2. Kapitel

Tyler King trank sein Bier aus und bedeutete der Kellnerin, ihm noch eins zu bringen. »Harry’s Bar and Grill« gehörte zu den Lieblingskneipen der Polizisten von Kansas City, denn das Lokal bot die längste Happy Hour in der ganzen Stadt.

Doch Tyler war alles andere als glücklich. In erster Linie war er müde. Er war fünfunddreißig Jahre alt und hatte den Großteil seines Berufslebens beim Morddezernat verbracht, das aus einer Elitetruppe von Ermittlern bestand, die die scheußlichsten Mordfälle der Stadt bearbeiteten.

Die letzten Monate waren vergleichsweise ruhig gewesen, es hatte nur die üblichen Morde gegeben, die im Zusammenhang mit Drogen und häuslicher Gewalt standen. Doch Tyler wusste nur zu gut, dass er sich von der Ruhephase nicht täuschen lassen durfte. Die Sommerhitze war im Anmarsch, und gewöhnlich stieg die Mordrate mit den Temperaturen.

Irgendwo hatte er gelesen, dass in etwa jeder zehnten Person ein Soziopath steckte. Er betrachtete die Leute am Tresen mit einem ironischen Lächeln. Das bedeutete, dass mindestens fünf von ihnen Irre waren, und sie alle besaßen eine Polizei-Dienstmarke.

»Bitte schön, Schätzchen.« Die Kellnerin, Sally Jean, stellte das frisch gezapfte Bier vor ihm ab.

»Danke, Sally.«

»Wo ist denn deine Partnerin mit der großen Klappe? Ihr zwei seid doch immer wie siamesische Zwillinge.«

Tyler lächelte bei dem Gedanken an seine Partnerin Jennifer Tompkins. »Sie ist heute Abend zum Essen verabredet.«

Sally zog eine blonde Braue hoch. »Ein Rendezvous?«

»Nein, nur ein Essen mit Freunden.«

»Ich dachte schon, ihr zwei hättet was miteinander.«

Tyler lachte. »Im Leben nicht«, erwiderte er. »Ich würde nie etwas mit einer Kollegin anfangen, außerdem hat Jennifer das Talent, mich an den Rand des Wahnsinns zu treiben.«

»Ja, sie ist ein Energiebündel«, antwortete Sally, dann eilte sie zum nächsten Tisch weiter, an dem eine Gruppe von Männern nach Getränken verlangte.

Jennifer war mehr als nur ein Energiebündel. Mit ihren sechsundzwanzig Jahren war sie das jüngste Mitglied im Dezernat, das auch am kürzesten dabei war. Ihre Partnerschaft war anfänglich keine ideale Verbindung gewesen. Jennifer war aggressiv und penetrant aufgetreten, begierig darauf, sich einen Namen zu machen.

Doch in den letzten paar Monaten war sie ruhiger geworden. Unter Tylers nicht allzu sanfter Anleitung hatte sie den Wert von Geduld und die Bedeutung von Teamgeist kennengelernt. Aus ihr würde noch eine großartige Polizistin werden, aber sie war absolut keine Frau, mit der Tyler eine Beziehung eingehen würde.

Er trank einen tiefen Schluck aus seinem Bierglas und winkte einem Polizisten zu, der gerade zur Tür hereinkam. Mit Frauen ausgehen. Er konnte sich nicht erinnern, wann er zum letzten Mal eine Verabredung gehabt hatte.

Vielleicht war jetzt die Zeit gekommen, auszugehen, jemanden kennenzulernen und ein bisschen Spaß zu haben. Wirklich scheußliche Fälle standen gerade nicht an, und seine Arbeitszeiten waren fast normal. Er dachte an die Telefonnummer, die Danika, seine Nachbarin, ihm heute Morgen gegeben hatte.

Sie gehörte ihrer besten Freundin. »Ruf sie an«, hatte sie ihn gedrängt. »Tyler, du brauchst entweder eine Freundin oder einen Hund. Du brauchst etwas Lebendiges, Atmendes, womit du dich beschäftigen kannst.«

Er trank noch einen Schluck Bier. Vielleicht wäre ein Hund gar nicht so übel. Wenn man einen Hund fütterte, ein paarmal am Tag nach draußen ließ und ihn hin und wieder streichelte, dankte er es einem mit ewiger Treue. Keine unrealistischen Ansprüche, kein Gejammer über die viel zu langen Arbeitszeiten.

Hund oder Freundin? Er schob den Gedanken beiseite, als sich eine Gruppe Männer zu ihm an den Tisch gesellte und sich die Unterhaltung wie immer dem Thema Mord zuwandte.


Das Telefon klingelte um halb acht am nächsten Morgen. Annalise saß an ihrem Küchentisch, trank ihren Rest Kaffee aus und schob sich das letzte Stückchen Toast in den Mund. Ihr Vater war am Apparat.

»Hi, Liebes«, sagte er. »Tut mir leid, dass ich gestern keine Möglichkeit hatte, dich anzurufen und dir zum Geburtstag zu gratulieren.«

»Schon gut. Ich war sowieso den ganzen Tag über ziemlich beschäftigt«, antwortete sie. Wie immer, wenn sie mit ihrem Vater sprach, zog sich etwas in ihrer Brust zusammen.

»Ich wollte fragen, ob du heute Zeit zum Mittagessen hast. Wir könnten uns bei dem Italiener auf der anderen Seite des Parks gegenüber von deinem Laden treffen«, sagte er.

Sie zögerte, hin und her gerissen von widersprüchlichen Gefühlen.

»Komm schon, Annalise, für eine Stunde kannst du dir doch bestimmt freinehmen«, drängte er.

»Gut. Treffen wir uns um elf im Joey’s?«

»Schön, ich freue mich darauf.«

Als sie aufgelegt hatte, setzte sich Annalise an den Tisch und dachte über ihren Vater nach. Danika bestand darauf, dass es die ungeklärte Beziehung zu ihrem Vater war, die Annalise vor einer ernsthaften Verbindung in ihrem Leben zurückschrecken ließ.

Annalise wiederum hatte den Verdacht, dass Danika zu viele Arztserien sah, musste jedoch zugeben, dass sie ihrem Vater mit gemischten Gefühlen gegenüberstand. Ein Teil von ihr war noch das kleine Mädchen, wütend, weil ihr Vater, als er ihre Mutter verließ, auch sie selbst verlassen hatte.

Sie erhob sich vom Küchentisch und ging zum Computer, um nach den Bestellungen zu sehen, die über ihre Website eingegangen waren. Mit den Gedanken an ihren Vater wollte sie sich nicht länger beschäftigen.

Als sie darauf wartete, dass der Computer hochfuhr, fiel ihr die Puppe ein, die sie am Vortag erhalten hatte. Seltsam, dass eine Braut-Belinda zurückgegeben worden war. Diese Puppe war schon seit mehr als zehn Jahren ausverkauft. Von einem ihrer Angestellten hatte sie erfahren, dass die Puppe inzwischen bei eBay für über achthundert Dollar gehandelt wurde. Warum also sollte jemand sie einfach zurückgeben? Es war ein Rätsel, für das sie keine Lösung fand.

Um halb neun hatte sie die Internet-Bestellungen ausgedruckt, um sie Sarah zu übergeben, die für den Versand der Puppen verantwortlich war.

Sie verließ ihre Wohnung und stieg die zwei Treppen zum Laden hinunter. Offiziell öffnete dieser erst um zehn, doch vorher gab es stets noch genug zu erledigen.

Um neun waren bereits einige ihrer Angestellten eingetroffen und arbeiteten im Hinterzimmer. Puppen mussten zusammengesetzt, Frisuren gerichtet und Kleider genäht werden. Annalise hoffte, dass der Laden an diesem Tag gut besucht sein würde. Wenn eine neue Puppe angekündigt wurde, ließen sich gewöhnlich viele Sammler blicken, um das Modell zu kaufen oder zu bestellen.

»Entschuldige die Verspätung«, sagte Ben, als er um zwanzig nach neun zur Tür hereinstürmte. »Hast du die Nachrichten gesehen? Sechs Fahrzeuge sind auf der Interstate siebzig aufeinandergeprallt, und der Verkehr kam zum Erliegen. Nein, natürlich hast du es nicht in den Nachrichten gesehen. Ich vergaß, dass du allergisch gegen Nachrichten bist.«

Annalise lachte. »Nicht allergisch. Gelegentlich höre ich mir die Nachrichten im Radio an. Ich will einfach nur nichts von all den Tragödien wissen, die sich in der näheren Umgebung zutragen.«

»Und das ist eine deiner Eigenarten, die wir so an dir lieben«, entgegnete er voller Zuneigung. Als er im Arbeitsraum verschwand, klingelte das Telefon.

»Blakely Dollhouse«, meldete sie sich.

»Könnte ich bitte Annalise sprechen?« Die Männerstimme klang tief und samtig.

»Am Apparat.«

»Hi, hier ist Tyler King, ein Freund von Danika. Sie hat mir Ihre Nummer gegeben.«

»Hi, Tyler. Danika hat mich schon informiert, dass sie Ihnen meine Nummer gegeben hat.« Eine nervöse Anspannung machte sich in ihrem Bauch bemerkbar. Sie hatte keine Ahnung, wie Tyler King aussah, doch der Mann besaß eine Stimme, der sie stundenlang zuhören könnte.

»Danika ist eine Überredungskünstlerin, und sie ist offenbar der Meinung, dass wir uns kennenlernen sollten. Ich weiß, es ist ziemlich kurzfristig, aber ich möchte Sie trotzdem fragen, ob Sie Lust haben, heute Abend essen zu gehen?«

Aus einem ersten Impuls heraus wollte sie ablehnen. Ein Blind Date mit Danikas Nachbar erschien ihr keine gute Idee zu sein, doch Danika würde ausflippen, wenn sie erfuhr, dass Annalise abgelehnt hatte. Nur einmal essen gehen, dachte sie, dann konnte sie Danika erklären, dass es zwischen ihnen nicht gefunkt hatte.

»Heute Abend passt es gut«, stimmte sie zu.

»Gibt es ein Lokal, das Sie besonders gern mögen? Ein Lieblingsrestaurant?«

»Es gibt da ein italienisches Restaurant in Riverfront. Es heißt ›Joey’s‹.«

»Das kenne ich.«

»Wollen wir uns gegen achtzehn Uhr dort treffen?«

»Das passt wunderbar. Wie erkenne ich Sie?«

Ich bin diejenige, die aussieht, als wäre sie an jedem anderen Ort lieber als dort, dachte sie. »Ich trage Gelb«, antwortete sie in Gedanken an das neue Kleid, das sie vor kurzem in einer Boutique ganz in der Nähe gekauft hatte.

»Dann sehen wir uns um achtzehn Uhr.«

Zwei Mahlzeiten im Joey’s an einem Tag. Annalise hatte das Gefühl, nach diesem Tag für lange Zeit kein italienisches Essen mehr vertragen zu können. Sie hätte gern gewusst, ob der Grund für Tylers Anruf der gleiche war wie der für ihre Zustimmung zu seiner Einladung – weil Danika einem gehörig auf die Nerven gehen konnte. Doch wenn sie ihn im Joey’s traf, konnte sie sich wenigstens problemlos nach Hause absetzen, sollte es nicht so gut laufen.

Sie öffnete den Laden, und jeglicher Gedanke an das Mittagessen mit ihrem Vater und die Verabredung mit Tyler King verschwand, als sie sich in die Arbeit stürzte.

Um Viertel vor elf Uhr übergab sie Samantha den Laden, und als sie in den heißen Sonnenschein hinaustrat, war sie froh, ein luftiges Sommerkleid angezogen zu haben.

Riverfront war, obwohl nur einen Steinwurf von der Innenstadt Kansas Citys entfernt, eine eigenständige Gemeinde.

Sonnabend- und sonntagmorgens drängten Scharen von Menschen auf den Markt, um unter freiem Himmel einzukaufen. Der Markt bot so ziemlich alles, was das Herz begehrte, von frischem Obst und Gemüse bis zu Schmuck und Kunsthandwerk.

Auf der Straßenseite gegenüber von Annalises Laden befand sich ein Park. An schönen Tagen waren die Bänke und Rasenflächen von Verkäuferinnen und Anwohnern bevölkert, die hier ihr Mittagessen verzehrten, Tauben fütterten oder einfach nur ein paar Minuten an der frischen Luft genießen wollten. Der heutige Tag bildete keine Ausnahme.

»Hey, Annalise.« John Malcolm hob grüßend die Hand. »Hab dich gestern in den Mittagsnachrichten gesehen.«

John befand sich in den Vierzigern und lebte in einer der Wohnungen auf der anderen Seite des Parks. Er arbeitete als Hausmeister in seinem Wohnblock und verbrachte seine Mittagspause häufig im Park.

»Wie geht’s dir, John?« Sie blieb vor der Bank, auf der er saß, stehen.

»Gebe mir alle Mühe, nicht den Verstand zu verlieren.« Er lächelte sie flüchtig an und wies auf das dreistöckige Backsteingebäude, in dem er wohnte. »Die Besitzer wollen kein Geld dafür ausgeben, und die Mieter verlangen Dinge, die sie nicht kriegen können. Es ist ein ewiger Kampf, und ich stecke mitten zwischen den Fronten.« Er zog ein halbes Thunfisch-Sandwich aus einer braunen Papiertüte. »Wie läuft das Puppengeschäft? Anscheinend hattest du heute Morgen viel zu tun.«

»Größtenteils Stammkunden, die wegen der neuen Puppe kommen.« Sie sah auf ihre Uhr. »Ich muss mich beeilen, John. Ich bin zum Mittagessen verabredet.«

Als sie den Park durchquerte, sah sie mehrere Nachbarn und Freunde, die das schöne Wetter genossen. Sie winkte George Cole zu, der als Versicherungsvertreter arbeitete, und grüßte Barbie Stanford, die Besitzerin einer Boutique, in der Annalise häufig ihre Kleider kaufte.

Als sie sich dem Joey’s näherte, spürte sie, wie sich bei dem Gedanken an das Essen mit ihrem Vater die leise Anspannung in ihrem Bauch zurückmeldete.

Joey Farino begrüßte sie an der Tür, ein strahlendes Lächeln auf dem breiten Gesicht. Joeys Mutter, jahrzehntelang die Besitzerin des Restaurants, war vor einem Jahr verstorben und hatte es ihrem einzigen Sohn hinterlassen. Joey hatte das Restaurant übernommen und war stolz auf die gute Küche und die freundliche Atmosphäre.

»Da ist ja meine Lieblings-Puppenmacherin«, sagte er und gab ihr einen Kuss auf die Wange. »Den üblichen Tisch?«, fragte er.

»Das wäre nett, aber heute sind wir zu zweit. Ich treffe mich mit meinem Vater zum Essen.«

»Schön. Familie ist immer gut.« Er griff nach zwei Speisekarten und führte sie in den hinteren Teil des Restaurants zu einem abgelegenen Tisch. Annalise kam etwa dreimal die Woche zum Mittagessen hierher, und Joey wies ihr stets ebendiesen Tisch zu.

»Danke, Joey«, sagte sie und ließ sich auf dem Platz nieder, von dem aus sie den Gastraum gut im Blick hatte. Sie würde ihren Vater sehen, sobald er zur Tür hereinkam.

Um Punkt elf Uhr betrat Frank Blakely das Restaurant. Wie üblich war er tadellos gekleidet. An diesem Tag trug er eine dunkelblaue Baumwollhose und ein kurzärmliges Oberhemd. Sein graumeliertes Haar war sorgfältig frisiert, und sein Gang war der eines selbstbewussten, erfolgreichen Mannes.

Und er war ein erfolgreicher Mann. Nachdem er sie und ihre Mutter verlassen hatte, hatte er ein Jurastudium begonnen, seinen Abschluss gemacht und führte nun eine gutgehende Anwaltskanzlei. Sie liebte ihn verzweifelt und hasste ihn zugleich. Gerade dieser Zwiespalt der Gefühle gestaltete die Beziehung zu ihm so schwierig.

Ein Lächeln trat auf sein gutaussehendes Gesicht, als er sie sah und auf den Tisch zukam. »Da ist ja mein Mädchen«, sagte er, beugte sich vor und gab ihr einen Kuss auf die Wange. Er legte ein in buntes Geschenkpapier gewickeltes Päckchen auf den Tisch und ließ sich ihr gegenüber auf dem Stuhl nieder.

Er griff nach der Speisekarte, sah aber nur Annalise an. »Du siehst müde aus, Annalise. Bestimmt arbeitest du zwölf Stunden am Tag.«

»Ach, Dad, du verstehst es, einer Frau Komplimente zu machen«, erwiderte sie trocken.

Er strich ihr zart über den Handrücken. »Du weißt genau, dass ich dich wunderschön finde, aber ich mache mir Sorgen um dich. Du arbeitest zu viel. Du bist jung und hübsch und solltest mehr Spaß haben.«

»Ich habe meinen Spaß«, widersprach sie. »Heute Abend bin ich sogar verabredet.«

»Na, das ist ja prima«, sagte er. »Ist er etwas Besonderes für dich?«

»Wir treffen uns zum ersten Mal.«

»Vielleicht ist es der Anfang von etwas Wunderbarem. Ich möchte, dass du glücklich bist, Annalise.«

Warum hast du mich dann verlassen? Warum bist du viele Jahre lang aus meinem Leben verschwunden? Die Fragen hätte sie ihm jetzt gern gestellt, doch sie ließ es bleiben.

Stattdessen verging auch dieses gemeinsame Essen wie alle anderen zuvor, mit oberflächlichen Gesprächen, unausgesprochenen Gefühlen und Ballast aus der Vergangenheit. Es war fast Mittag, als sie ihrem Vater erklärte, dass sie zurück in den Laden müsse.

»Vorher musst du aber dein Geschenk auspacken«, sagte er.

»Lass mich raten – noch ein Elefant für meine Sammlung?«

Er schüttelte den Kopf. »Dieses Mal nicht.«

Sie entfernte das Geschenkpapier und öffnete die Schachtel. In Seidenpapier eingebettet lag ein Schlüssel darin. Annalise sah ihren Vater verwundert an.

»Das ist der Schlüssel zu unserem Blockhaus am See. Wir planen einen vierzehntägigen Urlaub gegen Ende August, und wir würden uns sehr freuen, wenn du uns besuchen kämst.«

Ihre Überraschung hätte nicht größer sein können, wenn er auf den Tisch gestiegen und einen Urschrei ausgestoßen hätte. Sie starrte den Schlüssel an, und wieder fielen diese zwiespältigen Gefühle über sie her.

»In der Schachtel findest du auch eine Karte, damit du weißt, wo genau am See das Blockhaus zu finden ist«, fügte er hinzu.

»Was hält Sherri von dieser Sache?«, fragte sie.

Ihr Vater lächelte. »Sie meint, es sei höchste Zeit, dass sie die andere Frau in meinem Leben kennenlernt.«

»Ich weiß nicht, ob ich mich freimachen kann«, sagte Annalise und zerknüllte ihre Serviette.

»Du hast zwei Monate Zeit, es dir zu überlegen.«

Er sprach leise, und in seinem Tonfall schwangen unterdrückte Gefühle mit, die ihren Panzer durchbrachen und mitten in den Schmerz ihrer Kindheit stießen.

»Ich werde sehen, was ich tun kann«, antwortete sie und stand auf mit dem Wunsch – dem Drang – zu fliehen. »Danke für das Essen.«

»Ich rufe dich an.«

Annalise hielt ihr Geburtstagsgeschenk fest umklammert, als sie das Restaurant verließ. Ihre Gefühle waren viel zu kompliziert, um sie einordnen zu können. Nur eines war sicher: der Schlüssel und die Einladung hatten sie überrascht. Allerdings musste sie sich noch gut überlegen, ob sie die Einladung annehmen wollte oder ob es nicht einfacher und weniger schmerzhaft wäre, den Schlüssel und die Wegbeschreibung in eine Schublade zu legen und zu vergessen. So ähnlich, wie ihr Vater ihrer Meinung nach mit ihr verfahren war, als er sie und ihre Mutter verlassen hatte.


Er beobachtete, wie sie durch den Park zurück zu ihrem Laden ging. Annalise Blakely. Die Puppenmacherin. Ihr langes, dunkles Haar glänzte rötlich im Sonnenschein, und sie bewegte sich mit der Zuversicht einer Frau, die ihren Platz im Leben kannte.

Er wusste, wo sie arbeitete. Er wusste, wo sie wohnte. Er wusste alles Mögliche über sie. Wenn der Zeitpunkt gekommen war, brauchte er nicht lange nach seiner Annalise-Puppe zu fahnden.

Das Blut rauschte in seinen Adern, pochte in seinen Schläfen und nahm ihm in seiner Aufregung fast den Atem. Sie sollte seine Letzte sein … wenn er sich beherrschen konnte … wenn er sich zwingen konnte zu warten, bis alle anderen erledigt waren.

Angst sei dein Begleiter: Thriller
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