5
Als sich Jenna für die begehrte Stelle einer Sommelière bei Mélisse vorstellte, war sie zweiundzwanzig Jahre alt gewesen. Sie hatte keinen College-Abschluss, keine Ausbildung und keine Erfahrung.
Was sie besaß, war pures Talent.
Ihr Geruchssinn war so ausgeprägt, dass sie einen Hauch von Lavendel, die bloße Andeutung von Graphit und die ferne Erinnerung an schwarzen Trüffel im Bouquet eines jeden Weins problemlos erkennen konnte.
Obwohl das Mélisse für seine großen Weinauswahl bekannt war, die seit Eröffnung des Restaurants von einer Reihe mittelalter, eitler Männer auf eine Größe von sechstausend Flaschen der besten Tropfen erweitert worden war, stellte man Jenna bereits vor dem Ende des ersten Vorstellungsgesprächs ein. Man war von ihrer Begabung tief beeindruckt.
Der Besitzer des Restaurants, ein schlanker, älterer Herr namens François Moreau, stellte zehn Flaschen Wein in braunen Papiertüten auf den langen Eichentisch in dem Séparée für Privatfeiern. Dann schenkte er aus jeder Flasche einen Schluck in zehn Riedel-Weingläser ein.
»Sagen Sie mir«, erklärte er mit einem starken französischen Akzent, als er auf die Ansammlung von Weinen zeigte, »welcher Wein in welchem Glas ist.«
Er schob seine Brille zurecht und faltete die Hände, die mit blauen Adern überzogen waren, über dem zweiten Knopf seines Nadelstreifenanzugs. Dann schenkte er ihr ein gelassenes, wenn auch aufmerksames Lächeln.
Jenna erwiderte das Lächeln und legte los.
Sie konnte ihm nicht nur die genaue Rebsorte jedes Weins nennen, sondern auch ob dieser in Hanglage oder am Fluss, in der Höhe oder in der Ebene gewachsen war. Zudem wusste sie die genaue Prozentzahl der jeweiligen Rebsorten, wenn es sich um eine Mischung handelte.
Mrs. Colfax, die Monsieur Moreau zu ihren Verehrern zählte und das Vorstellungsgespräch arrangiert hatte, war seit Jahren eine großzügige Gastgeberin für Jenna gewesen. Sie hatte ihren Wein und ihr Wissen mit der jungen Frau geteilt, und Jenna hatte nichts davon vergessen. Ihre Erinnerung an Sinneswahrnehmungen war genauso ausgeprägt wie ihre Intuition, ihre Stärke, ihre Wendigkeit und Schnelligkeit.
All jene Dinge, die ihre Mutter sorgfältig hatte unter Verschluss halten wollen.
Jenna begann schon am nächsten Abend. Sie liebte ihren Job mehr als alles andere im Leben – trotz der unvermeidlichen Diskriminierung, die sie als Frau in einem sogenannten Männerberuf erwartete.
An diesem Abend war sie deutlich früher als nötig bei der Arbeit erschienen – lange vor den ersten Gästen. Sie stand jetzt hinter der geschwungenen Bar, Becky, der quirligen, rothaarigen Barkeeperin, die erst vor Kurzem von der Konkurrenz abgeworben worden war, gegenüber.
Inzwischen war es spät, kurz vor der Sperrstunde, und Jennas Füße schmerzten.
Sie hatte an diesem Abend drei schwierige Gäste bedient. Alles ältere Männer, die sie so beäugt hatten, als ob sie sich überlegten, wie viel sie wohl auf einer Auktion kosten würde, ehe sie Jenna mit Fragen über die Weinkarte bombardierten. Sie wollten genau wissen, welcher Wein zu welchem Essen passte und welche feinen Unterschiede es zwischen den Jahrgängen gab. Doch jeder der Männer hatte irgendwann einsehen müssen, dass Jenna wusste, wovon sie sprach und nicht nur irgendein Mädchen war, das zufällig für den männlichen Sommelier einsprang.
Jenna hatte schlechte Laune.
Als sie diese ungewöhnliche Welle von Elektrizität erneut in ihrem Körper spürte, hätte sie eigentlich wissen müssen, dass die Dinge nur noch schlimmer werden sollten.
»O là là«, murmelte Becky so leise, dass nur Jenna es hören konnte. Sie wollte gerade ein Weinglas in das Regal über ihren Kopf stellen, als sie mitten in der Bewegung inne hielt.
Jenna blickte in Beckys sommersprossiges, gebräuntes Gesicht und bemerkte den bewundernden Blick, den diese über ihre linke Schulter auf jemanden richtete, der soeben durch die Eingangstür getreten war. Dann sah sie in den Spiegel, der an der Wand hinter Becky hing und in dem man das ganze Restaurant gut überblicken konnte.
Ein Mann, groß und dunkelhaarig, sah sich suchend im Restaurant um. Sein Blick wanderte durch den eleganten Raum. Er reichte der Garderobiere seinen Mantel, ohne sie anzusehen.
Allein sein schiefergrauer Nadelstreifenanzug war es wert, bewundert zu werden. Der exakte Schnitt hob die breiten Schultern, die schmale Taille und die langen, muskulösen Beine hervor. Er sah so aus, als ob er absurd teuer gewesen wäre. Darunter trug der Mann ein schneeweißes Hemd, dessen Kragen ein wenig offen stand und die leicht gebräunte Haut seines Halses entblößte.
Doch es war nicht sein eleganter Anzug, der die kultiviert anspruchsvollen Angestellten des Nobelrestaurants dazu brachte, diesen Neuankömmling genauer unter die Lupe zu nehmen. Es lag vielmehr an der Mischung aus Selbstbewusstsein, das Wissen um Privilegien und die eigene Anziehungskraft, die jeden sogleich in Bann zog. Die Präsenz dieses Mannes nahm sofort den ganzen Raum ein.
Der Oberkellner, ein hochmütiger Mann namens Geoffrey mit gebücktem Gang und haarigen Handgelenken, die sich unter den gestärkten Manschetten seines Hemds zeigten, trat neben den Gast und wechselte ein paar Worte mit ihm. Dann verbeugte er sich.
Jenna überraschte diese Geste. Neugierig beobachtete sie, wie Geoffrey den eleganten Herrn zu einem reservierten Tisch – dem besten – im hinteren Teil des Restaurants führte. Dort stand eine elegante Sitzbank aus taubengrauem Leder, die perfekt zu der pflaumenfarbenen Wand passte.
Der Mann setzte sich mit der fließenden Bewegung eines Tänzers und nahm die Speisekarte und die Weinliste von dem Kellner entgegen, der wie aus dem Nichts neben seinem Tisch auftauchte. Der Herr wechselte ein paar weitere Worte mit Geoffrey, ehe dieser wie ein emsiges Wiesel davoneilte, allerdings nicht, ehe er den Kellner fortgescheucht hatte.
Betont langsam und mit der leisesten Andeutung eines Lächelns hob der Mann den Kopf und warf Jenna in den Spiegel einen Blick zu.
Seine Augen unter den langen, pechschwarzen Wimpern waren sehr aufmerksam und sehr grün. Sie sah, wie sie in der nur von Kerzen erhellten Dunkelheit des Restaurants funkelten. Sie erstarrte.
Sein Lächeln wurde breiter. Er blinzelte kein einziges Mal.
»Oh, Gott.« Jenna senkte den Blick und spürte, wie sich eine Röte über ihren Nacken und ihre Wangen ausbreitete. Ihr Herz begann schneller zu schlagen.
Eine schwache Erinnerung an den Traum von letzter Nacht tauchte in ihr auf: Hände, Lippen, Zunge.
»Das ist er.«
»Er wer?«
»Ich kenne diesen Mann. Ich habe ihn schon einmal gesehen«, flüsterte sie Becky zu, wobei sie versuchte, ihre Lippen nicht zu bewegen. Sie hatte nämlich das unheimliche Gefühl, dass er sonst wüsste, was sie sagte.
»Im Restaurant?«, entgegnete Becky überrascht. »Ich kann mich nicht an ihn erinnern.« Sie fuhr durch ihre wilden roten Haare und strich dann die schwarze Schürze um ihre Taille zurecht. »Ich würde mich garantiert an ihn erinnern, wenn er schon einmal hier gewesen wäre.«
»Pssst!« Jenna starrte auf die Theke aus Granit. »Er hört dich sonst.«
Becky stellte endlich das Weinglas in das Regal über ihren Kopf. »Also bitte. Er ist am anderen Ende des Raums, Jenna. Der kann mich gar nicht hören.«
Jenna verlagerte ihr Gewicht vom linken auf den rechten Fuß und begann eine Papierserviette in kleine Stücke zu zerreißen. Sie war sich auf einmal ihres Körpers, ihrer nackten Beine und der warmen Luft auf ihrer Haut mehr als bewusst. Trotz des schlichten, schwarzen Cocktailkleids, das sie trug, fühlte sie sich auf einmal seltsam nackt.
Innerhalb von dreißig Sekunden hatte sich ihr Pulsschlag verdoppelt.
»Woher kennst du ihn?«, fragte Becky. Sie begann, einen Martini für einen der Kellner zu mixen.
Jenna wagte nicht, erneut in den Spiegel zu schauen. Die Hitze, die ihre Wangen rötete, begann sich jetzt in ihrem ganzen Körper auszubreiten. Es war die gleiche pochende Hitze, die sie schon im Supermarkt verspürt hatte.
Das war kein gutes Zeichen. Was zum Teufel war nur los mit ihr?
Sie holte mehrmals tief Luft und ballte die Hände zu Fäusten, damit sie nicht mehr zitterten. Dann zählte sie bis zehn, ehe sie antwortete.
»Ich habe ihn schon einmal gesehen. Ich war im Supermarkt …«
»Achtung«, unterbrach sie Becky, deren Stimme nun verärgert klang. »Alle Mann an Bord, hier kommt Napoleon.«
Ehe Jenna noch etwas erwidern konnte, zischte ihr eine Stimme ins rechte Ohr.
»Earl McLoughlin wünscht die Hilfe der Sommelière bei der Wahl seines Weines. Wir wollen ihn nicht warten lassen.« Ein Gestank aus Knoblauch und getrocknetem Schweiß stieg Jenna in die Nase.
Sie biss die Zähne aufeinander und warf Becky einen Blick zu. »Ich dachte, wir sollen nicht die Vornamen unserer Gäste verwenden, Geoffrey. Das ist doch angeblich très gauche, oder nicht?«
Geoffrey zitterte geradezu vor Zorn, als er ihre Erwiderung hörte.
»Earl ist nicht sein Vorname, du dummes Kind! Earl ist sein Titel!«, fauchte er. »Es wurde vom Four Seasons angerufen und ein Tisch für ihn reserviert. Das ist ein Aristokrat. Grundgütiger!«
Ehe sie sich zurückhalten konnte, warf Jenna erneut einen Blick in den Spiegel. Der Earl las gerade mit ernster, ausdrucksloser Miene die Weinliste, aber sie spürte, dass er am liebsten laut aufgelacht hätte. Er presste seine vollen Lippen aufeinander.
»Du sprichst ihn entweder mit ›Euer Gnaden‹ oder mit ›Königliche Hoheit‹ an. Sei auf jeden Fall ganz professionell und lächele. Und jetzt los!«
Er scheuchte sie fort, als ob sie eine Taube wäre, die ihn auf einer Parkbank um Brot angebettelt hätte.
Jenna rührte sich nicht von der Stelle.
»Man spricht keinen Earl mit ›Euer Gnaden‹ an, Geoffrey. Und auch nicht mit ›Königlicher Hoheit‹. Das sind Titel, die für einen Herzog und einen König reserviert sind«, erklärte sie kühl und blickte auf seine Glatze.
Geoffrey zog den Mund zu einem überraschten O zusammen, sagte aber nichts. Stattdessen begann er heftig zu blinzeln. Becky hustete in die Hand, um ihr Lachen zu verbergen und wandte sich ab.
Außer ihrem Geschmack für guten Wein hatte Mrs. Colfax Jenna auch noch ein paar andere Dinge über die gehobene Gesellschaft beigebracht.
»Ich werde ihn ›Lord McLoughlin‹ oder ›Sir‹ nennen, wie sich das gehört. Es sei denn, er möchte mit dem Vornamen angesprochen werden, ganz gleich, wie er heißen mag. Es wäre nämlich très gauche, ihn dann noch mit diesen lächerlichen Titeln anzusprechen.«
Jenna genoss den Anblick der roten Flecken, die sich auf Geoffreys Wangen ausbreiteten. Sie drehte sich auf dem Absatz um und ging ruhigen Schrittes durch das Restaurant zu dem Tisch, an dem Lord McLoughlin saß. Insgeheim versuchte sie jedoch, sich dazu zu zwingen, nicht zu zeigen, wie nervös sie war, oder in Panik auszubrechen.
Der Earl blickte nicht auf, als sie neben ihm stehen blieb. Für einen kurzen Moment betrachtete sie seine langen Finger, die die in Leder gebundene Speisekarte hielten. Sie waren ebenso gebräunt, kraftvoll und elegant wie der ganze Mann.
Ein schwaches Vibrieren breitete sich in ihrem Inneren aus.
»Lord McLoughlin«, sagte sie und blickte in sein schönes Gesicht. »Willkommen im Mélisse. Wie kann ich Ihnen helfen?«
Mit einer geschmeidigen Bewegung legte er die Weinkarte auf den Tisch und sah sie an. Er lächelte – ein echtes, bewunderndes Lächeln –, und das Restaurant schien sich auf einmal in einer Nebelwand aufzulösen, in der nur noch sie beide zu sehen waren.
»Bitte nennen Sie mich Leander.«
Die Stimme, die wie Samt klang, floss honigwarm durch ihren Körper. Seine schimmernden Haare waren länger, als sie in Erinnerung hatte. Sie berührten beinahe seine Schultern. Eine Andeutung von Stoppeln zeigte sich auf seinen Wangen.
Sag mir, dass du mich willst.
»Leander«, wiederholte Jenna. Ihr gefiel es, wie sich sein Name auf ihrer Zunge anfühlte.
Unmöglich, dachte sie. Er ist zu weit weg. Trotzdem …
Sie hob den Kopf und blickte ihn von unten an. »Also nicht ›Euer Gnaden‹ oder ›Hoheit‹?«, fragte sie leichthin, um ihn zu testen.
Sein Lächeln war bereits Beweis genug. Aber seine Worte bestätigten ihren Verdacht.
»Warum der ganze Aufwand mit diesen lächerlichen Titeln? Es ist alles so …« Er schnippte mit den Fingern, während er scheinbar nach dem richtigen Wort suchte. »Gauche. Très gauche. Finden Sie nicht?«
Er lehnte sich über den Tisch und behielt sie genau im Blick, während er sein Kinn mit der Hand abstützte. In dem kurzen Moment bildete sie sich ein, dass er ihr Herz in ihrer Brust schlagen zu hören vermochte.
»Doch«, erwiderte sie, während sie panisch nachdachte.
Wie hatte er ihre Unterhaltung mit Geoffrey hören können? Wie war das möglich? Sie waren etwa dreißig Meter von ihm entfernt gewesen. Und hatten geflüstert!
Ihr Magen verkrampfte sich, als sie diese Eingebung hatte, die sie jedoch sogleich ignorierte. Es gab niemanden außer ihr, der zu solchen Dingen in der Lage war. Er war nur ein gewöhnlicher Mann.
Und dann waren da noch die rätselhaften Warnungen ihrer Mutter … Nun, ihre Mutter hatte sehr viel getrunken.
Mit dem Handrücken strich sie sich eine Haarsträhne von der Wange und zeigte auf die Weinkarte. »Darf ich Ihnen bei der Auswahl behilflich sein, Leander?«, fragte sie höflich. »Gibt es etwas, das Ihnen besonders zusagt?«
Warum hatte er sie auf dem Parkplatz des Supermarktes so angestarrt? Hatte er sie überhaupt angestarrt? Was tat er hier? War sie verrückt? Bildete sie sich das alles nur ein?
Sein Lächeln wurde noch breiter, und auf seinen Wangen zeigten sich Grübchen. »Durchaus, Miss …?« Er zog die Augenbrauen hoch und wartete.
»Jenna«, erwiderte sie.
»Jenna«, wiederholte er langsam. Sein Blick wanderte einmal über ihren Körper. Dann kehrte er zu ihrem Gesicht zurück, und ein Kiefermuskel zuckte. »Ja, ich denke schon, dass mir da etwas Besonders zusagt.«
Er sprach mit einem britischen Akzent, und doch hörte Jenna einen leisen Singsang in seiner Stimme, der ihr irgendwie bekannt vorkam. Ein Tonfall, den sie nicht einzuordnen vermochte. Die Art, wie er sie ansah, brachte ihr Inneres dazu, seltsame Dinge zu tun.
»Wunderbar.« Sie verfluchte sich, weil ihr die Stimme fast versagte.
»Was darf ich Ihnen heute Abend servieren?«
Zufall? Einbildung? Wer waren die anderen beiden gewesen? Und kam dieser himmlische Duft von seiner Haut?
»Den ’61er Latour.«
Einen Moment lang vergaß sie ihre Überlegungen und blinzelte ihn überrascht an. Der Kellner kam und stellte einen silbernen Korb mit warmen Rosmarinbrötchen auf den Tisch.
»Möchten Sie auch ein Wasser, Sir? Mit Kohlensäure oder ohne?«, wollte der Kellner wissen.
Leanders Augen waren noch immer auf Jennas Gesicht gerichtet. »Rien, merci«, antwortete er geschmeidig.
Der Kellner warf einen Blick auf Jenna, senkte den Kopf und zog sich zurück.
»Der ’61er Latour«, wiederholte Jenna steif und schürzte die Lippen. »Eine ausgezeichnete Wahl.«
Mit siebentausendneunhundertachtzig Dollar war das der bei Weitem teuerste Wein auf der Karte, die immerhin neununddreißig Seiten umfasste.
Er sollte dem Weinangebot des Restaurants im Grunde nur eine gewisse Seriosität verleihen. Niemand, der bei Sinnen war, würde so viel Geld für einen Wein in einem Restaurant ausgeben. Er konnte nicht wissen, ob er überhaupt richtig gelagert worden war. Ein echter Sammler, der sowohl die Kenntnis als auch den Geschmack für etwas so Seltenes und Wertvolles besaß, würde eine derartige Flasche in einem angesehenen Auktionshaus oder direkt vom Château erstehen, um sicherzustellen, dass der Wein auch richtig behandelt worden war.
Selbst die Leute vom Film und die Rapper, die am häufigsten teure Weine bestellten, ohne diese wirklich zu genießen, würden niemals einen Latour auswählen. Sie entschieden sich eher für einen Moëlleux oder einen Screaming Eagle.
Außerdem hatte ein Wein aus dem Jahr 1961 trotz sorgfältigster Lagerung vermutlich bereits seinen Höhepunkt überschritten. Es war lächerlich. Es war mehr als lächerlich.
Leander zog die Augenbrauen hoch. »Spüre ich da eine leichte Überraschung?«
»Überraschung?«, wiederholte sie und zog die vier Silben verächtlich in die Länge.
Hatte er ihren Blick als Überraschung interpretiert? Als Schock? Vielleicht sogar als Ehrfurcht?
Offenbar war es also nur ein weiterer egozentrischer Idiot, der sein Geld wie Konfetti um sich warf, um den Pöbel zu beeindrucken. Sie vermutete, dass er Frauen auf ähnliche Weise behandelte. Wahrscheinlich hielt er sie für beschränkt und überfordert. Damit wäre er der vierte Mann an diesem Abend.
Beinahe hörbar riss Jenna der Geduldsfaden.
»Ich bin keineswegs überrascht. Es ist die perfekte Wahl für Sie«, erwiderte sie, wobei sie das letzte Wort leicht betonte. Sie ignorierte die warnende Stimme ihrer Mutter in ihrem Kopf und lächelte ihn betont liebenswürdig an.
Einen Moment lang runzelte er die Stirn. Doch dieser Anflug von Irritation wurde innerhalb des Bruchteils einer Sekunde von einer ausdruckslosen Miene abgelöst.
»Für mich?«
Er lehnte sich auf dem weichen Leder der Sitzbank zurück und legte lässig einen Arm auf die Rückenlehne. Seine Augen waren auf Jenna gerichtet. Wieder zuckte ein Muskel.
Erneut tauchte lautlos der Kellner auf und stellte diesmal einen ovalen Teller mit drei winzigen Silberlöffeln ab, auf denen unterschiedliche Speisen platziert waren – verbunden mit einem Schlangenmuster aus Gurkensoufflé.
»Die Amuse-Bouche.« Er zeigte auf die winzigen Portionen. »Einmal Kumamoto-Auster mit Gurkengelee, Millefeuille aus geräuchertem Lachs mit Osetra-Kaviar sowie eine Roulade aus Blauflossen-Thunfisch mit eingelegtem Fenchel.«
Er wollte gerade den Teller vor Leander stellen, als Geoffrey erschien. Sein Lächeln hätte auch gut zu einem Haifisch gepasst.
»Haben Sie sich für einen Wein entschieden, Gnädige Hoheit? Möchten Sie, dass ich Ihnen die Spezialitäten des Abends vorstelle?«
Weder Jenna noch Leander achteten auf ihn. Sie starrten einander noch immer an.
»Ja«, erklärte Jenna kalt. »Die Wahl passt perfekt zu Ihnen. Der ’61er Latour ist der Phallus-Wein schlechthin.«
Geoffrey riss entsetzt den Mund auf. Der Kellner begann derart mit dem Teller Amuse-Bouche zu zittern, dass er ihm aus der Hand fiel und krachend auf dem Tisch landete. Leander blieb jedoch regungslos sitzen, den Blick weiterhin auf Jenna gerichtet, ein kühles Lächeln auf den Lippen.
»Wirklich?«, sagte er so beherrscht und ruhig wie möglich. »Wie interessant. Bitte, klären Sie mich auf.«
»Meine liebe, Königliche Hoheit, es tut mir unendlich leid. Ich versichere Ihnen, dass das Mélisse diese Art von …«
Leander gab Geoffrey durch ein kurzes Winken zu verstehen, dass er nicht weiter zu reden brauchte. Währenddessen starrte er Jenna noch immer an. »Sie müssen sich nicht entschuldigen. Lassen Sie uns allein.«
Jenna sah aus dem Augenwinkel, wie Geoffreys Gesicht einen interessanten Auberginenfarbton annahm. Er packte den Kellner am Arm und zerrte ihn mit sich Richtung Küche.
»Was sagten Sie gerade?«, fragte Leander.
»Ich nenne diese Weine Phallus-Weine«, antwortete Jenna und bemühte sich, ihre Stimme weiterhin kühl und beherrscht klingen zu lassen, auch wenn sie innerlich brodelte. Sie wusste, dass sie für ihr Verhalten bezahlen musste, und dass sie wahrscheinlich ihre Stelle verlieren würde. Doch im Moment war ihr das egal.
»Es sind die grotesk teuren Weine, die bestimmte Sorten von Mann bestellt, um ihre Männlichkeit zu beweisen. Männer, die keine Ahnung haben, worum es bei Wein eigentlich geht, die aber das dringende Bedürfnis verspüren, den eitlen Pfau zu markieren.«
Ihr Lächeln wurde breiter, wohingegen seines völlig verschwand. »Ich glaube, dass ein Mann, der wirklich selbstbewusst ist, eine andere Wahl treffen würde. Sich für etwas weniger Protziges entscheiden würde.«
Einen Moment lang herrschte Schweigen, und es schien sich eine Kluft zwischen ihnen aufzutun, die kaum mehr zu überwinden war.
»Ich habe Sie beleidigt«, erklärte er schließlich. In seinem Gesicht spiegelte sich keinerlei Gefühlsregung wider, und seine Stimme klang ruhig und betont höflich. Nur sein Körper wies darauf hin, dass er nicht ganz so ungerührt war, wie er zu sein vorgab. Er hielt sich so stark am Tischrand fest, dass seine Fingerknöchel weiß wurden. »Wieso?«
Ihre Haltung war nun nicht mehr ganz so feindselig. Sie hatte erwartet, dass er empört und wütend reagieren, dass er sie vielleicht sogar anbrüllen würde. Die meisten Gockel wie er genossen es, beim geringsten Anlass jemanden zur Schnecke zu machen. Sie hatte sich auf eine heftige Auseinandersetzung vorbereitet und sich sogar bereits einige weitere scharfe Entgegnungen überlegt.
Doch das hatte sie nicht erwartet. Nicht diese Geduld. Nicht diese … Nicht diese Anteilnahme.
Jenna atmete durch und verlagerte ihr Gewicht auf das andere Bein. Plötzlich wünschte sie sich, irgendwo anders zu sein. Sie war müde und benahm sich schlecht.
Mit einem Schlag verschwand die Wut und hinterließ nur ein Gefühl von Scham und das dringende Bedürfnis, nach Hause zu kommen, ins Bett zu gehen und sich die Decke über den Kopf zu ziehen.
Sie schloss die Augen und schluckte. »Geoffrey hat recht. Ich hätte so etwas nicht sagen sollen.« Sie seufzte und fuhr mit der Hand über die Stirn. »Es tut mir leid. Es war ein langer Abend. Ich bringe Ihnen sofort den Latour.«
Sie wandte sich zum Gehen, während sie sich fragte, wo sie wohl einen neuen Job finden konnte. Leanders leise Stimme rief sie zurück.
»Warten Sie, Jenna. Bitte.«
Er hatte sich erhoben und wollte schon fast auf sie zugehen, ehe er plötzlich innehielt. Seine Hand war nach ihr ausgestreckt, und sein Gesicht wurde durch eine kleine Palme neben seinem Tisch in Schatten getaucht. Dennoch konnte sie erkennen, dass seine Augen beunruhigt wirkten. Sie blickte zu ihm auf. Seine Größe und seine plötzliche Nähe überraschten sie. Er sah sie aufmerksam an, die Hand noch immer nach ihrem Arm ausgestreckt. Der berauschende und auf unheimliche Weise vertraute Geruch nach Gewürzen, nächtlicher Luft und Männlichkeit umfing sie und stieg ihr in die Nase.
»Der ’61er Latour war der Lieblingswein meines Vaters«, sagte Leander leise. Seine Augen schimmerten im gedämpften Licht wie polierte Edelsteine. »Er ließ ihn auf seiner Hochzeit mit meiner Mutter servieren. Vor fünfunddreißig Jahren.«
Er holte Luft und strich mit den Fingerspitzen über ihren nackten Arm – eine Berührung, die sie wie ein Stromschlag durchfuhr. »Beide kamen vor drei Jahren bei einem Autounfall ums Leben. Wenn ich diesen Wein auf einer Weinkarte entdecke, bestelle ich ihn in Erinnerung an die beiden.«
Jenna wusste einen Moment lang nicht, was sie sagen sollte. Sie spürte die Finger auf ihrer Haut und die Spannung, die sich zwischen ihnen aufgebaut hatte – ebenso wie die neugierigen Augen der anderen im Restaurant.
»Oh … Ich … Es tut mir … Es tut mir so leid …«, stammelte sie und errötete. Seine Finger übten noch immer einen leichten Druck auf ihren Arm aus, sodass es ihr schwerfiel, sich zu konzentrieren. Ohne es zu wollen, platzte es aus ihr heraus: »Meine Eltern sind auch beide tot.«
Jenna hatte seit Jahren mit niemandem darüber gesprochen.
Seine Erwiderung war schlicht. »Ja«, murmelte er.
Dann glaubte sie, in die Untiefen seiner smaragdgrünen Augen zu stürzen, wie ein Schwimmer, der gegen eine plötzliche Strömung ankämpfte und doch untergehen wollte. Ein seltsames Gefühl von Déjà-vu durchlief sie, so klar und eindringlich, wie sie es noch nie erlebt hatte.
Ja, hallte es in ihrem Inneren wider. Ja.
»Kennen wir uns?«, flüsterte sie ungewollt. »Haben wir uns irgendwo schon einmal gesehen?«
Er blieb ruhig stehen und schien sich auf einmal gar nicht mehr zu bewegen – als ob er aus einer anderen Welt kommen würde, wie aus Stein gemeißelt, wie ein Stück Marmor mit funkelnden Augen.
Er erhöhte ganz leicht den Druck auf ihrem Arm, ohne zu antworten.
»Sie waren das auf dem Parkplatz auf dem Supermarkt, nicht wahr? Dort habe ich Sie gesehen … oder nicht?«, fuhr sie atemlos fort. Ihr Herz schlug immer schneller, während sie ihn nicht aus den Augen ließ.
Seine Brust schien sich noch mehr anzuspannen. Er öffnete leicht die Lippen und starrte sie an, die Miene voll Leidenschaft. »Wir … Ich …«
Doch bevor er etwas sagen konnte, brach eine Frau an einem Tisch in der Nähe in ein lautes, unbändiges Gelächter aus, und der Augenblick war vorbei.
»Wir haben uns noch nie zuvor gesehen«, erwiderte er leise und nahm die Hand von ihrem Arm. Dann wandte er sich ab, trat einen Schritt zurück und setzte sich wieder an seinen Tisch.
»Aber …«
»Wenn Sie nichts dagegen haben … Es wäre nett … Ich hätte dann gern den Latour«, sagte er höflich und blickte auf den Tisch vor sich. Er stützte sich mit den Unterarmen auf der Tischplatte ab und lehnte sich vor, um den Teller genauer in Augenschein zu nehmen. Seine schwarzen Haare fielen ihm ins Gesicht und verbargen seine Miene. Er blickte nicht mehr auf.
Jenna lief vom Hals bis zu den Ohren leuchtend rot an. Idiotin.
»Natürlich«, murmelte sie steif. »Ich bringe Ihnen den Wein.«
Sie zwang sich dazu, so ruhig wie möglich Richtung Bar zu gehen, die Augen vor sich auf den Boden gerichtet, und all jene Blicke zu ignorieren, die ihr fragend durch das Restaurant folgten. Ihre Beine fühlten sich beinahe schmerzhaft steif an.
Ohne es so recht zu merken, betrat sie die Küche. Sie kam erst wieder zu sich, als Geoffrey auf sie zueilte und sie aus ihrem zombiehaften Zustand riss.
»Du bist gefeuert!«, kreischte er. Seine blauen Venen pulsierten, während er kaum an sich halten konnte.
»Geoffrey …«
»Ich wusste, dass wir keine Frau als Sommelier anstellen sollten. Ich wusste es! Viel zu emotional, viel zu unberechenbar, viel zu unprofessionell.«
Jenna zuckte zusammen und wischte ein paar Tropfen Speichel von ihrer Wange. Geoffrey begann mit rudernden Armen vor ihr hin und her zu laufen. »Wir sind ruiniert, das weißt du, oder?« Er wirbelte herum und fuchtelte mit den Händen vor Jennas Gesicht durch die Luft. »Ruiniert! Was glaubst du wohl, was passiert, wenn er das dem Besitzer erzählt? Man wird mich für dein grauenvolles Theater verantwortlich machen! Und erst die Presse!« Er erstarrte und wurde so weiß wie ein Laken. Seine kleinen Augen traten weit aus den Höhlen, bis Jenna befürchtete, dass sie tatsächlich herausfallen könnten.
»Die Presse«, flüsterte er aschfahl. Er hob voll Verzweiflung die Hände. »Wenn die Presse davon erfährt, dass du Seine Heiligkeit einen Schwanz …«
»Ich habe ihn nicht …«
»Geoffrey!«
Eine weitere Angestellte – eine vollbusige Brünette in einem eng anliegenden schwarzen Kleid mit einem tiefen Ausschnitt – eilte durch die schwingenden Stahltüren in die Küche und sah sich dort panisch um. Sie keuchte beinahe vor Aufregung. »Geoffrey!«
»Um Gottes Willen, Tiffany. Ich bin hier! Was ist denn los?«, fauchte er sie empört an.
»Der Earl«, stammelte sie und zeigte über die Schulter ins Restaurant hinüber. »Er möchte dich sehen.« Sie drehte sich auf dem Absatz um und eilte auf ihren platingoldenen Jimmy-Choo-Pumps wieder hinaus.
Geoffrey wandte sich erneut an Jenna und sah sie aus zusammengekniffenen Augen an. »Deine Zeit bei Mélisse ist hiermit vorbei. Verlass sofort mein Restaurant«, zischte er.
Noch ehe sie etwas erwidern konnte, war Geoffrey wie ein wütender Poltergeist durch die Tür ins Restaurant geeilt. Er hinterließ lediglich einen metallischen Geruch von Zorn.
Jenna holte tief Luft und versuchte, sich zu beruhigen. Sie sah sich in der Küche mit ihrem schwarz-weiß gefliesten Boden, dem riesigen, begehbaren Kühlschrank, dem Edelstahl-Spülbecken und der steten Geschäftigkeit um. Im Stillen verabschiedete sich von allem. Sie musste nur noch ihre Jacke und ihre Handtasche holen. Die Unterlagen und Akten in ihrem kleinen, fensterlosen Büro gehörten dem Restaurant.
Sobald sie durch die Türe trat, würde es so sein, als ob sie die letzten zwei Jahre ihres Lebens nicht hier verbracht hätte. Es würde so sein, als hätte es sie hier nie gegeben.
Benommen ging sie durch die Küche zu ihrem Büro im hinteren Teil des Hauses. Sie warf die Tür hinter sich ins Schloss, um das Kichern des Souschefs nicht mehr hören zu müssen, und nahm ihre Handtasche von dem Stuhl, auf dem sie gelandet war, ehe sie mit der Arbeit begonnen hatte.
Sie sah sich ein letztes Mal um. Die Form des Raums, die Bücherregale an einer Wand, das Zeugnis einer Meister-Sommelière, das gerahmt über ihrem Schreibtisch hing. Der Gedanke, dass sie zumindest diese Auszeichnung, die sie durch ihre harte Arbeit und Talent erworben hatte, mitnehmen konnte, half ihr auch nicht weiter. Sie glaubte kaum, dass sie nach einem Rauswurf aus dem Mélisse noch irgendwo in der Stadt unterkommen würde. Vermutlich würde ihr nichts anderes übrig bleiben, als in einem der Striptease-Klubs in der Nähe des Flughafens hinter der Bar zu arbeiten.
Ein heftiges Klopfen an der Tür ließ sie zusammenzucken. Sie drehte sich um.
»Jenna!«
Es war Geoffrey. Vermutlich wollte er jetzt noch ihren Kopf auf einem Tablett servieren.
»Noch eine Minute, Geoffrey! Ich hole nur meine …«
Die Tür wurde aufgestoßen. Geoffrey und Tiffany standen auf der Schwelle, und hinter ihnen versammelte sich das ganze Küchenpersonal. Alle starrten sie derart feindselig an, dass sie glaubte, man wollte sie tatsächlich lynchen.
Unsicher trat sie einen Schritt zurück und stieß dabei gegen ihren Stuhl. Dieser rollte gegen den Schreibtisch und blieb dort stehen. Es herrschte auf einmal eine seltsame Stille. Nur das leise Brutzeln von Zwiebeln, die unbeobachtet auf dem Herd mit den sechs Gasflammen standen, war zu hören.
Geoffrey hielt eine Flasche Wein in der Hand. Er hob sie hoch, um sie Jenna zu reichen. Auf seiner bleichen, wulstigen Stirn standen Schweißperlen.
»Der Latour«, krächzte er heiser, und seine Hände zitterten ein wenig. »Er möchte, dass du ihn servierst.«
Jennas Blick schoss zwischen Geoffrey und Tiffany hin und her, die beide so starr und blass wie Puppen aussahen. Keiner gab einen Laut von sich.
Geoffrey schluckte. Er hielt die Flasche so, als ob es sich um ein Heiligtum handelte. Auf dem Glas hatte sich eine dicke Schicht Staub angesammelt, und das Schild war ein wenig angeschimmelt – beides Anzeichen für eine korrekte Lagerung.
»Jetzt. Bitte«, flüsterte er. Das Licht an der Decke ließ ihn noch bleicher erscheinen.
»Was ist los?«, fragte Jenna.
Es war Tiffany, die antwortete. »Er ist nicht wütend. Er will seinen Wein. Und du bist die Sommelière.«
Jenna sah Geoffrey fragend an. »Geoffrey?«
Er nickte ruckartig.
»Ich bin also nicht gefeuert?«
Wieder bewegte sich sein Kopf seltsam abgehackt – diesmal von einer Seite zur anderen. Nein.
»Warum nicht?«
Er holte so scharf Luft, dass sie einen Moment lang befürchtete, seine Lungen würden reißen. »Bitte, Jenna – mach es einfach. Wir reden später. Bitte«, flehte er und deutete sogar eine seltsam, kleine Verbeugung an. »Lass ihn nicht noch länger warten.« Er schwenkte die Flasche vor ihrer Nase hin und her, als ob er sie dadurch anlocken wollte. Der Wein schwappte hin und her.
Jenna streckte die Hand aus und nahm vorsichtig die Flasche aus seinen schweißigen Fingern. »Pass auf! Wenn der Satz nach oben kommt, ist der Wein nicht mehr klar …«
»Mein Gott, Frau! Jetzt geh schon!«, fuhr er sie voll Ungeduld an. Jenna hielt inne. Ihr wurde auf einmal klar, dass sich das Blatt plötzlich gewendet hatte. Sie hielt jetzt die Fäden in der Hand. Es war nicht schwer zu erraten, wem sie das zu verdanken hatte.
»Geoffrey«, sagte sie und blickte ihn scharf an. Er schlug die Hände vors Gesicht und hob sie dann panisch über den Kopf – ein stummes, verzweifeltes »Was denn?«
»Geh mir aus dem Weg.«
Er drehte sich um und packte Tiffany am Arm, ehe er sich einen Weg durch die Menge der sichtbar enttäuschten Zuschauer bahnte. »Wieder an die Arbeit, ihr dégueulasses animaux, ehe ich euch allesamt rausschmeiße!«, fauchte er.
Jenna betrachtete die Flasche Latour in ihrer Hand. Er möchte, dass du sie ihm servierst …
Wenn Sie das wollen, kriegen Sie das auch, dachte sie grimmig. Aber passen Sie auf, was Sie sich wünschen, Earl McLoughlin.
Sie richtete sich auf, hob das Kinn und marschierte aus ihrem Büro durch die Küche, den Latour in den Armen wie ein Kind.
Ohne einen Blick zurückzuwerfen, trat Jenna durch die Schwingtüren.