Dreiundvierzig
Dace
Was hast du mit ihr gemacht ?« Ich packe Phyre an den Schultern und verlange eine Antwort. Als ich Daire zuletzt gesehen habe, stand sie direkt vor ihr, und jetzt ist sie verschwunden.
Phyre lächelt, und ihr Blick ist verhangen und schwer. »Das war ich nicht. Ich schwör’s«, sagt sie, wobei ihre Stimme einen so seltsamen Tonfall annimmt, dass ich mich frage, wie ich die Worte interpretieren soll.
»Wohin ist sie gegangen ?« Meine Stimme klingt hektisch, entschlossen. Bestimmt spielt sie irgendeine zwielichtige Rolle dabei, so verrückt es auch scheint. Doch sie bleibt einfach reglos stehen und starrt verträumt in die von Flammen erleuchtete Nacht.
»Es beginnt«, flüstert sie. »Die letzten Tage sind angebrochen. Dies ist eines der Zeichen.«
Ich verdrehe die Augen. Grabe die Finger tiefer in ihr Fleisch, in der Hoffnung, sie aus ihrer Trance zu wecken. »Ach was. Dein Vater ist verrückt.« Sie scheint meine Worte nicht zu hören, so gebannt ist sie von dem Himmel, aus dem es Feuer regnet.
»Ich habe versucht, dich zu warnen. Versucht, mit dir zu reden. Dich daran zu erinnern, was uns einmal verbunden hat – wenn auch nur, damit du siehst, was ich sehe, und weißt, was ich weiß.« Ihr Blick ist entrückt, ihre Stimme klingt müde und resigniert. »Aber du wolltest ja nicht hören, und jetzt …« Sie zeigt auf das Chaos um uns herum. »Jetzt ist es zu spät für uns alle.«
Ich umfasse ihre Schultern fester und suche nach Spuren des Mädchens, das ich einst kannte. Ein trauriges, schönes, kompliziertes Mädchen mit einem verrückten Weltuntergangspropheten als Vater. Ein Mädchen, das zu früh seine Mutter verloren hat, die spurlos verschwunden ist, ohne dass je ihre Leiche gefunden worden wäre. Ein Mädchen, das ich einst sehr mochte, wenn auch nur kurz.
»Komm mit mir, Dace.« Sie fixiert mich scharf. »Mein Vater hilft uns. Rettet uns. Er weiß bestimmt, wie man das hier überlebt.«
»Dein Vater kann niemandem helfen«, versichere ich ihr, doch ein Blick in ihre Augen sagt mir, dass meine Worte nicht zu ihr durchdringen. »Verschwinde von hier. Geh zu Leftfoot – er kümmert sich um dich.«
Als sie sich nicht vom Fleck rührt, als sie in keiner Weise reagiert, gebe ich auf und mache mich auf die Suche nach Daire. Meines Wissens gibt es nur einen Ort, den sie angesichts der Umstände aufsuchen würde, und ich verfluche mich selbst, dass ich nicht gleich daran gedacht habe. Schließlich bin ich deshalb gekommen.
Ich rase durch den Club. Ignoriere Leandros Hilfeschreie, während er sich von dem umgefallenen Regal zu befreien sucht, unter dem er feststeckt. Mir ist nur allzu bewusst, wie heftig die Erde bebt, während überall Feuersbrünste ausbrechen.
Allzu bewusst, dass die Prophezeiung ohne mich ihren Anfang genommen hat – und mich nun zwingt, Schritt zu halten.
Ich haste durch das Portal, wobei ich bemerke, dass keine Dämonen in Sicht sind, eile durch die Höhlenwohnung – die jetzt komplett verwüstet ist, sicherlich das Resultat von Cades Raserei –, dann weiter durch das Tal aus Sand und sehe mich die ganze Zeit nach Daire um.
Sie ist da draußen.
Irgendwo.
Auf der Jagd nach Cade.
Ich bete darum, dass ich ihn zuerst finde.