17. KAPITEL

Zu Striders Bestürzung schafften sie es nicht bis nach draußen.

Als seine Freunde eilig die Getränke abstellten – von wegen: keine Spuren hinterlassen und so weiter – ging die Tür auf, und eine schwarzhaarige Schönheit kam hereinspaziert. Mit lavendelfarbenem Blick scannte sie die Bar … und hielt bei Kaia inne. Die roten Lippen verzogen sich zu einem zufriedenen Grinsen.

Strider erstarrte. Mist. Hatte er mal wieder ein Glück. Sabins Mission war jetzt überflüssig, was bedeutete, dass es heute Nacht kein Jagen und kein Stehlen gäbe. Die Eagleshields waren gelandet.

Kaia fluchte leise. „Ich Glückspilz. Juliette alias ‚Ich nerve dich so lange, bis du dich umbringst‘ alias die Ausmerzerin ist da.“ Der Gemahl der Frau ließ nicht lange auf sich warten. Beim ersten Wettkampf hatte Strider ihn nicht gesehen, weshalb er davon ausgegangen war, dass er irgendwo die Zweiadrige Rute bewachte. Darum war er umso überraschter, als der Bastard nun die Bar betrat. Sein Gesichtsausdruck war so selbstgefällig und überlegen, als gehörte alles, was er ansah, ihm. Und keine Spur von dem Artefakt. Dafür flankierten ihn diverse schwerbewaffnete Harpyien. Seine Leibwächterinnen?

Während der Einführungsveranstaltung hatte er schwere Ketten getragen. Jetzt fiel Strider auf, dass er Tattoos trug. Um Handgelenke und Hals hatte man ihm Kettenglieder ins Fleisch geätzt. Wenn er seine Stiefel auszöge, würde Strider vermutlich auch welche um seine Knöchel sehen.

Die Tattoos sahen rot, geschwollen und frisch aus, und Strider hätte sein linkes Ei darauf verwettet, dass er sie erst an diesem Morgen bekommen hatte.

Warum einen so gefährlichen Typen frei herumlaufen lassen, hä? Kaia hatte gesagt, Harpyien könnten ihren Gemahlen fast alles vergeben, aber hey! Der Mann hatte andere Harpyien umgebracht. Das war mit Sicherheit schlimmer als, nun ja, dem Feind ein unbezahlbares Artefakt zu stehlen.

Binnen weniger Sekunden hatten Striders Freunde sich neben ihm aufgestellt und bildeten eine bedrohliche Mauer. Niemand wusste, was hier vor sich ging – abgesehen vielleicht von Amun –, aber sie kannten ihn gut. Sie wussten, wann er sich für einen Kampf wappnete. Zum Teufel, sie erkannten einen Feind in dem Moment, in dem sie ihn sahen.

Gewinnen!

Nicht ein aggressives Wort war bisher gefallen, doch selbst Niederlage hatte die Bedrohung gespürt. Wird erledigt. Mit Vergnügen.

Der Mann – oder was auch immer er war – erblickte Kaia. In seinen schwarz glänzenden Augen kreiste ein hypnotischer Strudel. Sein Oberkörper war entblößt und seine Brustmuskeln zuckten. Weil er sich vorstellte, wie Kaia ihn anfasste?

Strider verkrampfte. Meins. Und ich teile nicht. Niemals.

„Lass uns Juliettes Gefolgschaft kidnappen und ihr damit drohen, sie freizulassen, wenn sie nicht macht, was wir wollen“, flüsterte Kaia ihm zu.

„Moment. Was? Drohen, sie freizulassen?“

„Sie sind so furchtbar, dass es eine Strafe wäre, sie zurückzubekommen.“

Strider verkniff sich ein Grinsen.

„Schluss mit lustig. Lass Mummy endlich arbeiten.“ Sie räusperte sich und straffte die Schultern. „Sieh an“, sagte Kaia in beiläufigem Ton und dennoch so laut, dass jeder sie hören konnte. „Habe ich denn schon Geburtstag?“

„Nein“, erwiderte Juliette. „Aber ich.“

Apropos … „Wann hast du eigentlich Geburtstag?“, wollte Strider von Kaia wissen. Seine Freunde würden annehmen, er stellte die Frage ausgerechnet jetzt, um die Neuankömmlinge zu irritieren und ihnen zu zeigen, wie unwichtig sie waren. Und das stimmte zum Teil auch. Aber ein anderer Teil von ihm wollte es wirklich wissen.

Aus weit aufgerissenen silbergoldenen Augen sah sie ihn an. „Das weißt du nicht?“

„Nein.“

Schmollend zwirbelte sie eine Haarsträhne zwischen den Fingern. „Wie kann das sein?“

„Weißt du denn, wann ich Geburtstag habe?“, konterte er.

„Natürlich. An dem Tag, als du mir begegnet bist.“

Das war ein genauso guter Tag wie jeder andere. „Nein, weil das eine Fangfrage war, Baby Doll. Ich habe nämlich gar keinen Geburtstag. Weil ich als erwachsener Mann geschaffen und nicht geboren wurde.“ Eine wahre Geschichte.

„Du kannst so ein Idiot sein.“ Verzweifelt warf sie die Hände in die Luft. „Hör auf, über solche Sachen mit mir zu diskutieren. Ich habe nämlich immer recht. Im Ernst. Bevor du mir begegnet bist, warst du tot, und das wissen wir beide. Was bedeutet, dass ich dich zum Leben erweckt habe. Also: Herzlichen Glückwunsch nachträglich.“

Amun lachte, und das war ein Schock. Der ernste Krieger lachte nämlich nie. Anya nickte, als hätte sie noch nie ein schlüssigeres Argument gehört, und Gideon lachte leise hinter vorgehaltener Hand. Scarlet gab ihm einen Klaps auf den Hinterkopf.

„Du hast recht“, erwiderte Strider und hätte am liebsten selbst gelacht. „Also, wann ist dein Geburtstag?“

„Haltet die Klappe“, knurrte Juliette plötzlich. „Ich dachte, wir würden ein paar Beleidigungen austauschen.“

Er drehte sich wieder zu ihr um, als wäre er überrascht, dass sie immer noch da war. Vor Wut waren ihre Wangen hellrosa und ihre Lippen nur noch zwei schmale Striche. Ausgezeichnet. Wenn sie emotional war, würde sie Fehler machen. Ihr Gemahl hingegen sah amüsiert aus. Und beeindruckt, sogar ein bisschen wehmütig.

Ich warne dich, Kumpel. Halte dich bloß von Kaia fern, projizierte Strider in seine Richtung.

Als hätte er die neue Gefahr gespürt, ließ der Mann seinen Blick zu Strider weiterwandern. Mehrere Sekunden lang starrten sie einander einfach nur wütend an. Auf keinen Fall würde Strider als Erster wegschauen, und das musste der Kerl gespürt haben, denn nachdem er aggressiv die Zähne gebleckt hatte, widmete er seine Aufmerksamkeit wieder Kaia – und leckte sich die Lippen.

Dafür wirst du bezahlen. Warum Niederlage nicht „gewinnen“ rief, wusste Strider nicht. Aber das würde ihn trotzdem nicht davon abhalten, ein klitzekleines bisschen Stunk zu machen.

„Und, wie hast du sie gefunden?“, fragte Strider schärfer als beabsichtigt.

„Ich bitte dich. Als ob es schwer gewesen wäre, euch zu folgen“, erwiderte Juliette, die sich nur dazu herabließ, mit Kaia zu sprechen.

Da reckte Niederlage den Kopf.

Das ist keine Herausforderung, du Idiot. Wo warst du überhaupt, als ich auf dich gewartet habe?

Keine Antwort. Natürlich nicht.

Kaia verzog den Mund zu einem Lächeln. „Als ob ich nicht gewusst hätte, dass du mir folgst. Als ob ich nicht absichtlich Brotkrumen für dich gestreut hätte. Und jetzt sieh mal, wer diese Krumen wie eine Maus gefressen hat und in einer hübschen, kleinen Mausefalle gelandet ist.“

Treffer. Unruhig verlagerte Juliette das Gewicht von einem Bein aufs andere. Sie betrachtete die dämonenbesessenen Krieger vor sich und wurde blass.

Niederlage lachte leise und überraschte Strider erneut. Während der Spiele, als Kaia es ihren Gegnerinnen gezeigt hatte, hatte der Dämon eine ähnliche Reaktion gezeigt. Strider hatte geglaubt, sich verhört zu haben. Dass der Lärm der Menge irgendwie in seinen Kopf eingedrungen sei. Aber jetzt …

Was hatte das zu bedeuten?

Denk später darüber nach. Die Belustigung seines Dämons würde ihm die Halsschlagader jedenfalls nicht durchtrennen. Aber Juliette würde es vielleicht tun, wenn er nicht vorsichtig war. Er musste sich konzentrieren.

„Wann möchtest du uns sagen, warum du mir gefolgt bist – bevor oder nachdem wir mit euren Gesichtern den Boden gewischt haben?“, fragte Kaia beiläufig. „Und mit ‚wischen‘ meine ich: ihn mit eurem Blut bedecken.“

„Während du dich entscheidest“, fügte Strider hinzu, „möchte ich dir Kaias Freunde vorstellen. Der Typ mit der Axt in der Hand ist Gideon. Er ist vom Dämon Lügen besessen. Die Frau neben ihm, die immerzu die Dolche hochwirft und wieder auffängt, heißt Scarlet. Sie ist vom Dämon Albträume besessen. Die hibbelige Blondine ist die Göttin der Anarchie.“ Er sah keine Veranlassung zu erwähnen, dass sie nur eine Halbgöttin war. Denn das klang nicht annähernd so beeindruckend.

Anya winkte mit dem kleinen Finger. „Hey zusammen. Willkommen auf unserer Party. Hier noch ein paar Fakten über mich, bevor ihr zu tot seid, um zu fragen: Meine Hobbys sind lange Strandspaziergänge, mit meinem Mann kuscheln und Leute umbringen, die mich bedrohen.“ Mit so süßer Stimme gesprochen und zugleich so furchterregend.

Strider wollte gerade weitersprechen, als Juliette keifte: „Ihr interessiert mich alle nicht. Wir sind nicht gekommen, um zu kämpfen. Warum auch? Dafür sind schließlich die Spiele da.“

Ach wirklich? Er hätte eine ordentliche Summe darauf gesetzt, dass genau das Gegenteil stimmte. Und er hätte natürlich gewonnen.

„Bist du sicher?“, fragte Kaia. „Es stört mich nicht, eine Ausnahme zu machen und so zu tun, als wäre das hier ein Wettkampf. Ich würde dich sogar zum ersten Schlag ausholen lassen, ohne mich dafür zu rächen. Allerdings kann ich nicht dafür garantieren, dass meine besessenen Freunde sich genauso gut benehmen.“

Schweigend wirbelte Juliette auf dem Absatz herum und ging zur Bar. Ihr Gemahl und ihr Clan folgten ihr.

Gewonnen, sagte Niederlage und seufzte glücklich.

Strider schlug in Gedanken mit ihm ein und freute sich, als noch mehr Glücksgefühle durch seinen Körper jagten. Das einzige Problem war nur, dass Kaia jetzt nicht trainieren konnte. Und die Bar verlassen konnte sie auch nicht. Das wäre einem feigen Rückzug gleichgekommen. Also saßen sie hier fest, und ihr Rummach-Marathon war ebenfalls aufgeschoben. Mal wieder.

„Kaia!“, ertönte plötzlich eine aufgeregte Frauenstimme. Erneut schwang die Tür auf. Dieses Mal kam Bianka hereingerauscht. Die dunkle Mähne wehte hinter ihr her und klatschte Lysander, der ihr dicht folgte, ins Gesicht. Dahinter betrat ein weiterer Kriegerengel die Bar. Dieser hatte dunkle Haare, stechend grüne Augen und gefühllos leere Gesichtszüge.

Zacharel. Strider hatte den geflügelten Krieger vor Wochen kennengelernt, als er gemeinsam mit seinen Engelskollegen dafür sorgen sollte, dass Amun die Burg in Buda nicht verließ. Es hatte ihn große Mühe gekostet, sich mit dem Kerl auseinanderzusetzen, weil sein Körper jedes Mal, wenn sie einander nähergekommen waren, heftig reagiert hatte.

Strider hatte nie so herum getickt, aber es war auch wirklich nicht seine Schuld. Es gab einfach kein Wesen, das körperlich perfekter war als Zacharel. Außer Kaia. Dieses Mal spürte er jedoch keinerlei Reaktion. Vielleicht weil er schon so stark auf Kaia reagierte, dass nichts anderes mehr mithalten konnte.

Sabin und Gwen kamen als Nächstes herein. Obwohl Strider seinem Anführer keine Nachricht geschickt hatte, um ihn zu informieren, dass die Eagleshields hier waren, wirkte der Krieger kein bisschen überrascht, sie zu sehen. Anscheinend hatte er sie wie geplant aus dem Himmel beobachtet.

Ob er die Rute gefunden hatte?

„Bianka“, sagte Kaia lachend, während sie in die Mitte des Raums lief, wo sich die Zwillinge umarmten und einen Freudentanz vollführten, als hätten sie sich seit Jahren nicht gesehen.

„Ich wäre schon früher gekommen, aber Lysander hat mich in unserer Wolke festgehalten“, erklärte Bianka grinsend. „Er hat mich erst gehen lassen, als Sabin sein Okay gegeben hat – was ich übrigens noch immer nicht verstehe. Deshalb werde ich ihn auch so lange bestrafen, bis er irgendetwas ausspuckt – Geheimnisse, Gedärme, ganz egal.“

Das würde auch erklären, warum er ein blaues Auge hat, dachte Strider grinsend.

„Du hast es gut“, meinte Kaia. „Du kannst deinem Gemahl wehtun.“

„Ich weiß. Aber, bitte, nur keine Hemmungen. Du kannst ihm auch gern wehtun. Allerdings nicht zu sehr. Im Himmel gibt es momentan nämlich eine Menge Ärger – es geht um irgendein Stück Liebe, das verloren gegangen ist, was auch immer das zu bedeuten hat – und mein Schnuckiputzi ist ziemlich gestresst.“

Das war das Letzte, was Strider verstand, bevor die Schwestern anfingen, wild durcheinanderzuplappern.

„… weil du umwerfend aussiehst und …“

„… ich glaube, ich spinne …“

„… nächstes Mal will ich eine Videoaufnahme von …“

„… richtig aufgeschnitten, gibt Haut ein hübsches Portemonnaie ab …“

„… macht sie eigentlich hier?“

Synchron drehten sie sich zur Bar um und bedachten Juliette mit einem Blick, der vor Verachtung nur so troff. Juliette tat, als bemerkte sie es gar nicht. Ganz im Gegensatz zu ihrem Gemahl. Der lächelte die Zwillinge an, als wären sie das Weihnachtsgeschenk, das er sich schon immer gewünscht hatte.

Blut … wird wärmer …

Strider hätte sich wie eine Wasserstoffbombe auf den Kerl geworfen, wenn er nicht eine starke Hand auf der linken Schulter gespürt hätte. „Das würde ich nicht tun“, warnte Lysander ihn.

„Du nicht. Ich schon.“ Nicht eine Sekunde ließ er den Mann, den er so gerne umgebracht hätte, aus den Augen.

Eine nicht minder kräftige Hand legte sich auf seine rechte Schulter. „Vielleicht solltest du deine Strategie noch einmal überdenken“, riet Zacharel mit seiner kalten, tonlosen Stimme.

Tja, also, vielleicht hatten die Menschen eine andere Vorstellung von körperlicher Perfektion als Strider. Zumindest lungerten sie noch immer in der Bar herum, ohne die Engel zu beachten. Dabei hatten sie Flügel und trugen weibische Roben, verdammt noch mal. Zwei weitere Gründe, sie anzustarren.

„Sie können weder Lysander sehen noch mich“, erklärte Zacharel. „Du hast recht. Wenn sie es könnten, würden sie uns anstarren.“

Strider biss die Zähne aufeinander. „Halt dich aus meinem Kopf raus.“

„Hör auf, deine Gedanken zu mir zu projizieren.“

Es war ihm egal, wenn Amun seine Gedanken las. Aber Zacharel? Ein Engel? Das war schon verflucht ätzend. „Der Gemahl. Was ist er?“

Lysander stellte keine Fragen zu ihrem Wortwechsel, sondern erwiderte nur: „Sein Name ist Lazarus. Er ist der einzige Sohn von Typhon.“

Ach du Schande. Er hatte recht gehabt – der Typ war alles andere als ein Mensch. Strider verspürte den Drang, den Kopf zu schütteln, es zu leugnen, alles zu tun, außer es zu akzeptieren. Doch wenn ein Engel sprach, gab es keinen Grund zu zweifeln. Niemals. In jeder Nuance von Lysanders Stimme schwang die Wahrheit mit, und jede Zelle in Striders Körper glaubte, was er soeben gesagt hatte.

Als Elitesoldat von Zeus hatte Strider schon gegen viele Ungeheuer gekämpft. Doch keines war mit Typhon vergleichbar gewesen. Der Bastard war ein Riese mit dem Kopf eines Drachen und dem Körper einer Schlange. Die Spannweite seiner Flügel umfasste ein ganzes Footballfeld, und in seinen Augen hatte ein endloser Abgrund gewartet.

Typhon hatte Zeus herausgefordert und hätte auch gewonnen, war dabei gewesen zu gewinnen, bis Strider und seine Freunde am Schauplatz aufgetaucht waren und den Riesen in die Flucht geschlagen hatten. Gern geschehen, dachte Strider verbittert, als er sich daran erinnerte, wie Zeus sie beschuldigt hatte, ihn abgelenkt zu haben. Er hatte behauptet, auch ohne ihre Hilfe gesiegt zu haben. Seitdem hatte Strider nie wieder etwas über Typhon gehört, und nun fragte er sich, was mit dem Kerl geschehen war.

„Wer ist seine Mutter?“, wollte er wissen.

„Ich weiß zwar nicht, wie sie heißt, aber sie ist eine Gorgone.“

„Das wird ja immer besser“, murmelte Strider trocken. Gorgonen trugen statt Haaren Schlangen auf dem Kopf, die jeden, der sie ansah, zu Stein erstarren ließen. Außerdem vergifteten sie ihre Opfer, wenn sie zubissen. Medusa war die Bekannteste unter ihnen – so legendär, dass sich sogar die Menschen Geschichten von ihrer bösen Macht erzählten.

Sterbliche. Die waren ja so naiv. Wenn sie gewusst hätten, dass Medusa noch harmlos war. Vergleichen mit den anderen ihrer Art, war sie ein wahrer Schatz.

„Offensichtlich will er ein Stück von Kaia.“

„Wer will das nicht?“, fragte Zacharel monoton wie immer. „Sie ist eine schöne Frau, und ich habe selbst gesehen, wie glücklich eine Harpyie einen Engel machen kann.“

Im nächsten Moment drückte Strider seine Nase gegen die des Engels und atmete scharf ein. „Halt dich bloß von ihr fern.“

Gewinnen.

Kein Problem.

„Habe ich vor“, erwiderte der Engel ruhig. „Mich von ihr fernhalten, meine ich.“

Strider blinzelte irritiert und machte einen Schritt zurück. „Aber du hast doch gerade …“

„Ich habe dir nur zugestimmt. Jeder nicht liierte Mann in dieser Hütte will ein Stück von ihr.“

Im Nu hing er dem Kerl wieder im Gesicht. „Und du?“ Verdammt noch mal, er musste sich unbedingt besser im Griff haben. Er hatte sich geschworen, sich in den nächsten Wochen auf keine größere Herausforderung einzulassen, und trotzdem reagierte er auf jeden, der auch nur in Kaias Richtung sah.

„Ich habe mich nur davon überzeugt, dass du sie begehrst und nicht … sonst irgendwen.“

Zum Beispiel einen Engel. Wieder trat er zurück. Diesmal schneller, da seine Wangen ob dieser Demütigung ganz heiß wurden. Der Bastard zog ihn doch tatsächlich mit seiner früheren Faszination auf.

„Du siehst so unschuldig aus. Dabei bist du in Wirklichkeit der Teufel im Engelsgewand, nicht wahr?“

Zacharel zuckte nur die Achseln, seine Miene blieb unverändert.

Gewinnen?

Ja. Diese Runde geht an uns. Der Engel hatte sich Kaia nicht genähert, und das war alles, was zählte.

Vielleicht stimmte Niederlage ihm zu, aber Strider spürte keine Funken des Glücks. Genauso wenig wie irgendwie geartete Schmerzen.

„Was machst du überhaupt hier?“, grollte er.

„Bianka nimmt am nächsten Wettkampf teil. Lysander wünscht, dass ich …“

„Lysander kann für sich selbst sprechen“, fiel ihm der Kriegerengel ins Wort. „Ich wollte … eine helfende Hand – entweder, um mich zurückzuhalten oder um mich zu unterstützen, falls ich mich gezwungen sehe, Biankas Gegnerinnen zu bestrafen.“

Igitt. Wahre Liebe. Wie ekelhaft.

Sowohl Lysander als auch Zacharel konnten Feuerschwerter aus der puren Luft erschaffen. Sollte Kaias Zwillingsschwester also irgendetwas zustoßen, würde bis zum Ende des zweiten Wettkampfs ohne Frage der eine oder andere Harpyienkopf rollen.

„Du weißt aber schon, dass du Bianka blamierst, wenn du …“

„Mit wem sprichst du denn da, Strider?“ Obwohl Haidee schon fast vor ihm stand, sprach sie hinter vorgehaltener Bierflasche und wagte nicht, in seine Richtung zu sehen. Er wusste, dass sie vor Kaia keine Angst hatte – auch wenn es klüger gewesen wäre. Sie wollte nur einem weiteren Angriff vorbeugen, während der Feind in der Nähe war.

Und verflucht noch mal – die Engel hatten ihn doch gewarnt. Niemand sonst konnte sie sehen. Außer Gwen und Sabin, wie es schien, denn auch sie lachten hinter vorgehaltenen Bierflaschen.

„Mit niemandem“, murmelte er. Mit niemand Wichtigem. Er richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf Kaia und Bianka, die Unruhestifter im Doppelpack.

„… keinen besseren Zeitpunkt“, sagte Bianka gerade.

„Dann lass es uns tun“, erwiderte Kaia und grinste teuflisch. „Juliette wird nie begreifen, wie ihr geschieht.“

Verflucht. Was hatten sie vor? Bei diesen beiden implizierte „es“ immer Blutvergießen, schweren Autodiebstahl oder einen Großbrand. Oder an besonderen Tagen eine Kombination aus allem. Mit wachsender Sorge beobachtete er, wie die beiden Frauen sich in Bewegung setzten, und war bereit, jederzeit loszustürzen.

Dann bewahrheitete sich seine schlimmste Befürchtung. Die beiden stiegen auf die Bühne.

Um Karaoke zu singen.