch Borken war immer irgendwie ein Außenseiter«, sagte er. »Das war sein Problem. Er war in Vietnam, bei der Infanterie, ist hierher gezogen, als man ihn entlassen hat. Er hat eine hübsche Frau und einen kleinen, dicken zehnjährigen Jungen mitgebracht. Dann fing er an, Zitrusfrüchte zu pflanzen, und eine Weile lief das auch alles recht gut. Er war ein eigentümlicher Typ, ein Einzelgänger, hat ziemlich für sich alleine gelebt. Aber ich schätze, er war damit zufrieden. Dann ist die Frau krank geworden und gestorben, und der Junge hat angefangen verrückt zu spielen, und dann sind die Zitruspreise gefallen, die Gewinne waren im Eimer, und die Farmer mussten alle zur Bank und Darlehen aufnehmen. Die Zinsen gingen in die Höhe, und das Land ist dafür in den Keller gerutscht und damit ihre Beleihungsmöglichkeiten. Und dann ist auch noch das Wasser für die Bewässerung teuer geworden, und alle sind nacheinander hopsgegangen. Borken hat ganz besonders darunter gelitten, und deswegen hat er sich den Flintenlauf in den Mund gesteckt.«

Webster nickte.

»Der dicke Zehnjährige war Beau Borken?«, fragte er.

Der Sheriff nickte.

»Beau Borken«, sagte er. »Ein höchst eigentümlicher Junge. Sehr schlau. Aber besessen.«

»Wovon besessen?«, fragte McGrath.

»Immer mehr Mexikaner kamen hierher«, sagte der Sheriff. »Billige Arbeitskräfte. Der junge Beau war ganz dagegen. Er fing an herumzumosern, Kendall solle weiß bleiben. Und dann hat er sich diesem ultrarechten John-Birch-Typen angeschlossen.«

»Er war also ein Rassist?«, meinte McGrath.

»Anfänglich«, erwiderte der Sheriff. »Doch dann fing er plötzlich an, ständig von irgendwelchen Verschwörungen zu faseln. Dass die Juden die eigentliche Macht hinter der Regierung seien. Oder die Vereinten Nationen, oder beide, oder sonst irgend so ein Blödsinn. Die Regierung bestünde aus lauter Kommunisten, sie wären dabei, die Macht über die Welt zu übernehmen, irgendwelche geheimen Pläne und all das. Eine Riesenverschwörung gegen alle, ganz besonders gegen ihn. Die Banken würden von der Regierung kontrolliert – oder war das umgekehrt? Und dann saßen wieder in den Banken lauter Kommunisten und hatten das Ziel, Amerika zu vernichten. Er reimte sich zusammen, die Bank hätte nur deshalb seinem Vater das Darlehen gegeben, damit sie es ihm später kündigen und die Farm den Mexikanern oder den Schwarzen geben könne. Die ganze Zeit hat er sich über solches Zeug aufgeregt.«

»Und was ist dann passiert?«, fragte Webster.

»Nun, die Bank hat ihm natürlich das Darlehen gekündigt«, sagte der Sheriff. »Schließlich hat der Typ ja seine Raten nicht bezahlt, oder? Aber sie haben sein Land nicht den Mexikanern gegeben. Sie haben es derselben großen Firma verkauft, der hier in der Gegend alles gehört, und diese Firma gehört den Pensionsfonds, und das bedeutet wahrscheinlich, dass sie in letzter Instanz Ihnen und mir gehört und nicht den Kommunisten oder den Mexikanern oder sonst jemandem, stimmt’s?«

»Aber der Junge hat behauptet, dass eine Verschwörung am Tod seines Vaters schuld sei?«, fragte Brogan.

»Das hat er allerdings«, erklärte der Sheriff. »Aber in Wirklichkeit hat Beau selbst den Alten fertig gemacht. Ich denke, der alte Dutch hätte so ziemlich alles ertragen, bloß nicht, dass sein einziger Junge sich zu einem vollendeten Spinner entwickelte. Ein grausamer, eigensüchtiger, irgendwie unheimlicher Junge. Deshalb hat der Alte sich eine Kugel durch den Kopf gejagt, wenn Sie die Wahrheit hören wollen.«

»Und wo ist Beau dann hingegangen?«, fragte Webster.

»Montana«, erklärte der Sheriff. »Das habe ich wenigstens gehört. Er war ganz versessen auf diese ultrarechten Gruppen, Sie wissen schon, die Milizen. Hat sich selbst zum Anführer aufgebaut. Er hat immer gesagt, der weiße Mann müsse sich wehren und kämpfen.«

»Und diese anderen Typen sind mit ihm gegangen?«, fragte Brogan.

»Die drei ganz sicher«, erklärte der Sheriff. »Nur dieser Große da, den habe ich noch nie gesehen. Little Stevie und Loder und Peter Bell aber, die waren alle mächtig von Beau beeindruckt und hörten auf ihn, wie kleine Roboter. Die sind alle zusammen dort hingefahren. Sie hatten ein wenig Bargeld, haben aus dem Haus seines Vaters alles mitgenommen, was sie tragen konnten, und sind nach Norden gezogen. Dort oben wollten sie billiges Land kaufen und sich verteidigen, verstehen Sie, obwohl ich nicht sagen kann, gegen wen eigentlich, weil es nach allem, was ich höre, dort oben gar niemanden gibt, und wenn, dann sind das ohnehin alles Weiße.«

»Was steht denn in seiner Akte?«, fragte Webster.

Der Sheriff schüttelte den Kopf.

»Praktisch nichts«, sagte er. »Beau ist viel zu schlau, um sich bei irgendetwas erwischen zu lassen.«

»Aber?«, bohrte McGrath. »Er tut Sachen und lässt sich nicht erwischen?«

Der Sheriff nickte.

»Dieser Überfall auf einen Geldtransport«, sagte er, »irgendwo im Norden. Davon habe ich gehört. Aber man konnte ihm das nicht anhängen, wie? Ich sage Ihnen ja, viel zu raffiniert.«

»Noch etwas, was wir wissen sollten?«, fragte Webster.

Der Sheriff überlegte und nickte dann.

»Da gab es noch einen fünften Typen«, sagte er. »Odell Fowler hieß er. Der hängt ganz bestimmt auch mit Beau zusammen. Die schicken Loder und Stevie und Bell weg, um irgendwelchen Unfug zu treiben, und Borken und Fowler sitzen im Schatten und ziehen an den Drähten.«

»Sonst noch etwas?«, fragte Webster noch einmal.

»Ursprünglich gab es da noch einen sechsten«, sagte der Sheriff. »Packer hieß der Kerl. Sie waren zu sechst und hingen zusammen wie Pech und Schwefel. Aber Packer hat sich mit einem Mexikanermädchen eingelassen. Er konnte einfach nicht anders, denke ich, hat sich einfach in sie verliebt. Beau hat ihm gesagt, er solle die Finger von ihr lassen. Und darüber sind sie ins Streiten geraten. Eines Tages war Packer nicht mehr zu sehen, und Beau grinste die ganze Zeit und wirkte ganz locker. Wir haben Packer draußen im Busch gefunden, an ein großes Holzkreuz genagelt. Gekreuzigt. Seit zwei Tagen tot.«

»Und Sie meinen, Borken hätte das getan?«, fragte Brogan.

»Konnte es nicht beweisen«, antwortete der Sheriff. »Aber ich bin ganz sicher, dass er das war. Und ich bin auch ganz sicher, dass er die anderen dazu überredet hat, ihm dabei zu helfen. Er ist der geborene Anführer. Er kann jeden dazu überreden, alles Mögliche zu tun, das kann ich Ihnen versprechen.«

 

Von Kendall zurück nach Mojave waren es fünfzig Meilen Autofahrt. Von Mojave zum Luftwaffenstützpunkt Petersen in Colorado waren es weitere achthundertdreißig Meilen im Lear-Jet. Drei Stunden Reise von Tür zu Tür, und sie landeten in Peterson in der grandiosen Morgendämmerung der Bergwelt. Ein Anblick, für den manche Leute Geld bezahlten, aber die vier FBI-Männer nahmen ihn überhaupt nicht zur Kenntnis. Es war Donnerstag, der dritte Juli, der vierte Tag der Krise; und in drei Tagen, ohne sich richtig ausruhen oder sich angemessen ernähren zu können, waren sie reizbar geworden und konnten sich auf nichts anderes als ihre Aufgabe konzentrieren.

General Johnson hatte keine Zeit, sie zu begrüßen. Er war irgendwo auf dem riesigen Stützpunkt damit beschäftigt, die zurückkehrenden nächtlichen Streifen zu kontrollieren. Sein Adjutant salutierte vor Webster, schüttelte den drei anderen die Hand und führte sie dann zu einem Mannschaftsraum, den man ihnen zur Verfügung gestellt hatte. Auf dem Tisch lag eine riesige Fotografie in Schwarzweiß, gestochen scharf. Eine Art Landschaft. Es sah aus wie die Oberfläche des Mondes.

»Das ist Anadyr in Sibirien«, sagte der Adjutant. »Satellitenaufnahme. Letzte Woche gab es dort noch Atombomber. Die sich mit unseren Raketensilos in Utah beschäftigen sollten. Gemäß der Abrüstungsvereinbarungen musste der Stützpunkt gesprengt werden. Die Russen sind ihrer Verpflichtung letzte Woche nachgekommen.«

Die vier Agenten beugten sich über die Aufnahme, um besser sehen zu können. Auf dem Bild war keine Spur irgendwelcher von Menschenhand hergestellter Baulichkeiten zu erkennen. Bloß Krater.

»Nachgekommen?«, sagte McGrath. »Das sieht so aus, als hätten sie ihre Arbeit mit Begeisterung getan.«

»Und?«, fragte Webster.

Der Adjutant zog eine Landkarte aus seiner Mappe. Faltete sie auseinander und ging um den Tisch herum, damit die Agenten sie besser sehen konnten. Es war eine Teilaufnahme der Welt, Ostasien und die westlichen Vereinigten Staaten, mit der Landmasse Alaskas in der Mitte und dem Nordpol ganz oben. Der Adjutant formte einen Zirkel aus Daumen und Zeigefinger und nahm den Abstand zwischen dem südöstlichen Sibirien und Utah zwischen seine Spitzen.

»Anadyr war hier«, sagte er. »Utah liegt hier. Natürlich wussten wir über den Bomberstützpunkt genau Bescheid und hatten Gegenmaßnahmen vorbereitet, darunter auch große Raketenstützpunkte in Alaska, hier, und eine Kette von vier kleinen Boden-Luft-Abschussrampen von Norden nach Süden, bis unterhalb von Anadyrs Flugstrecke nach Utah, nämlich hier, hier, hier und hier, an der Grenze zwischen Montana und dem Panhandle von Idaho.«

Die Agenten ignorierten die roten Punkte in Idaho, sahen sich aber die in Montana genau an.

»Was für Stützpunkte sind das?«, wollte Webster wissen.

Der Adjutant zuckte die Schultern. »Sie waren irgendwie provisorischer Natur«, sagte er. »In den sechziger Jahren schnell zusammengeschustert, und seitdem haben sie irgendwie überdauert. Offen gestanden haben wir nie damit gerechnet, sie einsetzen zu müssen. Die Raketen in Alaska waren da mehr als ausreichend. An denen wäre nichts vorbeigekommen. Aber Sie wissen ja, wie es damals war … Man konnte gar nicht bereit genug sein.«

»Was für Waffen?«, fragte McGrath.

»Eine Patriot-Batterie in jeder Anlage«, erklärte der Adjutant. »Die haben wir vor einer Weile abgezogen. Sie an Israel verkauft. Jetzt sind nur noch Stinger übrig, Sie wissen schon, von der Schulter zu startende Rakentenwerfer.«

Webster sah den Mann an.

»Stinger?«, sagte er. »Sie hatten vor, sowjetische Bomber mit diesen kleinen Dingern abzuschießen?«

Der Adjutant nickte. Er schien sich seiner Sache recht sicher zu sein.

»Warum nicht?«, sagte er. »Sie sollten nicht vergessen, dass diese Stützpunkte im wesentlichen Fassade waren. Das eigentliche Potenzial lag in Alaska. Aber die Stinger hätten schon funktioniert. Wir haben Tausende davon nach Afghanistan geliefert und die haben Hunderte von sowjetischen Maschinen runtergeholt. Hauptsächlich Helikopter, denke ich, aber das Prinzip ist in Ordnung. Ein Wärmesucher ist ein Wärmesucher, oder? Da macht es keinen Unterschied, ob die Rakete von einem Fahrzeug oder der Schulter eines GI aus abgeschossen wird.«

»Und was passiert jetzt?«, fragte ihn Webster.

»Wir schließen die Stützpunkte«, erklärte der Mann. »Deshalb ist der General hier, Gentlemen. Wir holen das Gerät und das Personal zurück nach Peterson, und es wird ein paar Feierlichkeiten geben. Ende einer Ära –, Sie wissen schon.«

»Wo sind diese Stützpunkte?«, fragte McGrath. »Die in Montana, meine ich. Genau?«

Der Adjutant zog die Landkarte näher zu sich heran und warf einen Blick auf die dort angegebenen Daten.

»Der südlichste liegt auf Farmgebiet in der Nähe von Missoula versteckt«, sagte er. »Der nördlichste in einem Tal, etwa vierzig Meilen südlich von Kanada, in der Nähe einer kleinen Ortschaft, die sich Yorke nennt. Warum? Gibt es ein Problem?«

McGrath zuckte die Schultern.

»Das wissen wir noch nicht«, sagte er.

 

Der Adjutant zeigte ihnen, wo es Frühstück gab, und ließ sie dann allein, um auf den General zu warten. Johnson traf nach den Eiern, aber noch vor dem Toast ein, also ließen sie den Toast stehen und gingen gemeinsam zum Mannschaftsraum zurück. Johnson sah völlig anders aus als der auf Hochglanz polierte Typ, mit dem sich Webster am Montagabend getroffen hatte. Die frühe Stunde und drei Tage der Belastung ließen ihn um zwanzig Pfund schlanker und um zwanzig Jahre älter erscheinen. Sein Gesicht war bleich und seine Augen gerötet. Er sah wie ein Mann am Rande der Niederlage aus.

»Also, was wissen wir?«, fragte er.

»Wir glauben, das meiste zu wissen«, antwortete Webster. »Im Augenblick basiert unsere Operation auf der Annahme, dass Ihre Tochter von einer Milizengruppe aus Montana entführt worden ist. Deren Standort wir mehr oder weniger genau kennen. Irgendwo in den nordwestlichen Tälern.«

Johnson nickte langsam.

»Haben sie schon Verbindung aufgenommen?«, fragte er.

Webster schüttelte den Kopf.

»Bis jetzt noch nicht«, erklärte er.

Wieder nickte Johnson vage.

»Wer sind sie?«, fragte er.

McGrath öffnete den Umschlag, den er bei sich trug.

»Wir haben vier Namen«, sagte er. »Drei von dem Trupp, der sie geschnappt hat, und es gibt darüber hinaus ziemlich eindeutige Hinweise darauf, wer der Anführer der Miliz ist. Ein gewisser Beau Borken. Sagt Ihnen der Name etwas?«

»Borken?«, wiederholte Johnson. Dann schüttelte er den Kopf. »Der Name sagt mir gar nichts.«

»Okay«, nickte McGrath. »Was ist mit diesem Typen hier? Er heißt Peter Bell.«

McGrath reichte Johnson den Computerausdruck von Bell am Steuer des Lexus. Johnson musterte das Bild gründlich und schüttelte dann den Kopf.

»Er ist tot«, sagte McGrath. »Er hat es nicht zurück nach Montana geschafft.«

»Gut«, meinte Johnson.

McGrath reichte ihm ein weiteres Bild.

»Steven Stewart?«, sagte er.

Johnson musterte das Bild gründlich und schüttelte dann wieder den Kopf.

»Noch nie gesehen«, erklärte er.

»Tony Loder?«, fragte McGrath.

Johnson starrte Loders Gesicht an und schüttelte den Kopf.

»Nein«, sagte er.

»Diese drei und Borken stammen alle aus Kalifornien«, sagte McGrath. »Möglicherweise gibt es noch einen fünften, der Odell Fowler heißt. Haben Sie den Namen schon einmal gehört?«

Wieder schüttelte Johnson den Kopf.

»Und dann ist da noch dieser Typ hier«, sagte McGrath. »Wir wissen nicht, wer er ist.«

Er reichte dem General das Bild des großen Fremden. Johnson sah es an und sah dann weg. Aber dann wanderte sein Blick zu dem Foto zurück.

»Kennen Sie ihn?«, fragte McGrath.

Johnson zuckte die Schultern.

»Irgendwie kommt er mir bekannt vor«, sagte er. »Vielleicht jemand, dem ich schon mal begegnet bin?«

»In letzter Zeit?«, fragte McGrath.

Johnson schüttelte den Kopf.

»Nicht in letzter Zeit«, sagte er. »Das liegt wahrscheinlich lange Zeit zurück.«

»Militär?«, fragte Webster.

»Wahrscheinlich«, nickte Johnson. »Die meisten Leute, die ich zu sehen bekomme, sind beim Militär.«

Sein Adjutant drängte sich von hinten heran, um besser sehen zu können.

»Mir sagt der Mann gar nichts«, erklärte er. »Aber wir könnten das Bild ins Pentagon faxen. Wenn der Typ dem Militär angehört, gibt es vielleicht irgendwo jemand, der mit ihm zusammen gedient hat.«

Johnson nickte.

»Faxen Sie das Bild der Militärpolizei«, sagte er. »Dieser Kerl ist ein Krimineller, oder? Vermutlich hat er schon irgendwann einmal Ärger gehabt. Jemand dort könnte sich an ihn erinnern.«