Tief durchatmen und nach vorne blicken, motiviere ich mich, als ich am Montagmorgen von Schmargendorf zum Studio hetze.
Doch in meinen krausen Gehirnwindungen drängeln sich die ungelösten Fragen wie eine Horde schreiender Kinder im Schwimmbad an der Rutschbahn. Und wenn ich an meinen riesigen Schuldenberg denke, fühle ich mich, als würde ich mutterseelenallein auf einer Eisscholle sitzen und aufs offene Meer treiben. Ich muss unbedingt mit Britta darüber sprechen. Sie ist eine clevere Geschäftsfrau und weiß sicher eine Lösung.
Tatsächlich erscheint Britta zur letzten Vormittagsstunde. Als hätte sie geahnt, dass ich ihre Unterstützung brauche. Leider kommt sie mit etwas Verspätung. Deshalb können wir uns erst nach dem Unterricht unterhalten.
«Das war klasse», bemerkt Britta lobend, als wir im Umkleideraum auf frei werdende Duschen warten.
«Wirklich?», frage ich ungläubig.
Verwundert sieht sie mich an. «Aber ja, warum zweifelst du?»
«Weil ich ziemlich unkonzentriert war und über so viele Dinge nachgegrübelt habe.» Leicht überdreht sprudele ich los. «Sven hat am Sonntag seine Sachen abgeholt, und nun stellt sich die Frage, ob ich in der Wohnung bleiben soll. Sie ist viel zu teuer, und drei Zimmer benötige ich alleine doch gar nicht … Ich überlege also, ob ich nicht in eine WG ziehen soll. Am besten in Studionähe … Gestern wurde nämlich mein Auto abgeschleppt, und dann musste ich es verkaufen.»
Staunend lauscht Britta der absurden Story meines Autoverkaufs.
«Ich wusste gar nicht, dass du so realistisch denken kannst, Nelly», stellt sie am Ende fest. «Das ist für deine Verhältnisse geradezu spektakulär! Aber mal ’ne andere Frage: Wie hoch ist denn die Mietkaution deiner Wohnung? Könntest du damit alle Schulden bezahlen?»
«Na ja, die üblichen drei Monatsmieten. Also, dreihundertsiebzig mal drei …»
«Eintausendeinhundertzehn», rechnet mir meine Freundin blitzschnell vor.
«Och, nur so wenig», seufze ich enttäuscht und schäle mich aus meinen Trainingssachen. «Dann muss ich die Banktussi eben doch davon überzeugen, dass ich eine Investition wert bin.»
Ungläubig betrachtet mich Britta. «Und eben dachte ich noch, bei dir wäre der Realismus ausgebrochen.» Sie stellt sich unter eine der frei gewordenen Duschen und dreht das Wasser auf. «An deiner Stelle würde ich erst mal alle deine Hosen- und Jackentaschen durchsuchen. Vergesslich, wie du bist, findest du da sicher noch ein paar Scheinchen», scherzt sie durch den prasselnden Wasserstrahl.
Ich greife nach dem Rosenduschgel und schäume mich gründlich ein. «Veräppeln kann ick mir alleene!», schieße ich zurück und puste eine Schaumwolke zu Britta rüber.
Kichernd dreht sie sich zu mir. «Nicht böse sein, Nelly, aber deine Träumereien eignen sich nun mal besonders gut für ein kleines Späßchen. Doch jetzt mal im Ernst. Dass du wieder in eine WG ziehen willst, ist ein Scherz, oder? Ich kann mich noch erinnern, wie genervt du wegen der ständigen Diskussionen um leere Kühlschränke, verdreckte Klos und den Putzdienst warst. Ist zwar erst ein halbes Jahr her, aber offensichtlich hast du das bereits vergessen.»
«Hm, man muss sich ja nicht jede Kleinigkeit im Leben merken.» Grummelnd drehe ich den Wasserhahn zu und wickle mich in mein Handtuch.
Britta ist ebenfalls mit Duschen fertig. «Ich hätte da einen anderen Vorschlag.»
Gespannt blicke ich sie an. «Echt?»
«Wir haben uns doch erst vor kurzem darüber unterhalten, dass ich es nur selten rechtzeitig zum Yoga schaffe.» Britta verknotet ihr Handtuch vor der Brust. «Und du hattest mir doch ein paar Privatstunden versprochen. Wie wär’s also, wenn du zu mir ziehen würdest? Als mein Personal Trainer sozusagen!»
Ich bin sprachlos. Was für ein großzügiges Angebot!
Brittas Wohnung in der Charlottenburger Kantstraße ist ein Traum. Drei Zimmer, ein weitläufiger Eingangsbereich, eine Wohnküche, ein großes Bad und ein kleines Duschbad verteilen sich auf einhundertzwanzig Quadratmeter. Mir gefallen vor allem die kunstvollen Stuckdecken, die renovierten Fassettentüren und die hohen Bogenfenster. Außerdem geht von der Küche ein schmiedeeiserner Balkon zum Hinterhof nach Osten, auf dem man in der Morgensonne frühstücken kann.
«Du weißt», fährt Britta fort, «dass in der Wohnung genug Platz für zwei ist. Aus dem hinteren Raum wollte ich sowieso ein Gästezimmer machen. Im Moment fehlt mir nur die Kohle. Aber mit deinen Sachen und ein bisschen Farbe könnte es ganz gemütlich werden. Du hättest sogar ein eigenes Duschbad.»
Gerührt falle ich ihr um den Hals. «Britta, meinst du das wirklich ernst?»
«Logo!», bestätigt sie. «Aber ich will fair sein, Nelly. Die Wohnung dient mir auch für kleinere Castings, vor allem für Statisten und so. Andererseits bin ich häufig auf Reisen, dann hättest du die Wohnung ganz für dich.» Erwartungsvoll sieht sie mich an. «Und noch etwas: Normalerweise stehe ich morgens um sieben auf. Ich werde dich dann wecken, um meine Miete zu kassieren.» Während sie sich abtrocknet, zwinkert sie mir zu.
Einen Moment lang sehe ich mich, verschlafen die Augen reibend, mit Britta und dem «Sonnengruß» im Morgengrauen den Tag beginnen. Die Vorstellung lässt mich erschauern. Ob ich das schaffe?
«Äh, keine Sorge, Britta», antworte ich mit bemüht fester Stimme. «Um mein Studio zu retten, bin ich bereit, ohne zu murren auch mitten in der Nacht aufzustehen.»
Aus lauter Dankbarkeit lade ich Britta für heute Abend zum Essen ein. Der Teilerfolg in Sachen Schuldenbekämpfung muss gefeiert werden! Und wenn ich mein Sparschweingeld in einen Einkauf investiere, kann ich auch etwas Feines für uns zaubern.
Vor dem Einkauf für unser Festmahl will ich die Mittagspause aber noch schnell nutzen, um den nächsten Punkt auf meiner Liste abzuarbeiten: Meine Vermieterin anrufen.
«Guten Tag, Frau Pusch, hier ist Antonella Nitsche», melde ich mich, als sie endlich rangeht. «Aus der Bremer Straße», füge ich noch schnell an, da ich weiß, dass sie mehrere Mietshäuser besitzt.
«Ach, die Kleene mit dem netten Verlobten, der uff Anwalt studiert.»
Na toll, an Sven erinnert sie sich sofort.
«Wie isses, schon wat Kleenes unterwegs? Sind Se jetzt uff der Suche nach eener größeren Bleibe?», erkundigt sie sich neugierig.
Auwei, das läuft ja völlig falsch. «Nee, ähm … eigentlich nicht», nuschle ich zerknirscht. «Also mein Verlobter … äh, mein ehemaliger Verlobter –»
«Na, det klingt aber jar nich jut», findet sie. «Streit jehabt?»
«Schlimmer», antworte ich, atme tief durch und gebe die Verlassene, weil ich weiß, dass Frau Pusch Witwe ist und daher sicher ein großes Herz für einsame Frauen hat. «Er ist plötzlich ausgezogen.»
«Muffensausen, wa?»
Schniefend bestätige ich ihre Vermutung. «Ja, und nun sitze ich allein in der großen Wohnung …, und … und ehrlich gesagt, ist mir die Wohnung jetzt auch zu teuer.» Ich schniefe nochmal und drücke auf die Tränendrüse. «Aber am Schlimmsten ist, dass mich jede Ecke an meinen Ex-Verlobten erinnert», jammere ich leise. «Ich wollte daher fragen, wie schnell ich ausziehen kann.»
«Ach, det tut mir aber leid, meine Kleene.» Ihre Anteilnahme klingt echt. «Aber wenn de mir nen seriösen Nachmieter hast, kannste sofort raus aus der Wohnung. Und wenn allet in Ordnung iss, kriegste och die Kaution sofort zurück.»
«Ja, danke, das ist sehr freundlich. Ich kümmere mich darum.»
Grummelnd lege ich auf. Ich hab’s doch gewusst: Listen sind doof! Kaum hat man einen Punkt erledigt, steht schon wieder ein neuer drauf: Nachmieter suchen!
Doch jetzt muss ich mich erst mal sputen, um vor der ersten Yogastunde am Nachmittag noch die nötigen Lebensmittel zu besorgen.
Im Supermarkt laufe ich orientierungslos durch die Regale. Was will ich überhaupt kochen? Warum habe ich keine Einkaufsliste geschrieben? Gibt es hier Biofleisch? Dann könnte ich ein asiatisches Hühnergericht zaubern. Und wo ist das frische Gemüse?
Puh, ist das anstrengend, zwischen all diesen Angeboten das Richtige zu finden. Konzentration, Nelly Nitsche, Konzentration!
Nach ungefähr fünfzehn Minuten (mein Zeitgefühl ist durch das Training meiner Yogastunden ziemlich präzise) habe ich tatsächlich alles gefunden. Es wird aber auch Zeit, gleich beginnt die nächste Trainingsstunde, und mir ist noch ganz schwindelig von der Hetzerei.
Nervös reihe ich mich in die Kassenschlange ein. Ich möchte rechtzeitig zurück sein, damit niemand vor der Studiotür warten muss und womöglich noch auf die absurde Idee kommt, es wäre geschlossen.
Noch drei Kunden vor mir.
Noch zwei.
Einer.
Eilig lege ich meine Waren auf das Förderband, und schon dringt die piepsige Stimme der schwarzhaarigen Kassiererin an mein Ohr.
«Macht jenau zweiundzwanzig Euro und zweiundzwanzig Cent. Meine erste Schnapszahl heute!», kichert sie vergnügt und wirft fröhlich ihre dunkle Haarpracht über die Schulter.
Ich krame in der Plastiktüte nach dem Geld und finde – nichts.
Panik steigt in mir auf. Wo ist denn der Fünfzig-Euro-Schein aus dem Sparschwein, den ich in die Tüte gesteckt habe? Ist er beim Auspacken der Lebensmittel rausgefallen?
Hektisch suche ich auf allen vieren den Fußboden nach meinem Geld ab.
In der Reihe hinter mir vernehme ich unwilliges Zischen, das mich noch nervöser werden lässt. Mir wird heiß. Meine Hände werden feucht. Und ich spüre rote Flecken an meinem Hals aufblühen.
Ungeduldig nuckelt die Kassiererin an ihrem Lippenpiercing rum. «Wat denn nu?», nörgelt sie genervt.
«Mist, ich muss ihn verloren haben», fluche ich leise vor mich hin und streiche mir verlegen ein paar Strähnen aus dem Gesicht. Wieso habe ich nur vergessen, mir ein Käppi aufzusetzen oder die Haare zusammenzubinden?
«Tut mir leid, tut mir wirklich leid», entschuldige ich mich mit gesenktem Kopf bei den hinter mir anstehenden Kunden. «Ich muss mein Geld verloren haben … Ich weiß genau, dass ich es in die Tüte gesteckt hatte.»
Die meisten der Kunden scheinen in Eile zu sein. Ihr Unmut über die Verzögerung ist deutlich spürbar. Verzweifelt überlege ich, ob ich die Waren wieder zurückbringen oder vor Wut über meine Schusseligkeit explodieren soll, als plötzlich der süße, grünäugige Typ von der Currywurstbude vor mir steht.
Ja! Er ist es tatsächlich!
Aber er scheint sich nicht an unsere gestrige Begegnung zu erinnern. Das liegt sicher an meinen Haaren. Wenn ich sie offen trage, verändert mich das gewaltig. Aber mit der wilden Mähne und den roten Flecken sehe ich bestimmt schrecklich aus.
«Ist mir auch schon passiert», bemerkt er mitfühlend und lächelt mich verständnisvoll an.
Hilflos zucke ich mit den Schultern und lächle unsicher zurück. Seine warme Stimme jagt mir einen heißen Schauer über den Rücken. Mir wird ganz schlecht. Ich kann nicht anders, ich starre ihn an und bin unfähig, mich zu bewegen.
Sein rosa Hemd steckt nachlässig in einer hellen, ausgewaschenen Jeans, und auf seiner rechten Wange sehe ich eine Schlaffalte. Sieht aus, als wäre er gerade erst aus dem Bett gestiegen und ohne aufwendigen Badezimmeraufenthalt direkt in den Supermarkt geeilt. Am Nachmittag? Ist er etwa Türsteher in einem Club? Oder DJ?
Durchatmen, ermahne ich mich. Dabei entfährt mir unbeabsichtigt ein erschöpftes Stöhnen. Hoffentlich deutet er mein Geseufze nicht wieder als plumpe Anmache.
Die Kassiererin hat leider überhaupt kein Verständnis für Kundinnen, die rumstöhnen und ihr zeitraubende Extraarbeit bescheren.
«Denn muss ick det ja allet stornieren», verkündet sie ungehalten und richtet sich dann zu den Wartenden in der Schlange. «Det kann dauern, Herrschaften.» Energisch beugt sie sich zu dem Mikrophon neben ihrer Kasse und drückt auf einen Knopf. Kurz darauf erschallt im gesamten Supermarkt ein schriller Klingelton.
«Sylviaaa, Stornooo», brüllt die Kassiererin.
«Nicht nötig», mischt sich der Wuschelkopf ein und zieht mit einer lässigen Geste ein dickes Bündel Scheine aus der Tasche seiner Jeans. «Ich regele das.»
Entnervt brüllt die Kassiererin erneut ins Mikro: «Iss juuut, Sylviaaa, hat sich erledigt.»
Perplex von so viel unerwarteter Hilfsbereitschaft starre ich meinen Retter an und stottere: «Ähm, danke, das … das ist … nett.»
Während ich die Sachen in die Tüte packe, könnte ich mich selber ohrfeigen. Was rede ich denn für einen Müll? Nett ist doch die kleine Schwester von langweilig. Und jetzt lächelt der Typ mich schon wieder so unverschämt süß an!
Wow! Mein schiefes Grinsen ist ganz bestimmt super dämlich. Doch ich kann einfach nicht anders: Vor meinem geistigen Auge sehe ich meinen Held in einer glänzenden Rüstung auf einem weißen Pferd aus dem Supermarkt reiten.
Draußen, auf der Straße, habe ich mich wieder gefangen. Von dem wolkenlos blauen Himmel strahlt die Julisonne, und ein leichter Sommerwind zerzaust meine Haare.
Ich atme tief ein.
Langsam lässt meine Übelkeit nach. Die Vision ist verschwunden – mein Ritter ist es zum Glück nicht.
Befangen wandert mein Blick nach unten, zu seinen Füßen. Es sind äußerst gepflegte Füße in schwarzen Flipflops. Möglichst unauffällig versuche ich auch den Rest von ihm zu betrachten, was nicht so einfach ist. Er ist um einiges größer, und ich muss den Kopf heben.
«Das war wirklich … ähm … sehr hilfsbereit von dir», stottere ich eine Spur zu süßlich, presse meine Tüte an mich und trete unbeholfen von einem Bein aufs andere. «Wohnst du hier in der Nähe? Dann flitze ich schnell zur Bank und …» Ich stocke, als mir einfällt, dass ich dort ja keinen Cent kriege.
«Meine Adresse?», fragt er zögernd, während er seine Einkäufe zwischen seinen Füßen abstellt. Dabei blinzelt er mich nachdenklich an und senkt dann unvermutet den Blick, als hätte ich ihm ein unsittliches Angebot unterbreitet.
«Oder ich schicke es dir per Post», ergänze ich schnell, um keine neuerliche Vision aufkommen zu lassen. Aber es ist zu spät. In Gedanken liege ich schon in seinen Armen.
«Ja, also … meine Adresse …» Stirnrunzelnd kratzt er sich am Kopf, als wäre ihm die Antwort entfallen. «Wie wär’s stattdessen mit … äh … einem Kaffee?»
Wieso hat er jetzt gestottert? Hegt er etwa ähnlich schlüpfrige Gedanken wie ich? Nein, das kann nicht sein. Wahrscheinlich hat er eher schlechte Erfahrungen mit Frauen gesammelt, die ihm auf die Pelle rücken – so süß, wie er aussieht. Der Gedanke kam mir ja schon bei unserer ersten Begegnung am Curry-Eck.
Ich schiebe meine Haare aus dem Gesicht und suche seinen Blick. «Oh … ähm, ja … dazu würde ich dich natürlich gerne einladen, aber leider hab ich ja kein Geld bei mir … wie du weißt. Ich müsste also auf jeden Fall erst mal welches besorgen. Geld, meine ich.» Ich stelle mir vor, wie wir in einem Café sitzen und uns plötzlich küssen.
Schmunzelnd unterbricht er meine Gedanken. «Wie wär’s dann mit Abendessen?»
Auweia, das gibt aber einen wirklich teuren Einkauf, denke ich resignierend. In welchem Restaurant kann man zu zweit für zwanzig Euro essen? Außer Beim ollen Wilhelm ein paar Buletten.
Unsere Blicke treffen sich. Mir wird schon wieder flau. Ich kann es nicht genau benennen, aber da ist etwas in seinen hellgrünen Augen, das geht mir durch und durch – wie ein Messer durch weiche Butter.
Was mache ich jetzt? Ich will ihn unbedingt wiedersehen! «Wie heißt du eigentlich?», wechsle ich unvermittelt das Thema.
«Ben. Und du?»
«Nelly. Mir gehört das Yogastudio in der Bremer Straße», informiere ich ihn ungefragt. «Wir könnten uns später dort treffen. Meine letzte Stunde endet um acht.»
«Oh, das Yogastudio», antwortet er, als sei das die Überraschung des Jahres. Schließlich nickt er lächelnd. «Was hältst du davon, wenn ich dich dort abhole. So um halb neun?»
«Ja, gerne», hauche ich verzückt.
Er nimmt seine Einkäufe hoch und wendet sich zum Gehen. «Dann bis heute Abend, Nelly. Ich freu mich.»
Beschwingt wackle ich in Richtung Studio. Wer hätte gedacht, dass Einkaufen ohne Geld doch Spaß macht? Mein Magengrummeln ist weg, dafür flattert jetzt ein ganzer Schwarm Schmetterlinge durch meinen Bauch. Denn dieser süße Typ hat nicht nur meine Lebensmittel bezahlt, sondern auch mit mir geflirtet! Eigentlich wollte ich mich ja auf meine Arbeit konzentrieren. Doch jetzt kann ich nur noch an Ben denken.
Was für ein Blick!
Was für ein Lächeln!
Was für ein Tag!
Ist das die vielgerühmte Liebe auf den ersten Blick?, schießt es mir durch den Kopf.
Quatsch! Ich bin doch keine sechzehn mehr und schon lange immun gegen solch unüberlegten Blödsinn der Hormone. Mich muss ein Mann überraschen, damit ich Feuer fange. Er muss etwas Außergewöhnliches tun. Knöpfe annähen, zum Beispiel. Oder ungefragt den Kühlschrank auffüllen oder …
Immerhin gehört Ben offensichtlich nicht zu den Männern, die sofort nach der Handynummer fragen und sich dann doch nicht melden. Nein, Ben ist ein Mann der Tat!
Und ich werde heute Abend für ihn kochen und –
Was bin ich doch für eine vergessliche Träumerin! Als würde mir jemand einen Faustschlag verpassen, fällt mir in diesem Moment ein, dass ich heute Abend ja für Britta kochen wollte.
Ich werde noch vor der Yogastunde versuchen, sie auf ihrem Handy zu erreichen. Aber jetzt muss ich erst mal nach Hause flitzen, die Lebensmittel verstauen und mir eine paar Klamotten für heute Abend aussuchen.
Und als hätte Brittas hypersensible Notantenne es mal wieder geortet, in welcher Zwickmühle ich stecke, finde ich zu Hause eine SMS von ihr auf meinem Handy:
Sorry, bei mir klappt es heute leider doch nicht!
LG, Britta.
Schnell simse ich zurück, dass wir das Essen verschieben, und atme erleichtert auf. Ihre unerwartete Absage beweist erneut: Manche Dinge erledigen sich auch ohne Zutun.